S 2 SO 49/16 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 2 SO 49/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe:

I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen der Grundsicherung zum laufenden Lebensunterhalt nach dem SGB XII.

Der am 00.00.1943 geborene Antragsteller reiste am 11.02.2015 in die Bundesrepublik ein. Er stellte am 15.07.2015 einen Asylantrag, den er jedoch auf die bloße Anerkennung internationalen Schutzes (Flüchtlingseigenschaft und subsidiärer Schutz) im Sinne des § 1 Abs.1 Nr. 2 AsylVfG beschränkte. Im Rahmen seiner Einreise wurde zugunsten des Antragstellers eine Verpflichtungserklärung nach §§ 66 ff. Aufenthaltsgesetz von Angehörigen, die schon in Deutschland lebten, abgegeben. Er ist derzeit im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz. Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 15.10.2015 wurde er als Flüchtling anerkannt.

Der Antragsteller beantragte bei der Antragsgegnerin laufende Grundsicherungsleistungen. Mit Bescheid vom 23.02.2016 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag ab. Die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft genüge insoweit nicht. Dagegen erhob der Antragsteller unter dem 07.03.2016 Widerspruch.

Der Antragsteller begehrt nun einstweiligen Rechtsschutz. Ein Abwarten der Hauptsache sei ihm unzumutbar. Seine Verwandten seien auf die Mieteinnahmen angewiesen.

Der Antragsteller beantragt,

ihm, vorläufig, unter dem Vorbehalt der Rückforderung, ab dem 25.02.2016 für die Dauer von sechs Monaten Leistungen nach dem SGB XII - längstens jedoch bis zur Entscheidung in der Hauptsache - nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Der Antragsteller sei aufgrund der Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz leistungsberechtigt nach dem Asylbewerberleistungsgesetzt. Daher sei der Anwendungsbereich des SGB XII ausgeschlossen. Im Übrigen fehle es inhaltlich am Vorliegen der Bedürftigkeit, da eine Verpflichtungserklärung nach § 66 Aufenthaltsgesetz zugunsten des Antragstellers abgegeben worden sei und auch erfüllt werde.

Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.

Gemäß § 86 b Abs. 2 S. 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einst-weilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus.

Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung derart, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 8. Auflage, § 86 b Rdnrn. 27 und 29 m. w. N.). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an einen Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssen sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. zuletzt Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05). Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 86 b Abs. 2 S. 4 SGG glaubhaft zu machen. Die Glaubhaftmachung bezieht sich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes (vgl. Meyer-Ladewig, a. a. O., Rdnrn. 16 b, 16 c, 40).

Es fehlt hier offensichtlich an einem Anordnungsanspruch gegenüber der Antragsgegnerin im Sinne der Eilbedürftigkeit. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihm schwere unzumutbare Nachteile durch das Abwarten des Verfahrensganges drohen würden. Vielmehr gibt es eine Verpflichtungserklärung nach §§ 66 ff. AufentG, in der sich seine Verwandten zu seiner Versorgung verpflichtet haben. Diese Verpflichtung wird auch erfüllt. Dass die Verwandten nun als Vermieter auftreten und auf ihre Mieteinnahmen warten, stellt keinen schweren, unzumutbaren Nachteil für den Antragsteller dar. Würden die Angehörigen das Mietverhältnis lösen, müssten sie aufgrund der Verpflichtungserklärung anderweitig für die Grundsicherung und Unterkunft des Antragstellers einstehen. Wer sich der Ausländerbehörde oder einer Auslandsvertretung gegenüber verpflichtet hat, die Kosten für den Lebensunterhalt eines Ausländers zu tragen, hat gemäß § 68 Abs.1 AufentG sämtliche öffentlichen Mittel zu erstatten, die für den Lebensunterhalt des Ausländers einschließlich der Versorgung mit Wohnraum und der Versorgung im Krankheitsfalle und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden, auch soweit die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch des Ausländers beruhen. Ferner wäre unter Verwandten gerader Linie auch noch die Unterhaltspflicht aus § 1601 BGB zu beachten. Tatsächlich erhält der Antragsteller aktuelle Leistungen seiner Verwandten aus der Verpflichtungserklärung. Schon deshalb greift hier der Grundsatz der Subsidiarität der Sozialhilfe.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG in entsprechender Anwendung. Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, erhält gemäß § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Im vorliegenden Verfahren bestand keine hinreichende Erfolgsaussicht, wie sich aus den oben dargelegten Entscheidungsgründen ergibt.
Rechtskraft
Aus
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