L 15 SF 323/14

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
15
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 SF 323/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Kostenbeschluss
Leitsätze
2. Bei der Beurteilung der Frage der Erheblichkeit der Überschreitung kommt es darauf an, was dem Sachverständigen als Vergütung objektiv zustehen würde, nicht darauf, was er als Vergütung gefordert hat.
3. Von einer Widerlegung des vom Gesetzgeber vermuteten Verschuldens des Sachverständigen kann grundsätzlich nur dann ausgegangen werden, wenn der Sachverständige keine Kenntnis von der Höhe des Vorschusses gehabt hat.
4. Rechtsfolge der erheblichen Überschreitung des Vorschusses ist die Kürzung der Vergütung auf die Höhe des Vorschusses. Ein Aufschlag auf die Höhe dessen, was die maximal mögliche Vergütung unterhalb der Erheblichkeitsgrenze darstellen würde, ist nicht vorzunehmen.
5. Eine nachträgliche Reduzierung der Forderung des Sachverständigen unter die Erheblichkeitsgrenze des § 8 a Abs. 4 JVEG ist nur innerhalb der Antragfrist des § 2 Abs. 1 JVEG oder im Wege der Wiedereinsetzung mit den dabei zu beachtenden Voraussetzungen möglich.
Die Vergütung für das Gutachten vom 25.09.2014 wird auf 1.500,- EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Streitig ist die Höhe der Vergütung eines Gutachtens nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) bei Überschreitung des vom Gericht zuvor für das Gutachten angeforderten Kostenvorschusses und nach Reduzierung der ursprünglichen Vergütungsforderung.

In dem am Bayer. Landessozialgericht (LSG) unter dem Aktenzeichen geführten schwerbehindertenrechtlichen Verfahren wurde der Antragsteller, der Facharzt für Orthopädie ist, auf Antrag des dortigen Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und nach Einzahlung eines Vorschusses in Höhe von 1500,- EUR mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Im Auftragsschreiben des Gerichts vom 02.09.2014 an den Antragsteller war folgender Hinweis enthalten: "Sollten aus zwingenden Gründen die gesamten Kosten den eingezahlten Vorschuss von 1500,00 EUR übersteigen, so werden Sie gebeten, dem Gericht unverzüglich die endgültige Höhe der Kosten schriftlich mitzuteilen. In diesem Falle warten Sie bitte die Benachrichtigung des Gerichts ab, ob das Gutachten zu erstatten ist oder die Akten ohne Erledigung des Gutachtensauftrags zurückgesandt werden sollen. Mehrkosten für die weitere Bearbeitung werden nur nach Einwilligung des Gerichts übernommen."

Am 06.10.2014 ist das unter dem Datum vom 25.09.2014 erstellte Gutachten des Antragstellers beim Bayer. LSG eingegangen. Beigefügt war eine Rechnung vom 01.10.2014 über 2500,46 EUR sowie ein Begleitschreiben vom selben Tag, in dem der Antragsteller ausführte, dass das Gutachten bei der Erstellung einen größeren Aufwand erfordert habe, als dies vorhersehbar gewesen sei. Er sei aber der Meinung, dass die Kosten für das Gutachten gut nachvollziehbar seien, da es wirklich viel Mühe und einen großen Aufwand bereitet habe, und bitte daher um Erstattung.

Die Kostenbeamtin des Bayer. LSG setzte die Vergütung des Antragstellers für sein Gutachten vom 25.09.2014 mit Schreiben vom 19.11.2014 auf 1.500,- EUR fest. Die Kürzung begründete sie damit, dass die beantragte Vergütung den eingezahlten Vorschuss (1.500,- EUR) um ca. 66,66 % und damit erheblich übersteige. Diese Erhöhung habe der Antragsteller trotz des entsprechenden Hinweises im Gutachtensauftrag dem Gericht nicht vorher angekündigt, so dass keine Möglichkeit bestanden habe, den Kläger darüber zu informieren und sein Einverständnis zu der Kostensteigerung einzuholen.

Dagegen hat sich der Antragsteller mit Schreiben vom 25.11.2014 gewandt und um gerichtliche Festsetzung der Vergütung gebeten. Er sei - so der Antragsteller - anfänglich davon ausgegangen, dass der Betrag des Vorschusses in Höhe von 1500,- EUR ausreichend sei. Bei der Gutachtenserstellung lasse sich nicht immer vorhersagen, wie umfangreich und ausgedehnt die Beschwerden des zu Untersuchenden seien. Zudem lasse sich auch nicht immer vorhersehen, wie viele Vorbefunde der zu Untersuchende mitbringe. In diesem Fall seien eine umfangreiche Röntgenuntersuchung und eine MRT-Untersuchung notwendig gewesen; denn aktuelle Röntgenbilder habe der zu Untersuchende nicht mitgebracht. Das Gutachten habe sehr viel Mühe gemacht; die berechneten Arbeiten und Leistungen seien nachvollziehbar auch erbracht worden.

Der Berichterstatter des Kostensenats des Bayer. LSG hat dem Antragsteller mit Schreiben vom 27.01.2015 mitgeteilt, dass wegen der erheblichen Überschreitung des Vorschusses in Anbetracht der gesetzlichen Vorgaben, die ausführlich erläutert worden sind, eine Kürzung seiner Vergütungsforderung auf den eingezahlten Vorschuss von 1500,- EUR zwingend gewesen sei.

Mit Schreiben vom 04.02.2015 hat der Antragsteller seine Rechnung für das Gutachten vom 25.09.2014 auf 1799,- EUR reduziert. Zudem hat er darauf hingewiesen, dass seine Rechnung von jetzt 1799,- EUR den eingezahlten Vorschuss nicht erheblich überschreite, da die Überschreitung weniger als 20 % betrage.

II.

Die Festsetzung der Vergütung erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn wie hier der Berechtigte mit Schreiben vom 25.11.2014 die gerichtliche Festsetzung beantragt.

Die Vergütung für das Gutachten vom 25.09.2014 ist wegen einer erheblichen Überschreitung des dafür eingezahlten Vorschusses auf 1.500,- EUR festzusetzen. Dass der Antragsteller im Laufe des Verfahrens der gerichtlichen Festsetzung der Vergütung seine Vergütungsforderung für das Gutachten auf einen unter der Erheblichkeitsgrenze liegenden Betrag reduziert hat, hat im vorliegenden Fall keine rechtlichen Auswirkungen.

1. Anzuwendende Fassung des JVEG

Zur Anwendung kommen im vorliegenden Fall nach Erlass des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - 2. KostRMoG) vom 23.07.2013 (BGBl I S. 2586, 2681 ff.) gemäß der Übergangsvorschrift des § 24 JVEG die Regelungen des JVEG in der ab dem 01.08.2013 geltenden Fassung. Denn der Antragsteller als Berechtigter ist nach dem gemäß Art. 55 2. KostRMoG am 01.08.2013 erfolgten Inkrafttreten des 2. KostRMoG als Sachverständiger beauftragt worden.

2. Prüfungsumfang im Verfahren der gerichtlichen Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG

Die gerichtliche Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG stellt keine Überprüfung der vom Kostenbeamten vorgenommenen Ermittlung der Entschädigung oder Vergütung dar, sondern ist eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung. Bei der Festsetzung durch den Kostenbeamten handelt es sich um eine lediglich vorläufige Regelung, die durch den Antrag auf gerichtliche Festsetzung hinfällig wird (vgl. Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.11.1968, Az.: RiZ (R) 4/68). Damit wird eine vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungsweg sowohl bei den Einzelpositionen als auch im Gesamtergebnis gegenstandslos. Das Gericht hat daher eine vollumfassende Prüfung des Entschädigungs- oder Vergütungsanspruchs vorzunehmen, ohne auf Einwände gegen die im Verwaltungsweg erfolgte Festsetzung beschränkt zu sein. Die vom Gericht festgesetzte Entschädigung oder Vergütung kann daher auch niedriger ausfallen, als sie zuvor vom Kostenbeamten festgesetzt worden ist; das Verbot der reformatio in peius gilt nicht (h.M., vgl. z.B. Beschluss des Senats vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12; Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Aufl. 2014, § 4, Rdnr. 12 - m.w.N.).

3. Einschlägige Rechtsnorm des § 8 a Abs. 4 JVEG

Mit dem 2. KostRMoG ist die Vorschrift des § 8 a JVEG eingeführt worden, dessen hier maßgebliche Absätze 4 und 5 wie folgt lauten:

"(4) Übersteigt die Vergütung den angeforderten Auslagenvorschuss erheblich und hat der Berechtigte nicht rechtzeitig nach § 407 a Absatz 3 Satz 2 der Zivilprozessordnung auf diesen Umstand hingewiesen, erhält er die Vergütung nur in Höhe des Auslagenvorschusses.

(5) Die Absätze 3 und 4 sind nicht anzuwenden, wenn der Berechtigte die Verletzung der ihm obliegenden Hinweispflicht nicht zu vertreten hat."

§ 407 a Absatz 3 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) lautet wie folgt:

"Erwachsen voraussichtlich Kosten, die erkennbar außer Verhältnis zum Wert des Streitgegenstandes stehen oder einen angeforderten Kostenvorschuss erheblich übersteigen, so hat der Sachverständige rechtzeitig hierauf hinzuweisen."

Der Gesetzgeber hat die Neuregelung des § 8 a JVEG wie folgt begründet (vgl. die Gesetzesbegründung zum Entwurf des 2. KostRMoG - Bundestags-Drucksache 17/11471 (neu), S. 259 f.):

"Der vorgeschlagene § 8 a JVEG soll das Schicksal des Vergütungsanspruchs für Fälle der nicht ordnungsgemäßen Leistungserbringung regeln. Die vorgeschlagenen Regelungen orientieren sich an der für die Sachverständigenvergütung ausgewogenen Rechtsprechung ... und die Absätze 3 und 4 sollen diejenigen Fälle regeln, in denen der Sachverständige gegen Pflichten verstößt, die einen unmittelbaren kostenrechtlichen Bezug haben.

...

Die Absätze 3 und 4 sollen die Fälle regeln, in denen der Sachverständige pflichtwidrig gegen die Verpflichtung aus § 407 a Absatz 3 Satz 2 ZPO verstößt, indem er es unterlässt, rechtzeitig darauf hinzuweisen, dass voraussichtlich Kosten erwachsen, die erkennbar außer Verhältnis zum Wert des Streitgegenstands stehen oder einen angeforderten Kostenvorschuss erheblich übersteigen. Hat das Gericht jedoch dem Sachverständigen die Zahlung eines Kostenvorschusses in einer bestimmten Höhe ohne weitere Hinweise mitgeteilt, kann der Sachverständige unterstellen, dass das Gericht von der Verhältnismäßigkeit dieses Betrags ausgeht.

... Wenn die Vergütung einen angeforderten Vorschuss erheblich übersteigt, soll sie mit dem Betrag des Vorschusses gekappt werden. Dadurch soll aber keine generelle Kappungsgrenze für jede Überschreitung des Vorschusses geschaffen werden, sondern nur für Fälle des erheblichen Übersteigens. Die Literatur nimmt Erheblichkeit erst bei einer um zwanzig Prozent übersteigenden Vergütung an (Zöller/Greger, 25. Auflage, § 413 ZPO, Rnr. 6).

Der vorgeschlagene Absatz 5 soll ein Verschuldenserfordernis in den Fällen der Absätze 3 und 4 festlegen. Dadurch soll dem Berechtigten ermöglicht werden, sich auf ein mangelndes Verschulden berufen zu können, um die Rechtsfolge der Vergütungsminderung nicht eintreten zu lassen. Systematisch wird ein Verschulden generell vermutet, so dass es dem Berechtigten obliegt, mangelndes Verschulden darzulegen. Als Verschuldensmaßstab soll Vorsatz und Fahrlässigkeit genügen."

Bedenken gegen eine Anwendbarkeit des § 8 a Abs. 4 JVEG im sozialgerichtlichen Verfahren bestehen nicht (vgl. Beschluss des Senats vom 08.06.2015, Az.: L 15 SF 255/14 E).

4. Anwendung des § 8 a Abs. 4 JVEG im hier zu entscheidenden Fall

Die Vergütung des Antragstellers ist auf die Höhe des Vorschusses festzusetzen, da die sich aus dem eingezahlten Vorschuss (vgl. unten Ziff. 4.1.) ergebende Erheblichkeitsgrenze (vgl. unten Ziff. 4.2.) durch die dem Antragsteller ohne Berücksichtigung der Regelung des § 8 a Abs. 4 JVEG zustehende Vergütung (vgl. unten Ziff. 4.3.) erreicht oder überschritten wird (vgl. unten Ziff. 4.4.), der Antragsteller auf die erhebliche Überschreitung nicht rechtzeitig hingewiesen hat (vgl. unten Ziff. 4.5.) und nicht der Nachweis geführt ist, dass er die Verletzung der Hinweispflicht nicht zu vertreten hat (vgl. unten Ziff. 4.6.), mit der Konsequenz, dass die Vergütung auf die Höhe des Vorschusses ohne Aufschlag (von 20 % abzüglich eines Cents) festzusetzen ist (vgl. unten Ziff. 4.7.). Die vom Antragsteller mit Schreiben vom 04.02.2015 erfolgte "Reduzierung" der Vergütungsforderung auf 1799,- EUR ist unbeachtlich, da sie rechtlich betrachtet eine Nachforderung darstellt (vgl. unten Ziff. 4.8.), diese Nachforderung zu spät geltend gemacht worden ist (vgl. unten Ziff. 4.8.1.) und eine Wiedereinsetzung dafür nicht gewährt werden kann (vgl. unten Ziff. 4.8.2.). Weitere vergütungsrelevante Gesichtspunkte gibt es nicht (vgl. unten Ziff. 4.9.).

4.1. Eingezahlter Vorschuss

Eingezahlt worden ist ein Vorschuss in Höhe von 1.500,- EUR.

4.2. Erheblichkeitsgrenze für die Überschreitung des Vorschusses

Die Erheblichkeitsgrenze liegt bei einer Vorschusshöhe von 1.500,- EUR bei 1.800,- EUR.

Der Senat geht davon aus, dass eine Überschreitung des Vorschusses dann erheblich ist, wenn die Überschreitung mindestens 20 % des Vorschusses beträgt (vgl. Beschluss des Senats vom 08.06.2015, Az.: L 15 SF 255/14 E). Dies steht in Einklang mit der Gesetzesbegründung (vgl. die Gesetzesbegründung zum 2. KostRMoG, a.a.O., S. 260), der Kostenrechtsliteratur (vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a.a.O., § 8 a, Rdnr. 33; Hartmann, Kostengesetze, 45. Aufl. 2015, § 8 a JVEG, Rdnr. 64) und der überwiegenden Rechtsprechung (vgl. z.B. Oberlandesgericht - OLG - Hamm, Beschluss vom 14.10.2014, Az.: I-10 U 104/11, 10 U 104/11).

Bei einem Vorschuss in Höhe von 1.500,- liegt die Erheblichkeitsgrenze daher bei 1.800,- EUR (1.500,- EUR x 1,2).

4.3. Ohne Berücksichtigung der Regelung des § 8 a Abs. 4 JVEG zustehende Vergütung

Die dem Antragsteller zustehende Vergütung (zum Begriff der Vergütung in diesem Zusammenhang: vgl. Beschluss des Senats vom 08.06.2015, Az.: L 15 SF 255/14 E - dort Ziff. 5.3.), wenn kein Fall des § 8 a Abs. 4 JVEG gegeben wäre, bewegt sich zweifellos, ohne dass es dazu im vorliegenden Fall einer näheren Prüfung bedarf, in einer Dimension, die deutlich oberhalb von 2.000,- EUR liegt.

Die einem Sachverständigen objektiv zustehende Vergütung ergibt sich aus § 8 Abs. 1 JVEG, begrenzt durch das Antragsprinzip (vgl. Beschlüsse des Senats vom 26.06.2012, Az.: L 15 SF 423/09, und vom 17.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13; Thüringer LSG, Beschluss vom 27.01.2005, Az.: L 6 SF 745/04). Zur Ermittlung des objektiv erforderlichen Zeitaufwands verweist der Senat insbesondere auf seine Grundsatzbeschlüsse vom 14.05.2012, Az.: L 15 SF 276/10 B E, und vom 18.05.2012, Az.: L 15 SF 104/11.

Dass die nach den aufgezeigten Vorgaben zu ermittelnde Vergütung des Antragstellers - der Antragsteller hat eine Rechnung über 2.500,46 EUR gestellt - sich in einem Bereich von deutlich über 2.000,- EUR bewegt, liegt angesichts der ausführlichen Erläuterungen des Sachverständigen in seinem Gutachten im Rahmen der Beurteilung der Beweisfragen und der von ihm dazu gemachten plausiblen Zeitangaben sowie der durchgeführten bildgebenden Verfahren auf der Hand; einer detaillierten Berechnung bedarf es insofern im vorliegenden Fall nicht.

Lediglich der Klarheit halber weist der Senat darauf hin, dass die mit Schreiben des Antragstellers vom 04.02.2015 erfolgte Rechnungsreduzierung an dieser Stelle keine Bedeutung hat. Denn zum Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungsstellung lautete der Vergütungsantrag auf einen Betrag von 2.500,46 EUR, sodass zum Zeitpunkt der Entstehung der Vergütungsforderung eine durch das Antragsprinzip bedingte Limitierung der Vergütungsforderung (ständige Rspr., vgl. Beschlüsse des Senats vom 26.06.2012, Az.: L 15 SF 423/09, und vom 17.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13; Thüringer LSG, Beschluss vom 27.01.2005, Az.: L 6 SF 745/04) auf 2.500,46 EUR, nicht aber auf einen niedrigeren Betrag, gegeben war.

4.4. Erreichen (bzw. Überschreiten) der Erheblichkeitsgrenze durch die dem Antragsteller objektiv zustehende Vergütung

Der unter Ziff. 4.3. ermittelte Betrag von mindestens 2.000,- EUR liegt deutlich über der in Ziff. 4.2. bestimmten Erheblichkeitsgrenze des § 8 a Abs. 4 JVEG von 1.800,- EUR (zur nachträglichen Reduzierung der Vergütungsforderung durch den Antragsteller vgl. unten Ziff. 4.8.).

4.5. Kein rechtzeitiger Hinweis des vergütungsberechtigten Sachverständigen auf die erhebliche Überschreitung des Vorschusses

Der Antragsteller hätte das LSG spätestens zu dem Zeitpunkt informieren (und vor einem Weiterarbeiten am Gutachten die Antwort des Gerichts abwarten) müssen, als der bis dahin entstandene Vergütungsanspruch im Sinn des § 8 JVEG die Erheblichkeitsgrenze zu erreichen drohte. Dies hat er nicht getan.

Der Antragsteller hat vor Vorlage des Gutachtens überhaupt nicht darauf hingewiesen, dass die ihm zustehende Vergütung die Erheblichkeitsgrenze erreichen oder überschreiten werde, sondern das Gutachten zusammen mit seiner Rechnung über 2.500,46 EUR vorgelegt. Der erst zusammen mit der Rechnungsvorlage erfolgte Hinweis auf die Kostenüberschreitung ist bei weitem zu spät erfolgt.

4.6. Kein fehlendes Verschulden bei der Verletzung der Hinweispflicht

Es ist nicht nachgewiesen, dass der Antragsteller die Verletzung seiner Pflicht, auf die erhebliche Überschreitung des Vorschusses rechtzeitig hinzuweisen, nicht zu vertreten hat.

Die gesetzliche Regelung des § 8 a Abs. 5 JVEG ist so konstruiert, dass das Verschulden (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) des Vergütungsberechtigten widerleglich vermutet wird (vgl. auch die Gesetzesbegründung zum 2. KostRMoG, a.a.O., S. 260). Von einer Widerlegung des vom Gesetzgeber vermuteten Verschuldens kann grundsätzlich nur dann ausgegangen werden, wenn der Sachverständige keine Kenntnis von der Höhe des Vorschusses gehabt hat. Der Sachverständige kann sich insbesondere nicht darauf berufen, dass er zunächst davon ausgegangen sei, dass der Vorschuss ausreichend hoch und ihm die Überschreitung erst zu einem Zeitpunkt aufgefallen sei, als der vergütungsrechtliche Wert seiner Arbeit den Vorschuss bereits erheblich überschritten habe (ausführlich zum Gesichtspunkt des Verschuldens: vgl. Beschluss des Senats vom 08.06.2015, Az.: L 15 SF 255/14 E).

Im vorliegenden Fall ist ein fehlendes Verschulden des Antragstellers nicht nachgewiesen. Auf die Höhe des eingezahlten Vorschusses ist der Antragsteller mit dem Gutachtensauftrag hingewiesen worden. Der Antragsteller ist, der üblichen Praxis in der Sozialgerichtsbarkeit in Bayern folgend, sogar überobligatorisch über die rechtliche Konsequenz einer Überschreitung des Vorschusses unter Verstoß gegen die Hinweispflicht belehrt worden. Dass die gerichtliche Aufforderung im Gutachtensauftrag dahingehend formuliert ist, dass der Sachverständige das Gericht schon bei einer im Raum stehenden Überschreitung des Vorschusses zu informieren und dann die Nachricht des Gerichts abzuwarten habe und nicht erst bei einer wesentlichen Überschreitung, wie es die gesetzlichen Regelungen des § 8 a Abs. 4 JVEG und des § 407 a Abs. 3 Satz 2, 2. Alt. ZPO vorsehen, ist unschädlich. Zwar geht die Aufforderung im gerichtlichen Gutachtensauftrag - auch im Interesse des Sachverständigen zur frühzeitigen Vorbeugung etwaiger vergütungsrechtlicher Probleme - über die gesetzlichen Vorgaben hinaus. Dies kann aber kein fehlendes Verschulden des Antragstellers im Sinn des § 8 a Abs. 5 JVEG begründen, was einer Kürzung seiner Vergütungsforderung auf den Vorschuss entgegenstünde. Denn für die Frage des Verschuldens kommt es allein auf die Kenntnis der Vorschusshöhe, nicht aber auf die rechtlichen Konsequenzen einer (erheblichen) Überschreitung an (vgl. Beschluss des Senats vom 08.06.2015, Az.: L 15 SF 255/14 E).

4.7. Rechtsfolge des § 8 a Abs. 4 JVEG: Kürzung auf die Höhe des Vorschusses

Die Vergütung ist gemäß § 8 a Abs. 4 JVEG auf die Höhe des Vorschusses, d.h. auf 1.500 EUR, zu kürzen. Ein Aufschlag auf die Höhe dessen, was die maximal mögliche Vergütung unterhalb der Erheblichkeitsgrenze darstellen würde, also von 20 % abzüglich eines Cents, ist nicht vorzunehmen (h.M. in Literatur und Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Senats vom 08.06.2015, Az.: L 15 SF 255/14, OLG Hamm, Beschlüsse vom 24.07.2014, Az.: I-24 U 220/12, 24 U 220/12, und vom 14.10.2014, Az.: I-10 U 104/11, 10 U 104/11; Landgericht Hannover, Beschluss vom 07.08.2014, Az.: 92 T 87/14; Hartmann, a.a.O., § 8 a JVEG, Rdnr. 64; Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a.a.O., § 8 a, Rdnr. 33, wobei hier die missverständliche Formulierung "kann die Vergütung auf den Betrag des angeforderten Vorschusses begrenzt werden", verwendet wird; denn dagegen, dass die Begrenzung der Vergütung im Ermessen des Gerichts stünde, spricht der eindeutige Wortlaut des Gesetzes).

4.8. Nachträgliche Reduzierung der Vergütungsforderung auf 1799,- EUR durch den Antragsteller ohne rechtliche Relevanz

Dass der Antragsteller mit Schreiben vom 04.02.2015 seine Vergütungsforderung auf einen Betrag von 1799,- EUR reduziert und damit auf einen Betrag unterhalb der Erheblichkeitsgrenze (vgl. oben Ziff. 4.2.) abgesenkt hat, hat keine Auswirkung auf die zu gewährende Vergütung. Denn zum Zeitpunkt der Reduzierung der Vergütungsforderung war die Rechtsfolge des § 8 a Abs. 4 JVEG (Vergütung nur in Höhe des Vorschusses) bereits eingetreten, so dass der Antragsteller über das Antragsprinzip keine Reduzierung der Vergütungsforderung mehr bewirken konnte.

Rechtlich betrachtet stellt die mit Schreiben vom 04.02.2015 erfolgte Reduzierung der Vergütungsforderung eine an die gesetzliche Antragsfrist des § 2 Abs. 1 JVEG gebundene Nachforderung dar (vgl. unten Ziff. 4.8.1.). Da diese Frist, die gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 JVEG mit dem Eingang des Gutachtens beim LSG am 06.10.2014 zu laufen begonnen und nach drei Monaten (§ 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG) geendet hatte, bei Eingang des Schreibens des Antragstellers vom 04.02.2015 beim LSG längst abgelaufen war, wäre eine nachträgliche Korrektur der Vergütungsforderung nur über einen Wiedereinsetzungsantrag denkbar gewesen. Ein solcher ist aber nicht gestellt worden ist (vgl. unten Ziff. 4.8.2.). Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen sehen die Regelungen des JVEG nicht vor (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Beschlüsse des Senats vom 01.08.2012, Az.: L 15 SF 156/12, vom 13.11.2012, Az.: L 15 SF 168/12, und vom 27.03.2013, Az.: L 15 SF 181/12 B).

4.8.1. Keine Reduzierung der Vergütungsforderung durch das Antragsprinzip mehr möglich

Zum Zeitpunkt des Schreibens des Antragstellers vom 04.02.2015 stand diesem keine Möglichkeit mehr offen, über das Instrument des Antragsprinzips die Höhe seiner Vergütungsforderung so zu reduzieren, dass eine erhebliche Überschreitung des Vorschusses nicht vorliegt.

Grundsätzlich sieht der Senat kein Hindernis für einen Sachverständigen, über das Antragsprinzip die Höhe seiner Vergütungsforderung dahingehend zu "optimieren", dass er die maximal mögliche Vergütung erhält, wenn er es versäumt hat, rechtzeitig eine erhebliche Überschreitung des Vorschusses anzuzeigen. Denn es stellt keinen Rechtsmissbrauch dar, eine Kürzung auf die Höhe des Vorschusses dadurch zu vermeiden, dass eine Rechnung in Höhe des Vorschusses zuzüglich eines 20%igen Zuschlags und abzüglich eines Cents und damit eine Forderung unter der Erheblichkeitsgrenze gestellt wird, obwohl das Gutachten eine höhere Vergütungsforderung rechtfertigen würde, wenn kein Verstoß gegen § 8 a Abs. 4 JVEG vorliegen würde (vgl. Beschluss des Senats vom 08.06.2015, Az.: L 15 SF 255/14 E).

Von dieser "Optimierungsmöglichkeit" kann aber grundsätzlich nur zeitlich begrenzt Gebrauch gemacht werden, wobei sich die zeitliche Grenze aus der Antragsfrist des § 2 Abs. 1 JVEG ergibt. Diese zeitliche Grenze gilt auch für eine nachträgliche Rechnungskorrektur im Sinn einer neuen Rechnungsstellung mit einer Vergütungsforderung unter der Erheblichkeitsgrenze.

Die im vorliegenden Fall nach der ursprünglichen Rechnung erfolgte neue Rechnungsstellung beinhaltet zwar einen gegenüber der ersten Rechnung niedrigeren Forderungsbetrag, stellt aber rechtlich betrachtet keine Absenkung der Vergütungsforderung dar, sondern eine Nachforderung. Mit der zweiten Rechnung hat der Antragsteller nicht auf eine Forderung teilweise verzichtet, sondern tatsächlich eine Nachforderung über 299,- EUR aufgestellt. Denn zum Zeitpunkt der Einreichung der zweiten Rechnung über 1.799,- EUR stand dem Antragsteller nur eine Vergütung über 1.500,- EUR zu (vgl. oben Ziff. 4.1. bis 4.7.), da die Rechtsfolge der Kürzung der Rechnung auf den Betrag des Vorschusses mit Eingang der Rechnung des Sachverständigen bei Gericht eingetreten war.

Die Geltendmachung einer Nachforderung unterliegt den selben rechtlichen Anforderungen wie die erstmalige Geltendmachung der Vergütungsforderung (vgl. Beschluss des Senats vom 23.12.2009, Az.: L 15 SF 352/09; Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 29.04.2013, Az.: 9 W 34/13). Sie ist daher - mit der Ausnahme der Wiedereinsetzung - an die Dreimonatsfrist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG gebunden, um nicht das mit der kurzen Antragsfrist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG verfolgte Ziel eines zeitnahen kostenrechtlichen Abschlusses des Verfahrens (vgl. die Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts [Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - KostRMoG] - Bundestags-Drucksache 15/1971, S. 178 f.) zu konterkarieren. Diese Frist war bei Eingang des Schreibens vom 04.02.2015 mit der abgesenkten Vergütungsforderung bereits seit langem verstrichen.

4.8.2. Keine Wiedereinsetzung bezüglich der Reduzierung der Vergütungsforderung

Eine Wiedereinsetzung gemäß § 2 Abs. 2 JVEG kann nicht erfolgen, da der Antragsteller keinen Wiedereinsetzungsantrag gestellt hat und eine Wiedereinsetzung von Amts wegen im Bereich des JVEG nicht möglich ist.

Einen Wiedereinsetzungsantrag hat der Antragsteller nicht gestellt. Insofern erübrigen sich weitergehende Überlegungen des Senats, ob ein Wiedereinsetzungsgrund in einer Konstellation wie hier überhaupt möglich wäre.

Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen ist dem JVEG - im Gegensatz zu vielen anderen gesetzlichen Regelungen - fremd (ständige Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschlüsse des Senats vom 01.08.2012, Az.: L 15 SF 156/12, vom 13.11.2012, Az.: L 15 SF 168/12, und vom 27.03.2013, Az.: L 15 SF 181/12 B). Das Antragserfordernis verbietet es zudem, allein in der verspäteten Geltendmachung einer Entschädigungsforderung einen Wiedereinsetzungsantrag zu sehen (ständige Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschluss vom 22.04.2015, Az.: L 15 RF 17/15), da damit der vom Gesetzgeber vorgesehene Ausschluss einer Wiedereinsetzung vom Amts wegen hinfällig würde.

4.9. Keine weiteren vergütungsrelevanten Gesichtspunkte

Weitere, bei der Festsetzung der Vergütung relevante Aspekte gibt es nicht (vgl. Beschluss des Senats vom 08.06.2015, Az.: L 15 SF 255/14 E). Insbesondere kommt es darauf, ob das Gutachten im vorliegenden, über den Kostenvorschuss hinausgehende Kosten verursachenden Umfang auch dann erstellt worden wäre, wenn das Gericht (und von diesem der Antragsteller gemäß § 109 SGG) über die höheren Kosten rechtzeitig informiert worden wäre, nicht an. Auch die Frage, ob das Gutachten, dessen Vergütung auf den Vorschuss gekürzt worden ist, im gerichtlichen Verfahren bestimmungsgemäß verwertet wird oder worden ist, hat für die Vergütung im Zusammenhang mit § 8 a Abs. 4 JVEG keine Bedeutung. Schließlich hat die Frage, ob der Antragsteller gemäß § 109 SGG die Kosten, die den von ihm geleisteten Vorschuss übersteigen, nachträglich, d.h. nach Vorlage des Gutachtens, nachschießen würde, bei der Festsetzung der Vergütung keine rechtliche Bedeutung. Verfassungsrechtliche Bedenken unter dem Aspekt des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz bestehen gegen eine Kürzung auf die Höhe des Vorschusses nicht (vgl. Beschluss des Senats vom 08.06.2015, Az.: L 15 SF 255/14 E).

Die Vergütung für das Gutachten vom 25.09.2014 ist daher auf die Höhe des Vorschusses, also auf 1.500,- EUR, festzusetzen.

Der Kostensenat trifft diese Entscheidung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage der nachträglichen Reduzierung der Vergütungsforderung nach erheblicher Überschreitung des Vorschusses gemäß § 8 a Abs. 4 JVEG in voller Besetzung.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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