L 6 KR 197/14

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 19 KR 1720/12
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 197/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 20. November 2013 wird zurückgewiesen. Die Entscheidung über die Zahlung von Verfahrenskosten in Höhe von 300,00 EUR an die Staatskasse wird aufgehoben. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin Anspruch auf Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme hat.

Die 1948 geborene Klägerin ist an orthopädischen, internistischen und psychischen Leiden erkrankt. Seit 1998 bezieht sie Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Zuletzt gewährte ihr die Beklagte vom 29. Juli bis 1. September 2010 eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in dem Fachklinikum B. (Postakut- und Rehabilitationszentrum - Orthopädie Psychosomatik Neurologie).

Am 8. September 2011 beantragte die Klägerin unter Vorlage einer Verordnung von medizinischer Rehabilitation oder alternativen Angeboten der Internistin Dr. K. vom 11. Juli 2011 die Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme. Diese führte aus, ambulant sei bisher keine Besserung des Krankheitsbildes eingetreten, so dass eine Rehabilitationsmaßnahme vor Ablauf der Frist von vier Jahren aus ärztlicher Sicht zum Genesungsprozess hilfreich wäre. Beigefügt waren ein Arztbrief der Fachärztin für Orthopädie Dipl.-Med. P. vom 13. Juli 2011, die eine psychosomatische Rehabilitationsbehandlung befürwortete, und ein Brief des Psychologischen Psychotherapeuten Dr. J. (Praxis für Psychotherapie) vom 16. August 2011, wonach bei der Klägerin eine rezidivierende depressive Störung, eine somatoforme autonome Funktionsstörung sowie eine Agoraphobie bestehen. Diese habe bei ihm vom 28. November 2005 bis zum 8. Oktober 2008 eine Verhaltenstherapie (Langzeittherapie - 60 Stunden) durchgeführt. Die im Rahmen der Therapie eingetretene Besserung habe sich als nicht stabil gezeigt. Eine kompakte psychosomatische Rehabilitation wäre zum jetzigen Zeitpunkt sicher sinnvoll, um wieder eine Besserung der psychischen und körperlichen Symptomatik zu erreichen. Im Oktober 2011 ging bei der Beklagten eine Verordnung von medizinischer Rehabilitation der Gemeinschaftspraxis Dres. R. (Fachärzte für Allgemeinmedizin) vom 28. September 2011 ein. Empfohlen werde eine psychosomatische Kompaktkur zur Besserung der psychischen und körperlichen Symptomatik. Die Beklagte holte eine sozialmedizinische Stellungnahme des MDK vom 17. Oktober 2011 - Dipl.-Med. V. - ein. Diese führte aus, bei der Klägerin sei eine stationäre psychosomatische Rehabilitationsmaßnahme medizinisch nicht indiziert. Sie bedürfe vielmehr einer stationären Behandlungsmaßnahme in einer psychiatrischen Fachklinik im Rahmen einer Krisenintervention. Danach sollten ambulante Therapien greifen. Mit Bescheid vom 8. November 2011 lehnte die Beklagte die Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme vor Ablauf der gesetzlichen Wartefrist von vier Jahren nach Durch-führung einer solchen oder ähnlichen Leistung ab. Im Widerspruchsverfahren holte sie ein Gutachten der Dipl.-Med. V. vom 10. Januar 2012 ein (Diagnosen: kombinierte Persönlich-keitsstörung, rezidivierende depressive Störung mit einem chronifizierten Zustandsbild, multiples Schmerzsyndrom im Rahmen somatoformer Funktionsstörungen, Adipositas, arterielle Hypertonie). Bei der Klägerin liege keine Rehabilitationsbedürftigkeit und -fähigkeit vor. Die von ihr angegebenen Rehabilitationsziele - Beseitigung der alltagsrelevanten Beeinträchtigungen der Aktivitäten oder Verhütung der Verschlimmerung - seien unrealistisch. Auch schätze sie die Rehabilitationsprognose als negativ ein. Die Voraussetzungen für die erneute Rehabilitationsmaßnahme seien nicht gegeben, da bisher keine kurative fachärztliche Behandlung in Anspruch genommen wurde. Die gewünschte Verhaltenstherapie, wie sie die Klägerin eigentlich benötige und die sie selbst von der Rehabilitationsklinik erwarte, könne nie in der notwendigen Intensität von einer Rehabilitationsklinik geleistet werden. Es werde die Intensivierung ambulanter Behandlungsmaßnahmen und wenn erforderlich stationäre Behandlung empfohlen. Mit Widerspruchsbescheid vom 11. April 2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) einen Befundbericht des Dr. J. vom 16. August 2012 beigezogen und ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Dr. B. vom 17. Januar 2013 eingeholt. Er hat auf psychiatrisch-psychosomatischem Fachgebiet eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leicht- bis mittelgradig, eine Agoraphobie mit Panikstörung, eine chronische Schmerzstörung, bedingt durch somatische und psychische Faktoren und eine phobisch-histrionische Bildung der Persönlichkeit diagnostiziert. Er befürworte unter Berücksichtigung von Umfang und Effizienz, Verlauf und Prognose letztendlich eine stationäre psychosomatische Rehabilitationsmaßnahme oder alternativ auch eine teilstationäre psychosomatische Maßnahme vor Ort in E. Die Klägerin hat einen Brief des Dr. J. vom 5. September 2013 vorgelegt, der weiterhin eine psychosomatisch orientierte Rehabilitationsbehandlung empfohlen hat. Die Beklagte hat ein weiteres Gutachten des MDK vom 9. April 2013 vorgelegt und an ihrer Ansicht festgehalten, eine vorzeitige stationäre Rehabilitationsmaßnahme sei nicht notwendig.

Mit Urteil vom 20. November 2013 hat das SG die Klage abgewiesen und der Klägerin Ver-fahrenskosten in Höhe von 300 EUR auferlegt. Die Voraussetzungen des § 40 Abs. 2 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) seien nicht erfüllt.

Im Berufungsverfahren macht die Klägerin weiterhin geltend, sie habe Anspruch auf eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme. Dies ergebe sich auch aus dem Gutachten des Dr. B. vom 17. Januar 2013. Zudem leide sie unter Kniebeschwerden, die Ärzte rieten zu einer Operation und dem Einsatz eines künstlichen Kniegelenkes. Eine ambulante Rehabilitationsbehandlung sei daher nicht möglich. Sie überreicht weitere Briefe des Dr. J. vom 19. Juni 2013 und 25. September 2014 (Empfehlung für eine psychosomatisch orientierte Rehabilitation) und einen Arztbrief der Praxisklinik am U. K. vom 5. März 2013.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 20. November 2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 8. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2012 zu verurteilen, ihr eine stationäre Rehabi-litationsmaßnahme zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf die Gründe des Widerspruchsbescheides und die Entschei-dungsgründe des erstinstanzlichen Urteils.

Der Senat hat ein psychiatrisches und psychotherapeutisches Gutachten des Dr. D. mit test-psychologischem Zusatzgutachten der Dipl.-Pych. B. vom 23. Oktober 2015 eingeholt. Danach leidet die Klägerin unter einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig leichte Episode (ICD 10 GM F33.0), fachgebietsfremd unter Adipositas, arterieller Hypertonie, Hy-perlipoproteinämie, gestörter Glucosehomöotase, einem degenerativen Lendenwirbelsäulen(LWS)-Syndrom, einem muskulär bedingten Zervikobrachialsyndrom beidseits und einer Gonalgie beidseits bei Verdacht auf degenerative Veränderungen. Bei der Schwere der festgestellten Gesundheitsstörungen sei eine ambulante Behandlung ausreichend.

Die Klägerin hat hiergegen Einwände erhoben und einen Arztbrief des Dr. L. vom 14. November 2015 beigefügt. U.a. führt sie aus, das Gutachten des Dr. D. beschränke sich auf die psychiatrische Seite. Die neurologische, orthopädische und allgemeinklinische Seite sei dagegen nicht begutachtet worden. Das vorliegende Gutachten reiche damit nicht aus. Des Weiteren begehre sie die Herausgabe des von der Dipl.-Psych. B. während des Gesprächs geführten Protokolls. Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme des Dr. D. vom 11. Dezember 2015 und 29. Februar 2016 eingeholt.

Die Berichterstatterin des Senats hat am 11. Juli 2014 mit den Beteiligten einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage durchgeführt.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Prozess- und der beigezogenen Ver-waltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 und Abs. 4 des Sozialge-richtsgesetzes (SGG - vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 7. Mai 2013 - Az.: B 1 KR 53/12 R, Rn. 10, m.w.N., nach juris) ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 8. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. April 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Gewährung der begehrten stationären Rehabilitationsmaßnahme.

Rechtsgrundlage für eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme ist § 27 Abs. 1 Nr. 6 SGB V i.V.m. § 40 Abs. 2 SGB V (i.d.F. des Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV- Versorgungsstärkungsgesetz - GKV - VSG) vom 22. Juli 2015, BGBl. I Seite 1211, gültig ab dem 23. Juli 2015).

Nach § 27 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Sie umfasst Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen (Nr. 6). Nach § 40 Abs. 2 SGB V besteht ein Anspruch auf Erbringung einer stationären Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer nach § 20 Abs. 2a des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) zertifizierten Rehabilitationseinrichtung, mit der ein Vertrag nach § 111 SGB V besteht, wenn ambulante Krankenbehandlung und auch ambulante Rehabilitationsleistungen nicht ausreichen, um die in § 11 Abs. 2 SGB V beschriebenen Ziele zu erreichen. Rehabilitationsmaßnahmen müssen nach § 11 Abs. 2 SGB V notwendig sein, um einer drohenden Behinderung vorzubeugen, sie nach Eintritt zu beseitigen, zu bessern oder eine Verschlimmerung zu verhüten. Nach § 40 Abs. 3 Satz 4 SGB V können Leistungen nach § 40 Abs. 1 und Abs. 2 SGB V nicht vor Ablauf von vier Jahren nach Durchführung solcher oder ähnlicher Leistungen erbracht werden, deren Kosten aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften getragen oder bezuschusst worden sind, es sei denn, eine vorzeitige Leistung ist aus medizinischen Gründen dringend erforderlich.

Das Gesetz gibt für die Gewährung von Rehabilitationsleistungen ein Stufensystem vor und schafft in § 40 SGB V im Zusammenhang mit dem Begriff der Erforderlichkeit einen Vor- bzw. Nachrang der einzelnen Leistungen. Dazu gehört die ambulante Krankenbehandlung, die vorrangig gegenüber einer ambulanten einschließlich teilstationären Rehabilitationsleistung nach § 40 Abs. 1 SGB V und damit auch der dieser wiederum nachrangigen vollstationären Rehabilitationsbehandlung nach § 40 Abs. 2 SGB V ist. Letzteres orientiert sich an dem im Gesetz zum Ausdruck kommenden Prinzip "ambulant vor stationär". Dabei bedingt die Konzeption eines abgestuften Leistungsangebots keine starre oder gar routinemäßige Ausschöpfung des gesetzlichen Leistungsspektrums der jeweils vorrangigen Stufe. Die mit der Finalität ("um zu erreichen") verbundene Abwägung und die Individualisierung i.R.d. Erforderlichkeit erlauben eine flexible Verknüpfung von Normensystem und Einzelfall. Die Erforderlichkeit einer konkreten Rehabilitationsleistung, insbesondere auch ihr Vorzug gegenüber einer der Art nach vor- oder nachrangigen, ergibt sich aus dem individuellen Rehabilitationsbedarf und dem spezifischen Leistungsangebot und -zweck unter Berücksichtigung angemessener Wünsche des Versicherten (vgl. Noftz in Hauck, Sozialgesetzbuch SGB V, Stand: November 2015, § 40 Rn. 44). Erforderlichkeit beinhaltet bzw. setzt voraus (objektiven) Bedarf an einer Rehabilitationsmaßnahme (Reha-Bedürftigkeit, § 8 Reha-RL), Eignung, u.a. Reha-Fähigkeit des Versicherten (§ 9 Reha-RL), und Erfolgsaussicht der ins Auge gefassten oder zu fassen-den Leistungen (vgl. Noftz, a.a.O., § 40 Rn. 46).

Eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme ist nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen bei der Klägerin nicht erforderlich. Auf die Frage der vorzeitigen Inanspruchnahme der Leistung nach § 40 Abs. 3 Satz 4 SGB V kommt es aufgrund des Zeitablaufs allerdings nicht mehr an. Ebenso ist voranzustellen, dass nach den ärztlichen Verordnungen, den eingereichten Briefen der Dipl.-Med. P. vom 13. Juli 2011, des Facharztes für Orthopädie R. vom 14. Mai 2013, des Dr. J. (zuletzt vom 25. September 2014) und des Dr. L. u.a. vom 19. Juni 2015 und 16. Oktober 2015, auf die sich die Klägerin beruft, Rehabilitationsbedarf auf psychosomatischem Gebiet besteht. Für einen Rehabilitationsbedarf auf orthopädischem bzw. internistischem Fachgebiet liegen keine Anhaltspunkte vor. Vielmehr ergibt sich aus dem Arztbrief der Praxisklinik am U. K. vom 5. März 2013, den die Klägerin mit ihrer Berufung am 13. Februar 2014 eingereicht hat, dass bezüglich der Erkrankungen der Kniegelenke keine Therapie durchgeführt wurde und die Klägerin (auch) keine Operation wünscht. Die Orthopädin Dipl.-Med. P. befürwortete ebenso wie der Facharzt für Orthopädie R. - trotz der vorliegenden orthopädischen Beschwerden - eine psychosomatische Rehabilitationsbehandlung. Mit der Notwendigkeit der Erbringung von Rehabilitationsmaßnahmen auf diesem Fachgebiet wurden auch die ärztlichen Verordnungen von stationärer Rehabilitation begründet. Eine erfolglose bzw. nicht ausreichende ambulante Behandlung der bei ihr vorliegenden Adipositas hat die Klägerin ebenfalls nicht vorgetragen. Bezüglich der fehlenden Erforderlichkeit der stationären Rehabilitationsmaßnahme folgt der Senat den Ausführungen des Dr. D. in seinem Gutachten vom 23. Oktober 2015 und seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 11. Dezember 2015 und 29. Februar 2016, denen sich der Senat anschließt. Dieser wurde mit der Erstellung eines Gutachtens unter Berücksichtigung der von der Klägerin begehrten psychosomati-schen Rehabilitationsmaßnahme beauftragt. Der Sachverständige hat unter Würdigung der sich in der Akte befindenden ärztlichen Unterlagen und der anamnestischen Schilderungen der Klägerin festgestellt, dass sie bereits mehrmals an depressiven Episoden gelitten hat. Im psychischen Befund zeigten sich zum Begutachtungszeitpunkt abzüglich aggravierender Tendenzen leichte Auffälligkeiten hinsichtlich der Konzentration, des formalen Gedankenganges und der Stimmungslage, die die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig leichte Episode (ICD 10 GM F33.0) begründet. Sie habe zudem von Unsicherheiten berichtet, sobald sie aus dem Haus gehe, insbesondere auf Plätzen, aber ohne Vermeidungsverhalten. Sie fahre selbstständig einkaufen, zu ihrem Garten, zu Freundinnen und zur Familie. Während der Begutachtung fand sich kein Anhalt für eine gesonderte Angststörung, so dass der Sachverständige nachvollziehbar davon ausgegangen ist, dass die zuvor diagnostizierte Argoraphobie/Angsterkrankung/Generalisierte Angststörung fachspezifisch gut behandelt und ausgeheilt ist. Gleiches gilt für die somatoforme Störung/chronische Schmerzstö-rung/somatoforme autonome Funktionsstörung. Die von der Klägerin geschilderten Schmerzen waren eng umgrenzt und sind den fachfremden Leiden zuzuordnen. Auch die SES war dahingehend unauffällig. Des Weiteren liegt bei der Klägerin eine Persönlichkeitsakzentuierung mit narzisstischen, histrionischen und ängstlichen Anteilen vor, die nicht den Schweregrad einer Persönlichkeitsstörung erreicht und somit nicht als krankheitswertig einzustufen ist. Durch die festgestellte Gesundheitsstörung ergeben sich keine Einschränkungen im Tagesablauf. Auch im psychischen Befund fanden sich nur leichte Auffälligkeiten. Die vorliegende Gesundheitsstörung ist insoweit den leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen zuzuordnen. Bei dieser leichten Störung ist eine ambulante Behandlung ausreichend und selbst bei einer hypothetischen Symptomzunahme wäre zunächst das akutmedizinische Behandlungsspektrum (teil-/vollstationär) auszuschöpfen, was bislang nicht erfolgt ist. Soweit Dr. L. in seinen Arztbriefen eine stationäre Rehabilitation zur Klärung der Problematik empfiehlt, begründet er dies nicht. Die Belastung der Klägerin durch die bei ihrem Sohn aufgetretene Psychose, begründet ebenfalls keine stationäre Rehabilitationsmaßnahme. Dr. J. begründet seine entsprechende Empfehlung ebenfalls nicht. Zum Begutachtungszeitpunkt war nicht nachvollziehbar, dass die Fortschritte der therapeutischen Arbeit nicht stabil sind. Alltagsrelevante Beeinträchtigungen der Aktivität bestehen bei der Klägerin nicht. Die Einholung eines Gutachtens auf einem anderen Fachgebiet ist nicht erforderlich, weil es keinen Hinweis für das Vorliegen einer Gesundheitsbeeinträchtigung auf anderen Fachgebieten gibt, die eine stationäre Rehabilitation notwendig erscheinen ließen. Zu den von der Klägerin vorgetragenen Einwänden gegen sein Gutachten hat der Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 11. Dezember 2015 zu Recht darauf hingewiesen, dass er ein psychiatrisches und psychotherapeutisches Gutachten im Auftrag des Gerichts erstellt hat. Die Erhebung allgemein klinischer Untersuchungen, neurologischer Untersuchungen oder orthopädischer Untersuchungen gehören nicht zur Methodik auf diesem Fachgebiet. Das Gutachten beruht auf der Aktenlage, eigenen Erhebungen und eigenen Untersuchungsbefunden in Form einer Verhaltensbeobachtung und Erhebung eines psychischen Befundes und auch eines test-psychologischen Zusatzgutachtens. Der Umstand, dass der Sohn der Klägerin unter einer Psy-chose leidet, stellt keinen Umstand dar, der bei der Klägerin zu berücksichtigen ist. Die endgültige Anamneseerhebung und die endgültige Erstellung des psychischen Befundes erfolgten durch ihn selbst ebenso wie die endgültige Fassung des Gutachtens. Die Einbeziehung einer Hilfsperson steht der Verwertbarkeit des Gutachtens des Dr. D. nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des BSG ist die Grenze der erlaubten Mitarbeit mit der Folge der Unverwertbarkeit des Gutachtens dann überschritten, wenn aus Art und Umfang der Mitarbeit eines weiteren Arztes gefolgert werden kann, der beauftragte Sachverständige habe seine das Gutachten prägenden und regelmäßig in einem unverzichtbaren Kern von ihm selbst zu erbringenden Zentralaufgaben nicht selbst wahrgenommen, sondern delegiert. Bei psychiatrischen Gutachten muss der Gutachter die persönliche Begegnung mit dem Probanden und das explorierende Gespräch im wesentlichen Umfang selbst durchführen (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 - Az. B 13 R 535/08 B, Rn. 12, m.w.N., nach juris). Dass dies hier nicht der Fall war, ist nicht ersichtlich. Mit den Einwänden der Klägerin hat sich der Sachverständige auch nochmals in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 29. Februar 2016 auseinandergesetzt. Das Gutachten des Dr. D. und der Dipl.-Psych. B. wurde der Klägerin vollständig übersandt. Für die Herausgabe eines (handschriftlichen) "Protokolls" der Sachverständigen ist keine Rechtsgrundlage ersichtlich.

Das Gutachten des Dr. B. vom 17. Januar 2013 bildet entgegen der Ansicht der Klägerin keine Grundlage für die Gewährung einer stationären psychosomatischen Rehabilitationsmaßnahme. Der Sachverständige begründet die Erforderlichkeit einer solchen Maßnahme nicht. Er befürwortet einerseits eine stationäre psychosomatische Rehabilitationsmaßnahme - die in 2008 und 2010 durchgeführten orthopädischen Rehabilitationsmaßnahmen träfen nicht den eigentlichen Kern der Störung -, andererseits stimmt er auch einer teilstationären psychosomatischen Maßnahme vor Ort in E. zu, sollte eine medizinische Maßnahme gemäß den sozialversicherungsrechtlichen Richtlinien zweckmäßig, sinnvoll und wirtschaftlich sein. Er ist davon ausgegangen, dass letztmalig (ambulante) psychosomatische Maßnahmen vor zehn Jahren (im Jahr 2003) in Anspruch genommen wurden. Aus welchen medizinischen Gründen er insoweit von einer Ausschöpfung der Therapiemaßnahmen ausgeht, ist nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung des SG bezüglich der Auferlegung von Missbrauchskosten nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG war aufzuheben. Nach § 192 Abs. 1 SGG kann das Gericht im Urteil oder, wenn das Verfahren anders beendet wird, durch Beschluss einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass (2) der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden in einem Termin die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist. Dem Beteiligten steht gleich sein Vertreter oder Bevollmächtigter. Unabhängig davon, ob die Klägerin bzw. ihre Vertreter über die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung ordnungsgemäß belehrt wurden, lag hier keine Fallgestaltung vor, in der der Klägerin Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung vorgeworfen werden kann, weil sie entgegen den Hinweisen der Vorsitzenden die Klage nicht zurückgenommen hat. Rechtsmissbräuchlichkeit in diesem Sinne liegt z.B. dann vor, wenn die Rechtsverfolgung offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist und sie von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 192 Rn. 10 m.w.N.). Dies ist hier schon deshalb nicht der Fall, weil der gerichtlich beauftragte Sachverständige Dr. B. in seinem Gut-achten keine unmissverständliche Aussage bezüglich der Erforderlichkeit der stationären Rehabilitationsmaßnahme getroffen hat und die Klage der Klägerin daher nicht von vornherein völlig aussichtslos war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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