L 9 U 4707/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 3575/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 4707/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 25. September 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Verletztengeld und Verletztenrente aufgrund eines Unfallereignisses am 20.01.2011 streitig.

Die 1960 geborene Klägerin ist seit 1996 als Biegerin bei der Firma P. H. GmbH Werkzeugbau in Wellendingen versicherungspflichtig beschäftigt. Am 20.01.2011 wurde sie um 12.00 Uhr auf dem Weg vom Produktionsgebäude zum Parkplatz durch den pendelnden Stützfuß oder den Balken der Schranke am Kopf getroffen. Dabei zog sie sich laut Bericht des Durchgangsarztes Dr. S. vom 21.01.2011 lokale Beschwerden des Schädels parietal rechts und - durch Schutzreflex - eine Schmerzhaftigkeit der Halsmuskulatur rechts zu. Frische knöcherne Verletzungen wurden bei der Röntgenuntersuchung nicht festgestellt. Als Diagnose gab Dr. S. eine Schädelprellung an und ging von Arbeitsfähigkeit aus. In der Folge stellte er eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 24.01.2011 bis zum 27.01.2011 aus. Arbeitsfähigkeit wurde ab dem 31.01.2011 attestiert. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. S. stellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bis zum 07.05.2011 aus. Am 09.05.2011 nahm die Klägerin die Arbeit wieder auf.

Aufgrund von Schmerzen "von rechts temporal hinter das Ohr ziehend" wurde die Klägerin am 16.02.2011 von der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie S. untersucht. Mit Ausnahme eines leicht verlangsamten EEG wurde ein pathologischer Befund nicht erhoben, eine Computertomographie wurde empfohlen (Bericht vom 22.02.2011). Am 02.03.2011 wurde durch das Radiologische Zentrum Rottweil eine Computertomographie durchgeführt, bei der sich ein unauffälliger Befund des Neurokraniums ergab (Bericht vom 03.03.2011).

Mit Schreiben vom 26.09.2012 wandte sich die Klägerin, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigte, an die Beklagte und teilte mit, sie führe beim Arbeitsgericht Freiburg einen Rechtsstreit wegen der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, der gemäß § 108 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) ausgesetzt worden sei. Sie beantragte die Anerkennung des Unfallgeschehens vom 20.01.2011 als Arbeitsunfall und die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

Die Beklagte holte bei dem Facharzt für Chirurgie Prof. Dr. B. die beratungsärztliche Stellungnahme vom 29.04.2013 ein. Dieser befürwortete das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit für maximal drei Wochen nach dem Unfall und sah die darüber hinaus gehende Arbeitsunfähigkeit nicht als unfalladäquat an.

Mit Bescheid vom 04.06.2013 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 20.01.2011 als Arbeitsunfall an; unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe maximal für die Dauer von drei Wochen vorgelegen. Die von Dr. S. attestierte Arbeitsunfähigkeit erscheine rückwirkend etwas kurz; in ähnlich gelagerten Fällen liege eine Arbeitsunfähigkeitsdauer von bis zu maximal drei Wochen vor. Die darüber hinaus gehende Arbeitsunfähigkeit sei nicht unfalladäquat.

Zur Begründung ihres hiergegen eingelegten Widerspruchs trug die Klägerin vor, die Schädelprellung habe erhebliche Schmerzen im Bereich der rechten Gesichtshälfte, des rechten Auges und der rechten Schulter sowie Kopfschmerzen verursacht. Sie sei bis zum 09.05.2011 arbeitsunfähig krank gewesen. Auch darüber hinaus bis zum jetzigen Zeitpunkt sei sie an keinem Tag beschwerdefrei gewesen. Der Verdacht auf einen Bandscheibenvorfall im Nacken habe sich nicht bestätigt. Noch Anfang Juli 2011 sei ein Halswirbelsäulensyndrom diagnostiziert worden. Bis zu dem Unfall habe Beschwerdefreiheit bestanden. Ungeachtet der degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule seien die Beschwerden dem Unfallereignis zuzurechnen. Ihr stehe Verletztengeld zu; es sei auch zu prüfen, inwieweit Verletztenrente in Betracht komme. Ferner legte sie Befundberichte des radiologischen Zentrums Rottweil vom 13.07.2011 und des Orthopäden Dr. M. vom 27.06.2011 vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.11.2013 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, es habe ein degeneratives Halswirbelsäulensyndrom mit ausgeprägter Osteochondrose und Spondylose vorbestanden. Es bestehe ein rein zufälliger Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Beschwerden. Die vorliegenden Krankheitsbilder seien nicht dem Unfallgeschehen anzulasten. Arbeitsunfähigkeit habe maximal drei Wochen bestanden. Anspruch auf Verletztenrente bestehe nicht, da keine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 20 v.H. anzunehmen und die Veränderungen degenerativ seien. Ausweislich der ersten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von Dr. S. vom 24.01.2011 habe die Klägerin unfallbedingt eine "oberflächliche Verletzung des Kopfes" erlitten. Die wegen dieser Unfallfolgen bestehende MdE sei mit unter 20 v.H. zu bewerten.

Hiergegen hat die Klägerin am 23.12.2013 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben, mit der sie die Gewährung von Verletztengeld und Verletztenrente geltend gemacht und zur Begründung ihren bisherigen Vortrag wiederholt und vertieft hat.

Im Rahmen der Beweisaufnahme hat das SG die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen gehört und ein Gutachten bei dem Arzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. G. eingeholt.

Der Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. M. hat unter dem 25.04.2014 über Behandlungen am 27.06.2011 und am 22.07.2011 berichtet. Die Hauptbeschwerden entsprächen einem Halswirbelsäulensyndrom bei deutlich degenerativen Wirbelsäulenveränderungen. Im Rahmen der Schädelprellung sei es sicherlich auch zu einer leichten Stauchung der Halswirbelsäule gekommen. Die Gewalteinwirkung würde er eher als gering einschätzen, da nach dem D-Arzt-Bericht keine Verletzung der Haut vorgelegen habe. Die degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule bestünden sicherlich bereits längere Zeit und seien durch die Verletzung symptomatisch geworden. Es bestehe ein zufälliger zeitlicher Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Beschwerden. In seiner Auskunft vom 30.10.2014 hat Dr. S. über häufige und wiederkehrende Behandlungen wegen Kopfschmerzen, Halswirbelsäulenbeschwerden und Tinnitus seit Januar 2011 bis September 2014 berichtet. Er hat ausgeführt, bereits vor dem Unfallereignis hätten immer wieder Behandlungen wegen vertebragener Beschwerden durchgeführt werden müssen. Die Chronifizierung sei aber definitiv erst nach dem Unfallereignis eingetreten. Es liege posttraumatisch ein chronifiziertes rechtsbetontes Cervico-Kephalgie-Syndrom vor. Seiner Auskunft hat er Berichte des Radiologen Dr. O. vom 30.10.2009 über eine computergesteuerte Osteodensitometrie am 29.10.2009, des Radiologen Dr. M. vom 29.09.2008 über eine Kernspintomographie der Halswirbelsäule am 26.09.2008, des Arztes für Radiologie und Nuklearmedizin Dr. S. vom 28.09.2007 über eine Röntgenuntersuchung der Halswirbelsäule und des Radiologen Dr. H. vom 18.10.2007 über eine Computertomographie der Halswirbelsäule am 17.10.2007 sowie einen Kurzarztbrief der Gesundheitszentren Landkreis R. vom 19.11.2007, in dem als Diagnosen u.a. eine hyperostotische Unkovertebralarthrose C4-C7 angegeben wird, beigefügt.

Dr. G. hat in seinem Gutachten vom 13.03.2015 nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 09.03.2015 angegeben, es fänden sich endgradige Funktionseinschränkungen der Halswirbelsäule bei vorbestehenden erheblichen und nachgewiesenen degenerativen Veränderungen. Die geklagten Beschwerden, wie Kopfschmerzen, ziehende Schmerzen von der Halswirbelsäule in die rechte Schulter, den rechten Rücken, den unteren Thorax bis zur Hüfte seien mit der Schwere des abgelaufenen Traumas nicht in Einklang zu bringen. Unfallunabhängig seien auch lumbalgieforme rechtsbetonte Beschwerden. Die Gesundheitsstörungen seien nicht mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen, sondern im Wesentlichen vorbestehend. Die Arbeitsunfähigkeit ende am vom Durchgangsarzt festgelegten Termin. Es sei möglich, dass die Beschwerden nach dem Trauma stärker empfunden würden. Hierzu sei ein psychosomatisches Zusatzgutachten zu erwägen.

Nach vorheriger Anhörung hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 25.09.2015 abgewiesen. Die Klägerin habe unstreitig am 20.01.2011 einen Arbeitsunfall erlitten. Es bestehe jedoch kein Anspruch auf Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung über den Ablauf der dritten Woche nach dem Unfall hinaus. Die - näher dargelegten - Voraussetzungen für die Gewährung von Verletztengeld und Verletztenrente seien nicht erfüllt. Aus dem Gutachten von Dr. G. und der beratungsärztlichen Stellungnahme von Prof. Dr. B. ergebe sich, dass die nach dem Unfall eingetretenen und anhaltenden Beschwerden vorwiegend den Vorschäden zuzurechnen seien und das Unfallereignis in den Hintergrund trete. Der zeitliche Zusammenhang sei zur Begründung der Kausalität allein nicht ausreichend. Der Unfall mit eher geringer Schädigung stelle eine rechtlich nicht beachtliche Gelegenheitsursache dar.

Gegen den am 30.09.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 30.10.2015 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, sie sei über drei Wochen nach dem Unfall hinaus arbeitsunfähig gewesen; sie habe Anspruch auf Leistungen. Dr. G. habe ausgeführt, dass es zu einer Verschlimmerung der vorbestehenden degenerativen Veränderungen gekommen sei. Die ergebe sich auch aus der Stellungnahme des Hausarztes Dr. S ... Die subjektiv stärkere Empfindung sei unfallbedingt.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 25. September 2015 und den Bescheid der Beklagten vom 4. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. November 2013 insoweit aufzuheben, als die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin über einen Zeitraum von drei Wochen über den Arbeitsunfall vom 20. Januar 2011 hinaus nicht als unfallbedingt anerkannt wird und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Leistungen aus dem Arbeitsunfall vom 20. Januar 2011 nach den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt zur Begründung vor, ein rein zeitlicher Zusammenhang begründe keine Kausalität im Rechtssinne, auch wenn kein konkurrierender Ursachenfaktor vorliege. Die positive, begründete Feststellung des Ursachenzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden fehle. Eine Erkrankung aus dem psychiatrischen Formenkreis sei bislang nicht als Unfallfolge geltend gemacht worden. Wie man Schmerz empfinde oder auf eine Erkrankung reagiere, sei für sich genommen keine eigenständige Erkrankung.

Im Rahmen eines Erörterungstermins am 15.07.2016 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist aber nicht begründet.

Soweit die Klägerin sinngemäß die Anerkennung von Arbeitsunfähigkeit über den Zeitraum vom drei Wochen nach dem 20.01.2011 hinaus begehrt, ist die Klage bereits unzulässig, Ein berechtigtes Feststellungsinteresse an der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit besteht nicht. Dies wäre eine unzulässige Elementenfeststellung (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 55 Rdnr. 9), welche gegenüber der im Wege der Anfechtungs- und Leistungsklage geltend zu machenden Erstattung konkreter Behandlungskosten oder Zahlung von Verletztengeld subsidiär ist.

Soweit die Klägerin die Gewährung von Leistungen aus dem Arbeitsunfall vom 20.01.2011 nach den gesetzlichen Bestimmungen beantragt hat, ist das Begehren sachdienlich dahingehend auszulegen, dass sie die Gewährung von Verletztengeld ausgehend von einer bis zum 09.05.2011 bestehenden Arbeitsunfähigkeit und die Gewährung von Verletztenrente begehrt. Dies ergibt sich hinreichend deutlich aus dem Vorbringen im Verwaltungs- und Klageverfahren. Die hinsichtlich der Gewährung von Verletztengeld und Verletztenrente als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage erhobene Klage ist gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG statthaft und auch sonst zulässig. In dem angefochtenen Bescheid vom 04.06.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.11.2013 wird das Ereignis vom 20.01.2011 als Arbeitsunfall anerkannt, die beantragten Leistungen in Form von Verletztengeld und Verletztenrente aber ausdrücklich abgelehnt. Die in Rede stehenden Leistungen sind im Verwaltungsverfahren von der Klägerin beantragt und von der Beklagten konkret und für den Empfänger der Bescheide erkennbar geprüft worden. Bei dieser Sachlage konnte für einen verständigen Empfänger der Bescheide kein Zweifel bestehen, dass die Beklagte auch über etwaige Leistungsansprüche entscheiden wollte.

Die Klage ist aber unbegründet. Die Klägerin hat - über die Dauer von drei Wochen nach dem Unfall hinaus - keinen Anspruch auf Verletztengeld und keinen Anspruch auf Verletztenrente, da sie jedenfalls nach Ablauf von drei Wochen nach dem Unfall nicht mehr infolge ihrer bei dem Arbeitsunfall erlittenen Verletzungen an der Verrichtung ihrer Arbeitstätigkeit gehindert war und eine MdE von 20 aufgrund der Unfallfolgen nicht besteht.

Verletztengeld wird gemäß § 45 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) erbracht, wenn Versicherte infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind oder wegen einer Maßnahme der Heilbehandlung eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben können und unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Heilbehandlung u.a. Anspruch auf Arbeitsentgelt hatten. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, § 7 Abs. 1 SGB VII. Nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII werden Renten an Versicherte von dem Tag an gezahlt, an dem der Anspruch auf Verletztengeld endet.

Die Klägerin erlitt am 20.01.2011 einen Versicherungsfall in Form eines Arbeitsunfalls, als sie auf dem Weg von der Arbeit zum Parkplatz der pendelnde Stützfuß oder der Balken der Schranke am Kopf traf und sie sich dabei eine Schädelprellung zuzog. Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind hierbei zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder dem Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Versicherte Tätigkeit ist gemäß § 8 Abs. 2 Ziff. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Der Weg von der Produktionshalle zum Parkplatz ist damit Teil ihrer versicherten Tätigkeit. Wesentlich für den Begriff des Unfalls sind ein ("äußeres") Ereignis als Ursache und eine Körperschädigung als Wirkung. Vorliegend zog sich die Klägerin durch den Aufprall der Schranke eine Schädelprellung zu.

Die Beklagte hat zu Recht lediglich für die Dauer von drei Wochen nach dem Unfallereignis Arbeitsunfähigkeit anerkannt. Die bei der Klägerin nach dem Ablauf von drei Wochen vorliegenden Gesundheitsstörungen sind nicht mehr auf den Arbeitsunfall vom 20.01.2011 zurückzuführen. Die sich aus den unfallbedingten Gesundheitsschäden ergebende MdE beträgt keine 20 v.H.

Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein. Dies bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden kann (BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84, Juris). Dagegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung, sogenannte haftungsbegründende Kausalität, sowie zwischen der Einwirkung und der Erkrankung, sog. haftungsausfüllende Kausalität, eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 18.01.2011, B 2 U 5/10 R, Juris). Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ist dann anzunehmen, wenn bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spricht, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (BSG, Urteil vom 18.01.2011, a.a.O.). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte ableitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen somit zu Lasten des jeweiligen Klägers (BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90, Juris).

Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung. Diese setzt zunächst die Verursachung der weiteren Schädigung durch den Gesundheitserstschaden im naturwissenschaftlich-naturphilosophischen Sinne voraus. Ob die Ursache-Wirkung-Beziehung besteht, beurteilt sich nach der Bedingungstheorie. Nach ihr ist eine Bedingung dann notwendige Ursache einer Wirkung, wenn sie aus dem konkret vorliegenden Geschehensablauf nach dem jeweiligen Stand der einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse (Erfahrungssätze) nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Auf dieser ersten Stufe sind alle derartigen notwendigen Bedingungen grundsätzlich rechtlich gleichwertig (äquivalent). Alle festgestellten anderen Bedingungen, die in diesem Sinn nicht notwendig sind, dürfen hingegen bei der nachfolgenden Zurechnungsprüfung nicht berücksichtigt werden (BSG, Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R, Juris).

Ist der Gesundheitserstschaden in diesem Sinne eine notwendige Bedingung des weiteren Gesundheitsschadens, wird dieser ihm aber nur dann zugerechnet, wenn er ihn wesentlich (ausreichend: mit-) verursacht hat. Wesentlich ist der Gesundheitserstschaden für den weiteren Gesundheitsschaden nach der in der Rechtsprechung gebräuchlichen Formel, wenn er eine besondere Beziehung zum Eintritt dieses Schadens hatte (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R, Juris).

Nach diesen Maßstäben sind die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen nicht mit Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 20.01.2011 zurückzuführen, sondern im Wesentlichen auf unfallunabhängige, vorbestehende Erkrankungen.

Bei der Klägerin bestehen eine endgradige Einschränkung der Halswirbelsäule und Beschwerden in Form von Kopfschmerzen und ziehenden Schmerzen von der Halswirbelsäule in die rechte Schulter, den rechten Rücken und den unteren Thorax bis zur Hüfte.

Die geklagten Beschwerden sind - nach Ablauf von drei Wochen nach dem Unfall vom 20.01.2011 - nicht mehr mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich ursächlich auf das Unfallereignis und den Erstschaden Schädelprellung zurückzuführen.

Der Senat stützt seine Überzeugung auf das Gutachten von Dr. G. und die Stellungnahme des Beratungsarztes Prof. Dr. B ...

Gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht bereits, dass die nach dem Unfall aufgetretenen Beschwerden nicht mit der Schwere des abgelaufenen Traumas in Einklang zu bringen sind. Das Trauma kann aufgrund der dokumentierten Verletzungen nicht schwerwiegend gewesen sein. Durch den Aufprall der Absperrschranke wurde ausweislich des D-Arzt-Berichts vom 21.01.2011 lediglich eine Schädelprellung verursacht. Sichtbare Verletzungsfolgen im Sinne einer Wunde oder eines Hämatoms werden nicht beschrieben. Anzeichen für eine stattgehabte Commotio cerebri sind nicht vorhanden. Frische knöcherne Verletzungen konnten durch eine Röntgenuntersuchung ausgeschlossen werden. Dass es sich lediglich um eine geringe Gewalteinwirkung handelte, wird sowohl durch Dr. M. in seiner Auskunft vom 25.04.2014 als auch durch Dr. G. bestätigt.

Darüber hinaus sind die Gesundheitsstörungen auch im Wesentlichen vorbestehend. Zwar hat die Klägerin wiederholt ausgeführt, es seien erstmals nach dem Unfall Beschwerden am Kopf und im Hals- und Nackenbereich aufgetreten und frühere Beschwerden hätten allein den unteren Rücken betroffen. Dieses Einlassung wird durch die Aussagen der behandelnden Ärzte, das Gutachten von Dr. G. und die vorliegenden Befundberichte widerlegt. Dr. M. führt aus, dass die vorliegenden degenerativen Veränderungen sicherlich bereits längere Zeit bestanden hätten. Auch der Hausarzt der Klägerin Dr. S. bestätigt für die Zeit vor dem Unfallereignis immer wieder Behandlungen wegen des Cervical-Syndroms mit Cervico-Kaphalgien sowie Cervico-Brachialgien und vertebragener Beschwerden. Die vertrebragenen Beschwerden seien auf den Brust- und Lendenwirbelsäulenbereich fokussiert gewesen, es seien aber auch immer wieder Beschwerden von Seiten der Halswirbelsäule vorgetragen worden. Aufgrund dieser Beschwerden wurde am 17.10.2007 eine Computertomographie und am 26.09.2008 eine Kernspintomographie der Halswirbelsäule veranlasst. Bei der Computertomographie zeigten sich ausweislich des Befundberichts vom 18.10.2007 Osteochondrosen C4-C7 und Diskopathien der Bandscheiben C4-C7, hyperostotische Unkovertebralarthrosen C4-C7 mit linksbetonter absoluter Neuroforamenstenose C5/C6 und C6/C7 links sowie relativen Foramenstenosen C4/C5 und C5/C6 rechts sowie eine Retrospondylose C5/C6. Die hyperostotische Unkovertebralarthrose C4-C7 wurde bereits im Kurzarztbrief der Gesundheitszentren Landkreis Rottweil vom 19.11.2007 mitgeteilt. Bei der Kernspinuntersuchung am 26.09.2008 wurden Osteochondrosen mit flachen Dorsospondylosen und dorsalen Bandscheibenprotrusionen sowie ausgeprägten Unkarthrosen im Bereich C3-C7 beidseits festgestellt. Er zeigte sich eine mäßige Spinalkanalstenosierung in Höhe C4/C5 und C5/C6 sowie eine geringere Spinalkanalstenosierung in Höhe C6/7. Die Angaben der Klägerin, zuvor nie Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule gehabt zu haben, sind durch die vorliegenden Befundberichte damit eindeutig widerlegt. Dr. G. weist daher zutreffend darauf hin, dass die durch die Radiologen beschriebenen Veränderungen vorbestehend und als Vorbefund symptomatisch geworden sind, da ansonsten die Untersuchungen nicht veranlasst worden wären.

Insgesamt hält der Senat es deswegen nicht für hinreichend wahrscheinlich, dass durch den Arbeitsunfall die durch die Klägerin geklagten Beschwerden eingetreten sind. Der Senat folgt vielmehr der Einschätzung von Dr. G. und Dr. M., wonach es durch die leichte Traumatisierung im ersten Schreckmoment zu einer ruckartigen Bewegung der Halswirbelsäule im Sinne eines Schutzreflexes und dadurch zu einer vorübergehenden Verschlimmerung des vorbestehenden Leidens gekommen ist, die jetzt geklagten Beschwerden, die sich vor allem auf den Hals-Nacken-Bereich beziehen, ihre Ursache aber in den vorbestehenden sehr ausgeprägten Veränderungen der Halswirbelsäule haben.

Aus den Ausführungen von Dr. S., wonach eine Chronifizierung erst nach dem Unfall eingetreten sei, folgt keine andere Beurteilung. Dr. G., Prof. Dr. B. und Dr. M. führen insoweit schlüssig und nachvollziehbar aus, das die nach dem Unfall eingetretenen und anhaltenden Beschwerden vorwiegend den Vorschäden zuzurechnen sind und das Unfallereignis in den Hintergrund tritt. Allein der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Beginn der anhaltenden Beschwerden und dem Unfallereignis ist zur Begründung der Kausalität nicht ausreichend, sondern, wie Dr. M. ausführt, rein zufällig.

Der vorübergehenden und auf den Unfall zurückzuführenden Verschlechterung wurde durch die für die Dauer von drei Wochen anerkannte Arbeitsunfähigkeit ausreichend Rechnung getragen, zumal Dr. G. als Ende der Arbeitsunfähigkeit den von Dr. S. angenommenen Termin (27.01.2011) als ausreichend angesehen hat.

Der Senat sah sich nicht zu weiteren Ermittlungen auf psychosomatischem oder psychiatrischem Fachgebiet veranlasst. Eine Erkrankung aus dem psychiatrischen Formenkreis wurde seitens der Klägerin nicht geltend gemacht.

Die danach als Unfallfolge allein zu berücksichtigende Schädelprellung rechtfertigt keine MdE von 20 v.H.; die MdE ab dem 09.05.2011 ist, wie Dr. G. ausführt, mit unter 20 v.H. zu bewerten. Ein Anspruch auf Verletztenrente besteht daher nicht.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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