L 2 R 2958/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 2689/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 R 2958/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 24. Juni 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Der Kläger arbeitete bis Dezember 2010 in seinem Ausbildungsberuf als Industriemechaniker. Seither ist er arbeitsunfähig bzw. arbeitslos.

Vom 3.1.2012 bis 14.2.2012 befand sich der Kläger in einer stationären Reha in der psychosomatischen Klinik Schloss W. wegen einer gegenwärtig schweren Episode einer rezidivierenden depressiven Störung. Im Entlassbericht vom 23.2.2012 wurde das Leistungsvermögen als Industriemechaniker auf unter 3 Stunden und für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mittelfristig mit 6 Stunden und mehr bei Beachtung gewisser qualitativer Einschränkungen beurteilt.

Am 10.4.2013 beantragte der Kläger bei der Beklagten Rente wegen Erwerbsminderung wegen Depressionen, Knie- und Schulterbeschwerden sowie Bluthochdruck.

Die Beklagte veranlasste die Begutachtung durch den Nervenarzt Dr. W ... In seinem Gutachten vom 10.6.2013 diagnostizierte er: 1. anamnestisch rezidivierende depressive Störungen 2. deutliche Hinweise auf artifizielle Störung 3. Verdacht auf anhaltende somatoforme Schmerzstörung 4. arterielle Hypertonie

Die berufliche Leistungsfähigkeit sei aus neurologisch-psychiatrischer Sicht nicht wesentlich eingeschränkt. Die kräftigen Hände zeigten deutliche Spuren von Handarbeit. Nicht durchgängig dargebotene Bewegungseinschränkungen seien nicht sicher klinisch belegt. Eindeutige Zeichen einer psychopathologischen Symptomatik hätten sich nicht finden lassen. Allenfalls liege eine leichte depressive Störung bei Hinweisen auf eine gemischte Persönlichkeitsstörung vor. Die bisherige Tätigkeit eines Industriemechanikers sei ebenso vollschichtig möglich wie auch andere mittelschwere Arbeiten.

Mit Bescheid vom 20.6.2013 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, weil die medizinischen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Der Kläger könne noch mindestens 6 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein. Der Widerspruch des Klägers blieb ohne erneute medizinische Prüfung erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 30.9.2013).

Dagegen hat der Kläger am 9.10.2013 durch seinen Bevollmächtigten Klage zum Sozialgericht Reutlingen erheben lassen und sich zur Begründung darauf berufen, dass seine chronischen Erkrankungen (Depressionen, Schmerzerkrankung sowie ständiger Erschöpfungszustand, Schlafstörungen, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen sowie Dauerschmerzen im HWS-, LWS-Bereich, den Schultern und Knien) selbst einer leichten Tätigkeit im zeitlichen Umfang von 6 Stunden und mehr entgegenstünden.

Das SG hat die behandelnden Ärzte und Psychologen als sachverständige Zeugen befragt. Dr. G., Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, und der Allgemeinmediziner Dr. B. sowie Dipl.-Psych. St. hielten den Kläger aufgrund seiner anhaltenden depressiven Störung und schnellen Erschöpfbarkeit nicht mehr für in der Lage 6 Stunden arbeitstäglich zu arbeiten.

Weiter hat das SG das psychiatrische Gutachten des Dr. D. eingeholt. In seinem Gutachten vom 9.10.2014 diagnostizierte er beim Kläger auf psychiatrischem Fachgebiet: • rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichtgradige Episode (F33.0) • Differenzialdiagnose: chronisch leichtgradige depressive Entwicklung im Sinne einer Dysthymia (F34.1) bei • Persönlichkeit mit perfektionistischen, zwanghaften, dependenten und selbstunsicheren Zügen unterhalb einer Persönlichkeitsstörung

Die Gesundheitsstörungen bedingten einen Rückzug, ein mangelndes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, eine Tendenz zur Vermeidung von Menschen und Anforderungen, insgesamt regressive Bestrebungen. Leichtere Einschränkungen von Konzentration, Merkfähigkeit und geistiger Wendigkeit sowie von Antrieb und Dynamik seien sehr wahrscheinlich, allerdings keine erheblichen Einschränkungen des Denkvermögens und der Ausdauer. Tätigkeiten, bei denen es auf Tempo ankomme, die mit hohem Zeitdruck verrichtet werden müssten und die besondere Anforderungen an die geistige Wendigkeit und besonders hohe Anforderungen an die Übernahme von Verantwortung stellten, seien dem Kläger nicht zuzumuten. Bei Beachtung dieser Einschränkungen könne der Kläger Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in einem Umfang von mindestens 6 Stunden täglich ausüben. Er empfehle die Fortführung der ambulanten Psychotherapie, von der der Kläger am meisten profitiert habe. Weitgehende Übereinstimmung bestehe mit der Leistungsbeurteilung durch Dr. W ...

Auf Kostenrisiko des Klägers hat das SG gem. § 109 SGG das psychiatrische Gutachten des Dr. A. vom 6.2.2015 eingeholt. Er hielt bei dem Kläger bei rezidivierender depressiver Störung, aktuell mittelgradige depressive Krankheitsepisode (F33.1), somatoformer Schmerzstörung (F45.4), Persönlichkeitsveränderung bei chronischem Schmerzsyndrom und langjähriger affektiver Störung (F62.8) die Durchhaltefähigkeit für leichte bis maximaldurchschnittlich belastende Tätigkeiten seit Rentenantragstellung nur noch für 4 Stunden gegeben. Aufgrund des Beschwerdebildes in der Untersuchungssituation sei leicht nachvollziehbar, dass Beeinträchtigungen bezüglich Konfliktbewältigungsfähigkeit, konzentrativer Belastbarkeit, Gemeinschaftsfähigkeit, Umstellungsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit vorlägen. Die depressive Störung mit rezidivierendem Krankheitsverlauf sei adäquat psychotherapeutisch wie psychopharmakologisch behandelt. Die quantitative Leistungseinschränkung ergebe sich aus der hinzugetretenen Persönlichkeitsänderung. Zum Untersuchungszeitpunkt bei Dr. D. müsse im Vergleich zur jetzigen Untersuchung ein gebesserter affektiver Zustand vorgelegen haben. Die Aspekte des Unruhe- und Nervositäterlebens i.V.m. der leichten Reizbarkeit seien im Rahmen der jetzigen Untersuchung detailliert erfasst worden. Diesbezüglich sei i.V.m. dem krankheitsbedingten sozialen Rückzug eine quantitative Leistungseinschränkung festzustellen.

Die Beklagte hat mit der sozialmedizinischen Stellungnahme der Dr. De. (Fachärztin für psychosomatische Medizin, Psychotherapie) an der Beurteilung im Gutachten des Dr. D. festgehalten. Auch zum Untersuchungszeitpunkt bei Dr. A. habe der Kläger durchaus Antriebs- und Gestaltungskompetenzen bei strukturiertem Tagesablauf wahrnehmen und aufrechterhalten können.

Dr. D. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 14.5.2015 an seiner Leistungseinschätzung festgehalten und beim Vergleich der Inhalte des Gutachtens von Dr. A. mit seinem eigenen Gutachten keine Verschlechterung im Gesundheitszustand des Klägers feststellen können.

Mit Urteil vom 24.6.2015 hat das SG die Klage abgewiesen und sich zur Begründung im Wesentlichen auf das Gutachten des Dr. D. gestützt, wonach der Kläger noch mindestens 6 Stunden pro Arbeitstag Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts ausüben könne. Dies ergebe sich aus dem erhobenen psychischen Befund. So war beispielsweise die konzentrative Belastbarkeit während der Untersuchung bei Klagen über Konzentrationsstörungen befriedigend. Die Grundstimmung war gedrückt, leichte Dysphorie, die aktuelle Schwingungsfähigkeit deutlich reduziert aber nicht gänzlich aufgehoben. Der Antrieb war reduziert und der Kläger erschien wenig initiativ. Die Selbstbeschreibung des Klägers war defizitorientiert aber ohne Anhalt für gezielte bewusste Übertreibungen. Die Freudfähigkeit war zwar vermindert, aber nicht aufgehoben. Magenbeschwerden, Gichtanfälle und orthopädische Probleme habe der Gutachter zu einem Gutteil auf die erhebliche Körperfülle beziehen können. Dr. D. habe gut nachvollziehbar ausgeführt, dass die Problematik aus psychiatrischen Blickwinkel in der Persönlichkeit des Klägers begründet sei. Dr. D. beschreibe ihn als einen Menschen mit sehr enger Bindung an die Eltern und auch ans Elternhaus, einen Menschen der sich durch ein eher ängstlich-vermeidendes Verhalten auszeichne, auf Sicherheit bedacht sei, Neuerungen skeptisch gegenüber stehe und sich mit Veränderungen schwer tue. Hierzu habe Dr. D. auf die Schilderungen des Klägers verwiesen, wie er mit dem Wandel in seinem Betrieb schlecht klar gekommen sei, letztlich sich aber zu seinem Lehrbetrieb keine Alternative vorstellen könne. Das Bild, das der Kläger anlässlich der Begutachtung von sich gezeichnet habe, sei defizitärer als dies der Realität entspreche, wie dem Bericht des behandelnden Psychotherapeuten mit der Bescheinigung von Fortschritten zu entnehmen sei, während der Kläger im Rahmen der Begutachtung diese zu negieren bestrebt gewesen sei. Im Übrigen habe Dr. D. darauf hingewiesen, dass sich eine Erwerbstätigkeit auch therapeutisch heilsam für den Kläger auswirken könne, in dem ihm hierdurch geholfen werde, sich aus seiner Isolation und seinem Rückzug heraus zu bewegen. Der Leistungsbeurteilung des Dr. A. vermochte das SG nicht zu folgen, nachdem Dr. A. einen wechselhaften Verlauf mit mehrfachen Krankheitsphasen pro Jahr mit unterschiedlicher Ausprägung der affektiven Störung angenommen hatte. Es hat ausgeführt, die von Dr. A. festgestellten Beeinträchtigungen bezüglich Konfliktbewältigungsfähigkeit, konzentrativer Belastbarkeit, Gemeinschaftsfähigkeit, Umstellungsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit, auf die er die quantitative Leistungseinschränkung gestützt habe, habe auch Dr. D. in seinem Gutachten erfasst. Eine Verschlechterung des depressiven Syndroms habe Dr. D. beim Vergleich der Gutachten nicht feststellen können. Im Übrigen sei offen, ob es sich dabei selbst bei unterstellter Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers um eine überdauernde Beeinträchtigung des Leistungsvermögens handele. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI.

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis am 7.7.2015 zugestellte Urteil hat er am 15.7.2015 schriftlich beim Landessozialgericht Baden-Württemberg Berufung eingelegt und vorgetragen, dass der Verlauf und die Leistungseinschränkung durch die depressive Erkrankung ausgeprägter sei als von Dr. D. und Dr. W. angenommen. Dr. W. habe die biografische Lebensgeschichte des Klägers nicht beachtet. Nach dem Krankheitsverlauf bestehe über Jahre stets mindestens eine mittelschwere Depression, die unter adäquater Behandlung keine ausreichende Besserung erfahren habe. Soweit Dr. D. auf Dipl.-Psychologe Stefanski mit der Schilderung von Fortschritten verweise, teile dieser aber immer noch mit, dass der Kläger noch sehr depressiv und sehr eingeschränkt leistungsfähig sei. Dr. D. habe den Kläger nur im Rahmen eines kurzzeitig gebesserten Zustandes gesehen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 24. Juni 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. September 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Im Erörterungstermin am 12.11.2015 hat der Kläger mitgeteilt, dass er seit September 2015 einen 450 EUR Job angenommen habe. Es handele sich um eine Verpackungstätigkeit von Schrauben und Dübeln im Umfang von 37,5 Stunden pro Monat, wodurch er sich an die Grenze seiner Belastbarkeit geführt fühle.

Der Senat hat das neurologisch-psychiatrische Gutachten vom 18.4.2016 bei Dr. L., Chefarzt in der , eingeholt, der den Kläger am 13.1.2016 vormittags und am 26.2.2016 nachmittags untersucht hat. Dieser stellte beim Kläger fest, dass von einer rezidivierenden depressiven Störung auszugehen sei, mit über längere Zeit schwer ausgeprägter aktueller Episode. Derzeit sei die Symptomatik langsam am Abklingen. Der Kläger schöpfe die therapeutischen Möglichkeiten aus, befinde sich in ambulanter psychiatrischer und psychotherapeutischer Behandlung, sei im Rahmen der Episode auch schon in vollstationärer psychiatrischer Behandlung und stationärer psychosomatischer Behandlung gewesen. Mit einer weiteren Besserung sei unter der aktuell ambulanten Behandlung zu rechnen. Die depressive Symptomatik sei aktuell am Vormittag mit leicht bis mittelschwer einzustufen, bei ausgeprägtem Morgentief sei der Kläger nachmittags beschwerdefrei. Unter Berücksichtigung eines morgendlichen Antriebstiefs könne der Kläger, bestätigt in der ergänzenden Stellungnahme vom 6.7.2016, je nach Zeitpunkt im Tagesverlauf an 5 Tagen in der Woche vormittags ca. 4 Stunden und nachmittags 6 Stunden arbeiten. Die Leistungseinschränkungen bestünden seit 2011 und seien zeitweise auch hinsichtlich der quantitativen Leistungsfähigkeit noch ausgeprägter gewesen. Die von Dr. D. im August 2014 beschriebene Symptomatik, die dieser als leichte depressive Symptomatik eingeordnet habe, habe seines Erachtens einer schweren depressiven Symptomatik entsprochen, so dass die Leistungsfähigkeit bei unter 3 Stunden gelegen haben dürfte. Bestätigen könne er die von Dr. A. im Februar 2015 als mittelschwere depressive Symptomatik eingeschätzte Situation. Entsprechend der beschriebenen Symptomatik sei die damalige Einschätzung mit 4 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu teilen. Mittlerweile sei eine weitere Besserung eingetreten. Der Kläger scheine seit Sommer 2015 wieder mehr Interessen entwickelt zu haben, was sich in der Wiederaufnahme des Motorradfahrens und der Aufnahme eines 450 EUR Jobs äußere.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 20.6.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2013, gegen den der Kläger zulässig mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage vorgeht, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Das SG hat nach erschöpfender Ermittlung des Sachverhalts, unter Darlegung der zutreffenden Rechtsnormen sowie unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung verbunden mit einer rechtsfehlerfreien und ausführlichen Würdigung des Beweisergebnisses zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung oder auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit hat. Der Senat sieht deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist im Hinblick auf die weitere Beweiserhebung auszuführen, dass das gewonnene Ergebnis durch das Gutachten des Dr. L. vom 18.4.2016 bestätigt worden ist. Der von Dr. L. erhobene Tagesablauf deutet darauf hin, dass der Kläger über eine gute Tagesstruktur verfügt und auch Hobbys pflegt. So geht er regelmäßig 3 bis 4 mal am Tag mit dem Hund raus, versorgt seine noch 4 bis 5 Kaninchen und sein Warmwasseraquarium mit 30 bis 40 Fischen. Weiterhin ist er mithelfend im Haushalt tätig, geht einkaufen und macht Besorgungen für seine berufstätige Frau. Dazu pflegt er das 760 m² große Grundstück seines Hauses und kümmert sich um die Post. Sein Hobby Motorradfahren hat er auf Anregung von außen wieder aufgenommen. Nachvollziehbar geht daher Dr. L. davon aus, dass dem Kläger leichte körperliche Arbeiten im Umfang von 6 Stunden zumutbar sind. Dass diese wegen eines Morgentiefs nicht am Morgen, sondern am Nachmittag erfolgen sollen, stellt keine ungewöhnliche Leistungseinschränkung dar, die im Sinne der Rechtsprechung des BSG (vgl. etwa BSG, Urteil v. 19.10.2011 - B 13 R 78/09 R - SozR 4-2600 § 43 Nr. 16, juris; BSG, Urteil v. 9.5.2012 - B 5 R 68/11 R - SozR 4-2600 § 43 Nr. 18. m.w.N.) den Zugang gerade auch zu typischen Arbeitsplätzen für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren geeignet ist.

Nicht zu folgen vermag der Senat allerdings der von Dr. L. im zeitlichen Längsschnitt seit 2011 angenommenen quantitativen Leistungsfähigkeit des Klägers mit dauerhafter Reduzierung auf unter 6 Stunden für die Zeit vor dem Sommer 2015. So lässt sich bereits dem Befund des Dr. W. kein Hinweis auf eine wesentliche Leistungsminderung entnehmen. Er hat keine eindeutigen psychopathologischen Symptome und keine wesentlichen depressiven Störungen feststellen können, was schwer vorstellbar ist, wenn der Kläger sich in einer länger andauernden schweren depressiven Episode, wovon Dr. L. zu dem Zeitpunkt ausgeht, befunden hätte. Nicht nachvollziehbar ist für den Senat, wie Dr. L. anhand der von Dr. D. in seinem Gutachten vom 9.10.2014 beschriebenen Symptomatik entgegen dem Gutachter zu der Einschätzung gelangt, dass eine schwere depressive Symptomatik mit reduzierter Leistungsfähigkeit auf unter 3 Stunden vorgelegen haben soll. Die von Dr. D. erhobenen psychischen Befunde rechtfertigen zur Überzeugung des Senats diese Einstufung durch Dr. L. nicht. Dr. D. beschrieb die konzentrative Belastbarkeit während der Untersuchung bei Klagen über Konzentrationsstörungen als befriedigend. Der Gedankengang wurde als geordnet, etwas verlangsamt, umständlich, wiederholt auf seine Leistungsinsuffizienz und Belastung hinweisend beschrieben. Auch wenn angesichts der als gedrückt beschriebenen Grundstimmung, leichter Dysphorie und deutlicher Reduzierung der affektiven Schwingungsfähigkeit und der Beschreibung des Klägers als klagsam, mit schwunglosem müdem Ausdrucksverhalten die Diagnose einer "allenfalls leichtgradigen depressiven Episode" zu günstig ausgefallen sein sollte, lässt sich zumindest eine überdauernde Einschränkung der quantitativen Leistungsminderung nicht feststellen.

Sofern Dr. D. noch zum Beck-Depressions-Inventar Selbstbeurteilungstest mit 36 von 63 Summenpunkten von einem hohen Wert berichtete, der mit einem schweren depressiven Syndrom vereinbar ist, allerdings nicht beweisend ist, war dieser bei Dr. A. mit einem Summenwert 26 wesentlich besser. Gegenüber dem von Dr. D. geschilderten Bericht des Klägers über ein sehr zurückgezogenes, ereignisarmes Leben, unter dem er aber nicht leide, mit wenig Hilfe im Haushalt war das Aktivitätsniveau bei Dr. A. höher. Zur Mithilfe im Haushalt befragt berichtete der Kläger von Staubsaugen, Geschirr abräumen, Spülmaschine versorgen, Einkäufe in der Apotheke erledigen. Konzentration und Aufmerksamkeit zeigten im Rahmen der Denkstörung bezüglich Fokussierbarkeit und Durchhaltefähigkeit trotz geklagter höhergradiger Einschränkungen nur geringgradige Beeinträchtigungen. Auch bestanden soziale Kontakte zum Schwager, zur Schwester der Mutter und zum Neffen. Zudem war der Kläger in der Lage, die Renovierung der oberen Wohnung im eigenen Haus wenn auch nicht selber durchzuführen, was er bemängelte, so doch zu initiieren und zu organisieren, sowie die Wohnung zu vermieten um daraus Einnahmen zu erzielen. Bei geregeltem Tagesablauf bestanden damit durchaus Antriebs- und Gestaltungskompetenzen, die auf ein 6-stündiges berufliches Leistungsvermögen schließen lassen.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved