S 16 KR 656/14

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Münster (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 16 KR 656/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Tatbestand:

Bei der am 00.00.2002 geborenen Klägerin handelt es sich um ein zu früh geborenes Kind mit gesundheitlichen Schäden seit der Geburt. Sie leidet an zerebralen Krampfanfällen trotz der medikamentösen Einstellungen. Die Zahl der Krampfanfälle ist ca. dreimal jährlich. Er leidet an einer allgemeinen Entwicklungsredardierung. Seit dem dritten Lebensjahr ist M. selbständig Sitzen möglich. Sie kann sich selbständig drehen; im Übrigen: kein Sprachverständnis, Windelversorgung, Blindheit bei Hornhauttrübung, Schwerhörigkeit. M. kann im Lauftrainer laufen. Sie hat Probleme bei der Nahrungsaufnahme und beim Kauen. Ein Pflegegutachten des MDK ergab im Jahre 2012 die Pflegestufe III.

Im Sozialpädiatrischen Zentrum des West Münsterlands wurden im Januar 2014 in regelmäßigen Abständen einmal wöchentlich eine Galileo Vibrationstherapie durchgeführt. Hauptziel der Galileo Vibrationstherapie war M. Stand und Gangsicherheit zu verbessern. Weiterer Teilziele waren, die Verbesserung der Rumpfkontrolle und – aufrichtung. Zusätzliche wurde dann durch das Galileotraining der Stoffwechsel angeregt. Während der Galileoeinheiten wurde für 3 Minuten das Training durchgeführt mit Schwingungen von 18 – 23 Hertz. Eine Physiotherapeutin des Sozialpädiatrischen Zentrums sah die Galileotherapie als effektive Ergänzung zu den durchgeführten Therapiemaßnahmen.

Die Eltern der Klägerin sandten am 16.02.2014 ein Angebot für ein Galileotrainingsgerät über 3599,00 Euro bei der Beklagten ein und baten um Genehmigung. Die Beklagte schaltete den MDK ein und lehnte nach dessen negativen Votum den Antrag mit Bescheid vom 10.03.2014 unter Beifügung einer RMB ab.

Die Eltern der Klägerin legten Widerspruch ein. Im Widerspruchsverfahren reichte die Klägerin eine orthopädische Stellungnahme des Sozialpädiatrischen Zentrums West Münsterland ein wonach die Galileotherapie eine deutliche Verbesserung der Fähigkeiten der Klägerin ergeben habe. Die Beklagte schaltete nochmals den MDK ein. Er kam am 23.04.2014 zu dem Ergebnis, dass die Notwendigkeit einer Versorgung mit dem beantragten Gerät nicht gesehen werden könne. Es werde nicht ausreichend dargelegt, dass die Therapie mit Vibrationstechnik einen positiven Effekt bei der vorhandenen Erkrankung habe. Wissenschaftliche Studien, die den Beleg eines positiven Effekts liefern, lägen nicht vor. Der medizinisch therapeutische Nutzen des Galileosystems sei nicht nachgewiesen. Ausreichend sei vielmehr die fachärztliche Behandlung am Wohnort bei Fortsetzung mit Heilmitteltherapie.

Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies mit Widerspruchsbescheid vom 30.10.2014 den Widerspruch der Klägerin als zulässig aber unbegründet zurück. Die gesetzlichen Krankenkassen könnten nicht frei entscheiden, welche Leistungen sie erbringen dürfen. Es gäbe den einheitlichen Bewertungsmaßstab EBM. Leistungen die in dem EBM, oder in den Richtlinien oder Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt seien, dürften die gesetzlichen Krankenkassen erbringen. Leistungen die darin nicht aufgeführt seien, seien sogenannte "unkonventionelle Methoden". Diese dürften nur dann übernommen werden, oder bezuschusst werden, wenn vom gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) eine Empfehlung hierfür abgegeben werde. Bei einer Methode für die noch keine positive Empfehlung ausgesprochen sei, dürften die gesetzlichen Krankenkassen diese keinesfalls übernehmen bzw. bezuschussen. Das Bundessozialgericht sehe ausnahmsweise dann eine Erstattungsmöglichkeit vor, wenn ein Systemmangel vorliege. Dies sei hier nicht der Fall. Bei der beantragten Methode mit dem Galileo – Trainingsgerät handele es sich um eine unkonventionelle Methode, für die der gemeinsame Bundesausschuss noch keine Empfehlung ausgesprochen habe. Das Galileo – Trainingsgerät sei nicht im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt. Der therapeutische Nutzen sei bisher nicht nachgewiesen. Der Sachverhalt sei auch medizinisch vom MDK beurteilt worden. Auf dessen ablehnende Stellungnahme werde verwiesen. Die vom Bundessozialgericht geforderten Kriterien für die Anwendung einer nicht anerkannten Behandlungsmethode lägen nicht vor. Die Technikerkrankenkasse habe über das Konzept "Auf die Beine" informiert. Im Rahmen dieses Behandlungskonzept handelte es sich um eine sogenannte integrierte Versorgung IGV. Im Rahme der intrigierten Versorgung ( § 140 a ff. in der SGB V hätten Krankenkassen die Möglichkeit, direkt mit den ausgewählten Leistungserbringern Verträge über verschiedene Leistungssektoren zu schließen. Mit der Universitätsklinik Köln habe die TKK einen Vertrag über das Behandlungskonzept "auf die Beine" geschlossen. Im Rahmen dieses Versorgungsangebots würden neben den Elementen der klassischen Physiotherapie; Übungen im Bewegungsbad und auf dem Laufband, sowie spezielle Ernährungsberatung auch der Kölner Steh – und Gehtrainer, System Galileo eingesetzt. Außerhalb dieses Versorgungsangebots könne die Beklagte sich jedoch an den Kosten der Behandlung/ und oder Versorgung mit Galileo nicht beteiligte.

Gegen diesen Widerspruchsbescheid sowie den zugrunde liegenden Ausgangsbescheid vom 10.03.2014 richtet sich die vorliegende am 26. November 2014 erhobene Klage der Klägerin.

Beim Galileo – Trainingsgerät handele es sich um ein Hilfsmittel im Sinne des § 33 und nicht um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Es handelt sich eindeutig um ein Hilfsmittel. Die fehlende Listung im Hilfsmittelverzeichnis stehe dem Anspruch und der Einordnung als Hilfsmittel nicht entgegen. Nach dem Bundessozialgericht stelle das Hilfsmittelverzeichnis keine abschließende Positivliste dar. Das Versorgungsziel des § 33 Abs. 1 SGB V umfasse den Behinderungsausgleich und zwar nicht nur den unmittelbaren, sondern auch den mittelbaren Behinderungsausgleich. Zum Grundbedürfnis gehörten Gehen, Stehen, Liegen und Sitzen. Wie sich im Laufe Testphase herausgestellt habe, verbessere die regelmäßige Nutzung des Trainingsgeräts die motorischen Fähigkeiten insbesondere der Stehfähigkeit und Gehfähigkeit. Mit der Verbesserung der Stand und Gangsicherheit dürfte unstreitig die Verbesserung der Erschließung eines körperlichen Freiraums verbunden sein. Es handele sich auch nicht um eine nicht anerkannte Behandlungsmethode. Die Beklagte selber habe ausgeführt, dass sie die Kosten der Therapie mit dem Galileogerät im Rahmen des Therapiekonzepts "Auf die Beine" übernehme. Die beantragte Versorgung sei auch nicht unwirtschaftlich.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 10.03.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.10.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin mit einem Galileo-Trainingsgerät zu versorgen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

und bezieht sich zur Begründung auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 31.10.2014

Die Beklagte verweist ferner auf die aktuelle BSG-Rechtsprechung vom 8. Juli 2015 (B 3 KR 5/14 R). Werde ein Hilfsmittel als untrennbarer Bestandteil einer vertragsärztlichen Behandlungs- oder Untersuchungsmethode eingesetzt, habe die Krankenkasse die Kosten hierfür grundsätzlich erst zu übernehmen, wenn der G-BA die Methode positiv bewertet hat. Der Gesetzgeber habe mit Blick auf die Sicherung von Nutzen und Wirtschaftlichkeit von Behandlungsmethoden das Prüfungsverfahren bei dem G-BA vorgeschaltet. Erst wenn diese Prüfung positiv ausgefallen sei, seien die für den Einsatz der dann anerkannten Methode notwendigen Hilfsmittel Gegenstand der Leistungspflicht der Krankenkassen. Eine Bewertung durch den G-BA sei auch bezüglich bereits anerkannter oder zugelassener Methoden erforderlich, wenn diese mit Blick auf ihre diagnostische bzw. therapeutische Wirkungsweise, mögliche Risiken und/oder Wirtschaftlichkeitsaspekte eine wesentliche Änderung oder Erweiterung erführen.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie auf den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht kann gemäß § 105 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Streitigkeit keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Zustimmung der Beteiligten hierzu ist nicht erforderlich, wohl allerdings die hier unter dem 28. September 2015 erfolgte Anhörung. Entgegen der Auffassung der Klägerseite weist die Streitigkeit keine besonderen Schwierigkeiten auf.

Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 10. März 2014 und 30. Oktober 2014 nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Die Bescheide sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Übernahme der Kosten für eine häusliche Versorgung mit einem Galileo – Trainingsgerät.

Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Das beantragte Behandlungstraining ist jedoch nicht als notwendig im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V anzusehen.

Das Gericht weist zur Begründung gemäß § 136 Abs. 3 SGG auf die zutreffenden Gründe des Widerspruchsbescheides des Widerspruchsausschusses der Beklagten vom 30. Oktober 2014 hin, der das Gericht folgt. Die Beklagte hat den Antrag nach zwei negativen Stellungnahmen des MDK vom 04. März 2013 und 23. April 2014 mithin nicht zu Unrecht, sondern zu Recht abgelehnt, wie sich aus den zutreffenden Gründen des Widerspruchsbescheides ergibt, auf die auch insoweit gemäß § 136 Abs. 3 SGG verwiesen wird.

Hervorheben möchte das Gericht noch, dass das Galileo-Training eine nicht anerkannte neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode ist, für die auch kein Einheitlicher Bewertungsmaßstab (EBM) vorliegt.

Es lieg keine positiven Bewertung des gemeinsamen Bundesausschusses vor und eine eventuelle derzeitige Prüfung des Gemeinsamen Bundesausschusses eröffnet der Klägerin keine weitergehenden Ansprüche. Nach dem BSG Urteil vom 08. Juli 2015 – B 3 KR 5/14 R- entsteht eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankversicherung erst ab der positiven Bewertung durch den gemeinsamen Bundesausschuss.

Schließlich besteht kein Anspruch der Klägerin auf Zurverfügungstellung des begehrten Galileo-Trainings – Geräts aus dem Gesichtspunkt einer notstandsähnlichen Krankheitssituation. Die vom Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 6. Dezember 2005 – 1 BvR 347/98 – aufgestellten und inzwischen in § 2 Abs. 1a SGB V kodifizierten Voraussetzungen hierfür liegen nicht vor. Denn die Klägerin befindet sich weder in einer lebensbedrohlichen noch in einer regelmäßig tödlichen oder wertungsmäßig damit vergleichbaren Erkrankungssituation und kann durchaus mit Krankengymnastik auf normaler oder neuropsychologischer Basis behandelt werden.

Wegen der möglichen Methoden einer Erlangung des Galileotrainings auch für die Klägerin wird auf den vorletzten Absatz des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2014 verwiesen.

Im Übrigen, die Position der Klägerin einmal unterstellt, es handelt sich um ein Hilfsmittel nach § 33 Abs. 1 SGB V, fehlt es hier an der notwendigen ärztlichen Verordnung.

Auch insoweit bleibt also der Klage der Erfolg versagt. Die Klage hat also mithin unter keinem Gesichtspunkt Erfolg.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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