L 5 R 18/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 2913/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 18/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30.11.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente.

Der Kläger wurde am 1959 in Italien geboren. Dort absolvierte er eine einjährige Ausbildung im Forstbereich. 1977 reiste er in das Bundesgebiet ein. Zuletzt war er als Produktionsmitarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. Seit 03.04.2013 ist er arbeitslos und bezog bis 28.02.2014 Arbeitslosengeld.

Vom 26.04.2012 bis 16.05.2012 befand sich der Kläger in einer Rehabilitationsmaßnahme in der Rehaklinik H ... Im Reha-Entlassungsbericht vom 23.05.2012 wurden die folgenden Diagnosen mitgeteilt:

1. HWS-Syndrom mit Cervicobrachialgie rechts, 2. Diabetes mellitus Typ II, insulinpflichtig, 3. Metabolisches Syndrom, 4. KHK Drei-Gefäß-Erkrankung, anamnestisch Herzinfarkt 2001 und Reinfarkt 2010, Stent-Implantation 2001 und 2010, 5. Myalgie in der unteren Extremität, DD Statin-induziert.

Der Kläger sei daher in seiner letzten beruflichen Tätigkeit als Produktionsarbeiter unter drei Stunden leistungsfähig. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe eine Leistungsfähigkeit für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden und mehr pro Tag unter Berücksichtigung qualitativer Leistungseinschränkungen.

Am 20.02.2014 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die Beklagte veranlasste daraufhin die Begutachtung des Klägers durch die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. P ... Diese stellte in ihrem Gutachten vom 31.03.2014 aufgrund der ambulanten Untersuchung des Klägers am 19.03.2014 nachfolgende Diagnosen:

1. Herzkranzgefäßverengungen, versorgt mit mehreren Stents, ohne Hinweise auf aktuell behandlungsbedürftige Durchblutungsstörungen oder Herzmuskelschwäche, 2. degeneratives Wirbelsäulensyndrom L5/S1, derzeit ohne wesentliche Einschränkungen, 3. leichtgradige verschleißbedingte Schmerzen mehrerer Gelenke ohne Hinweise auf höhergradige Bewegungseinschränkungen, 4. Schlecht eingestellter Diabetes mellitus Typ 2 mit Erhöhung der Blutfette bei Übergewicht, 5. Arterielle Hypertonie, 6. Ganzköperschmerzen unklarer Genese ohne Hinweise auf rheumatische Genese, 7. Z.n. Nikotinabusus, 8. Aktuell Halswirbelsäulenverspannungen ohne erkennbare Bewegungseinschränkungen.

Der Kläger sei weiterhin in der Lage mit qualitativen Einschränkungen, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Stehen, Gehen und Sitzen in Tagesschicht sowie in Früh- und Spätschicht sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten. Die Leistungsfähigkeit in der letzten beruflichen Tätigkeit betrage dagegen unter drei Stunden täglich.

Mit Bescheid vom 03.04.2014 lehnte die Beklagte die beantragte Gewährung einer Erwerbsminderungsrente ab. Es liege keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) vor. Der Kläger sei auch nicht berufsunfähig im Sinne des § 240 SGB VI. Ausgehend von seinem bisherigen Beruf seien ihm sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sozial zumutbar.

Hiergegen legte der Kläger am 22.04.2014 Widerspruch ein. Diesen wies die Beklagte nach Einholung einer sozialmedizinischen Stellungnahme von Dr. P. mit Widerspruchsbescheid vom 06.08.2014 zurück.

Hiergegen erhob der Kläger am 01.09.2014 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG). Die Beklagte habe bei ihrer Entscheidung seine Gesundheitsstörungen nicht ausreichend berücksichtigt. Das Wirbelsäulensyndrom ziehe keineswegs nur geringgradige Einschränkungen nach sich. Insbesondere aber liege bei ihm eine schwere Depression und eine Schmerzstörung vor, die zu einer quantitativen Einschränkung des Leistungsvermögens führten. Zuletzt sei auch der Verdacht einer Fibromyalgie geäußert worden.

Die Beklagte trat der Klage entgegen.

Das SG erhob Beweis durch Einholung schriftlicher sachverständiger Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte. Der Facharzt für Psychiatrie J., der den Kläger seit 20.06.2014 behandelt, ging in seiner Auskunft vom 18.12.2014 dabei von einer Leistungsfähigkeit unter drei Stunden aus. Aufgrund eines andauernden und ausgeprägten Stimmungstiefs bei langwierigem Schmerzsyndrom und chronischer Schlafstörung sei von einer verminderten körperlichen und psychischen Belastbarkeit auszugehen. Der behandelnde Arzt für Orthopädie Dr. Busse teilte unter dem 23.12.2014 mit, dass sich der Kläger seit Juli 2013 nur am 27.01.2014 vorgestellt habe. Es hätte sich klinisch eine ausreichende Beweglichkeit ohne periphere Ausfälle ergeben. Eine Röntgenaufnahme der HWS habe einen alterstypischen Befund gezeigt. Der Facharzt für Orthopädie Dr. L. teilte in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 19.12.2014 mit, dass sich der Kläger nur einmalig bei ihm in Behandlung befunden habe, weshalb keine Leistungseinschätzung erfolgen könne. Die Fachärztin für Innere Medizin und Angiologie Dr. K.-v. L., gab an, dass sie den Kläger lediglich einmalig jeweils im Jahr 2007, 2008 und 2014 behandelt habe. Eine Leistungseinschätzung könne daher nicht abgegeben werden. Der behandelnde Augenarzt Dr. K. teilte unter dem 02.01.2015 mit, dass nach seiner Einschätzung weder quantitative noch qualitative Leistungseinschränkungen zu berücksichtigen seien. Der Internist und Diabetologe Dr. B. gab in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 30.12.2014 an, dass nur bei einer verbesserten Einstellung des Diabetes eine vollschichtige Leistungsfähigkeit gegeben wäre. Der Internist und Kardiologe Dr. Markert führte in seiner Auskunft vom 03.02.2015 ebenfalls aus, dass er den Kläger nur einmalig am 16.08.2013 behandelt habe und er sich zur Leistungsfähigkeit nicht äußern könne. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. Z. übermittelte schließlich noch die von ihm angeforderten Facharztbericht seit 01.07.2013.

Das SG veranlasste daraufhin die Begutachtung des Klägers durch Dr. Sc., Arzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie. Dr. Sc., dem auch der Entlassungsbericht der Orthopädischen Abteilung der Rheumaklinik, Bad Wildbad, vom 05.03.2015 über die stationäre Behandlung vom 12.02. bis 24.02.2015 vorlag, teilte in seinem Gutachten vom 30.04.2015 aufgrund der ambulanten Untersuchung des Klägers am 21.04.2015 die folgenden Diagnosen mit:

1. Depressiv-verbittertes Syndrom im Sinne von Anpassungsstörungen bei sozialer Belastungssituation, 2. Schädlicher Nikotinkonsum, 3. Diskret ausgeprägte bzw. beginnende Polyneuropathie bei insulinpflichtigem Diabetes mellitus ohne signifikante sensomotorische Ausfälle. 4. Koronare Herzerkrankung, 5. Metabolisches Syndrom mit einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus, einer Adipositas, einer Fettstoffwechselstörung und einer arteriellen Hypertonie, 6. Degenerative Wirbelsäulenveränderungen ohne radikuläre Reiz- oder Ausfallsymptomatik, 7. Polyarthrotische Beschwerden ohne wesentliche Bewegungseinschränkungen.

Der Kläger könne leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten in verschiedenen Arbeitshaltungen verrichten. Aufgrund der Polyneuropathie sollte die Tätigkeit zu ebener Erde erfolgen. Tätigkeiten unter Akkordbedingungen seien aufgrund der koronaren Herzerkrankung und der psychischen Leiden nicht zumutbar. Aufgrund des psychischen Befundes und des insulinpflichtigen Diabetes mellitus sollte die Tätigkeit ausschließlich in Tagesschicht erfolgen. Arbeiten mit üblichem Publikumsverkehr seien leidensgerecht. Nicht leidensgerecht seien Tätigkeiten mit vermehrten Anforderungen an das geistige Leistungsvermögen. Hierzu gehörten auch Tätigkeiten mit vermehrter Anforderung an die Konzentration und Reaktion. Das Verantwortungsbewusstsein sei im Übrigen ausreichend gegeben. Demgegenüber seien Tätigkeiten mit vermehrten psychischen Belastungen nicht leidensgerecht. Aufgrund der Polyneuropathie sollten Tätigkeiten mit Erschütterungen und Vibrationen vermieden werden. Auch Tätigkeiten, die eine uneingeschränkte Stand- und Gangsicherheit voraussetzten, seien nicht vertretbar. Eine vermehrte Lärmexposition als psychischer Stressor sei ebenfalls zu vermeiden. Entsprechend den gängigen Empfehlungen in der sozialmedizinischen Literatur sollten bei nachgewiesener koronarer Herzerkrankung auch Tätigkeiten in Kälte, Hitze oder mit starker Temperaturschwankung nicht erfolgen. Auch der Umgang mit gefährdenden Stoffen, Tätigkeiten im Schichtdienst mit gestörtem Tag-/Nachtrhythmus, Akkordarbeit, Tätigkeiten mit permanentem Zeitdruck und Tätigkeiten in atmosphärischem Unter-/Überdruck oder in Flugzeugen seien zu vermeiden.

Mit Gerichtsbescheid vom 30.11.2015 wies das SG die Klage ab. Der Kläger sei in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr zu verrichten. Die Kammer stütze sich hierbei auf die Leistungseinschätzung der Allgemeinmedizinerin Dr. P. sowie das Sachverständigengutachten des Facharztes für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Sc ... Letzteres käme nachvollziehbar und schlüssig zu einem vollschichtigen Leistungsvermögen. Die Voraussetzungen des § 43 SGB VI seien daher nicht gegeben. Da der Kläger ausgehend von einer einjährigen Ausbildung im Forstbereich sowie insbesondere aufgrund des zuletzt ausgeübten Beruf als Produktionsmitarbeiter keinen Berufsschutz genieße, könne er auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden. Die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit scheide daher ebenfalls aus.

Der Gerichtsbescheid wurde dem Bevollmächtigten des Klägers am 02.12.2015 mittels Empfangsbekenntnis zugestellt.

Hiergegen richtet sich die am 04.01.2016 (Montag) zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhobene Berufung. Der Sachverständige Dr. Sc. habe zahlreiche Gesundheitsstörungen erhoben und verschiedene Diagnosen mitgeteilt. Wie der Kläger aufgrund dieser Erkrankungen in der Lage sein solle, leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten zu verrichten, sei nicht nachvollziehbar. Der Sachverständige habe im Übrigen die Frage der Fibromyalgie lediglich angerissen. Eine weitergehende Begutachtung des Klägers auf orthopädisch bzw. rheumatologischem Fachgebiet sei daher vorzunehmen. Ergänzend hat der Kläger den Aufsatz "Fibromyalgie - Eine aktuelle Standortbestimmung" des D. Pongratz und die Publikation "Das Fibromyalgiesyndrom" publiziert von der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V. vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30.11.2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 03.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.08.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, weiter hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab 01.02.2014 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf ihren bisherigen Vortrag und die Ausführungen im Gerichtsbescheid.

Mit Schreiben vom 28.04.2016 ist den Beteiligten mitgeteilt worden, dass weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht beabsichtigt sind.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf die Gerichtsakte erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch sonst zulässig. Sie ist aber nicht begründet.

Die Beklagte hat den Rentenantrag des Klägers zu Recht abgelehnt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente.

Der geltend gemachte Anspruch auf Rente voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung richtet sich nach § 43 SGB VI in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 12 RV Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl. I, 554).

Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll- bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeinen Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden und den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Der Kläger kann zur Überzeugung des Senats leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens sechs Stunden täglich verrichten, weshalb eine Erwerbsminderung nicht vorliegt (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Der Senat stützt seine Einschätzung auf das Gutachten von Dr. Sc. sowie auf das Gutachten aus dem Verwaltungsverfahren von Dr. P., welches der Senats im Wege des Urkundsbeweises verwertet hat. Dr. Sc. kommt in seinem Gutachten vom 30.04.2015 zu der nachvollziehbaren und schlüssigen Leistungseinschätzung, wonach der Kläger trotz der bei ihm bestehenden Erkrankungen in der Lage ist, leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten zu verrichten. Die koronare Herzerkrankung und der psychische Befund lassen zwar eine Tätigkeit unter Akkordbedingungen nicht mehr zu. Aufgrund des psychischen Befundes und des insulinpflichtigen Diabetes mellitus ist auch lediglich eine Tätigkeit in Tagesschicht zumutbar. Die psychische Erkrankung schränkt darüber hinaus die Leistungsfähigkeit für Tätigkeiten mit vermehrter Anforderung an das geistige Leistungsvermögen ein. Auch Tätigkeiten mit vermehrter psychischer Belastungen sind nicht leidensgerecht. Aufgrund der Polyneuropathie sollte die Tätigkeit im Übrigen zu ebener Erde sein sowie ohne Erschütterung oder Vibrationen. Auch Tätigkeiten, die eine uneingeschränkte Stand- und Gangsicherheit voraussetzen, sind nicht vertretbar. Eine vermehrte Lärmexposition als psychogener Stressor ist ebenfalls zu vermeiden. Unter Berücksichtigung dieser qualitativen Leistungseinschränkungen ist der Kläger in Übereinstimmung mit Dr. Sc. und Dr. P. weiterhin in der Lage, eine leichte Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr werktäglich auszuführen. Gestützt wird diese Einschätzung auch durch den Reha-Entlassungsbericht vom 23.05.2012.

Soweit der Klägervertreter Einwände gegen die Einschätzung des Gutachters erhoben hat, sind diese aus Sicht des Senats nicht geeignet, das Gutachten zu erschüttern. Vielmehr ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers - aus dem psychischen Untersuchungsbefund eindeutig, dass keine Störung des Bewusstseins, der Orientierung, der Auffassung und der Konzentration vorlag. Eine Gedächtnisstörung konnte nicht nachgewiesen werden. Für eine hirnorganisch bedingte psychische Symptomatik ergab sich kein Anhaltspunkt. Im Antrieb war der Kläger angemessen, wobei die Grundstimmung niedergeschlagen, verbittert, enttäuscht, subdepressiv, unterschwellig latent gereizt war. Die affektive Resonanzfähigkeit war damit zum negativen Pol hin verschoben, aber nicht aufgehoben. Auch das formale Denken war nicht verlangsamt. Es fanden sich keine inhaltlichen Denkstörungen, keine Sinnestäuschungen oder Ich-Störungen und auch keine dissoziativen Störungen.

Die Leistungseinschätzung des behandelnden Facharztes für Neurologie und Psychiatrie J. ist, zumal dieser den Kläger erst seit 20.06.2014 behandelt, vor diesem Untersuchungsbefund nicht nachvollziehbar. Durch das gerichtliche Sachverständigengutachten ist geklärt, dass die nervenärztlichen Erkrankungen keine Auswirkung auf das quantitative Leistungsvermögen haben. Darüber hinaus hatte der Senat zu berücksichtigen, dass die sachverständige Zeugenaussage eine Unterscheidung zwischen quantitativer und qualitativer Leistungseinschätzung vermissen lässt. Die Leistungseinschätzung des behandelnden Arztes J. ist damit widerlegt. Der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit eines Versicherten durch gerichtliche Sachverständige kommt grundsätzlich ein höherer Beweiswert zu als der Einschätzung der behandelnden Ärzte. Bei der Untersuchung von Patienten unter therapeutischen Gesichtspunkten spielt die Frage nach der Einschätzung des beruflichen Leistungsvermögens in der Regel keine Rolle. Dagegen ist es die Aufgabe des gerichtlichen Sachverständigen, die Untersuchung gerade im Hinblick darauf vorzunehmen, ob und in welchem Ausmaß gesundheitliche Beschwerden zu einer Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens führen. In diesem Zusammenhang muss der Sachverständige auch die Beschwerdeangaben eines Versicherten darauf überprüfen, ob und inwieweit sie sich mit dem klinischen Befund erklären lassen.

Auch die Erkrankungen des Klägers auf orthopädischem und internistischem Fachgebiet bedingen keine quantitativen Leistungseinschränkung. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats ebenfalls aus dem Gutachten von Dr. Sc. sowie dem Verwaltungsgutachten von Dr. P ... Diese kommen bei übereinstimmenden Diagnosen zu der Leistungseinschätzung, wonach der Kläger noch in der Lage ist, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes täglich sechs Stunden und mehr zu verrichten. Hierfür sprechen im Übrigen auch die nur sehr niedrig frequentierten Besuche bei den vom Kläger angegebenen behandelnden Ärzten und auch der Reha-Entlassungsbericht vom 23.05.2012.

Auch in einer Gesamtschau bedingen die Erkrankungen des Klägers zur Überzeugung des Senats keine quantitative Leistungsminderung. Insoweit ist insbesondere neben den Gutachten von Dr. Sc. und Dr. P. wiederum auch auf den Reha-Entlassungsbericht aus dem Jahr 2012 abzustellen. Nach einer umfassenden Beurteilung der Gesundheitssituation des Klägers haben Dr. Sc., Dr. P. sowie die Ärzte der Reha-Klinik übereinstimmend ein vollschichtiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachvollziehbar und schlüssig angenommen. Aus den medizinischen Unterlagen ergibt sich ein klares und eindeutiges Bild der (lediglich qualitativen) Leistungseinschränkungen. Bei einer Gesamtbetrachtung sind dauerhafte gravierende Leistungseinschränkungen nicht ersichtlich. Anhaltspunkte dafür, dass beim Kläger eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben ist, bestehen nicht. Ein Großteil der qualitativen Beschränkungen wird bereits durch den Umstand, dass nur leichte Arbeiten zumutbar sind, mitberücksichtigt. Schließlich ist hier auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (siehe BSG, Urteil vom 30.11.1983, - 5 ARKn 28/82 - ; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1996, BSGE 80,24; siehe auch BSG, Urteil vom 05.10.2005, - B 5 RJ 6/05 R - , alle in juris). Es war im Übrigen im Hinblick auf das zur Überzeugung des Senats bestehende Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden pro Arbeitstag unter Berücksichtigung nicht arbeitsmarktunüblicher qualitativer Leistungseinschränkungen zu der Frage, inwieweit welche konkrete Tätigkeit dem Kläger leidensgerecht unzumutbar ist, keine Prüfung durchzuführen, da die jeweilige Arbeitsmarktlage bei einer Leistungsfähigkeit von sechs Stunden täglich oder mehr nicht zu berücksichtigen ist (§ 43 Abs. 3 letzter Halbsatz SGB VI).

Bei dieser Sachlage drängen sich dem Senat angesichts der vorliegenden Gutachten und Arztberichte weitere Ermittlungen, insbesondere weitere Begutachtungen, nicht auf. Dies gilt insbesondere hinsichtlich des zuletzt vom Klägervertreter angegebenen Fibromyalgiesyndroms. Maßgeblich ist nicht eine Diagnose, sondern die aus der Erkrankung resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen. Diese ergeben sich aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen. Soweit der Klägervertreter eine orthopädische bzw. rheumatologische Begutachtung angeregt hat, ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass ein Fibromyalgiesyndrom von keinem der befragten Ärzte benannt wurde. Auch findet eine fortlaufende fachärztliche orthopädische bzw. rheumatologische Behandlung nicht statt. Dementsprechend hat auch Dr. Sc. angegeben, dass die Einholung weiterer Gutachten nicht erforderlich ist.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI). Voraussetzung eines solchen Rentenanspruchs ist, dass der Kläger vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig ist. Der Kläger ist 1959 und damit vor dem Stichtag geboren, er ist jedoch nicht berufsunfähig. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfang ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs. 2 Satz 4 SGB VI). Der Kläger war zuletzt als Produktionsmitarbeiter in verschiedenen ungelernten Tätigkeiten versicherungspflichtig beschäftigt. Auf Grund dieser ungelernten Tätigkeiten kann der Kläger auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verwiesen werden (zum Stufenschema des BSG, vgl. BSG, Urteile vom 22.10.1996 - 13 RJ 35/96 -, vom 18.02.1998 - B 5 RJ 34/97 R -, jeweils n.w.N; beide in juris).

Es war daher wie tenoriert zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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