Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 9 KR 789/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Der Streitwert wird auf 65.573,48 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die klagende Krankenkasse von dem beklagten Krankenhausträger die Kosten für eine bereits vergütete Krankenhausbehandlung zurückfordern kann.
Die bei der klagenden Krankenkasse gesetzlich krankenversicherte Frau R. Sch. (nachfolgend: Versicherte) litt an Leukämie, welche erstmalig im Jahr 2006 diagnostiziert wurde. Trotz andauernder chemotherapeutischer Behandlung bildeten sich in den Jahren 2006 bis 2008 immer wieder neue Remissionen. Im Oktober 2008 wurde bei der Versicherten ein neues Rezidiv festgestellt. Die Klägerin begab sich daher in der Zeit vom 30.10.2008 bis 14.12.2008 in das Krankenhaus des beklagten Krankenhausträgers. Dort entschied man sich für einen kurativen Behandlungsansatz durch eine Blutstammzellentherapie. Die Versicherte wurde am 14.12.2008 bis zum Abschluss der Suche nach einem passenden Fremdstammzellenspender entlassen. Bei Entlassung waren die Infektparameter fallend.
Am 15.12.2008 erfolgt eine ambulante Untersuchung der Versicherten im Krankenhaus der Beklagten. Die Versicherte habe angegeben, sich schlapp zu fühlen; Husten und Dyspnoe wurden jedoch verneint.
Am 16.12.2008 wurde die Versicherte, nachdem zwischenzeitlich ein passender Fremdstammzellenspender gefunden werden konnte, zur Durchführung der allogenen Stammzellentransplantation wieder stationär aufgenommen. Am Aufnahmetag konnte laborchemisch eine diskrete Erhöhung der Infektparameter mit fallender Tendenz festgestellt werden (CRP noch 2,3 mg/dl). Radiologisch bestand in der konventionellen Röntgenaufnahme des Thorax kein Hinweis auf disseminierte Infiltrate oder auf eine Pneumonie. Vor Beginn der Konditionierungstherapie wurden die weiteren Voruntersuchungen durchgeführt. Spiroergeometrisch konnte dabei eine mittelgradige Obstruktion und ein leichtgradiges Emphysem nachgewiesen werden. Zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme war der körperliche Befund der Versicherten laut Aufnahmebogen stabil und der Allgemeinzustand ausreichend gewesen. Der Ernährungszustand war etwas reduziert (172 cm, 62 kg). Die Versicherte habe keinen Husten, keinen Auswurf und keine neu auftretenden Beschwerden geäußert. In der körperlichen Untersuchung der Versicherten habe sich kein Hinweis auf einen verbleibenden Infektfokus gefunden; es habe sich auskultatorisch kein Hinweis auf eine Pneumonie ergeben. Die Behandler des Krankenhauses der Beklagten begannen daher mit der Blutstammzellentransplantation. Im Rahmen der stationären Behandlung bildete sich eine Lungenentzündung beider Lungenflügel, die eine Sepsis zur Folge hatte, an deren Folgen die Versicherte am 26.12.2008 verstarb.
Mit Rechnung vom 31.12.2008 stellte die Beklagte einen Betrag in Höhe von 64.092,79 EUR in Rechnung. Unter dem 28.01.2009 stellte sie zudem weitere 1.480,69 EUR in Rechnung. Zur Abrechnung wurde die Diagnosis Related Group (DRG) A04C gestellt.
Die Beklagte glich den Rechnungsbetrag über insgesamt 65.573,48 EUR aus und beauftragte den medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Nordrhein mit einer Fallbegutachtung.
Unter dem 01.07.2010 stellte sich die MDK-Beratungsärztin Dr. Sch. auf den Standpunkt, dass der schlechte Allgemeinzustand der Versicherten einer Stammzellentherapie im Wege gestanden habe. Abrechenbar sei lediglich eine Chemotherapie, welche lediglich Kosten in Höhe von rund 13.000 EUR verursacht hätte. Zur Abrechnung hätte mithin lediglich die DRG R60C kommen dürfen.
Die Klägerin wies die Beklagte auf das Ergebnis der MDK-Begutachtung mit Schreiben vom 09.07.2010 hin und forderte die Beklagte zur Rückzahlung eines Betrages in Höhe von 52.107 90,32 EUR mit Fristsetzung zum 11.08.2010 auf. Mit Schreiben vom 10.08.2010 erinnerte sie an ihr Anliegen. Nachdem die Beklagte ein Widerspruchsschreiben verfasste, holte die Klägerin ein Widerspruchsgutachten der MDK-Beratungsärztin Dr. Sch. vom 15.10.2010 ein, welche bei ihrer Auffassung verblieb und zugleich ein Begutachtung durch das Kompetenzzentrum für Onkologie (KCO) des MDK veranlasste. Die Ärztin für internistische Onkologie Dr. N.- H. vom KCO bestätigte mit Gutachten vom 20.10.2010 die Ersteinschätzung der MDK-Beratungsärztin Dr. Sch ... Die sich mit weiterem Gutachten vom 28.01.2011 der Einschätzung des KCO anschloss. Die Blutstammzellentransplantation sei bei der Versicherten wegen des äußerst kritischen Zustandes und der schlechten Prognose medizinisch nicht vertretbar gewesen. Von daher sei von einer primären Fehlbelegung auszugehen.
Gestützt hierauf machte die Klägerin in der Folgezeit ebenfalls eine primäre Fehlbelegung geltend und forderte den vollen Rechnungsbetrag in Höhe von 65.573,48 EUR von der Beklagten zurück.
Nachdem die Beteiligten außergerichtlich keine Einigung erzielen konnten, reichte die Klägerin am 19.12.2011 Klage ein. Zur Begründung wiederholt und vertieft die Klägerin ihr vorgerichtliches Vorbringen. Als kurativer Ansatz sei angesichts des schlechten Allgemeinzustandes der Klägerin allenfalls eine Rezidivchemotherapie zulässig gewesen. Die von der Klinik der Beklagten durchgeführte Stammzellentherapie sei mit einem viel größeren Risiko des Versterbens verbunden gewesen als eine Chemotherapie. Angesichts des eingeschränkten Allgemeinzustandes der Versicherten sei eine qualitativ medizinische Versorgung im häuslichen Umfeld vorrangig gewesen, so dass weiterhin von einer primären Fehlbelegung auszugehen sei.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 65.573,48 EUR nebst zwei Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 10.03.2011 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie macht geltend, dass die von ihr gewählte Therapiealternative die einzige kurativ verbliebene Therapieoption gewesen sei. Der MDK und das Kompetenzzentrum Onkologie des MDK stellten in unzulässiger Weise auf eine ex-post-Betrachtung des Behandlungsgeschehens ab. Entscheidend sei aber die vor Behandlungsbeginn bestehende Gesundheitsverfassung der Versicherten. Ausgehend hiervon sei eine Kontraindikation für die von der Beklagten gewählte Blutstammzellentransplantation nicht gegeben. Insbesondere habe sich eine Lungenentzündung und Sepsis erst im späteren Behandlungsverfahren eingestellt. Nachdem der Gesundheitszustand der Klägerin sich verschlechterte war die Konditionierungsmaßnahme aber so weit vorangeschritten, dass ein Abbruch der Behandlung bis zum Tod der Versicherten nicht mehr möglich gewesen sei.
Das erkennende Gericht hat auf Empfehlung der Ärztekammer Nordrhein ein internistisch-/ hämatoonkologisches Fachgutachten des Herrn Prof. Dr. H. vom 20.01.2014 nebst ergänzender Stellungnahme vom 11.09.2015 eingeholt. Auf das Ergebnis der Begutachtung wird Bezug genommen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die von der Klägerin vorgelegte Verwaltungsakte sowie die Patientenakte der Versicherten Bezug genommen. Der Inhalt dieser Akten war Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die Klägerin hat mit der erhobenen echten Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die richtige Klageart gewählt. Ein Verwaltungsakt konnte nicht ergehen, weil die Klägerin und die Beklagte sich gleichgeordnet gegenüberstehen. Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten (vgl. hierzu statt aller: Bundessozialgericht – BSG, Urteil vom 18.09.2008 – B 3 KR 15/07 R).
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung von 65.573,48 EUR nebst Zinsen.
Als Rechtsgrundlage des streitgegenständlichen Zahlungsanspruchs kommt allein ein öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch in Betracht. Die sich aus der Erbringung von Leistungen für nach dem Sozialgesetzbuch, 5. Buch (SGB V) Versicherte ergebenden Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und als Leistungserbringer zugelassene Krankenhäuser sind öffentlich-rechtlicher Natur, vgl. § 69 Satz 2 SGB V. Bei derartigen öffentlich-rechtlich geprägten Rechtsbeziehungen tritt an die Stelle des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs nach § 812 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch. Der im öffentlichen Recht auch ohne ausdrückliche Normierung anerkannte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch (vgl. BSGE 16, 151, 156) setzt voraus, dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind (BSGE 16, 151, 156).
Die Klägerin hat der Beklagten aber die Krankenhausvergütung von insgesamt 65.573,48 EUR nicht ohne Rechtsgrund gezahlt, weil die Beklagte die zugunsten der Versicherten erbrachten Leistungen in dieser Höhe abrechnen durfte. Die konkrete Anspruchshöhe ergibt sich aus der hier abgerechneten DRG A04C und nicht aus der niedriger vergüteten DRG R60C. Erst recht liegt hier kein Fall der primären Fehlbelegung vor, weil die stationäre Behandlung erforderlich im Sinne von § 39 SGB V war.
Die Klägerin ist daher verpflichtet, die stationäre Krankenhausbehandlung ihrer zwischenzeitlich verstorbenen Versicherten im Krankenhaus der Beklagten vom 16.12.2008 bis 26.12.2008 zu vergüten. Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist (BSGE 70, 20, 22).
Die hier streitgegenständliche Fallpauschalenvergütung für Krankenhausbehandlung Versicherter in zugelassenen Einrichtungen ergibt sich gesetzlich aus § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 7 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG). Nach § 17b Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 KHG vereinbaren die Spitzenverbände der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam entsprechend den Vorgaben der Absätze 1 und 3 des § 17b KHG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als Vertragsparteien auf Bundesebene ein Vergütungssystem, das sich an einem international bereits eingesetzten Vergütungssystem auf der Grundlage der DRGs orientiert; nach dieser Vorschrift vereinbaren die Vertragspartner ferner die jährliche Weiterentwicklung und Anpassung des Vergütungssystems, insbesondere an medizinische Entwicklungen, Kostenentwicklungen, Verweildauerverkürzungen und Leistungsverlagerungen zu und von anderen Versorgungsbereichen, und die Abrechnungsbestimmungen, soweit diese nicht im KHEntgG vorgegeben werden. Sie orientieren sich dabei unter Wahrung der Qualität der Leistungserbringung an wirtschaftlichen Versorgungsstrukturen und Verfahrensweisen, § 17b Abs. 2 Satz 2 KHG.
Die vertraglichen Fallpauschalen ergeben sich daraus, dass die nach den aufgezeigten gesetzlichen Regelungen hierzu berufenen Vertragspartner eine Fallpauschalenvereinbarung (FPV) mit einem Fallpauschalen-Katalog als Teil derselben und Allgemeine und Spezielle Kodierrichtlinien für die Verschlüsselung von Krankheiten und Prozeduren (Deutsche Kodierrichtlinien [DKR]) vereinbart haben. DKR und FPV bilden den konkreten vertragsrechtlichen Rahmen, aus dem die für eine Behandlung maßgebliche DRG-Position folgt. Nach den aufgezeigten gesetzlichen Vorgaben und der FPV greifen das in der FPV in Bezug genommene DRG-Ermittlungsprogramm (Grouper), der Fallpauschalen-Katalog und die Kodierrichtlinien als vereinbarte Abrechnungsbestimmungen ineinander. Sie sind bei der Anwendung des Katalogs zugrunde zu legen. In Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrages haben nämlich die Parteien gemäß § 17b Abs. 2 KHG in Abschnitt 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 FPV 2008 zur Abrechnung von Fallpauschalen vereinbart: "Die Fallpauschalen werden jeweils von dem die Leistung erbringenden Krankenhaus nach dem am Tag der Aufnahme geltenden Fallpauschalen-Katalog und den dazu gehörenden Abrechnungsregeln abgerechnet." Die Regelung verweist nicht nur auf das Zusammenspiel von Fallpauschalen-Katalog und den dazu gehörenden Abrechnungsregeln, sondern legt zugleich den zeitlichen Anwendungsbereich von DKR und FPV fest. Dementsprechend sind im vorliegenden Fall die getroffenen Vereinbarungen zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2008 (FPV 2008) einschließlich der Anlagen und die von den Vertragspartnern auf Bundesebene getroffene Vereinbarung zu den DKR für das Jahr 2008 maßgebend.
Die normative Wirkung der FPV 2008 und der DKR 2008 für die Krankenkassen und Krankenhausträger beruht auf § 8 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG. Danach sind die Entgelte für allgemeine Krankenhausleistungen, wozu namentlich die Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog zählen (§ 7 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG), für alle Benutzer des Krankenhauses einheitlich zu berechnen. Ergänzend dazu sieht § 8 Abs. 2 Satz 1 KHEntgG vor, dass für die Behandlungsfälle die Fallpauschalen zu berechnen sind, die in dem Fallpauschalen-Katalog nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG bestimmt sind.
FPV und DKR weisen Besonderheiten auf, die sich auf die Rechtsanwendung und -kontrolle auswirken. FPV und DKR bilden nämlich nicht ein System von Pauschalen, das nach Art einer Gebührenordnung jeweils schriftlich fixierte, abstrakt umschriebene Behandlungstatbestände mit Abrechnungsvorgaben (z.B. Geldbeträgen oder Punktwerten) auf der Rechtsfolgenseite verknüpft, sodass der konkrete Behandlungsfall unter den Tatbestand zu subsumieren ist, vergleichbar der Subsumtion unter andere Rechtsnormen. Vielmehr umschreibt der vereinbarte Fallpauschalen-Katalog lediglich mit Buchstaben und Ziffern gekennzeichnete DRG-Positionen, deren zugehörige Bewertungsrelationen und weitere Angaben (z.B. zur Verweildauer), die für die Abrechnung von stationären Leistungen notwendig sind. Die textliche Bezeichnung beschreibt lediglich die verschlüsselte Position, umreißt aber keinen einer Auslegung als Basis und Ausgangspunkt zugrunde zu legenden subsumtionsfähigen Vergütungstatbestand. Welche DRG-Position - quasi als Folge für die Vergütungshöhe - abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich überhaupt nicht aus einem schriftlich festgelegten abstrakten Tatbestand, sondern aus der Eingabe von im Einzelnen von einem Programm vorgegebenen, abzufragenden Daten in ein automatisches Datenverarbeitungssystem und dessen Anwendung. Nach § 1 Abs. 6 Satz 1 FPV 2008 sind in diesem Sinne zur Einstufung des Behandlungsfalls in die jeweils abzurechnende Fallpauschale Programme (Grouper) einzusetzen. Zugelassen sind nur solche Programme, die von der InEK GmbH (nachfolgend I), einer gemeinsamen Einrichtung der in § 17b Abs. 2 Satz 1 KHG und § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG genannten Vertragspartner auf Bundesebene, zertifiziert worden sind. Der zertifizierte Grouper führt nach Eingabe der Daten einen automatisierten Subsumtionsvorgang durch. Er bewirkt damit eine rechnergestützte Rechtsanwendung. Die einzugebenden Diagnosen und Prozeduren sowie die sonstigen benötigten Sachverhaltsangaben - etwa das Alter des Patienten - sind als Tatsachen einem gerichtlichen Beweis zugänglich. Die automatisierte Subsumtion ist hingegen eine rechtliche Bewertung des Sachverhalts und als solche nicht einem medizinischen oder informationstechnischen Sachverständigengutachten zugänglich. Das Prozesshafte des Groupierungsvorgangs und seine Grundannahme, dass es für jede Behandlung nur eine richtige Eingabe und DRG-Position gibt, die bereits im zertifizierten Grouper durch den Algorithmus vorgezeichnet ist, bedeutet jedoch, dass die rechtlich verbindlichen Regelungen nicht in "klassischen" Vergütungstatbeständen abgebildet werden, die nach anerkannten Auslegungsmethoden weiter konkretisiert werden. Vielmehr beinhaltet der zertifizierte Grouper eine zwar endliche, in ihrer Differenzierungsstruktur klare, aber in ihrer Komplexität nur schwer überschaubare Vielzahl von derart detaillierten Vergütungstatbeständen, dass Tatbestand und rechtliche Auslegung in jedem Rechenprozess-Schritt bis zum Ergebnis zusammenfallen (vgl. BSG, Urteil vom 08.11.2011 – B 1 KR 8/11 R). Durch das umfangreiche Eingabeprogramm findet eine weitgehende Annäherung des Abstrakt-Generellen an das Konkret-Individuelle statt. Dies bedeutet zwar nicht, dass für jeden Patienten ein eigener Tatbestand geschaffen wird. Lediglich die Patienten mit identischen vergütungsrelevanten Sachverhalten bilden eine tatbestandlich zusammengefasste Gruppe. Die daraus erwachsende Vielzahl der Gruppen hat aber zur Folge, dass die Verfahrensbeteiligten, die sich auf einen bestimmten Programmablauf berufen, dem Gericht diesen Weg in allen Einzelheiten des Rechenprozesses darstellen müssen, wenn sich das Gericht nicht in der Lage sieht, den (prozesshaften) Tatbestand anhand der Definitionshandbücher nachzuverfolgen. Nicht die Definitionshandbücher, sondern allein die zertifizierten Grouper mit ihrem jeweiligen Rechenprogramm sind verbindlich vereinbart und entfalten normative Wirkung (BSG, a.a.O.).
Um effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, muss das Gericht den sachlichen, nicht notwendig detailliert den mathematischen Entscheidungsprozess nachvollziehen können, der nach der Sachverhaltseingabe im Rechnerprogramm abläuft, um zu einer Fallpauschale zu gelangen. Zugleich muss für das Gericht überprüfbar gemacht werden, welche Eingabe zu welchem Ergebnis führt. Das Gericht muss die mit der Eingabe verknüpften wesentlichen Entscheidungen nachvollziehen, denen der Datenverarbeitungsprozess mit Blick auf den Fallpauschalen-Katalog dient. In diesem Sinne muss es in den Entscheidungsgründen verdeutlichen, welche Gabelungen mit welchem Ergebnis der Grouper in dem Entscheidungsbaum "ansteuert", der dem Programm zugrunde liegt. In welcher Art und Weise die Eingaben in das Datensystem zu erfolgen haben, gibt nicht allein der Grouper durch die vorprogrammierten Abfragen mit genormten Antworten vor. Vielmehr regeln die FPV und die DKR konkrete Vorgaben für die Eingaben. So enthält Abschnitt 1 der FPV 2008 Abrechnungsbestimmungen für DRG-Fallpauschalen. Die DKR (2008) regeln Kodieranweisungen. Sie beeinflussen den Weg zur korrekten DRG an vielen verschiedenen Stellen des den Grouper steuernden Algorithmus. Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm greift dabei auf Dateien zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind (z.B. die Zuordnung von ICD 10-Diagnosen und Prozeduren zu bestimmten Untergruppen im zu durchlaufenden Entscheidungsbaum) oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu letzteren gehören die Fallpauschalen selbst, aber auch die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD) in der jeweiligen vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen deutschen Fassung sowie die Klassifikation des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssel als solche (OPS, hier in der Version 2008).
Die Verbindlichkeit der in dem jeweiligen Vertragswerk angesprochenen Klassifikationssysteme folgt allein aus dem Umstand, dass sie in die zertifizierten Grouper einbezogen sind. Die Rezeption der Klassifikationen richtet sich nach den jeweils für die zertifizierten Grouper geltenden Regelungen, hier der FPV 2008, nicht dagegen nach § 301 SGB V. Diese Norm regelt nicht die rechtliche Verbindlichkeit der Klassifikationssysteme für die Ermittlung der DRGs, sondern sieht Informationspflichten der Krankenhäuser, anderer stationärer Einrichtungen und der ermächtigten Krankenhausärzte gegenüber den Krankenkassen im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vor. Das DRG-Vergütungssystem ist demgegenüber nicht GKV-spezifisch geregelt, sondern erfasst alle Behandlungsfälle, namentlich auch die Selbstzahler.
Folge der aufgezeigten Besonderheiten von Fallpauschalen-Katalog und DKR ist zunächst wie dargelegt, dass der rechnergestützte Anwendungsprozess des Fallpauschalen-Katalogs vom Gericht nachvollziehbar gemacht werden und hierbei der einzugebende Sachverhalt festgestellt sein muss. Im Rahmen der Rechtsanwendungskontrolle bewirkt die vom Programm zugelassene virtuelle Tatbestandsvielfalt, dass für eine Auslegung des DRG-Algorithmus, also der geregelten Prozeduren zur Lösung der definierten Probleme des Fallpauschalen-Katalogs, nach juristischer Methodik kaum ein Anwendungsbereich verbleibt.
Die Anwendung der DKR und der FPV-Abrechnungsbestimmungen ist nicht automatisiert und unterliegt als Mitsteuerung der prozesshaften Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Die DKR sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen (BSG, a.a.O.). Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht. Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiter zu entwickelndes (§ 17b Abs. 2 Satz 1 KHG) und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (vgl. BSGE 107, 140).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze durfte die Beklagte die erfolgte stationäre Behandlung der Versicherten nach der DRG A04C abrechnen. Im Rahmen der schrittweisen Ermittlung der Basis-DRG führt hier die DKR 2008 zur Maßgeblichkeit der DRG A04C, weil aufgrund der Kodieranweisung Eingaben so vorzunehmen sind, dass der Grouper diese Einzel-DRG ansteuern muss.
Das Gericht folgt insoweit dem überzeugenden Gutachten des Hämatologen und Onkologen Prof. Dr. H. vom 20.01.2014, nebst ergänzender Stellungnahme vom 11.09.2015.
Soweit die Klägerin vorträgt, dass die von der Beklagten durchgeführte Fremdblutstammzellentransplantation aufgrund des äußerst kritischen Zustand der Klägerin und der damit verbundenen schlechten Heilungsprognose kontraindiziert gewesen sei, ist dem entgegenzuhalten, dass die von der Klägerin geltend gemachte Lungenentzündung und die hierdurch verursachte Sepsis mit Multiorganversagen sich erst im Laufe der stationären Behandlung eingestellt hatte. Der Krankheitsverlauf der Versicherten während der stationären Behandlung vom 16.12.2008 bis zum 26.12.2008 wird sehr anschaulich in dem Gutachten von Professor Dr. H. ab Seite 4 des Gutachtens dargestellt. Dabei ist hervorzuheben, dass der Allgemeinzustand der Versicherten - den Umständen entsprechend - bei Einweisung am 16.12.2008 als gut zu bezeichnen ist. Erst am 21.12.2008, mithin vier Tage vor dem Tod der Versicherten klagte die Versicherte erstmals über Dyspnoe, am Folgetag entwickelte sie erstmals Fieber und ein Anstieg der Infektparameter. Laut Visitendokumentation konnte zu diesem Zeitpunkt auskultatorisch kein Hinweis auf eine Pneumonie gefunden werden. Zudem habe die Versicherte zu diesem Zeitpunkt über keine Dyspnoe geklagt. Am 23.12.2008 konnten als mögliche Ursache des Fiebers konventionell-radiologisch beidseitig in der Lunge entzündliche Veränderungen festgestellt werden. Während die respiratorische Situation zunächst keine Verschlechterung aufwies, entwickelt die Versicherte hypotone Blutdruckwerte. Als weiteres Zeichen eines verschlechternden Kreislaufbildes kam es zu einer Verschlechterung der Gerinnungsparameter und einem Anstieg der Entzündungsparameter, sodass am 24.12.2008 die antimikrobielle Therapie erneut eskaliert wurde.
Festzustellen ist mithin, dass der Gesundheitszustand der Versicherten erst einen Tag vor dem Tod in dem äußerst kritischen Zustand war, den die Klägerin bereits ex-ante bei Einweisung der Versicherten am 16.12.2008 unterstellt. Für die Erforderlichkeit einer stationären Krankenhausbehandlung ist aber in ständiger Rechtsprechung nicht auf die nachträgliche Bewertung des Krankheitsverlaufs abzustellen sondern auf den Krankheitszustand wie er sich ("ex ante") bei Erstanamnese im Krankenhaus ergibt. In dem Zeitpunkt in dem es zum kritischen Zustand der Versicherten mit beiderseitiger Pneumonie und Sepsis gekommen war, war ein Abbruch der stationären Behandlung durch Blutstammzellentransplantation auch nicht mehr rückgängig zu machen ("point of no return"). Insoweit verweist Professor Dr. H. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 11.09.2005 darauf, dass die Behandlung fortgesetzt werden muss, wenn einmal mit der Vorbehandlung zur Transplantation - der so genannten Konditionierung - begonnen wurde. Ist ab einer gewissen Chemotherapiedosis mit der Gabe der Blutstammzellen angefangen worden, so ist in der Regel eine zwingende Notwendigkeit gegeben diese fortzusetzen, da ansonsten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Tod des Versicherten verursacht wird. Im konkreten Fall war zu konstatieren, dass zu dem Zeitpunkt, an dem sich der Zustand der Versicherten dramatisch verschlechterte, bereits mehrere Tage Konditionierungstherapie hinter ihr lagen und somit ein kompletter Abbruch der Behandlung nicht mehr möglich gewesen war. Daher war auch ein Abbruch der Stammzellentherapie am 15.12.2008 weder geboten noch medizinisch verantwortbar.
Bei hier gebotener ex ante Betrachtung ist zu konstatieren, dass bei der Versicherten vor Beginn der Konditionierungstherapie ein Wahrscheinlichkeit für das Gelingen der Transplantation bei etwa 10-15 % lag. Das Gericht folgt insoweit der fachkundigen Einschätzung von Professor Dr. H., die von der Klägerin in Bezug auf die Quantität der Erfolgswahrscheinlichkeit auch nicht bezweifelt wurde.
Bei einer Erfolgswahrscheinlichkeit eines kurativen Ansatzes von 10-15 % bei einer lebensbedrohlichen und regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung, geht das Gericht davon aus, dass ein Anspruch des Versicherten auf entsprechende Behandlung und folgerichtig, da der Vergütungsanspruch dem Sachleistungsanspruch folgt, ein Vergütungsanspruch des Krankenhauses besteht. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass - wie Professor Doktor H. instruktiv in seinem Gutachten vom 20.01.2014 schildert – zwei Behandlungsoptionen vorlagen. Auf der einen Seite bestand die Möglichkeit, eine intensive Chemotherapie mit anschließender Blutstammzellen Transplantation durchzuführen. Diese Option hat das Ziel der Heilung, es war mit dem hohen Risiko für tödliche Therapiekomplikation behaftet. Alternativ hierzu besteht ein rein palliatives Therapiekonzepts im Sinne eines so genannten "best supporting care", welcher auch im ambulanten Segment durchgeführt werden kann.
Die erkennende Kammer ist – selbst unter Berücksichtigung der äußerst schwierigen Quantifizierung - davon überzeugt, dass bei einer Erfolgswahrscheinlichkeit von etwa 10-15 %, ein Versicherter Anspruch auf eine kurative Behandlung hat und sich nicht auf eine rein palliativ-medizinische Behandlung verweisen lassen muss. Entscheidet sich – wie vorliegend - ein Versicherter nach Rücksprache mit seinen Behandlern bei derartig vitalen Parametern, wie sie am 16.12.2008 noch vorlagen, für den kurativen, wenn auch gefährlichen, Eingriff mittels Stammzellentherapie, so ist dies von der Krankenkasse hinzunehmen und der Vergütungsanspruch des Krankenhaus entstanden.
Dem gefundenen Ergebnis steht nicht entgegen, dass auch die von § 17b KHG erfassten Leistungen grundsätzlich dem Qualitätsgebot des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V genügen müssen, um überhaupt zulasten der GKV abrechenbar zu sein (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2013 - B 1 KR 70/12 R, m.w.N.). § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V bestimmt, dass Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben. Den Qualitätskriterien des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V entspricht eine Behandlung, wenn die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler) die Behandlungsmethode befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie – auch in der konkreten Ausgestaltung - Konsens besteht. Dieses setzt im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der Methode - die in ihrer Gesamtheit und nicht nur in Bezug auf Teilaspekte zu würdigen ist - zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Die Therapie muss in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein (zum Ganzen: BSG, Urteile vom 21.03.2013 - B 3 KR 2/12 R).
Ob ein solcher Konsens im vorliegenden Fall erzielt werden kann, musste die erkennende Kammer nicht ermitteln. Dies liegt nicht nur an der schwierigen Abgrenzungsfrage, ab welcher Überlebenswahrscheinlichkeit eine stationäre Behandlung erforderlich ist, wie man also das Grundrecht auf Leben zu quantifizieren hat. Vielmehr hat das BSG bereits entschieden, dass sich eine Abmilderung des Qualitätsgebots insbesondere daraus ergeben kann, dass auch bei der Beurteilung der Behandlungsmethoden im Krankenhaus in einschlägigen Fällen eine grundrechtsorientierte Auslegung der Grenzmaßstäbe nach Maßgabe der Rechtsprechung des BVerfG im Beschluss vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98) stattzufinden hat (BSG, Urteil vom 17.12.2013 - B 1 KR 70/12 R, m.w.N.). Dies ist nach Einführung des § 2 Abs. 1a SGB V zum 01.01.2012, also im allgemeinen Teil des SGB V, unmittelbar nach § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V (Qualität und Wirksamkeit von Leistungen), übergreifend für alle Leistungsbereiche nach dem SGB V durch den Gesetzgeber bestätigt worden. Bei der Frage der Erforderlichkeit einer stationären Behandlung sind daher stets die Wertungsgesichtspunkte aus der Nikolaus-Entscheidung des BVerfG vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98) heranzuziehen. Dabei kann auch der Meinungsstreit über die Reichweite der Neuregelung des § 137c Abs. 3 SGB V in der Fassung vom 16.07.2015 (vgl. hierzu mit weiteren Anmerkungen Bundestags-Drucksache 18/5123, S. 135f.) vorliegend dahinstehen. Denn die erkennende Kammer ist davon überzeugt, dass die im Beschluss des BVerfG vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98) aufgestellten Kriterien vorliegend erfüllt sind.
Das BVerfG hat mit dem genannten Beschluss zu einer ärztlichen Behandlungsmethode entschieden, dass es mit den Grundrechten aus Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar ist, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, generell von der Gewährung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.
Die grundrechtsorientierte Auslegung einer Regelung des SGB V über einen Anspruch auf Übernahme einer Behandlungsmethode zulasten der GKV setzt daher voraus, dass folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:
(1.) Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung oder wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vor.
(2.) Bezüglich dieser Krankheit steht eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung.
(3.) Bezüglich der beim Versicherten ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode besteht eine "auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf."
Eine lebensbedrohliche bzw. regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung lag bei der Versicherten vor. Die Versicherte litt an einer akuten myeloischen Leukämie (AML), die unbehandelt zum Tode geführt hätte. Dies entnimmt die Kammer dem Gutachten des Prof. Dr. H., der – von der Klägerin unbeanstandet – angab, dass die Versicherte zur Zeit der Aufnahme an einem Rezidiv litt, welches ohne Behandlung zum Tode geführt hätte.
Hieraus folgt zur Überzeugung des Gerichts außerdem, dass es damals keine alternative Behandlungsmethode (mehr) gab, die ebenfalls das Ziel hatte, die Krankheit zu heilen, und dem allgemein anerkannten medizinischen Standard entsprach. So führt Prof. Dr. H. nachvollziehbar aus, dass entweder ein palliativ-medizinischer Ansatz gewählt werden konnte oder - wollte man kurativ vorgehen - nur noch eine Blutstammzellen Transplantation, entweder mit oder ohne vorheriger Chemotherapie durchgeführt werden konnte.
Zur Überzeugung des Senats bestand mit der allogenen Blutstammzelltransplantation in dem vorliegend zu entscheidenden Einzelfall eine "auf Indizien gestützte" nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine "spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf". Eine positive Auswirkung auf den Krankheitsverlauf ist zu bejahen, wenn zumindest das Fortschreiten der Krankheit aufgehalten oder Komplikationen verhindert werden. Fehlen theoretisch-wissenschaftliche Erklärungsmuster, kann im Einzelfall bei vertretbaren Risiken auch die bloße ärztliche Erfahrung für die Annahme eines Behandlungserfolgs entscheidend sein, wenn sich diese Erkenntnisse durch andere Ärzte in ähnlicher Weise wiederholen lassen. Ein Wirkungsnachweis ist nicht erforderlich. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der zu verlangen ist, um davon ausgehen zu dürfen, dass die behaupteten Behandlungserfolge mit hinreichender Sicherheit dem Einsatz gerade der streitigen Behandlung zugerechnet werden können und das einzugehende Risiko vertretbar ist, unterliegt Abstufungen je nach der Schwere und dem Stadium der Erkrankung. Dabei sind Differenzierungen im Sinne der Geltung abgestufter Evidenzgrade nach dem Grundsatz vorzunehmen "je schwerwiegender die Erkrankung und hoffnungsloser die Situation, desto geringere Anforderungen an die ernsthaften Hinweise auf einen nicht ganz entfernt liegenden Behandlungserfolg". Anhaltspunkte zur Entwicklung solcher Abstufungen können die in der Richtlinie des GBA zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung (Methoden-Richtlinie), vor dem 01.04.2006 die Richtlinien zur Bewertung medizinischer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (BUB-Richtlinien) niedergelegten Grundsätze bieten. Es können als Beurteilungsgrundlage beim Fehlen anderer Studien auch "Assoziationsbeobachtungen, pathophysiologische Überlegungen, deskriptive Darstellungen, Einzelfallberichte, u.Ä.; nicht mit Studien belegte Meinungen anerkannter Experten und Berichte von Expertenkomitees und Konsensuskonferenzen" in Betracht kommen (zum Ganzen m.w.N.: BSG, Urteil vom 04.04.2006 - B 1 KR 7/05 R). Im Wege der verfassungskonformen Auslegung der Vorschriften des SGB V kann nur dann ein Anspruch auf die begehrte Behandlung bestehen, wenn auch diese den Regeln der ärztlichen Kunst entspricht. Dies ist nur dann der Fall, wenn die anzuwendende Methode nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft objektiv erfolgversprechend ist und unter Berücksichtigung des gebotenen Wahrscheinlichkeitsmaßstabes sowohl die abstrakte als auch die konkret-individuelle Chancen-/Risikoabwägung ergeben, dass der voraussichtliche Nutzen die möglichen Risiken überwiegt (BSG, Urteil vom 17.12.2013 – B 1 KR 70/12 R).
Gemessen an diesen Kriterien durfte die konkrete Risiko-Nutzen-Abwägung der behandelnden Ärzte in objektiv nicht zu beanstandender Weise in dem vorliegend zu entscheidenden Einzelfall zu Gunsten der Versicherten bzw. der Beklagten ausfallen. Aufgrund des lebensbedrohlichen Zustandes der Versicherten, genügten die Erfahrungen der behandelnden Ärzte. Diese gehörten einem hochspezialisierten Behandlungszentrum an, das bereits Erkenntnisse über die allogene Blutstammzelltransplantation gewonnen hatte. Die allogene Blutstammzelltransplantation war auch aus damaliger Sicht mit gebotener Wahrscheinlichkeit geeignet, das erstrebte Behandlungsziel für die Krebserkrankung der Versicherten zu erzielen.
Da nach alledem der Leistungsanspruch der Beklagten bestand, hat die Klägerin keinen Rückerstattungsanspruch nach den Grundsätzen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs.
Mangels Hauptanspruch war auch das Zinsbegehren abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Der Streitwert wird auf 65.573,48 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die klagende Krankenkasse von dem beklagten Krankenhausträger die Kosten für eine bereits vergütete Krankenhausbehandlung zurückfordern kann.
Die bei der klagenden Krankenkasse gesetzlich krankenversicherte Frau R. Sch. (nachfolgend: Versicherte) litt an Leukämie, welche erstmalig im Jahr 2006 diagnostiziert wurde. Trotz andauernder chemotherapeutischer Behandlung bildeten sich in den Jahren 2006 bis 2008 immer wieder neue Remissionen. Im Oktober 2008 wurde bei der Versicherten ein neues Rezidiv festgestellt. Die Klägerin begab sich daher in der Zeit vom 30.10.2008 bis 14.12.2008 in das Krankenhaus des beklagten Krankenhausträgers. Dort entschied man sich für einen kurativen Behandlungsansatz durch eine Blutstammzellentherapie. Die Versicherte wurde am 14.12.2008 bis zum Abschluss der Suche nach einem passenden Fremdstammzellenspender entlassen. Bei Entlassung waren die Infektparameter fallend.
Am 15.12.2008 erfolgt eine ambulante Untersuchung der Versicherten im Krankenhaus der Beklagten. Die Versicherte habe angegeben, sich schlapp zu fühlen; Husten und Dyspnoe wurden jedoch verneint.
Am 16.12.2008 wurde die Versicherte, nachdem zwischenzeitlich ein passender Fremdstammzellenspender gefunden werden konnte, zur Durchführung der allogenen Stammzellentransplantation wieder stationär aufgenommen. Am Aufnahmetag konnte laborchemisch eine diskrete Erhöhung der Infektparameter mit fallender Tendenz festgestellt werden (CRP noch 2,3 mg/dl). Radiologisch bestand in der konventionellen Röntgenaufnahme des Thorax kein Hinweis auf disseminierte Infiltrate oder auf eine Pneumonie. Vor Beginn der Konditionierungstherapie wurden die weiteren Voruntersuchungen durchgeführt. Spiroergeometrisch konnte dabei eine mittelgradige Obstruktion und ein leichtgradiges Emphysem nachgewiesen werden. Zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme war der körperliche Befund der Versicherten laut Aufnahmebogen stabil und der Allgemeinzustand ausreichend gewesen. Der Ernährungszustand war etwas reduziert (172 cm, 62 kg). Die Versicherte habe keinen Husten, keinen Auswurf und keine neu auftretenden Beschwerden geäußert. In der körperlichen Untersuchung der Versicherten habe sich kein Hinweis auf einen verbleibenden Infektfokus gefunden; es habe sich auskultatorisch kein Hinweis auf eine Pneumonie ergeben. Die Behandler des Krankenhauses der Beklagten begannen daher mit der Blutstammzellentransplantation. Im Rahmen der stationären Behandlung bildete sich eine Lungenentzündung beider Lungenflügel, die eine Sepsis zur Folge hatte, an deren Folgen die Versicherte am 26.12.2008 verstarb.
Mit Rechnung vom 31.12.2008 stellte die Beklagte einen Betrag in Höhe von 64.092,79 EUR in Rechnung. Unter dem 28.01.2009 stellte sie zudem weitere 1.480,69 EUR in Rechnung. Zur Abrechnung wurde die Diagnosis Related Group (DRG) A04C gestellt.
Die Beklagte glich den Rechnungsbetrag über insgesamt 65.573,48 EUR aus und beauftragte den medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Nordrhein mit einer Fallbegutachtung.
Unter dem 01.07.2010 stellte sich die MDK-Beratungsärztin Dr. Sch. auf den Standpunkt, dass der schlechte Allgemeinzustand der Versicherten einer Stammzellentherapie im Wege gestanden habe. Abrechenbar sei lediglich eine Chemotherapie, welche lediglich Kosten in Höhe von rund 13.000 EUR verursacht hätte. Zur Abrechnung hätte mithin lediglich die DRG R60C kommen dürfen.
Die Klägerin wies die Beklagte auf das Ergebnis der MDK-Begutachtung mit Schreiben vom 09.07.2010 hin und forderte die Beklagte zur Rückzahlung eines Betrages in Höhe von 52.107 90,32 EUR mit Fristsetzung zum 11.08.2010 auf. Mit Schreiben vom 10.08.2010 erinnerte sie an ihr Anliegen. Nachdem die Beklagte ein Widerspruchsschreiben verfasste, holte die Klägerin ein Widerspruchsgutachten der MDK-Beratungsärztin Dr. Sch. vom 15.10.2010 ein, welche bei ihrer Auffassung verblieb und zugleich ein Begutachtung durch das Kompetenzzentrum für Onkologie (KCO) des MDK veranlasste. Die Ärztin für internistische Onkologie Dr. N.- H. vom KCO bestätigte mit Gutachten vom 20.10.2010 die Ersteinschätzung der MDK-Beratungsärztin Dr. Sch ... Die sich mit weiterem Gutachten vom 28.01.2011 der Einschätzung des KCO anschloss. Die Blutstammzellentransplantation sei bei der Versicherten wegen des äußerst kritischen Zustandes und der schlechten Prognose medizinisch nicht vertretbar gewesen. Von daher sei von einer primären Fehlbelegung auszugehen.
Gestützt hierauf machte die Klägerin in der Folgezeit ebenfalls eine primäre Fehlbelegung geltend und forderte den vollen Rechnungsbetrag in Höhe von 65.573,48 EUR von der Beklagten zurück.
Nachdem die Beteiligten außergerichtlich keine Einigung erzielen konnten, reichte die Klägerin am 19.12.2011 Klage ein. Zur Begründung wiederholt und vertieft die Klägerin ihr vorgerichtliches Vorbringen. Als kurativer Ansatz sei angesichts des schlechten Allgemeinzustandes der Klägerin allenfalls eine Rezidivchemotherapie zulässig gewesen. Die von der Klinik der Beklagten durchgeführte Stammzellentherapie sei mit einem viel größeren Risiko des Versterbens verbunden gewesen als eine Chemotherapie. Angesichts des eingeschränkten Allgemeinzustandes der Versicherten sei eine qualitativ medizinische Versorgung im häuslichen Umfeld vorrangig gewesen, so dass weiterhin von einer primären Fehlbelegung auszugehen sei.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 65.573,48 EUR nebst zwei Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 10.03.2011 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie macht geltend, dass die von ihr gewählte Therapiealternative die einzige kurativ verbliebene Therapieoption gewesen sei. Der MDK und das Kompetenzzentrum Onkologie des MDK stellten in unzulässiger Weise auf eine ex-post-Betrachtung des Behandlungsgeschehens ab. Entscheidend sei aber die vor Behandlungsbeginn bestehende Gesundheitsverfassung der Versicherten. Ausgehend hiervon sei eine Kontraindikation für die von der Beklagten gewählte Blutstammzellentransplantation nicht gegeben. Insbesondere habe sich eine Lungenentzündung und Sepsis erst im späteren Behandlungsverfahren eingestellt. Nachdem der Gesundheitszustand der Klägerin sich verschlechterte war die Konditionierungsmaßnahme aber so weit vorangeschritten, dass ein Abbruch der Behandlung bis zum Tod der Versicherten nicht mehr möglich gewesen sei.
Das erkennende Gericht hat auf Empfehlung der Ärztekammer Nordrhein ein internistisch-/ hämatoonkologisches Fachgutachten des Herrn Prof. Dr. H. vom 20.01.2014 nebst ergänzender Stellungnahme vom 11.09.2015 eingeholt. Auf das Ergebnis der Begutachtung wird Bezug genommen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die von der Klägerin vorgelegte Verwaltungsakte sowie die Patientenakte der Versicherten Bezug genommen. Der Inhalt dieser Akten war Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die Klägerin hat mit der erhobenen echten Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die richtige Klageart gewählt. Ein Verwaltungsakt konnte nicht ergehen, weil die Klägerin und die Beklagte sich gleichgeordnet gegenüberstehen. Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten (vgl. hierzu statt aller: Bundessozialgericht – BSG, Urteil vom 18.09.2008 – B 3 KR 15/07 R).
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung von 65.573,48 EUR nebst Zinsen.
Als Rechtsgrundlage des streitgegenständlichen Zahlungsanspruchs kommt allein ein öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch in Betracht. Die sich aus der Erbringung von Leistungen für nach dem Sozialgesetzbuch, 5. Buch (SGB V) Versicherte ergebenden Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und als Leistungserbringer zugelassene Krankenhäuser sind öffentlich-rechtlicher Natur, vgl. § 69 Satz 2 SGB V. Bei derartigen öffentlich-rechtlich geprägten Rechtsbeziehungen tritt an die Stelle des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs nach § 812 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch. Der im öffentlichen Recht auch ohne ausdrückliche Normierung anerkannte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch (vgl. BSGE 16, 151, 156) setzt voraus, dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind (BSGE 16, 151, 156).
Die Klägerin hat der Beklagten aber die Krankenhausvergütung von insgesamt 65.573,48 EUR nicht ohne Rechtsgrund gezahlt, weil die Beklagte die zugunsten der Versicherten erbrachten Leistungen in dieser Höhe abrechnen durfte. Die konkrete Anspruchshöhe ergibt sich aus der hier abgerechneten DRG A04C und nicht aus der niedriger vergüteten DRG R60C. Erst recht liegt hier kein Fall der primären Fehlbelegung vor, weil die stationäre Behandlung erforderlich im Sinne von § 39 SGB V war.
Die Klägerin ist daher verpflichtet, die stationäre Krankenhausbehandlung ihrer zwischenzeitlich verstorbenen Versicherten im Krankenhaus der Beklagten vom 16.12.2008 bis 26.12.2008 zu vergüten. Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist (BSGE 70, 20, 22).
Die hier streitgegenständliche Fallpauschalenvergütung für Krankenhausbehandlung Versicherter in zugelassenen Einrichtungen ergibt sich gesetzlich aus § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 7 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG). Nach § 17b Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 KHG vereinbaren die Spitzenverbände der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam entsprechend den Vorgaben der Absätze 1 und 3 des § 17b KHG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als Vertragsparteien auf Bundesebene ein Vergütungssystem, das sich an einem international bereits eingesetzten Vergütungssystem auf der Grundlage der DRGs orientiert; nach dieser Vorschrift vereinbaren die Vertragspartner ferner die jährliche Weiterentwicklung und Anpassung des Vergütungssystems, insbesondere an medizinische Entwicklungen, Kostenentwicklungen, Verweildauerverkürzungen und Leistungsverlagerungen zu und von anderen Versorgungsbereichen, und die Abrechnungsbestimmungen, soweit diese nicht im KHEntgG vorgegeben werden. Sie orientieren sich dabei unter Wahrung der Qualität der Leistungserbringung an wirtschaftlichen Versorgungsstrukturen und Verfahrensweisen, § 17b Abs. 2 Satz 2 KHG.
Die vertraglichen Fallpauschalen ergeben sich daraus, dass die nach den aufgezeigten gesetzlichen Regelungen hierzu berufenen Vertragspartner eine Fallpauschalenvereinbarung (FPV) mit einem Fallpauschalen-Katalog als Teil derselben und Allgemeine und Spezielle Kodierrichtlinien für die Verschlüsselung von Krankheiten und Prozeduren (Deutsche Kodierrichtlinien [DKR]) vereinbart haben. DKR und FPV bilden den konkreten vertragsrechtlichen Rahmen, aus dem die für eine Behandlung maßgebliche DRG-Position folgt. Nach den aufgezeigten gesetzlichen Vorgaben und der FPV greifen das in der FPV in Bezug genommene DRG-Ermittlungsprogramm (Grouper), der Fallpauschalen-Katalog und die Kodierrichtlinien als vereinbarte Abrechnungsbestimmungen ineinander. Sie sind bei der Anwendung des Katalogs zugrunde zu legen. In Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrages haben nämlich die Parteien gemäß § 17b Abs. 2 KHG in Abschnitt 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 FPV 2008 zur Abrechnung von Fallpauschalen vereinbart: "Die Fallpauschalen werden jeweils von dem die Leistung erbringenden Krankenhaus nach dem am Tag der Aufnahme geltenden Fallpauschalen-Katalog und den dazu gehörenden Abrechnungsregeln abgerechnet." Die Regelung verweist nicht nur auf das Zusammenspiel von Fallpauschalen-Katalog und den dazu gehörenden Abrechnungsregeln, sondern legt zugleich den zeitlichen Anwendungsbereich von DKR und FPV fest. Dementsprechend sind im vorliegenden Fall die getroffenen Vereinbarungen zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2008 (FPV 2008) einschließlich der Anlagen und die von den Vertragspartnern auf Bundesebene getroffene Vereinbarung zu den DKR für das Jahr 2008 maßgebend.
Die normative Wirkung der FPV 2008 und der DKR 2008 für die Krankenkassen und Krankenhausträger beruht auf § 8 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG. Danach sind die Entgelte für allgemeine Krankenhausleistungen, wozu namentlich die Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog zählen (§ 7 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG), für alle Benutzer des Krankenhauses einheitlich zu berechnen. Ergänzend dazu sieht § 8 Abs. 2 Satz 1 KHEntgG vor, dass für die Behandlungsfälle die Fallpauschalen zu berechnen sind, die in dem Fallpauschalen-Katalog nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG bestimmt sind.
FPV und DKR weisen Besonderheiten auf, die sich auf die Rechtsanwendung und -kontrolle auswirken. FPV und DKR bilden nämlich nicht ein System von Pauschalen, das nach Art einer Gebührenordnung jeweils schriftlich fixierte, abstrakt umschriebene Behandlungstatbestände mit Abrechnungsvorgaben (z.B. Geldbeträgen oder Punktwerten) auf der Rechtsfolgenseite verknüpft, sodass der konkrete Behandlungsfall unter den Tatbestand zu subsumieren ist, vergleichbar der Subsumtion unter andere Rechtsnormen. Vielmehr umschreibt der vereinbarte Fallpauschalen-Katalog lediglich mit Buchstaben und Ziffern gekennzeichnete DRG-Positionen, deren zugehörige Bewertungsrelationen und weitere Angaben (z.B. zur Verweildauer), die für die Abrechnung von stationären Leistungen notwendig sind. Die textliche Bezeichnung beschreibt lediglich die verschlüsselte Position, umreißt aber keinen einer Auslegung als Basis und Ausgangspunkt zugrunde zu legenden subsumtionsfähigen Vergütungstatbestand. Welche DRG-Position - quasi als Folge für die Vergütungshöhe - abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich überhaupt nicht aus einem schriftlich festgelegten abstrakten Tatbestand, sondern aus der Eingabe von im Einzelnen von einem Programm vorgegebenen, abzufragenden Daten in ein automatisches Datenverarbeitungssystem und dessen Anwendung. Nach § 1 Abs. 6 Satz 1 FPV 2008 sind in diesem Sinne zur Einstufung des Behandlungsfalls in die jeweils abzurechnende Fallpauschale Programme (Grouper) einzusetzen. Zugelassen sind nur solche Programme, die von der InEK GmbH (nachfolgend I), einer gemeinsamen Einrichtung der in § 17b Abs. 2 Satz 1 KHG und § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG genannten Vertragspartner auf Bundesebene, zertifiziert worden sind. Der zertifizierte Grouper führt nach Eingabe der Daten einen automatisierten Subsumtionsvorgang durch. Er bewirkt damit eine rechnergestützte Rechtsanwendung. Die einzugebenden Diagnosen und Prozeduren sowie die sonstigen benötigten Sachverhaltsangaben - etwa das Alter des Patienten - sind als Tatsachen einem gerichtlichen Beweis zugänglich. Die automatisierte Subsumtion ist hingegen eine rechtliche Bewertung des Sachverhalts und als solche nicht einem medizinischen oder informationstechnischen Sachverständigengutachten zugänglich. Das Prozesshafte des Groupierungsvorgangs und seine Grundannahme, dass es für jede Behandlung nur eine richtige Eingabe und DRG-Position gibt, die bereits im zertifizierten Grouper durch den Algorithmus vorgezeichnet ist, bedeutet jedoch, dass die rechtlich verbindlichen Regelungen nicht in "klassischen" Vergütungstatbeständen abgebildet werden, die nach anerkannten Auslegungsmethoden weiter konkretisiert werden. Vielmehr beinhaltet der zertifizierte Grouper eine zwar endliche, in ihrer Differenzierungsstruktur klare, aber in ihrer Komplexität nur schwer überschaubare Vielzahl von derart detaillierten Vergütungstatbeständen, dass Tatbestand und rechtliche Auslegung in jedem Rechenprozess-Schritt bis zum Ergebnis zusammenfallen (vgl. BSG, Urteil vom 08.11.2011 – B 1 KR 8/11 R). Durch das umfangreiche Eingabeprogramm findet eine weitgehende Annäherung des Abstrakt-Generellen an das Konkret-Individuelle statt. Dies bedeutet zwar nicht, dass für jeden Patienten ein eigener Tatbestand geschaffen wird. Lediglich die Patienten mit identischen vergütungsrelevanten Sachverhalten bilden eine tatbestandlich zusammengefasste Gruppe. Die daraus erwachsende Vielzahl der Gruppen hat aber zur Folge, dass die Verfahrensbeteiligten, die sich auf einen bestimmten Programmablauf berufen, dem Gericht diesen Weg in allen Einzelheiten des Rechenprozesses darstellen müssen, wenn sich das Gericht nicht in der Lage sieht, den (prozesshaften) Tatbestand anhand der Definitionshandbücher nachzuverfolgen. Nicht die Definitionshandbücher, sondern allein die zertifizierten Grouper mit ihrem jeweiligen Rechenprogramm sind verbindlich vereinbart und entfalten normative Wirkung (BSG, a.a.O.).
Um effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, muss das Gericht den sachlichen, nicht notwendig detailliert den mathematischen Entscheidungsprozess nachvollziehen können, der nach der Sachverhaltseingabe im Rechnerprogramm abläuft, um zu einer Fallpauschale zu gelangen. Zugleich muss für das Gericht überprüfbar gemacht werden, welche Eingabe zu welchem Ergebnis führt. Das Gericht muss die mit der Eingabe verknüpften wesentlichen Entscheidungen nachvollziehen, denen der Datenverarbeitungsprozess mit Blick auf den Fallpauschalen-Katalog dient. In diesem Sinne muss es in den Entscheidungsgründen verdeutlichen, welche Gabelungen mit welchem Ergebnis der Grouper in dem Entscheidungsbaum "ansteuert", der dem Programm zugrunde liegt. In welcher Art und Weise die Eingaben in das Datensystem zu erfolgen haben, gibt nicht allein der Grouper durch die vorprogrammierten Abfragen mit genormten Antworten vor. Vielmehr regeln die FPV und die DKR konkrete Vorgaben für die Eingaben. So enthält Abschnitt 1 der FPV 2008 Abrechnungsbestimmungen für DRG-Fallpauschalen. Die DKR (2008) regeln Kodieranweisungen. Sie beeinflussen den Weg zur korrekten DRG an vielen verschiedenen Stellen des den Grouper steuernden Algorithmus. Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm greift dabei auf Dateien zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind (z.B. die Zuordnung von ICD 10-Diagnosen und Prozeduren zu bestimmten Untergruppen im zu durchlaufenden Entscheidungsbaum) oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu letzteren gehören die Fallpauschalen selbst, aber auch die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD) in der jeweiligen vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen deutschen Fassung sowie die Klassifikation des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssel als solche (OPS, hier in der Version 2008).
Die Verbindlichkeit der in dem jeweiligen Vertragswerk angesprochenen Klassifikationssysteme folgt allein aus dem Umstand, dass sie in die zertifizierten Grouper einbezogen sind. Die Rezeption der Klassifikationen richtet sich nach den jeweils für die zertifizierten Grouper geltenden Regelungen, hier der FPV 2008, nicht dagegen nach § 301 SGB V. Diese Norm regelt nicht die rechtliche Verbindlichkeit der Klassifikationssysteme für die Ermittlung der DRGs, sondern sieht Informationspflichten der Krankenhäuser, anderer stationärer Einrichtungen und der ermächtigten Krankenhausärzte gegenüber den Krankenkassen im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vor. Das DRG-Vergütungssystem ist demgegenüber nicht GKV-spezifisch geregelt, sondern erfasst alle Behandlungsfälle, namentlich auch die Selbstzahler.
Folge der aufgezeigten Besonderheiten von Fallpauschalen-Katalog und DKR ist zunächst wie dargelegt, dass der rechnergestützte Anwendungsprozess des Fallpauschalen-Katalogs vom Gericht nachvollziehbar gemacht werden und hierbei der einzugebende Sachverhalt festgestellt sein muss. Im Rahmen der Rechtsanwendungskontrolle bewirkt die vom Programm zugelassene virtuelle Tatbestandsvielfalt, dass für eine Auslegung des DRG-Algorithmus, also der geregelten Prozeduren zur Lösung der definierten Probleme des Fallpauschalen-Katalogs, nach juristischer Methodik kaum ein Anwendungsbereich verbleibt.
Die Anwendung der DKR und der FPV-Abrechnungsbestimmungen ist nicht automatisiert und unterliegt als Mitsteuerung der prozesshaften Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Die DKR sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen (BSG, a.a.O.). Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht. Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiter zu entwickelndes (§ 17b Abs. 2 Satz 1 KHG) und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (vgl. BSGE 107, 140).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze durfte die Beklagte die erfolgte stationäre Behandlung der Versicherten nach der DRG A04C abrechnen. Im Rahmen der schrittweisen Ermittlung der Basis-DRG führt hier die DKR 2008 zur Maßgeblichkeit der DRG A04C, weil aufgrund der Kodieranweisung Eingaben so vorzunehmen sind, dass der Grouper diese Einzel-DRG ansteuern muss.
Das Gericht folgt insoweit dem überzeugenden Gutachten des Hämatologen und Onkologen Prof. Dr. H. vom 20.01.2014, nebst ergänzender Stellungnahme vom 11.09.2015.
Soweit die Klägerin vorträgt, dass die von der Beklagten durchgeführte Fremdblutstammzellentransplantation aufgrund des äußerst kritischen Zustand der Klägerin und der damit verbundenen schlechten Heilungsprognose kontraindiziert gewesen sei, ist dem entgegenzuhalten, dass die von der Klägerin geltend gemachte Lungenentzündung und die hierdurch verursachte Sepsis mit Multiorganversagen sich erst im Laufe der stationären Behandlung eingestellt hatte. Der Krankheitsverlauf der Versicherten während der stationären Behandlung vom 16.12.2008 bis zum 26.12.2008 wird sehr anschaulich in dem Gutachten von Professor Dr. H. ab Seite 4 des Gutachtens dargestellt. Dabei ist hervorzuheben, dass der Allgemeinzustand der Versicherten - den Umständen entsprechend - bei Einweisung am 16.12.2008 als gut zu bezeichnen ist. Erst am 21.12.2008, mithin vier Tage vor dem Tod der Versicherten klagte die Versicherte erstmals über Dyspnoe, am Folgetag entwickelte sie erstmals Fieber und ein Anstieg der Infektparameter. Laut Visitendokumentation konnte zu diesem Zeitpunkt auskultatorisch kein Hinweis auf eine Pneumonie gefunden werden. Zudem habe die Versicherte zu diesem Zeitpunkt über keine Dyspnoe geklagt. Am 23.12.2008 konnten als mögliche Ursache des Fiebers konventionell-radiologisch beidseitig in der Lunge entzündliche Veränderungen festgestellt werden. Während die respiratorische Situation zunächst keine Verschlechterung aufwies, entwickelt die Versicherte hypotone Blutdruckwerte. Als weiteres Zeichen eines verschlechternden Kreislaufbildes kam es zu einer Verschlechterung der Gerinnungsparameter und einem Anstieg der Entzündungsparameter, sodass am 24.12.2008 die antimikrobielle Therapie erneut eskaliert wurde.
Festzustellen ist mithin, dass der Gesundheitszustand der Versicherten erst einen Tag vor dem Tod in dem äußerst kritischen Zustand war, den die Klägerin bereits ex-ante bei Einweisung der Versicherten am 16.12.2008 unterstellt. Für die Erforderlichkeit einer stationären Krankenhausbehandlung ist aber in ständiger Rechtsprechung nicht auf die nachträgliche Bewertung des Krankheitsverlaufs abzustellen sondern auf den Krankheitszustand wie er sich ("ex ante") bei Erstanamnese im Krankenhaus ergibt. In dem Zeitpunkt in dem es zum kritischen Zustand der Versicherten mit beiderseitiger Pneumonie und Sepsis gekommen war, war ein Abbruch der stationären Behandlung durch Blutstammzellentransplantation auch nicht mehr rückgängig zu machen ("point of no return"). Insoweit verweist Professor Dr. H. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 11.09.2005 darauf, dass die Behandlung fortgesetzt werden muss, wenn einmal mit der Vorbehandlung zur Transplantation - der so genannten Konditionierung - begonnen wurde. Ist ab einer gewissen Chemotherapiedosis mit der Gabe der Blutstammzellen angefangen worden, so ist in der Regel eine zwingende Notwendigkeit gegeben diese fortzusetzen, da ansonsten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Tod des Versicherten verursacht wird. Im konkreten Fall war zu konstatieren, dass zu dem Zeitpunkt, an dem sich der Zustand der Versicherten dramatisch verschlechterte, bereits mehrere Tage Konditionierungstherapie hinter ihr lagen und somit ein kompletter Abbruch der Behandlung nicht mehr möglich gewesen war. Daher war auch ein Abbruch der Stammzellentherapie am 15.12.2008 weder geboten noch medizinisch verantwortbar.
Bei hier gebotener ex ante Betrachtung ist zu konstatieren, dass bei der Versicherten vor Beginn der Konditionierungstherapie ein Wahrscheinlichkeit für das Gelingen der Transplantation bei etwa 10-15 % lag. Das Gericht folgt insoweit der fachkundigen Einschätzung von Professor Dr. H., die von der Klägerin in Bezug auf die Quantität der Erfolgswahrscheinlichkeit auch nicht bezweifelt wurde.
Bei einer Erfolgswahrscheinlichkeit eines kurativen Ansatzes von 10-15 % bei einer lebensbedrohlichen und regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung, geht das Gericht davon aus, dass ein Anspruch des Versicherten auf entsprechende Behandlung und folgerichtig, da der Vergütungsanspruch dem Sachleistungsanspruch folgt, ein Vergütungsanspruch des Krankenhauses besteht. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass - wie Professor Doktor H. instruktiv in seinem Gutachten vom 20.01.2014 schildert – zwei Behandlungsoptionen vorlagen. Auf der einen Seite bestand die Möglichkeit, eine intensive Chemotherapie mit anschließender Blutstammzellen Transplantation durchzuführen. Diese Option hat das Ziel der Heilung, es war mit dem hohen Risiko für tödliche Therapiekomplikation behaftet. Alternativ hierzu besteht ein rein palliatives Therapiekonzepts im Sinne eines so genannten "best supporting care", welcher auch im ambulanten Segment durchgeführt werden kann.
Die erkennende Kammer ist – selbst unter Berücksichtigung der äußerst schwierigen Quantifizierung - davon überzeugt, dass bei einer Erfolgswahrscheinlichkeit von etwa 10-15 %, ein Versicherter Anspruch auf eine kurative Behandlung hat und sich nicht auf eine rein palliativ-medizinische Behandlung verweisen lassen muss. Entscheidet sich – wie vorliegend - ein Versicherter nach Rücksprache mit seinen Behandlern bei derartig vitalen Parametern, wie sie am 16.12.2008 noch vorlagen, für den kurativen, wenn auch gefährlichen, Eingriff mittels Stammzellentherapie, so ist dies von der Krankenkasse hinzunehmen und der Vergütungsanspruch des Krankenhaus entstanden.
Dem gefundenen Ergebnis steht nicht entgegen, dass auch die von § 17b KHG erfassten Leistungen grundsätzlich dem Qualitätsgebot des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V genügen müssen, um überhaupt zulasten der GKV abrechenbar zu sein (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2013 - B 1 KR 70/12 R, m.w.N.). § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V bestimmt, dass Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben. Den Qualitätskriterien des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V entspricht eine Behandlung, wenn die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler) die Behandlungsmethode befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie – auch in der konkreten Ausgestaltung - Konsens besteht. Dieses setzt im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der Methode - die in ihrer Gesamtheit und nicht nur in Bezug auf Teilaspekte zu würdigen ist - zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Die Therapie muss in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein (zum Ganzen: BSG, Urteile vom 21.03.2013 - B 3 KR 2/12 R).
Ob ein solcher Konsens im vorliegenden Fall erzielt werden kann, musste die erkennende Kammer nicht ermitteln. Dies liegt nicht nur an der schwierigen Abgrenzungsfrage, ab welcher Überlebenswahrscheinlichkeit eine stationäre Behandlung erforderlich ist, wie man also das Grundrecht auf Leben zu quantifizieren hat. Vielmehr hat das BSG bereits entschieden, dass sich eine Abmilderung des Qualitätsgebots insbesondere daraus ergeben kann, dass auch bei der Beurteilung der Behandlungsmethoden im Krankenhaus in einschlägigen Fällen eine grundrechtsorientierte Auslegung der Grenzmaßstäbe nach Maßgabe der Rechtsprechung des BVerfG im Beschluss vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98) stattzufinden hat (BSG, Urteil vom 17.12.2013 - B 1 KR 70/12 R, m.w.N.). Dies ist nach Einführung des § 2 Abs. 1a SGB V zum 01.01.2012, also im allgemeinen Teil des SGB V, unmittelbar nach § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V (Qualität und Wirksamkeit von Leistungen), übergreifend für alle Leistungsbereiche nach dem SGB V durch den Gesetzgeber bestätigt worden. Bei der Frage der Erforderlichkeit einer stationären Behandlung sind daher stets die Wertungsgesichtspunkte aus der Nikolaus-Entscheidung des BVerfG vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98) heranzuziehen. Dabei kann auch der Meinungsstreit über die Reichweite der Neuregelung des § 137c Abs. 3 SGB V in der Fassung vom 16.07.2015 (vgl. hierzu mit weiteren Anmerkungen Bundestags-Drucksache 18/5123, S. 135f.) vorliegend dahinstehen. Denn die erkennende Kammer ist davon überzeugt, dass die im Beschluss des BVerfG vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98) aufgestellten Kriterien vorliegend erfüllt sind.
Das BVerfG hat mit dem genannten Beschluss zu einer ärztlichen Behandlungsmethode entschieden, dass es mit den Grundrechten aus Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar ist, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, generell von der Gewährung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.
Die grundrechtsorientierte Auslegung einer Regelung des SGB V über einen Anspruch auf Übernahme einer Behandlungsmethode zulasten der GKV setzt daher voraus, dass folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:
(1.) Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung oder wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vor.
(2.) Bezüglich dieser Krankheit steht eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung.
(3.) Bezüglich der beim Versicherten ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode besteht eine "auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf."
Eine lebensbedrohliche bzw. regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung lag bei der Versicherten vor. Die Versicherte litt an einer akuten myeloischen Leukämie (AML), die unbehandelt zum Tode geführt hätte. Dies entnimmt die Kammer dem Gutachten des Prof. Dr. H., der – von der Klägerin unbeanstandet – angab, dass die Versicherte zur Zeit der Aufnahme an einem Rezidiv litt, welches ohne Behandlung zum Tode geführt hätte.
Hieraus folgt zur Überzeugung des Gerichts außerdem, dass es damals keine alternative Behandlungsmethode (mehr) gab, die ebenfalls das Ziel hatte, die Krankheit zu heilen, und dem allgemein anerkannten medizinischen Standard entsprach. So führt Prof. Dr. H. nachvollziehbar aus, dass entweder ein palliativ-medizinischer Ansatz gewählt werden konnte oder - wollte man kurativ vorgehen - nur noch eine Blutstammzellen Transplantation, entweder mit oder ohne vorheriger Chemotherapie durchgeführt werden konnte.
Zur Überzeugung des Senats bestand mit der allogenen Blutstammzelltransplantation in dem vorliegend zu entscheidenden Einzelfall eine "auf Indizien gestützte" nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine "spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf". Eine positive Auswirkung auf den Krankheitsverlauf ist zu bejahen, wenn zumindest das Fortschreiten der Krankheit aufgehalten oder Komplikationen verhindert werden. Fehlen theoretisch-wissenschaftliche Erklärungsmuster, kann im Einzelfall bei vertretbaren Risiken auch die bloße ärztliche Erfahrung für die Annahme eines Behandlungserfolgs entscheidend sein, wenn sich diese Erkenntnisse durch andere Ärzte in ähnlicher Weise wiederholen lassen. Ein Wirkungsnachweis ist nicht erforderlich. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der zu verlangen ist, um davon ausgehen zu dürfen, dass die behaupteten Behandlungserfolge mit hinreichender Sicherheit dem Einsatz gerade der streitigen Behandlung zugerechnet werden können und das einzugehende Risiko vertretbar ist, unterliegt Abstufungen je nach der Schwere und dem Stadium der Erkrankung. Dabei sind Differenzierungen im Sinne der Geltung abgestufter Evidenzgrade nach dem Grundsatz vorzunehmen "je schwerwiegender die Erkrankung und hoffnungsloser die Situation, desto geringere Anforderungen an die ernsthaften Hinweise auf einen nicht ganz entfernt liegenden Behandlungserfolg". Anhaltspunkte zur Entwicklung solcher Abstufungen können die in der Richtlinie des GBA zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung (Methoden-Richtlinie), vor dem 01.04.2006 die Richtlinien zur Bewertung medizinischer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (BUB-Richtlinien) niedergelegten Grundsätze bieten. Es können als Beurteilungsgrundlage beim Fehlen anderer Studien auch "Assoziationsbeobachtungen, pathophysiologische Überlegungen, deskriptive Darstellungen, Einzelfallberichte, u.Ä.; nicht mit Studien belegte Meinungen anerkannter Experten und Berichte von Expertenkomitees und Konsensuskonferenzen" in Betracht kommen (zum Ganzen m.w.N.: BSG, Urteil vom 04.04.2006 - B 1 KR 7/05 R). Im Wege der verfassungskonformen Auslegung der Vorschriften des SGB V kann nur dann ein Anspruch auf die begehrte Behandlung bestehen, wenn auch diese den Regeln der ärztlichen Kunst entspricht. Dies ist nur dann der Fall, wenn die anzuwendende Methode nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft objektiv erfolgversprechend ist und unter Berücksichtigung des gebotenen Wahrscheinlichkeitsmaßstabes sowohl die abstrakte als auch die konkret-individuelle Chancen-/Risikoabwägung ergeben, dass der voraussichtliche Nutzen die möglichen Risiken überwiegt (BSG, Urteil vom 17.12.2013 – B 1 KR 70/12 R).
Gemessen an diesen Kriterien durfte die konkrete Risiko-Nutzen-Abwägung der behandelnden Ärzte in objektiv nicht zu beanstandender Weise in dem vorliegend zu entscheidenden Einzelfall zu Gunsten der Versicherten bzw. der Beklagten ausfallen. Aufgrund des lebensbedrohlichen Zustandes der Versicherten, genügten die Erfahrungen der behandelnden Ärzte. Diese gehörten einem hochspezialisierten Behandlungszentrum an, das bereits Erkenntnisse über die allogene Blutstammzelltransplantation gewonnen hatte. Die allogene Blutstammzelltransplantation war auch aus damaliger Sicht mit gebotener Wahrscheinlichkeit geeignet, das erstrebte Behandlungsziel für die Krebserkrankung der Versicherten zu erzielen.
Da nach alledem der Leistungsanspruch der Beklagten bestand, hat die Klägerin keinen Rückerstattungsanspruch nach den Grundsätzen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs.
Mangels Hauptanspruch war auch das Zinsbegehren abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).
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