S 14 AS 267/16

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 14 AS 267/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitgegenstand ist ein Leistungsanspruch der Klägerinnen gegen den Beklagten oder die Beigeladene auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) bzw. nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe (SGB XII).

Die am 00.00.0000 geborene Klägerin zu 1) ist die Mutter der am 00.00.0000 geborenen Klägerin zu 2).

Die Klägerinnen sind italienische Staatsangehörige und leben seit März 2014 im Bundesgebiet. Sie reisten auf der Flucht vor dem Kindesvater der Klägerin zu 2) wegen häuslicher Gewalt nach Deutschland ein. Seit dem 10.04.2014 leben sie im Zuständigkeitsbereich des Beklagten, zunächst in einem Frauenhaus, seit dem 01.10.2014 in einer eigenen Wohnung in Düren.

Am 15.04.2014 stellten die Klägerinnen erstmals einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II beim Beklagten.

Mit Bescheid vom 30.04.2014 lehnte der Beklagte den Antrag unter Bezugnahme auf § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II ab.

Hiergegen legten die Klägerinnen am 15.05.2014 Widerspruch ein, den ihre Bevollmächtigte mit Schriftsatz vom 26.05.2014 begründete. Ein Ausschluss von existenzsichernden Leistungen nach dem SGB II sei gemeinschafts- und verfassungsrechtlich auch in den ersten drei Monaten des Aufenthaltes nicht zu rechtfertigen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.06.2016 wies der Beklagte den Widerspruch unter Ausführungen zu den Leistungsausschlüssen nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 2 SGB II als unbegründet zurück.

Am 16.06.2014 stellten die Klägerinnen einen Weiterbewilligungsantrag beim Beklagten.

Im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens beim Sozialgericht Aachen (Aktenzeichen S 21 AS 587 / 14 ER) wurden den Klägerinnen mit Beschluss vom 17.06.2014 für den Zeitraum vom 5.06. bis zum 30.09.2014 vorläufig Leistungen für Regelbedarfe nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zugesprochen. Mit Bescheid vom 25.06.2014 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 08.07.2014, 18.07.2014 und 24.07.2014 bewilligte der Beklagte den Klägerinnen auf deren Antrag vom 16.06.2014 entsprechende Leistungen vorläufig. Für die Zeit ab Oktober 2014 bewilligte der Beklagte den Klägerinnen (aufgrund eines Antrages vom 08.09.2014) Leistungen nach dem SGB II endgültig (Bescheid vom 19.09.2014).

Am 03.07.2014 haben die Klägerinnen über ihre Bevollmächtigte gegen den Ablehnungsbescheid vom 30.04.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.06.2014 Klage erhoben. Nachdem bis zur Entscheidung des europäischen Gerichtshofes über die Vereinbarkeit der Leistungsausschlüsse des § 7 Absatz 1 S. 2 Nr. 1, 2 SGB II mit dem Unionsrecht das Verfahren auf Antrag der bis dato Beteiligten zunächst ruhend gestellt gewesen ist, hat das Gericht die Beigeladene als Trägerin der Sozialhilfe mit Beschluss vom 22.03.2016 notwendig beigeladen.

Die Bevollmächtigte der Klägerinnen führt zur Begründung der Klage zuletzt an, über das europäische Fürsorgeabkommen hätten die Klägerinnen unabhängig von der bisherigen Aufenthaltsdauer – auch innerhalb der ersten drei Monate ihres Aufenthaltes – Anspruch auf existenzsichernde Leistungen gegen die Beigeladene. Neben den Gründen der Flucht habe sich die Klägerin zu 1) auch zum Zwecke der Arbeitssuche in der Bundesrepublik aufgehalten. Der streitgegenständliche Leistungszeitraum sei April bis einschließlich September 2014, da für die Zeiträume ab Oktober 2014 ein Weiterbewilligungsantrag gestellt worden sei.

Die Bevollmächtigte der Klägerinnen beantragt,

1. den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 30.04.2014 Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.06.2014 zu verurteilen, den Klägerinnen Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen des SGB II, einschließlich des Mehrbedarfes für Alleinerziehende, abzüglich der im Rahmen einstweiligen Rechtsschutzverfahrens gewährten Leistungen zu gewähren bzw.

2. die Beigeladene zu verurteilen, den Klägerinnen Leistung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen des SGB XII zu gewähren.

Die Vertreter des Beklagten beantragen,

Die Klage abzuweisen.

Die Vertreter der Beigeladenen beantragen,

die Klage abzuweisen.

Den Entscheidungen des Bundessozialgerichtes, u. a. vom 03.12.2015 (Az. B 4 AS 59/13 R), wonach erwerbsfähigen Unionsbürgern (und deren Angehörigen) nach dem europäischen Fürsorgeabkommen bzw. gemäß § 23 Absatz 1 S. 3 SGB XII Leistungen der Sozialhilfe nach dem dritten Kapitel des SGB XII gewährt werden könnten bzw. zu gewähren seien, werde nicht gefolgt. Vielmehr seien die Klägerinnen bereits gemäß § 18, § 21 als auch gemäß § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII für den hier ausschließlich streitgegenständlichen Zeitraum von April bis September 2014 (auch) von diesen Leistungen ausgeschlossen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten sowie die Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A. I. Die Kammer legt die Klageanträge dahingehend aus, dass die Klägerinnen Leistungen nach dem Dritten Kapitel (Hilfe zum Lebensunterhalt) des Zwölften Sozialgesetzbuches - Sozialhilfe (SGB XII) hilfsweise begehren, vorrangig Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

Es ist zunächst offensichtlich, dass keine Verurteilung sowohl des Beklagten als auch der Beigeladenen beansprucht wird. Der zuletzt formulierte Klageantrag, der sich auf eine Verurteilung der Beigeladenen bezieht, erfolgte vor dem Hintergrund der jüngsten Entscheidungen des Bundessozialgerichts (insbesondere Urteil vom 03.12.2015 B 4 AS 59/13 R, juris). Danach kommt bei Hilfebedürftigen, die von den Leistungsausschüssen des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 2 SGB II erfasst werden, ein Anspruch auf existenzsichernde Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII (i.V.m. Art. 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA)) in Betracht. Da die Klägerinnen über ihre Bevollmächtigte bedeutet haben, der Meinung zu sein, dass das Bestehen eines materiellen Aufenthaltsrechtes (auch) außerhalb des Zweckes der Arbeitssuche in Betracht zu ziehen ist, geht die Kammer davon aus, dass weiterhin vorrangig der Beklagte in Anspruch genommen werden soll und für den Fall, dass die Kammer ein solches Aufenthaltsrecht nicht feststellt, eine Verurteilung der Beigeladenen begehrt ist.

II. Der streitgegenständliche Zeitraum erstreckt sich vom 10.04.2014 bis einschließlich September 2014.

Der angefochtene Bescheid vom 30.04.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.06.2016 verfügt ohne zeitliche Beschränkung eine Leistungsablehnung für die Zeit ab dem 10.04.2014 aufgrund eines Leistungsantrages vom 15.04.2014.

Nach der Rechtsprechung des BSG wirkt ein Leistungsantrag (§ 37 SGB II) fort, wenn und soweit der Grundsicherungsträger einen ablehnenden Bescheid erlassen hat, solange dieser noch nicht bestandskräftig (§ 77 SGG) ist, mit der Folge, dass sich der streitgegenständliche Zeitraum in einem gegen die Leistungsablehnung gerichteten Klageverfahren grundsätzlich auf den gesamten Bewilligungszeitraum bis zum Abschluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz erstreckt BSG v. 16.05.2007 - B 11b AS 37/06 R - juris Rn. 17 - SozR 4-4200 § 12 Nr. 4; BSG v. 15.04.2008 - B 14/7b AS 52/06 R - juris Rn. 12 - NDV-RD 2008, 120-125; BSG v. 07.05.2009 - B 14 AS 35/08 R - juris Rn. 15 - SozR 4-4200 § 12 Nr. 14). Etwas anderes gilt unter anderem dann, wenn die Wirkungsdauer der Leistungsablehnung durch eine andere, die ursprüngliche Entscheidung erledigende und überholende Regelung i.S.v. § 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) begrenzt wird, z.B. durch eine Leistungsbewilligung ab einem späteren Zeitpunkt (vgl. BSG v. 25.06.2008 - B 11b AS 45/06 R - juris Rn. 28 - info also 2009, 37; BSG v. 01.07.2009 - B 4 AS 9/09 R - juris Rn. 10 - NDV-RD 2009, 136-139) oder durch eine erneute Leistungsablehnung auf einen weiteren Antrag hin (Aubel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 37, Rn. 34 m. w. Nachw.).

Die Wirkungsdauer der Leistungsablehnung wurde hier zunächst nicht durch den Bescheid vom 25.06.2014 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 08.07.2014, 18.07.2014 und 24.07.2014 begrenzt, mit dem der Beklagte den Klägerinnen vorläufig Leistungen in Höhe der Regelbedarfe für die Zeit vom 05.06.2010 bis zum 30.09.2014 bewilligt hat. Zwar hat der Bescheid auf einen (neuen) Antrag vom 16.06.2014 Bezug genommen. Tatsächlich handelte es sich jedoch um einen sog. "Ausführungsbescheid" zum Beschluss der 21. Kammer des Sozialgerichts Aachen (S 21 AS 587 / 14 ER) vom 17.06.2014, mit dem der Beklagte verpflichtet wurde, den Klägerinnen für den entsprechenden Zeitraum vorläufig Leistungen für Regelbedarfe nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Als Ausführungsbescheid traf der o. a. Bescheid daher keine eigenständige Regelung zu einer Leistungsberechtigung der Klägerinnen dem Grunde nach (vgl. BSG, Beschluss vom 18. September 2003 – B 9 V 82/02 B –, Rn. 7, 8, juris; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23. März 1998 – L 10 SVs 15/97 –, Rn. 18, juris; SG Köln, Urteil vom 27. Januar 2010 – S 21 SB 35/09 –, Rn. 18, juris). Aufgrund der lediglich vorläufigen Entscheidung des Sozialgerichtes im Eilverfahren ist die Entscheidung hierüber dem vorliegenden Hauptsacheverfahren vorbehalten geblieben. Für die Zeit ab Oktober 2014 bewilligte der Beklagte den Klägerinnen (aufgrund eines Antrages vom 08.09.2014) Leistungen nach dem SGB II endgültig (Bescheid vom 19.09.2014), so dass der Zeitraum ab Oktober 2014 nicht mehr zum Streitgegenstand zählen kann.

B. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerinnen haben weder einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II gegen den Beklagten, noch einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII gegen die Beigeladene.

I. Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Für die ersten drei Monate seit ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland im März 2014 unterliegen sie dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II, für die anschließende Zeit bis September 2014 entfällt ein Leistungsanspruch nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II.

1. Das für die Grundsicherung für Arbeitsuchende maßgebliche SGB II bestimmt in § 7 Abs. 1 SGB II die nach diesem Gesetz Leistungsberechtigten. Die – im vorliegenden Fall unproblematisch vorliegenden - Grundvoraussetzungen sind nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II neben der Einhaltung von Altersgrenzen und dem gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet die Erwerbsfähigkeit und Hilfebedürftigkeit. § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II nimmt jedoch solche Ausländerinnern und Ausländer für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts von dem Anwendungsbereich des Gesetzes aus, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Abs. 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU (FreizügG/EU) freizügigkeitsberechtigt sind. § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II enthält einen weiteren Ausnahmetatbestand zum Nachteil solcher Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU in der seit dem 09.12.2014 geltenden Fassung des "Gesetzes zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer Vorschriften" vom 02.12.2014 (BGBl I, 1922 - n. F.)) ergibt. In beiden Fällen betrifft die Ausnahme auch die Familienangehörigen.

Über den Wortlaut des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II hinaus sind diejenigen Unionsbürger "erst-recht" von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II auszunehmen, die über keine materielle Freizügigkeitsberechtigung oder kein Aufenthaltsrecht nach dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG) in Deutschland verfügen, also nicht einmal über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung aus dem Zweck der Arbeitssuche nach § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU. Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II ist insoweit planwidrig lückenhaft, als sie nicht ausdrücklich den Ausschluss auch derjenigen normiert, denen keine materielle Freizügigkeitsberechtigung oder ein anderes materielles Aufenthaltsrecht zusteht, weil sie einen Leistungsausschluss schon für solche Ausländer anordnet, die sich auf eine solche materielle Freizügigkeitsberechtigung im Sinne des FreizügG/EU berufen können (vgl. ausführlich BSG, Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R , juris, Rn. 19 ff.; BSG, Urteil vom 03. Dezember 2015 – B 4 AS 59/13 R, juris, Rn. 14).

Die Anwendbarkeit der Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II erfordert aber eine Prüfung des Grundes bzw. der Gründe für eine im streitigen Leistungszeitraum (weiterhin) bestehende materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern oder ein anderes materielles Aufenthaltsrecht nach den - im Wege eines Günstigkeitsvergleichs - anwendbaren Regelungen des Aufenthaltsgesetzes (§ 11 Abs. 1 S. 11 FreizügG/EU; vgl. hierzu BSG, Urteil vom 30.01.2013, B 4 AS 54/12 R, juris, Rn. 31 ff. m.w.N.). Nach inzwischen ständiger Rechtsprechung des BSG, der einhellig gefolgt wird, hindert bereits das Vorliegen der Voraussetzungen für ein mögliches anderes (im Falle des § 11 Abs. 1 S. 11 FreizügG/EU im Ermessenswege zu erteilendes) bzw. bestehendes Aufenthaltsrecht als ein solches aus dem Zweck der Arbeitsuche die positive Feststellung eines Aufenthaltsrechts "allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" i.S. von § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II (BSG, Urteil vom 30.01.2013, B 4 AS 54/12 R, juris, Rn. 31 ff.; BSG, Urteil vom 19.10.2010, B 14 AS 23/10 R, juris, Rn. 17 ff.) bzw. lässt den Leistungsausschluss "von vornherein" entfallen (BSG, Urteil vom 25.01.2012, B 14 AS 138/11 R, juris, Rn. 20 f.).

2. Mit den so auszulegenden Ausnahmen des § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II knüpft der deutsche Gesetzgeber an den Spielraum, den der europäische Gesetzgeber in Art. 24 Abs. 2, 14 Abs. 4 lit. b Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2014 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiert der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (RL 2004/38/EG - sog. Freizügigkeitsrichtlinie) vorsieht. Auf der Ebene des Europarechts sind Fragen des Ausschlusses von Unionsbürgern von (deutschen) Grundsicherungsleistungen durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) bereits – für die nationalen Gerichte bindend - geklärt. In den Rechtssachen Dano (EuGH, Urteil vom 11.11.2014, C-333/13, Celex-Nr. 62013CJ0333, juris), Alimanovic (EuGH, Urteil vom 15.09.2015, C-67/14, Celex-Nr. 62014CJ0067, juris) und jüngst García-Nieto (EuGH, Urteil vom 25.02.2016, C-67/14, Celex-Nr. 62014CN0299, juris) erklärte der EuGH die Leistungsausschlüsse nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 2 SGB II für europarechtskonform.

Er hat die Zulässigkeit der Verknüpfung des Ausschlusses von Unionsbürgern anderer Mitgliedstaaten von existenzsichernden Leistungen mit dem Bestehen eines Aufenthaltsrechts im Sinne der RL 2004/38/EG ausdrücklich anerkannt. Nach seiner Rechtsprechung sind Art. 24 Abs. 1 der RL 2004/38/EG i.V.m. ihrem Art 7 Abs. 1 lit. b und Art. 4 VO 883/2004/EG dahin auszulegen, dass sie der Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, nach der Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten vom Bezug bestimmter "besonderer beitragsunabhängiger Geldleistungen" im Sinne des Art. 70 Abs. 2 VO 883/2004/EG ausgeschlossen werden, während Staatsangehörige des Aufnahmemitgliedstaats, die sich in der gleichen Situation befinden, diese Leistungen erhalten, sofern den betreffenden Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten im Aufnahmemitgliedstaat kein Aufenthaltsrecht nach der RL 2004/38/EG zusteht (EuGH Rs Dano vom 11.11.2014 - C-333/13, Rn. 84). In der Rechtssache Alimanovic hat der EuGH insoweit betont, dass Unionsbürger anderer EU-Staaten, die nach Deutschland eingereist sind, um Arbeit zu suchen, vom deutschen Gesetzgeber vom Bezug von Alg II oder Sozialgeld ausgeschlossen werden können, selbst wenn diese Leistungen als besondere beitragsunabhängige Geldleistungen im Sinne des Art. 70 VO 883/2004/EG eingeordnet werden (EuGH Rs Alimanovic vom 15.9.2015 - C-67/14 Rn.63). Bei den Leistungen nach dem SGB II handele es sich um Leistungen der "Sozialhilfe" im Sinne des Art. 24 Abs. 2 der RL 2004/38/EG. Danach haben die Aufnahmestaaten jedoch keine Verpflichtung zur Gleichbehandlung ihrer Staatsangehörigen und solcher anderer EU-Mitgliedstaaten im Hinblick auf einen Anspruch auf Sozialhilfe, wenn Letztere nicht Arbeitnehmer oder Selbstständige sind oder ihnen dieser Status erhalten geblieben ist bzw. Familienangehörige dieser sind (s. hierzu auch Kingreen in NVwZ 2015, 1503, 1505 f). Die Entscheidung zur Rechtssache García-Nieto betraf explizit die Vereinbarkeit des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II mit dem Gemeinschaftsrecht. Art. 24 Abs. 1 der RL 2004/38/EG und Art 4 VO 883/2004/EG seien dahingehend auszulegen, dass sie der Regelung eines Mitgliedstaates nicht entgegenstünden, nach der Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten, die sich in einer von Art. 6 RL 2004/38/EG (voraussetzungsloses Aufenthaltsrecht in den ersten drei Monaten nach Einreise bei Besitz eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses eines anderen EU-Mitgliedstaates) erfassten Situation befinden, vom Bezug bestimmter "besonderer beitragsunabhängiger Geldleistungen" i. S. d. Art. 70 Abs. 2 VO 883/2004/EG, ausgeschlossen werden (EuGH Rs García-Nieto vom 25.02.2016 - C-299/14 Rn. 53).

3. Auch das Gleichbehandlungsgebot des Art. 1 des europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) vom 11.12.1953 steht einer Anwendbarkeit des Leistungsausschlusses nach § 7 Absatz 1 S. 2 SGB II nicht entgegen. Nach Auffassung der Kammer wird es durch den Vorrang der VO 883/2004/EG verdrängt (dazu d)).

Nach Art. 1 EFA ist jeder der Vertragsschließenden verpflichtet, den Staatsangehörigen der anderen Vertragsstaaten, die sich in irgendeinem Teil seines Gebietes, auf das dieses Abkommen Anwendung findet, erlaubt aufhalten und nicht über ausreichende Mittel verfügen, in gleicher Weise wie seinen eigenen Staatsangehörigen und unter den gleichen Bedingungen (Voraussetzungen, Art und Umfang) die Leistungen der sozialen und der Gesundheitsfürsorge (vgl. Art. 2 a Nr. i EFA) zu gewähren, die in der in diesem Teil seines Gebietes geltenden Gesetzgebung vorgesehen sind. Zu den Vertragsschließenden des EFA gehört neben Deutschland Belgien, Dänemark, Estland, Frankreich, Griechenland, Irland, Island, Luxemburg, Malta, Niederlande, Norwegen, Portugal, Schweden, Spanien, Türkei und dem Vereinten Königreich auch Italien, so dass die Klägerinnen zwar – vorbehaltlich der Feststellung eines "erlaubten" Aufenthaltes (dazu: BSG, Urteil vom 03.12.2015 – B 4 AS 59/13 R, Rn. 21 ff., juris; BVerwG, Urteil vom 18. Mai 2000 – 5 C 29/98 –, BVerwGE 111, 200-213, Rn. 13) in der Bundesrepublik - in den persönlichen Anwendungsbereich fallen könnten.

a) Das Bundessozialgericht hatte mit Urteil vom 19.10.2010 (B 14 AS 23/10R) zunächst entschieden, dass sich die Angehörigen eines EFA-Signatarstaates auf Art. 1 EFA als unmittelbar geltendem Bundesrecht (Zustimmungsgesetz vom 15.05.1956 – BGBl II 563, Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG) berufen könnten und die Norm dann einem Leistungsausschluss nach § 7 Absatz 1 S. 2 Nr. 2 SGB II entgegenstehe (ebenso LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 14.1.2008 - L 8 SO 88/07 ER - FEVS 59, 369, 373 ff; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 14.01.2010 - L 14 AS 1565/09 B ER, juris; SG Berlin Urteil vom 25.03.2010 - S 26 AS 8114/08, juris; Brühl/Schoch in LPK-SGB II, 3. Aufl. 2009, § 7 Rn. 35; Valgolio in Hauck/Noftz, § 7 SGB II Rn.128, Stand Juni 2010).

Das Gleichbehandlungsgebot aus dem Fürsorgeabkommen werde nicht nach dem Grundsatz "lex posterior derogat legi priori" durch die Leistungsausschlüsse des § 7 Absatz 1 S. 2 SGB II verdrängt (a. auch BVerwG, Urteil vom 18. Mai 2000 – 5 C 29/98 –, BVerwGE 111, 200-213, Rn. 25). Dies ergebe sich zum einen aus der Kollisionsregel des § 30 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil (SGB I), nach der Regelungen des über – und zwischenstaatlichen Rechts unberührt blieben. Zudem beanspruche der aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete, gewohnheitsrechtlich anerkannte Rechtssatz nur Geltung für die Lösung temporaler Kollisionen tatbestandserheblicher Normen und nur für den Fall, dass sich dem jüngeren Gesetz im Wege der Auslegung keine Aussage über das Schicksal des älteren Rechts entnehmen lasse. Keine dieser Voraussetzungen lägen beim Spannungsverhältnis zwischen Art. 1 EFA und § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II vor. Art. 1 EFA sei im Hinblick auf den persönlichen Anwendungsbereich spezieller. Die Vorschrift richte sich gerade nicht an alle Ausländer, sondern nur an die Staatsangehörigen der Vertragsstaaten. Zudem sei nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber, sofern er dies nicht klar bekundet habe, von völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland abweichen oder die Verletzung solcher Verpflichtungen ermöglichen wolle. Ein solcher Wille des späteren Gesetzgebers zur Abweichung vom EFA sei aber nicht erkennbar. Dem korrespondierend sei zu berücksichtigen, dass nach Art. 18 EFA Bestimmungen des Abkommens solchen nationalen Vorschriften nicht entgegenstünden, die für die Beteiligten günstiger seien. Habe der deutsche Gesetzgeber zulasten des durch das EFA geschützten Personenkreises abweichen wollen, hätte ihm hierfür die Möglichkeit einer Kündigung nach Art. 24 EFA offen gestanden. (BSG a.a.O., Rn. 26 f.).

Sodann legte das BSG dar (a.a.O, Rn. 28 ff.), entgegen anderslautender Auffassung (LSG Bay, Beschluss vom 12.03.2008 – L 7 B 1104/07 AS ER – FEVS 60, 178) stehe der Anwendbarkeit des EFA das koordinierende Sekundärrecht der Europäischen Union nicht entgegen. Dabei bezog sich die Prüfung des Bundessozialgerichts wegen des dort streitgegenständlichen Zeitraumes allein auf die "alte Wanderarbeiterverordnung" 1408/71/EWG und deren Art. 6. Eine Klärung in Bezug auf die Nachfolgeverordnung 883/2004/EG, die ab dem 01.05.2010 in Kraft getreten ist, und deren Kollisionsregel in Art. 8 erfolgte nicht. Hierzu enthält die Urteilsbegründung keine Ausführungen. Zur Begründung stellte das BSG entscheidend darauf ab, dass die Kollisionsregel des Art. 6 1408/71/EWG nur auf "Abkommen über die soziale Sicherheit" anwendbar sei. Leistungen nach dem SGB II unterfielen indes nicht der Legaldefinition dieses Begriffes in Art. 1 Buchst. k 1408/71/EWG. Danach würden nur Vereinbarungen für die in Art. 4 Abs. 1, 2 der Verordnung bezeichneten Zweige und Systeme erfasst, nicht aber solche nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung. Unter die dort aufgeführten "besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen" seien solche nach dem SGB II jedoch letztlich zu fassen. Weiterhin gelte die Kollisionsregel des Art. 6 1408/71/EWG nicht schrankenlos und es erscheine zweifelhaft, ob Abkommen des Europarates – wie das EFA - überhaupt unter hierunter fielen. Hinzu komme, dass nichts dafür spreche, dass die Verordnung ein internationales Fürsorgeabkommen habe außer Kraft setzen wollen. Art. 4 Abs. 4 sehe vielmehr ein Anwendungsausschluss der Verordnung für die Sozialhilfe vor.

Letztlich führte das BSG aus, dass das EFA in Ermangelung eines von der Bundesrepublik nach Art. 16 Abs. b S. 2 abgegebenen Vorbehaltes für (Regel)leistungen nach dem SGB II zu einem Leistungsanspruch führe.

b) Nachdem die Bundesregierung (BT-Drs. 17/8699, S. 32; Plenarprotokoll des Dt. BT Nr. 17/167, 21.03.2012, S. 19823 A-D; Mitteilung BAMS an die Bundesländer und die kommunalen Spitzenverbände vom 09.02.2012 – lic3-29011/3; BAMS, Schriftlicher Bericht zur Erklärung des Vorbehaltes gegen die Anwendung des EFA auf die Grundsicherung für Arbeitsuchende, Anschlussdrs. 17(11)881 v. 25.04.2012) sich daraufhin veranlasst sah, am 19.12.2011 dem Europarat mit der Notifikation des SGB II nach Art. 16 Abs. b) S. 1 des EFA gleichzeitig einen Vorbehalt nach S. 2 der Vorschrift zu erklären (Mitteilung und Vorbehalt: www.conventions.coe.int/), gab das BSG in der darauf entstandenen Diskussion darum, ob der Vorbehalt wirksam sei (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 05.03.2013 – L 29 AS 414/12 B ER; LSG Sachs.- Anhalt, Beschluss vom 29.01.2013 – L 2 AS 903/12 B ER; LSG Rh.-Pf., Beschluss vom 21.08.2012 – L 3 AS 250/12 B ER, juris, Rn. 42; SG Berlin, Beschluss vom 25.04.2012 – S 55 AS 9238/12; insb. Steffen/Kessler, ZAR 2012, 245) mit Vorlagebeschluss an den EuGH vom 12.12.2013 (B 4 AS 9/13 R) zu verstehen, hiervon auszugehen. Mit der grundlegenden Entscheidung vom 03.12.2015 (B 4 AS 43/15 R) hat das BSG seine Auffassung mit eingehender Begründung bestätigt. Allerdings hat es die vorgelagerte Frage, ob der Anwendbarkeit des EFA nunmehr das koordinierende Sekundärrecht der Europäischen Union in Form der Verordnung 883/2004/EG entgegenstehe – entgegen seiner Vorgehensweise im Urteil vom 19.10.2010 (B 14 AS 23/10R) zur "alten" europäischen Rechtslage – nicht geprüft und beantwortet.

c) Soweit ersichtlich, wird nach den Entscheidungen des BSG zum Themenkomplex des Leistungsausschlusses nach § 7 Absatz 1 S. 2 SGB II seit Dezember 2015, nach denen Angehörige eines EFA-Signatarstaates aufgrund des Gleichbehandlungsgebotes mit Inländern, im Übrigen als (gebundene) Ermessensleistung nach § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII, einen Anspruch auf Existenzsicherung durch Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII haben (können) (BSG, Urteile vom 03.12.2015 - B 4 AS 59/13 R, B 4 AS 44/15 R, Urteile vom 16.12.2015 - B 14 AS 15/14 R, B 14 AS 18/14 R, B 14 AS 33/14 R, Urteile vom 20.01.2016 - B 14 AS 15/15 R, B 14 AS 35/15 R, Urteil vom 17.02.2016 - B 4 AS 24/14 R, Urteil vom 17.03.2016 - B 4 AS 32/15 R), der Beurteilung des BSG zur Nichtanwendbarkeit des EFA auf Leistungen nach dem SGB II aufgrund des erklärten Vorbehaltes in der übrigen Rechtsprechung gefolgt. Dies gilt auch für diejenigen Gerichte, die dem Bundessozialgericht die Gefolgschaft hinsichtlich eines (möglichen) Leistungsanspruches nach dem SGB XII im Falle eines Ausschlusses nach § 7 Abs. 2 S. 2 Nr. 1, 2 SGB II verweigern (LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11. Februar 2016 – L 3 AS 668/15 B ER, Rn. 17, juris; SG Speyer, Urteil vom 29.03.2016 – S 5 AS 493/14, juris; SG Dortmund, Beschluss vom 11. Februar 2016 – S 35 AS 5396/15 ER, juris). Insoweit ist jedoch darauf hinzuweisen, dass das Bundessozialgericht seine Auffassung maßgeblich u. a. damit begründet, dass eine verbotene "faktische Kündigung" des EFA außerhalb des Prozedere des Art. 24 EFA gerade (nur) deshalb nicht anzunehmen sei, weil die Staatsangehörigen der Signatarstaaten weiterhin einen Anspruch auf SGB XII – Leistungen unter Außerachtlassung der nur für Ausländer geltenden Ausschlussregelung des § 23 Abs. 3 SGB XII hätten; ein Vorbehalt für die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII ist nämlich nicht erklärt worden (BSG, Urteil vom 03.12.2015 – B 4 AS 43/15 R, juris, Rn. 24; vgl. LSG Sachs.-Anhalt, Beschluss vom 29.01.2013 – L 2 AS 903/12 B ER, juris, Rn. 25; Steffen/Kessler, ZAR 2012, 245 f.). Sofern man einen Anspruch der nach § 7 Abs. 2 S. 2 Nr. 1, 2 SGB II von Leistungen Ausgeschlossenen auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII – entgegen der Auffassung des BSG – nicht für möglich hält, kann deshalb die Argumentation des BSG in Bezug auf die Wirksamkeit des durch die Bundesregierung erklärten Vorbehaltes bei der Anwendung des EFA in Bezug auf Leistungen nach dem SGB II auch nicht übernommen werden.

d) Nach Ansicht der Kammer resultiert aus der auch hier vertretenen Auffassung (s. II.), dass sich ein Leistungsanspruch nicht als Folge eines Ausschlusses nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II – ggfs. "vermittelt" über Art. 1 EFA - nach dem SGB XII ergeben kann, gleichwohl kein Leistungsanspruch gegen den SGB II – Leistungsträger aufgrund des Art. 1 EFA.

Denn das Abkommen wird schon durch den Anwendungsbereich der Verordnung 883/2004/EG verdrängt.

Die bereits dargestellten (vgl. a)), vom Bundessozialgericht in dessen Urteil vom 19.10.2010 (B 14 AS 23/10 R) vorgetragenen, Argumente gegen einen Ausschluss der Anwendbarkeit des EFA durch Art. 6 VO 1408/71 EWG, lassen sich auf die seit dem 01.05.2010 in Kraft getretene VO 883/2004/EG und dessen Art. 8 Abs. 1 nicht übertragen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 05. Juli 2012 – L 29 AS 1244/12 B ER, Rn. 35, juris; a. A. SG Berlin • Beschluss vom 11. Juni 2012 • Az. S 205 AS 11266/12 ER).

aa) Zwar bezieht sich Art. 8 Abs. 1 VO 883/2004/EG ebenso wie Art. 6 VO 1408/71/EWG auf "Abkommen über soziale Sicherheit". Jedoch ist die ehemals in Art. 1 Buchst. k VO 1408/71/EWG enthaltene Definition des Begriffes, die Vereinbarungen über Sozialleistungen nach Art. 4 Abs. 2a der "alten" Verordnung, denen die Leistungen nach dem SGB II als besondere beitragsunabhängige Leistungen durch das BSG zugeordnet worden sind, nicht umschloss, nicht in die VO 883/2004/EG übernommen worden. Soweit also bestimmte vom Regelungsbereich der Verordnung erfasste Leistungen nicht mehr aus dem Begriff der "Abkommen über die soziale Sicherheit" ausgeschlossen werden, ist im Umkehrschluss davon auszugehen, dass auch sie von der Kollisionsregel des Art. 8 Abs.1 VO 883/2004/EG erfasst werden. Es lässt sich nunmehr weder ein wortlautbezogener, noch ein systematischer Ansatz für eine Ausklammerung der jetzt in Art. 70 VO 883/2004/EG erfassten besonderen, beitragsunabhängigen Geldleistungen finden. Immerhin stellt die Definition dieser Leistungen in Art. 70 Abs. 1 VO 883/2004/EG (wie zuvor Art. 4 Abs. 2a VO 1408/71/EWG) heraus, dass die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen neben Merkmalen der Sozialhilfe eben auch Merkmale der in Art. 3 Abs. 1 genannten Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit enthält. Der sachliche Geltungsbereich der Verordnung gilt gem. Art. 3 Abs. 3 VO 883/2004/EG ohne Einschränkungen auch für besondere beitragsunabhängige Geldleistungen, also auch der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 4 VO 883/2004/EG (vgl. EuGH Rs Dano vom 11.11.2014 - C-333/13, Rn. 48 ff.; siehe bereits die Schlussanträge des Generalanwaltes Wathelet vom 20.05.2014, Rn. 75 ff.), der jenen aus Art. 1 EFA dann gemäß Art. 8 VO 883/2004/EG in seiner Anwendbarkeit verdrängt. Art. 70 Abs. 3 schränkt die Aussage des Art. 3 Abs. 3 in Bezug auf Art. 7 ("Aufhebung von Wohnortklauseln") und die anderen Kapitel ihres Titels III, der verschiedenen Arten von Leistungen gewidmet ist, zwar wieder ein. Dass Art. 4 und 8 der Verordnung sich jedoch nicht unter den Ausnahmen befinden, lässt keinen Zweifel daran, dass sie Anwendung finden (vgl. EuGH a.a.O, Rn. 50 f.). Dieses Wortlaut-, systematische Verständnis entspricht dem Ziel, wie er im siebten Erwägungsgrund der VO 1247/92/EWG zum Ausdruck kommt; mit dieser wurde die Verordnung 1408/71/EWG geändert, um die Bestimmungen zu den besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen einzufügen (EuGH, a.a.O., Rn. 52).

Der sachliche Geltungsbereich, an den sowohl Art. 6 VO 1408/71/EWG als auch Art. 8 Abs. 1 VO 883/2004/EG notwendig knüpf(t)en ist also – gerade bezogen auf die beitragsunabhängigen Geldleistungen – nunmehr weiter.

bb) Art. 8 Abs. 1 S. 1 VO 883/2004/EG bestimmt ausdrücklich den Vorrang der Verordnung gegenüber zwischen den Mitgliedstaaten geltenden Abkommen über soziale Sicherheit. Dadurch sollen vor allem Überlagerungen, die die Rechtspositionen von Personen beeinträchtigen könnten, die in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen vermieden werden (Steinmeyer, in: Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 4. Aufl. 2005, Art. 8 VO 883/2004, Rn. 3). Die Wirksamkeit der Abkommen selbst wird nicht aufgehoben, sondern es wird lediglich ihre Anwendbarkeit auf Personen, die in den Rechtskreis der Verordnung einbezogen sind, eingeschränkt (Frings, ZAR 2012, 317, 326, vgl. dies., Sozialleistungen für Unionsbürger/innen nach der VO 883/2004, März 2012: http://www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/pdf/Frings Sozialleistungen 883-2004.pdf, S. 17, 18). Verdrängt werden primär die Regelungen, die sich auf Leistungen beziehen, die durch die Verordnung eine zumindest ebenso günstige Regelung erfahren haben. Anders als Art. 6 VO 1408/71/EWG regelt Art. 8 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 VO 883/2004/EG jedoch auch die Modalitäten eines "Günstigkeitsvorranges". Einzelne Bestimmungen von Abkommen über soziale Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten vor dem Beginn der Anwendung der Verordnung geschlossen wurden, gelten hiernach (nur) fort, sofern sie für die Berechtigten günstiger sind. Zwingende Voraussetzung ist allerdings gemäß Art. 8 Abs. 1 S. 3 VO 883/2004/EG, dass diese Bestimmungen in Anhang II aufgeführt sind. Insofern scheidet eine allgemeine "Günstigkeitsprüfung" (vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 23/10 R, Rn. 31, juris, unter Bezugnahme auf das Urteil des EuGH vom 07. Februar 1991 – C-227/89 in der Rs Rönfeldt, Rn. 22, 24, juris) nunmehr erkennbar aus. Die Bestimmungen des Europäischen Fürsorgeabkommens und dessen Art. 1 sind aber im Anhang II der VO 883/2004/EG nicht enthalten.

cc) Für Leistungen nach dem SGB II, als beitragsunabhängige Sonderleistungen nach Art. 70 VO 883/2004/EG (vgl. Anlage X der Verordnung; BSG, EuGH-Vorlage vom 12. Dezember 2013 – B 4 AS 9/13 R, Rn. 33, juris), wird der Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 1 EFA von dem – nunmehr statusunabhängig bestehenden – Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 4 VO 883/2004/EG damit vollständig verdrängt (Frings, ZAR 2012, 317, 326 mit Fn. 98). Art. 4, 8 Abs. 1 VO 1408/71/EWG haben den Anspruch, den Gleichbehandlungsgrundsatz zwischen Unionsbürgern kohärent und umfassend zu regeln und damit jede grundsätzlich gemeinschaftsrechtswidrige Differenzierung (vgl. EuGH, Urteil vom 15.01.2002, C-55/00, Celex-Nr. 62000CJ0055) in den Rechtspositionen aufgrund der Staatsangehörigkeit bei Unionsbürgern aufzuheben.

dd) Soweit das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 19.10.2010 Zweifel daran geäußert hat, ob Abkommen des Europarates (wie das EFA) durch eine Verordnung der Europäischen Union verdrängt werden können, ist die vertragliche Bindung der einzelnen Mitgliedstaaten an die Europaratsabkommen und die grundsätzliche Zusammenarbeit zwischen EU und Europarat angesprochen. Dies führt jedoch nicht zu einer Verschiebung der Normhierarchie und berührt nicht den systematischen Vorrang von Rechtssetzungen der EU gegenüber dem Recht der Abkommen des Europarates. Die Verordnung beansprucht für ihren Anwendungsbereich (Art. 3 Abs. 1, 3 VO 883/2004/EG) "in jedem Mitgliedstaat" unbedingte Geltung (Art. 288 Vertrag über die Europäische Union und Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV). Damit wird entgegenstehendes Recht nachrangiger Rechtsebenen - zu denen auch internationale Abkommen im Range eines nationalen Bundesgesetzes gehören (vgl. Art. 59 Abs. 2 GG; zum EFA: BSG, Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 23/10 R, juris, Rn. 25) – in seiner Anwendbarkeit verdrängt (Schreiber, in Schreiber/Wunder/Dern, VO (EG) 883/2004, Art. 70, Rn. 28; Frings, a.a.O.).

ee) Soweit nach der Rechtsprechung des EuGH, wie dargelegt, das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 4 VO 883/2004/EG - anders als Art. 1 EFA, sofern es ungeachtet des erklärten Vorbehaltes gelten würde - einer Anwendbarkeit des § 7 Absatz 1 S. 2 SGB II nicht entgegensteht, hindert auch die – noch im Zusammenhang mit der VO 1408/71/EWG ergangene – Rechtsprechung des EuGH (EuGH, Urteil vom 07.06 1973 – 82/72, Rs Walder; Urteil vom 07.02.1991 – C-227/89, Rs Rönfeldt; Urteil vom 09.11.2000 – C-75/99, Rs Thelen; Urteil vom 05.02.2002, C-277/99, Rs Kaske, sämtlich juris) einen Geltungsvorrang der VO 883/2004/EG nicht. Sofern der EuGH im Zusammenhang mit Art. 6 der VO 1408/71/EWG einen absoluten Vorrang des EU – Rechts dem primärrechtlichen Vorbehalt unterstellt, dass dadurch eine bestehende Rechtsposition nicht verkürzt werden dürfe, gilt dies nicht uneingeschränkt. Insbesondere müsste der Adressat die Vergünstigungen dieser Rechtsposition bereits in Anspruch genommen haben, bevor er dem Regime der Verordnung unterfallen ist (vgl. zuletzt EuGH, Urteil vom 05.02.2002, C-277/99, Celex-Nr. 61999CJ0277, Rs Kaske, Rn. 30 f., juris). Dies ist etwa vorliegend nicht der Fall, da die Klägerinnen dem persönlichen Anwendungsbereich der Verordnung zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme einer etwaig bestehenden Freizügigkeitsberechtigung bereits unterfielen.

3. Sind die Leistungsausschlusstatbestände des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 2 SGB II damit auf die Klägerinnen als italienische Staatsangehörige anzuwenden, scheidet für die ersten drei Monate seit ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland im März 2014 ein Leistungsanspruch nach Nr. 1 aus. Denn die Klägerinnen, insbesondere die Klägerin zu 1), sind in diesem Zeitpunkt keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen. Sie waren zweifellos weder Arbeitnehmerinnen noch Selbstständige. Es bestand auch keine Freizügigkeitsberechtigung aufgrund des § 2 Abs. 3 FreizügigG/EU, da die Klägerinnen auch zuvor keiner Erwerbstätigkeit in Deutschland nachgegangen sind.

Für den streitigen Folgezeitraum bis einschließlich September 2014 greift der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II. Es ist jedenfalls kein anderes Aufenthaltsrecht für die Klägerinnen festzustellen, als ein solches zum Zwecke der Arbeitssuche.

Ein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmerin gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 FreizügG/EU ist bereits deshalb nicht erkennbar, weil die Klägerin zu 1) im streitgegenständlichen Zeitraum nicht erwerbstätig gewesen ist. Auch die Tatbestände des § 2 Abs. 3 FreizügG/EU sind nicht erfüllt. Ein Daueraufenthaltsrecht gemäß § 4 Buchst. a Abs. 1 FreizügG/EU (nach fünfjährigem rechtmäßigem Aufenthalt) kann aufgrund der Einreise der Klägerinnen im März 2014 frühestens im März 2019 entstehen. Für ein Aufenthaltsrecht als Familienangehörige nach § 2 Abs. 2 Nr. 6, § 3 FreizügG/EU ist nichts ersichtlich. Aufgrund der Hilfebedürftigkeit der Klägerinnen i. S. des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II scheidet auch eine Freizügigkeitsberechtigung für nicht Erwerbstätige nach § 2 Abs. 2 Nr. 5, § 4 FreizügG/EU aus.

Erhebliche Zweifel daran, dass die Klägerin zu 1) – wie sie ohne hierüber Nachweis führen zu können behauptet hat – sich im streitgegenständlichen Zeitraum tatsächlich um eine Erwerbstätigkeit bemüht hat und ob daraus ein Aufenthaltsrecht zum Zwecke der Arbeitssuche gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a FreizügG/EU resultierte (vgl. zu den Voraussetzungen eingehend: BSG, Urteil vom 03. Dezember 2015 – B 4 AS 44/15 R –, BSGE (vorgesehen), SozR 4-4200 § 7 Nr 43, Rn. 17), können letztlich dahinstehen. Denn es ist bereits dargelegt worden, (vgl. B. 1.), dass über den Wortlaut des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II hinaus diejenigen Unionsbürger "erst-recht" von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II auszunehmen sind, die über kein materielles Aufenthaltsrecht verfügen.

Auch ein im Wege des "Günstigkeitsvergleiches" (vgl. § 11 Abs. 1 FreizügG/EU) zu berücksichtigendes Aufenthaltsrecht im Sinne des AufenthG ist nicht gegeben. Insbesondere ist der Vortrag der Klägerinnen, sie seien aufgrund von häuslicher Gewalt aus Italien nach Deutschland geflüchtet, nicht geeignet ein Aufenthaltsrecht, etwa aus humanitären Gründen gemäß § 25 Abs. 4 AufenthG (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R , juris, Rn. 19 ff.; BSG, Urteil vom 20. Januar 2016 – B 14 AS 35/15 R –, SozR 4-4200 § 7 Nr 47, Rn. 29; BVerwG, Urteil vom 04. September 2007 – 1 C 43/06 –, BVerwGE 129, 226-243, Rn. 36), zu begründen. Es ist bereits weder vorgetragen noch denkbar, dass die Klägerinnen einen etwaig notwendigen Schutz vor häuslicher Gewalt nicht auch in ihrem Heimatland hätten suchen und finden können. II. Die Klägerinnen haben auch keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölfte Buch – Sozialhilfe (XII) gegen die gemäß § 75 Abs. 2 Alt. 2 SGG "unecht" notwendig Beigeladene, den örtlich zuständigen Sozialhilfeträger.

1. Die Klägerin zu 1) ist als – unstreitig – Erwerbsfähige gemäß § 21 Satz 1 SGB XII vom Bezug von Leistungen nach dem SGB XII ausgeschlossen, die Klägerin zu 2) in der Folge als Angehörige. Dies folgt aus dem Wortlaut und dem systematischen Aufbau des § 21 SGB XII, der Gesetzesbegründung sowie dem vom BSG in weiteren Urteilen aufgezeigten systematischen Wechselspiel von SGB II und SGB XII und der in diesem Zusammenhang angenommenen abgrenzenden Funktion des § 21 SGB XII und der in § 7 SGB II vertretenen Leistungsausschlüsse. Dessen ungeachtet kommt auch wegen § 23 Abs. 3 SGB XII die Gewährung laufender Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB XII nicht in Betracht.

Die Kammer folgt insoweit nicht der Rechtsauffassung des 4. und des 14. Senats des Bundessozialgerichts (BSG), wie sie sich den Urteilen vom 03.12.2015 (Az.: B 4 AS 59/13 R, B 4 AS 44/15 R und B 4 AS 43/15 R), vom 16.12.2015 (Az.: B 14 AS 15/14 R, B 14 AS 18/14 R und B 14 AS 33/14 R), vom 20.01.2016 (Az.: B 14 AS 15/15 R und B 14 AS 35/15 R), vom 17.02.2016 (Az.: B 4 AS 24/14 R) und vom 17.03.2015 (Az.: B 4 AS 32/15 R) entnehmen lässt, und nach der hier zumindest ein Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Gewährung von Leistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII, ggf. aber auch aufgrund einer Ermessensreduzierung auf Null ein (quasi) gebundener Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII i. V. m. §§ 27 ff. SGB XII ( i. V. m. Art. 1 EFA – vgl.BSG, Urteil vom 03. Dezember 2015 – B 4 AS 59/13 R, Rn. 20 ff., juris) gegen die Beigeladene als insoweit örtlich und sachlich zuständigem Leistungsträger bestehen würde, weil der Leistungsausschluss gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II eingreift (dem BSG folgend: LSG NRW v. 24.02.2016 - L 19 AS 1834/15 B ER, L 19 AS 1835/15 B; Coseriu in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 23 SGB XII, Rn. 63.21).

Die Kammer vertritt vielmehr die Auffassung, dass sowohl § 21 SGB XII als auch § 23 Abs. 3 SGB XII der Gewährung von Leistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 XII an erwerbsfähige Hilfebedürftige, die EU-Staatsangehörige sind, entgegenstehen und die Gewährung von existenzsichernden Leistungen an EU-Ausländer auch nicht verfassungsrechtlich geboten ist (s. C.) (SG Dortmund, Beschluss vom 18. April 2016 – S 32 AS 380/16 ER –, Rn. 75, juris; Beschluss vom 23.11.2015 – S 30 AS 3827/15 ER – juris m. w. N.; Beschluss vom 20.07.2016 – S 32 AS 3037/16 ER, Rn. 64, juris; SG Berlin, Urteil vom 11.12.2015 – S 149 AS 7191/13 – juris; Urteil vom 14.01.2016 – S 26 AS 12515/13 – juris; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.01.2016 – L 29 AS 20/16 B ER, L 29 AS 21/16 B ER PKH (unter Bestätigung der Vorinstanz: SG Berlin, Beschluss vom 06.01.2016 – S 59 AS 26012/15 ER – n. v.); SG Dortmund, Beschluss vom 11.02.2016 – S 35 AS 5396/15 ER – juris; SG Berlin, Beschluss vom 22.02.2016 – S 95 SO 3345/15 ER – juris; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22.02.2016 – L 9 AS 1335/15 B ER – juris; LSG NRW, Beschluss vom 07.03.2016 – L 12 SO 79/16 B ER – juris; SG Dortmund, Beschluss vom 18.03.2016 – S 35 AS 521/16 ER – n. v.; SG Dortmund, Beschluss vom 18.03.2016 – S 19 AS 91/16 ER – bislang n. v.; SG Speyer, Urteil vom 29.03.2016 – S 5 AS 493/14 – juris; SG Dortmund, Beschluss vom 13.04.2016 – S 62 SO 164/16 ER – bislang n. v.; offen gelassen wurde die Frage bislang vom 2. Und 6. Senat des LSG NRW, Beschluss vom 14.03.2016 – L 2 AS 225/16 B ER – juris; Beschluss vom 21.04. 2016 – L 6 AS 389/16 B ER, juris; dem BSG folgen hingegen der 19. Senat des LSG NRW, Beschluss vom 24.02.2016 – L 19 AS 1834/15 B ER, L 19 AS 1835/15 B – juris und der 7. Und 19. Senat des LSG NRW, Beschluss vom 16.12.2015 – L 7 AS 1466/15 B ER – juris; Beschluss vom 17.12.2015 – L 7 AS 1711/15 B ER – juris).

2. Die 35. Kammer des Sozialgerichts Dortmund hat in ihrer o. g. Entscheidung (Beschluss vom 11.02.2016 – S 35 AS 5396/15 ER, Rn. 23 ff., juris; anschließend SG Dordmund, Beschluss vom 18.04.2016 – S 32 AS 380/16 ER, Rn. 74 ff., juris; ebenso LSG NRW, Beschluss vom 07.03.2016 – L 12 SO 79/16 B ER, juris; vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22.02.2016 – L 9 AS 1335/15 B ER, Rn. 57-66, juris; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.01.2016 – L 29 AS 20/16 B ER, L 29 AS 21/16 B ER PKH, Rn. 25 ff., juris) überzeugend und erschöpfend dargelegt, dass Wortlaut und Aufbau des § 21 SGB XII, die Gesetzesbegründung sowie das vom BSG zuvor aufgezeigte systematische Wechselspiel von SGB II und SG XII sowie die in diesem Zusammenhang angenommene abgrenzende Funktion des § 21 SGB XII und der in § 7 SGB II enthaltenen Leistungsausschlüsse es ausschließen, dem BSG in der Beurteilung der hier zu entscheidenden Rechtsfrage zu folgen. Die Kammer führt aus:

a) aa) "Bereits der Wortlaut des § 21 Satz 1 SGB XII spricht gegen die vom BSG angenommene Möglichkeit, einem Hilfebedürftigen, dessen mangelnde Anspruchsberechtigung auf Leistungen nach dem SGB II nicht aus dem Merkmal der (ggf. auch "fingierten") Erwerbsunfähigkeit resultiert, Leistungen nach dem SGB XII zu gewähren. Gemäß § 21 Satz 1 SGB XII erhalten Personen, die nach dem Zweiten Buch als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber auf eine Leistungsberechtigung "als Erwerbsfähiger" "dem Grunde nach" abstellt, zeigt für die Kammer aber, dass bereits die positive Feststellung der Anspruchsvoraussetzung des § 7 Abs. 1 Satz1 Nr. 2 ("erwerbsfähig sind") dazu führen soll, dass ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII ausscheidet. Sowohl das Tatbestandsmerkmal "als Erwerbsfähige" wie auch das Tatbestandsmerkmal "dem Grunde nach" wären nämlich überflüssig, wenn es nicht um das Vorliegen von Erwerbsfähigkeit als zentrales Ausschlusskriterium, sondern um die tatsächliche Leistungsberechtigung bzw. den Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II ginge. Dann hätte vielmehr der bloße Verweis eben auf diese Leistungsberechtigung oder diesen Anspruch nahegelegen.

Auch das Vorliegen eines Leistungsausschlusses (so auch gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II) lässt die Leistungsberechtigung "als Erwerbsfähiger" "dem Grunde nach" nach der Systematik der Norm im Übrigen nicht entfallen, denn während § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II die (positiv formulierten) Tatbestandsvoraussetzungen ("dem Grunde nach") für einen Bezug von Leistungen nach dem SGB II benennt, schließen die Regelungen des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II ("ausgenommen sind" ") nach § 7 Abs.1 Satz 1 SGB II leistungsberechtigte Personengruppen wieder vom Leistungsbezug nach dem SGB II aus. Die Voraussetzung eines weiteren Aufenthaltsrechts als "positive Tatbestandsvoraussetzung" hat der Gesetzgeber gerade nicht vorgenommen."

bb) Soweit die 3. Kammer des Sozialgerichts Mainz (Vorlagebeschluss vom 18. April 2016 – S 3 AS 149/16, Rn. 417 ff., juris) hiergegen einwendet, die Apposition "als Erwerbsfähige oder als Angehörige" stelle sich als bloße Tautologie zu "Leistungsberechtigung dem Grunde nach" dar, kann dem nicht gefolgt werden. Die Ansicht, dass die vorstehende Auslegung am Wortlaut die Leistungsfähigkeit von "Texten im Allgemeinen und Gesetzestexten im Besonderen" überschätze, stößt bereits für sich genommen auf Bedenken. Sie stellt sich auch als ambivalent dar, sofern das Sozialgericht im weiteren zutreffend darauf hinweist, dass der Wortlaut die Grenze jeder Auslegung sei und daher der als Metapher zu verstehende "Wille des Gesetzgebers" (vgl. unten, c)), Erwerbsfähige von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII auszuschließen, keine Beachtung finden könne, da dies die Grenzen des Wortlautes überschreite (SG Mainz, a.a.O., Rn. 425, 439 ff.). Selbst wenn der gesetzgeberische Wille im Wortlaut in der Formulierung "Personen, die erwerbsfähig sind und deren Angehörige, erhalten keine Leistungen für den Lebensunterhalt" tatsächlich besser zum Ausdruck gebracht würde, wovon das Sozialgericht Mainz ausgeht (vgl. SG Mainz, a.a.O., Rn. 420), ist es aus Sicht der erkennenden Kammer nicht vertretbar, die vorliegende Gesetzesfassung dahingehend (miss)zuverstehen, dass der Wortlaut die Beachtung des gesetzgeberischen Willens ausschließt.

Die 3. Kammer des Sozialgerichts Mainz streicht zunächst den Satzteil "als erwerbsfähige oder als Angehörige" über die Behauptung einer vollen Redundanz in dem Term "dem Grunde nach leistungsberechtigt", die sich aus der semantischen Beziehung ergebe. Diese These lässt sich jedoch nicht allein damit rechtfertigen, dass der Gesetzgeber auch im o. a. Duktus hätte formulieren können (so SG Mainz, a.a.O., Rn. 420). Es wäre vielmehr nachzuweisen, dass dem Satzteil des § 21 S. 1 SGB XII "als Erwerbsfähige oder als Angehörige" kein eigenständiger Bedeutungsinhalt beizumessen ist. Dies könnte sich etwa aus dem gesetzgeberischen Willen oder dem systematischen Zusammenhang ableiten lassen. Beides bestätigt vorliegend aber gerade das Gegenteil

Sofern das Sozialgericht Mainz anschließend den Satzteil "dem Grunde nach leistungsberechtigt" mit einem tatsächlichen Bezug von Leistungen nach dem SGB II gleichsetzt (a.a.O, Rn. 422 ff.), zeigt sich die Janusköpfigkeit in der Argumentation am Wortlaut. Während das Sozialgericht seine Auffassung zunächst damit begründet, wie der Gesetzgeber hätte (vermeintlich) formulieren müssen, um die hier vertretene Auffassung im Wortlaut niederzulegen, wird mit diesem Argumentationsansatz gebrochen. Denn insofern hätte der Gesetzgeber doch formulieren können: "Personen, die Leistungen nach dem SGB II erhalten". Die tatsächliche Formulierung zeigt hingegen, dass der Gesetzgeber von einer Konstellation ausgeht, in der trotz des Vorliegens einer Grundvoraussetzung ein Leistungsanspruch letztlich nicht besteht. Die dazugehörige Grundvoraussetzung benennt das Gesetz unmittelbar: "als Erwerbsfähige oder Angehörige" (a. A. BSG, Urteil vom 20.01.2016 – B 14 AS 35/15 R, Rn. 35, juris; dagegen zutreffend: SG Dortmund, Beschluss vom 18.04.2016 – S 32 AS 380/16 ER, Rn. 113).

b) Für die Auslegung der Kammer spricht im Anschluss an das Sozialgericht Dortmund (a.a.O) auch die weitere Systematik des § 21 SGB XII. Die 35. Kammer führt weiter aus:

"Gemäß § 21 Satz 2 SGB XII können Personen, die nicht hilfebedürftig nach § 9 des Zweiten Buches sind, abweichend von Satz 1 Leistungen nach § 36 (SGB XII) erhalten. Auch diese Regelung wäre aber überflüssig, wenn allein die fehlende Leistungsberechtigung nach dem SGB II (unabhängig vom Kriterium der Erwerbsfähigkeit) den Weg in einen Leistungsbezug nach dem SGB XII eröffnen könnte. Schon das Fehlen der in § 7 Abs.1 Satz 1 Nr.3 SGB II als positive Tatbestandsvoraussetzung benannten (und in § 9 SGB II näher definierten) Hilfebedürftigkeit ließe nämlich die Leistungsberechtigung nach dem SGB II entfallen. In § 21 Satz 2 SGB XII ließe sich dann keine Abweichung zu § 21 Satz 1 SGB XII erkennen (so aber der Gesetzeswortlaut).

Weiter beschreibt § 21 Satz 3 SGB XII das zwischen den Trägern von Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII anzuwendende Verfahren, wenn zwischen diesen unterschiedliche Auffassungen über die Zuständigkeit bestehen. Diesbezüglich ist der Träger von Leistungen nach dem SGB XII an die Feststellung einer vollen Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 2 Satz 2 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuchs (SGB VI) und nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens an die Entscheidung der Agentur für Arbeit zur Erwerbsfähigkeit gemäß § 44 a Abs.1 SGB II gebunden. Dieses Instrumentarium vermittelt die Auffassung des Gesetzgebers, dass allein die unterschiedliche Einschätzung der Erwerbsfähigkeit als entscheidendes Abgrenzungskriterium zu Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen den Trägern führen kann. Einen Mechanismus für die Bewältigung weiterer möglicher Abgrenzungsfragen (so z.B. für die nach der neuen Rechtsprechung des BSG erforderliche Klärung, ob neben dem Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche noch ein weiteres Aufenthaltsrecht vorliegt) sieht § 21 SGB XII nicht vor.

c) Auch die Gesetzesbegründung zu § 21 SGB XII (BT Drs. 15/1514, S. 57) spricht dafür, dass Erwerbsfähigen der Weg zu Leistungen nach dem SGB XII nicht eröffnet werden soll. Hier heißt es: "Die Regelung setzt nicht voraus, dass jemand tatsächlich Leistungen des anderen Sozialleistungsträgers erhält oder voll erhält, sondern knüpft an die Eigenschaft als Erwerbsfähige oder deren im Zweiten Buch näher bezeichneten Angehörigen an" (vgl. hierzu überzeugend SG Berlin, Urteil vom 11.12.2015, S 149 AS 7191/13, juris).

Dass das Tatbestandsmerkmal der Erwerbsfähigkeit entscheidendes Abgrenzungskriterium zwischen den Leistungssystemen von SGB II und SGB XII sein soll (so auch Eicher in juris-PK zu § 21 SGB XII, Rn. 10, der § 21 SGB XII eine systemabgrenzende Funktion beimisst) führt das BSG auch in einer seiner Entscheidungen vom 03. Dezember 2015 (B 4 AS 44/15 R, Rn.41, juris) aus. Hier heißt es: "Im Grundsatz gilt für die Systemzuweisung aufgrund der Erwerbszentriertheit des SGB II, dass derjenige, der von dem auf die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ausgerichteten Leistungssystem des SGB II ausgeschlossen werden soll, dem System des SGB XII zugewiesen wird."

d) Diese Bedeutung der Erwerbsfähigkeit und der Arbeitsmarktnähe des Hilfebedürftigen für seine Zuweisung zu dem seiner ursprünglichen Konzeption nach erwerbszentrierten und arbeitsmarktnahen System des SGB II und dem "arbeitsmarktfernen" System des SGB XII hat das BSG auch in mehreren Entscheidungen herausgearbeitet, auf die es im o.a. Urteil vom 03.12.2015 nunmehr zur Begründung seiner Prämisse verweist, dass im Falle des Ausschlusses eines erwerbsfähigen Ausländers von Leistungen gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nach dem SGB II ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII grundsätzlich möglich bleibe (Zitat: "Auf dieser Grundlage hat das BSG bereits für andere in § 7 SGB II geregelte Leistungsausschlüsse ausdrücklich entschieden, dass die "Anwendungssperre" des § 21 S. 1 SGB XII nicht greift", BSG a.a.O., Rn. 42, juris) Eine differenzierte Betrachtung der Leistungsausschlüsse sei erforderlich. Im Einzelnen nennt das BSG in diesem Zusammenhang folgende Urteile, die alle einen Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 4 SGB II zum Gegenstand haben: BSG vom 16.5.2012 - B 4 AS 105/11 R - SozR 4-4200 § 7 Nr. 30 Rn. 20 (Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 4 SGB II wegen Bezugs einer litauischen Altersrente); BSG vom 02.12.2014 - B 14 AS 66/13 R - SozR 4-4200 § 7 Nr. 42 Rn.10, 24 (Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 4 wegen Unterbringung in einer Klinik); BSG vom 19.08.2015 - B 14 AS 1/15 R, Rn. 47: vorzeitige Altersrente nach Aufforderung durch den Grundsicherungsträger).

In dem erstgenannten Urteil vom 16.05.2012 (B 4 AS 105/11 R, Rn.23, juris) führt das BSG zum Hintergrund des Leistungsausschlusses gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II und im Hinblick auf die Zuordnung der Empfängerin einer ausländischen Rente zum Leistungssystem nach dem SGB XII exemplarisch aus: "Anspruch auf Leistungen haben allerdings grundsätzlich nur erwerbsfähige Hilfebedürftige. Nicht leistungsberechtigt ist, wer nicht erwerbsfähig i.S des § 8 Abs. 1 SGB II ist. Letzteres ist bei Personen in einer stationären Einrichtung (BSGE 99, 88 = SozR 4-4200 § 7 Nr 7, Rn. 13 f; SozR 4-4200 § 7 Nr. 24, Rn. 20) und beim Bezug einer Altersrente (Spellbrink, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 7 Rn. 71) nicht unbedingt der Fall. Bei Beziehern von Altersrenten vor Erreichen des Regelrentenalters - danach sind sie bereits aus Gründen des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II nicht mehr leistungsberechtigt - wird jedoch nach der Begründung zur Regelung des § 7 Abs. 4 S 1 SGB II typisierend angenommen, sie seien endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden und müssten daher nicht mehr in Arbeit eingegliedert werden (vgl. BT-Drucks 15/1749, S 31). Sie benötigen aus diesem Grunde keine Leistungen aus dem System des SGB II mehr." Weiter heißt es: "( ) denn Erwerbsfähigkeit schließt Leistungen nach dem System des SGB XII gemäß § 21 S. 1 SGB XII grundsätzlich aus. Nach § 21 S. 1 SGB XII erhalten Personen, die nach dem SGB II als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Wenn jedoch vor dem Hintergrund des systematischen "Wechselspiels" zwischen SGB II und SGB XII Altersrentner vor Vollendung des Regelrentenalters nach deutschem Recht nicht als Erwerbsfähige leistungsberechtigt i. S. des SGB II sind, kann unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten für Bezieher ausländischer Altersrenten nichts Anderes gelten."

Warum im Hinblick auf den Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nichts anderes gilt als in Bezug auf die in den vorgenannten Urteilen streitgegenständlichen Leistungsausschlüsse des § 7 Abs. 4 SGB II (so BSG, Urteil vom 03.12.2015, B 4 AS 44/15 R, Rn.43, juris), ist nicht ohne Weiteres zu erkennen:

Sämtliche der in den früheren zitierten Urteilen des BSG behandelten Fallkonstellationen sind nämlich solche, in denen der Leistungsausschluss des BSG auf einer "fingierten Erwerbsunfähigkeit" beruht. So führt Eicher in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, zu § 21 SGB XII zu den Fallkonstellationen des § 7 Abs. 4 SGB II aus: "Nach der Rechtsprechung des BSG handelt es sich bei dieser Norm, soweit es die Unterbringung in Einrichtungen betrifft, um eine "verkappte" Regelung der Erwerbsunfähigkeit. Auch bei den übrigen Varianten ist von einem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben auszugehen."

Dass die "fingierte Erwerbsunfähigkeit" maßgeblicher Hintergrund der Leistungsausschlüsse des § 7 Abs. 4 SGB II ist, ergibt sich plastisch aus der "Unterausnahme" des § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 SGB II: Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes, die einen wöchentlichen Umfang von mindestens 15 Stunden erreicht, hebt die "typisierende Annahme" der Erwerbsunfähigkeit nämlich auch für in einer stationären Einrichtung untergebrachte Hilfebedürftige wieder auf. Liegen die in § 7 Abs. 4 SGB II geregelten Leistungsausschlüsse vor, erscheint es vor dem Hintergrund des vorab dargestellten Systemzusammenhangs von SGB II und SGB XII auch der erkennenden Kammer geboten, von ihnen erfasste Hilfebedürftige im Rahmen einer teleologischen Reduktion nicht als "Erwerbsfähige" im Sinne von § 21 Satz 1 SGB XII zu behandeln. Maßgebliche Funktion dieser Leistungsausschlüsse ist es nämlich, dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehende Personen nicht dem nach seiner ursprünglichen Zielsetzung auf Aktivierung und Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt ausgerichteten System des SGB II zuzuordnen, sondern in das hiervon unabhängige Grundsicherungssystem des SGB XII zu integrieren. Dieser Hintergrund kann aber für den Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht angenommen werden.

Eine Fiktion der Erwerbsunfähigkeit ist aus einem Freizügigkeitsrecht zum Zweck der Arbeitsuche gerade nicht herauszulesen. Vielmehr sollte der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II eine leistungsrechtliche Hürde für den Zugang zu Sozialleistungen schaffen. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Norm nämlich von der Option des Art. 24 der RL 2004/38 EG Gebrauch machen, die vorgenannten Personengruppen vom Anspruch auf Sozialhilfe - mithin Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII - auszuschließen (vgl. hierzu eindringlich und überzeugend BSG, Urteil vom 03.12.2015, B 4 AS 44/15 R, Rn. 21-24 und Rn. 48-50, juris). Der Leistungsausschluss sollte in beiden Systemen gleichermaßen greifen (BSG, Urteil vom 03.12.2015, B 4 AS 44/15 R, Rn.50, juris). Vor dem Hintergrund dieser sozialpolitischen Zielsetzung hat der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II anders als in den Fällen des § 7 Abs. 4 SGB II keine systemabgrenzende, sondern eine "systemausschließende" Funktion. Anders als in den Fällen des § 7 Abs. 4 SGB II erscheint es dann aber wenig sachgerecht, von diesem Leistungsausschluss Betroffene dem zu "bedingungslosen" Leistungen zur Grundsicherung führenden Leistungssystem des SGB XII zuzuweisen.

e) Dass aufgrund der Vorschrift des § 21 Satz 1 SGB XII grundsätzlich auch Erwerbsfähigen der Zugang zum SGB XII eröffnet werden sollte, kann auch nicht damit begründet werden, dass die Leistungsausschlüsse der §§ 22 Abs. 1, 23 Abs. 3 Satz 2 SGB XII ansonsten "leerliefen":

aa) Im Hinblick auf § 22 Abs. 1 SGB XII, der Auszubildende, deren Ausbildung nach den Vorschriften des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) und des Dritten Buchs Sozialgesetzbuchs (SGB III) grundsätzlich förderungsfähig ist, vom Bezug von Leistungen nach dem SGB XII ausschließt, ergibt sich dies daraus, dass die Aufnahme einer Ausbildung oder eines Studiums nicht zwangsläufig eine Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II voraussetzt, so dass für diese der Norm des § 7 Abs. 5 SGB II entsprechende und aus dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) übernommene Vorschrift auch bei einer Einordnung des § 21 SGB XII als "Anwendungssperre" für Erwerbsfähige ein eigenständiger Regelungsgehalt verbleibt. Dass § 22 Abs. 1 SGB XII sich auf nicht erwerbsfähige Auszubildende beziehen soll, hat das BSG in seinem Urteil vom 06.09.2007 (B 14/7b As 36/06 R, juris) auch ausdrücklich dargestellt. Hier heißt es: "Soweit der Kläger meint, Auszubildende würden nach dem SGB II schlechter gestellt als nach dem SGB XII, weil die Leistungen im besonderen Härtefall nach dem SGB II nur als Darlehen, nach § 22 Abs.1 Satz 2 SGB XII jedoch auch als Beihilfe gewährt werden können, führt dieses ebenfalls nicht zur Erforderlichkeit einer vom SGB XII abweichenden Anwendung des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II. Grund für die unterschiedlichen Leistungsarten ist die Zuordnung zu dem einen oder anderen System, differenziert nach der Erwerbsfähigkeit. Bei dem Erwerbsfähigen kann erwartet werden, dass er die Leistung nach Beendigung der Ausbildung und Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zurückzahlen kann. Diese Aussicht besteht bei dem SGB XII-Leistungsempfänger nicht ohne weiteres, so dass die Leistungsgewährung in Form der Beihilfe berechtigt erscheint."

Die gebotene Differenzierung zwischen erwerbsfähigen und nicht erwerbsfähigen Auszubildenden, die die (früher) ungleiche Konzeption der Leistungsausschlüsse der §§ 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II und 22 Abs. 1 Satz 2 SGB XII rechtfertige, wird auch vom Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 03.09.2014, 1 BvR 1768/11 aufgegriffen.

bb) Auch aus der der Norm des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II entsprechenden 2. Alternative des § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII (Leistungsausschluss für Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt) lässt sich kein Argument gegen eine solche Auslegung der Vorschrift des § 21 Satz 1 SGB XII ableiten. Zunächst ist es nach Auffassung der Kammer bereits dem Grunde nach nicht zulässig, aus der Einführung der auf dem Entwurf des Gesetzes zur Änderung des SGB XII und anderer Gesetze vom 25.09.2006 beruhenden Norm des § 23 Abs.3 Satz 1 SGB XII auf den gesetzgeberischen Willen bei der Konzeption der Norm des § 21 Satz 1 SGB XII (vom 27.12.2003) zu schließen.

Überdies führt Coseriu im juris-PK zu § 23 SGB II zur Entstehungsgeschichte des § 23 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB XII (Rn. 64) aus: "Der zunächst im SGB XII noch nicht vorgesehene Ausschluss von Leistungen nach dem SGB XII ist mit Wirkung vom 07.12.2006 durch das Gesetz zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 02.12.2006 eingeführt worden und sollte im Hinblick auf die entsprechende Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II sicherstellen, dass der von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossene Ausländer keinen Leistungsanspruch nach dem SGB XII herleiten kann. Dies hatte etwa das LSG NRW zu Recht mit der Begründung angenommen, der Ausländer habe dem Grunde nach keinen Leistungsanspruch nach dem SGB II; deshalb greife der Leistungsausschluss des § 21 Abs. 1 SGB XII nicht."

Sofern die Einführung des § 23 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB XII aber als "sicherstellende" gesetzgeberische Reaktion auf eine bereits in der damaligen Rechtsprechung vertretene Auffassung, die über die Anwendung des SGB XII eine faktische Aufhebung des vom Gesetzgeber durch § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II gewünschten Ausschlusses bestimmter Personengruppen vom Sozialleistungsbezug bewirkte, zu verstehen ist, lässt sie sich aber nicht argumentativ gegen die Auslegung des § 21 Satz 1 SGB XII als "Anwendungssperre" für Erwerbsfähige ins Feld führen.

In der Gesetzesbegründung des aufgrund des Gesetzes zur 2. Änderung des Zweiten Buchs Sozialgesetzbuchs vom 24.03.2006 eingeführten § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II (BT Drs. 16/688, S. 13) heißt es zudem: "Auch wenn bei Ausländern die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, das heißt sie zwischen 15 und unter 65 Jahre alt, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben, können dennoch die Leistungen nach diesem Buch durch den neugefassten Satz 2 ausgeschlossen sein. Darüber hinaus kommen dann für diese Personengruppe auch Leistungen des SGB XII wegen § 21 Satz 1 SGB XII nicht in Betracht, da sie dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II ist." Jedenfalls auch zu diesem Zeitpunkt ist der Gesetzgeber mithin noch davon ausgegangen, dass Erwerbsfähige aufgrund der Vorschrift des § 21 Satz 1 SGB XII keine Leistungen nach dem SGB XII beziehen konnten."

3. Da das Leistungssystem SGB XII für die Klägerinnen bereits aufgrund des § 21 Satz 1 XII verschlossen bleibt, kommt es in Bezug auf einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt gegen die Beigeladene nicht erst darauf an, dass das Abkommen durch den Anwendungsbereich der Verordnung 883/2004/EG verdrängt wird (vgl. oben C. I. 3. 1. d)). Weiterhin kommt es nicht mehr darauf an, ob den Klägerinnen (als Staatsangehörige des EFA-Mitgliedstaates Italien aufgrund des Gleichbehandlungsgebotes in Artikel 1 EFA) im Falle eines grundsätzlichen Leistungsanspruches nach dem SGB XII ein "gebundener" Anspruch oder ein Anspruch auf eine Entscheidung der Beigeladenen auf die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens nach § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII zur Seite stünde.

Indes, ein weiterer Ausschlussgrund ergibt sich nach Auffassung der Kammer aus § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII (zu dem Verhältnis dieser Norm zu § 21 SGB XII vgl. v. a. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22.02.2016 – L 9 AS 1335/15 B ER, Rn. 64 ff., juris).

Davon abgesehen, dass § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII bereits aufgrund seiner systematischen Stellung und seines Wortlauts ("Im Übrigen ") nicht als Anspruchsgrundlage für Leistungen geeignet sein dürfte, die bereits von § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII umfasst werden, d. h. insbesondere nicht für Leistungen wie "Hilfe zum Lebensunterhalt" (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22.02.2016 – L 9 AS 1335/15 B ER, Rn. 70, juris) steht einem Leistungsanspruch der Antragstellerin auf Gewährung von Leistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII i. V. m. § 27 SGB XII zumindest die Regelung des § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII entgegen (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22.02.2016 – L 9 AS 1335/15 B ER, juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.03.2016 – L 12 SO 79/16 B ER, juris; SG Dortmund, Beschluss vom 18. April 2016 – S 32 AS 380/16 ER, Rn. 115 ff., juris; SG Berlin, Beschluss vom 22.02.2016 – S 95 SO 3345/15 ER, Rn. 73, juris).

Die Kammer schließt sich der eingehend begründeten Auffassung des 12. Senates des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein – Westfalen mit Beschluss vom 07.03.2016 (L 12 SO 79/16 B, Rn. 28-30, juris) an. Der Senat führt aus:

aa) "Ein Anspruch ( ) auf Gewährung von Leistungen nach § 23 Abs.1 S. 3 SGB XII wäre gemäß § 23 Abs. 3 S. 1 2. Alt. SGB XII ausgeschlossen. Gemäß § 23 Abs. 1 SGB XII ist Ausländern, die sich im Inland tatsächlich aufhalten, Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe bei Krankheit, Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie Hilfe zur Pflege nach diesem Buch zu leisten. Die Vorschriften des Vierten Kapitels bleiben unberührt. Im Übrigen kann Sozialhilfe geleistet werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. Nach § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII haben Ausländer, die eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt sowie ihre Familienangehörigen keinen Anspruch auf Sozialhilfe. Bereits nach dem systematischen Aufbau der Vorschrift bezieht sich der in § 23 Abs. 3 S. 1 2. Alt. SGB XII geregelte Leistungsausschluss, der bezogen auf die betroffene Personengruppe dem Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II gleichzusetzen ist (vgl. Senat, Beschl. v. 20.08.2015 - L 12 AS 1180/15 -; insoweit überzeugend BSG, Urteil vom 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 R, Rn. 48 ff., juris) auf die vorherigen Absätze 1 und 2. Infolgedessen bezieht er sich auf die komplette Vorschrift des § 23 Abs. 1 SGB XII und somit denklogisch auch auf den Satz 3 der Norm.

bb) Soweit das BSG auf den "unveränderten Wortlaut" des § 23 SGB XII im Verhältnis zum früheren § 120 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) und in diesem Zusammenhang maßgeblich auf eine frühere Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 10.02.1987 - 5 C 32/85 -; BVerwGE 78, 314-321) verweist (siehe BSG, Urteil vom 03.12.2015 - B 44 AS 15 R, Rn. 51 f., juris), ist einzuräumen, dass der Wortlaut des § 120 BSHG zwar unmittelbar vor der Einführung des SGB XII im Wesentlichen dem Wortlaut des § 23 SGB XII entsprach. Die der Entscheidung des BVerwG vom 10.12.1987 zugrundeliegende Fassung des § 120 BSHG war in ihren wesentlichen Grundzügen jedoch anders gefasst. § 120 Abs. 1 BSHG in der Fassung vom 22.12.1983 lautete: "Personen, die nicht Deutsche im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes sind und die sich im Geltungsbereich dieses Gesetzes tatsächlich aufhalten, ist Hilfe zum Lebensunterhalt, Krankenhilfe, Hilfe für werdende Mütter und Wöchnerinnen, Tuberkulosehilfe und Hilfe zur Pflege nach diesem Gesetz zu gewähren; wer sich in den Geltungsbereich dieses Gesetzes begeben hat, um Sozialhilfe zu erlangen, hat keinen Anspruch. Im übrigen kann Sozialhilfe gewährt werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist." Im Gegensatz zu späteren Fassungen des BSHG (ab dem Jahr 1993) ist hier die Möglichkeit der Gewährung von Leistungen im Wege des Ermessens nach - und nicht wie im Regelungskomplex des § 23 SGB XII vor - dem Leistungsausschluss aufgeführt. Diese Systematik konnte zu der Annahme berechtigen, dass die Gewährung von Leistungen im Ermessenswege auch im Falle eines Leistungsausschlusses möglich bleiben sollte (SG Dortmund, a. a. O.). Vor diesem Hintergrund bezog sich das BVerwG in dem vom BSG zitierten Urteil auch gerade auf den Wortlaut der Norm des § 120 BSHG. Es führt aus: "Auch aus der Systematik des § 120 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BSHG folgt dieses Verständnis. Der mit "Im übrigen ..." eingeleitete S. 2 des § 120 Abs. 1 BSHG schließt an den S. 1 mit seinen beiden Halbsätzen an. Daß sich der Ausschluß vom Rechtsanspruch auf bestimmte Hilfen (zum Beispiel die Eingliederungshilfe), der nach Halbsatz 1 des § 120 Abs. 1 S. 1 BSHG von vornherein besteht, aus einem Umkehrschluß ergibt, während er im Halbsatz 2 unmittelbar bestimmt ist, ändert nichts an der "Gleichwertigkeit" des Ausschlusses vom Rechtsanspruch als des Tatbestandsmerkmals, an das im anschließenden S. 2 die Möglichkeit der Hilfegewährung im Einzelfall (in Ausübung von Ermessen) geknüpft ist" (BVerwG, Urteil vom 10.12.1987 - 5 C 32/85 -, BVerwGE 78, 314-321, Rn. 14). Unter Berücksichtigung des geänderten Aufbaus der Norm können die Ausführungen des BVerwG für die Beurteilung der Systematik des § 23 SGB XII nicht herangezogen werden.

cc) Die weitere Argumentation des BSG in der Entscheidung vom 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 R, dass die Begrifflichkeit des "Anspruchs" in § 23 Abs.3 S. 1 2. Alt. SGB XII nur den "gebundenen Anspruch" bzw. den "Rechtsanspruch" und nicht auch die Gewährung von Leistungen im Ermessenswege gemäß § 23 Abs.1 S. 3 SGB XII meint, ist vor dem Hintergrund von § 17 SGB XII unverständlich, der die gesetzliche Überschrift "Anspruch" trägt und diesen Rechtsbegriff damit definiert. Die Norm lautet wie folgt: "(1) Auf Sozialhilfe besteht ein Anspruch, soweit bestimmt wird, dass die Leistung zu erbringen ist. Der Anspruch kann nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden. (2) Über Art und Maß der Leistungserbringung ist nach pflichtmäßigem Ermessen zu entscheiden, soweit das Ermessen nicht ausgeschlossen wird. Werden Leistungen auf Grund von Ermessensentscheidungen erbracht, sind die Entscheidungen im Hinblick auf die sie tragenden Gründe und Ziele zu überprüfen und im Einzelfall gegebenenfalls abzuändern." Mit dem Rechtsbegriff "Anspruch" meint das Gesetz nach seinem Sinn und Zweck nicht nur die Forderung gegen den Sozialhilfeträger auf eine Muss-Leistung, sondern auch Forderungen auf eine eine Ermessensleistung bewilligende Entscheidung (so ausdrücklich Coseriu, in: juris-PK, § 17 SGB XII, Rn.19). Dies ergibt sich insbesondere auch daraus, dass der zweite Absatz des ausweislich seiner Überschrift den Begriff des Anspruchs definierenden § 17 SGB XII explizit regelt, in welchem Zusammenhang der Leistungsträger bei der Realisierung des Anspruchs Ermessen auszuüben hat und wie dieses Ermessen auszuüben ist. Die Einbeziehung dieser Regelung in die Norm des § 17 SGB II wäre nicht sinnvoll, wenn der Gesetzgeber den Anspruch auf Ermessensentscheidungen nicht in die Definition des Anspruchs einbeziehen wollte. Warum der Begriff des "Anspruchs" in § 23 Abs. 3 S. 2 2. Alt. SGB XII von dem des § 17 SGB XII abweichen sollte, ist nicht ersichtlich. Von einem "Rechtsanspruch" ist in § 23 Abs. 3 S. 2 SGB XII indes nicht die Rede (vgl. SG Dortmund, a. a. O.)." (siehe zu weiteren Argumenten gegen die Rechtsprechung des BSG: SG Dortmund, Beschluss vom 18.04.2016, S 32 AS 380/16 ER, Rn. 149-151 m. w. Nachw.).

C. Die Kammer ist auch nicht davon überzeugt (vgl. BVerfGE 105, 61, 67; 121, 241, 252 f.; 126, 77, 97 f. jeweils m.w.N.; BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 –, BVerfGE 132, 134-179, Rn. 60), dass das lex lata (zum lex ferenda zur Korrektur der Rechtsprechung des BSG: Referentenentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II und in der Sozialhilfe nach dem SGB XII vom 28.04.2016, aufrufbar über Coseriu in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 23 SGB XII, Rn. 63.18) gegen das Grundgesetz (GG), namentlich das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG (vgl. insb. BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 –, BVerfGE 132, 134-179, Rn. 62 ff.) oder den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verstößt (siehe zum Diskussionsstand: Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages, WD 6-3000 – 025/16 vom 09.03.2016; im Ergebnis wie hier: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.03.2016 – L 12 SO 79/16 B ER – Rn. 17 ff.; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 17.03.2016 – L 9 AS 1580/15 B ER – Rn. 50 ff.; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11.02.2016 – L 3 AS 668/15 B ER; Beschluss vom 05.11.2015 – L 3 AS 479/15 B ER; LSG Bayern, Beschluss vom 13.10.2015 – L 16 AS 612/ 15 ER; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.06.2015 – L 1 As 2338/15 ER; SG Dortmund, Beschluss vom 23.11.2015 – S 30 AS 3827/15 ER – Rn. 30 ff.; SG Berlin, Urteil vom 11.12.2015 – S 149 AS 7191/13 – Rn. 26 ff.; SG Berlin, Urteil vom 14.01.2016 – S 26 AS 12515/13 –Rn. 89 ff.; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.01.2016 – L 29 AS 20/16 B ER, L 29 AS 21/16 B ER PKH – Rn. 22 ff.; SG Halle (Saale), Beschluss vom 22.01.2016 – S 5 AS 4299/15 ER – Rn. 20 ff.; SG Dortmund, Beschluss vom 11.02.2016 – S 35 AS 5396/15 ER – Rn. 22 ff.; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22.02.2016 – L 9 AS 1335/15 B ER – Rn. 56 ff.; SG Berlin, Beschluss vom 22.02.2016 – S 95 SO 3345/15 ER – Rn. 42 ff.; SG Berlin, Beschluss vom 02.03.2016 – S 205 AS 1365/16 ER – Rn. 22 ff.; SG Reutlingen, Urteil vom 23.03.2016 – S 4 AS 114/14 – Rn. 28 ff.; SG Speyer, Urteil vom 29.03.2016 – S 5 AS 493/14 – Rn. 49 ff.; SG Berlin, Beschluss vom 07.04.2016 – S 92 AS 359/16 ER – Rn. 15 ff.; SG Freiburg (Breisgau), Beschluss vom 14.04.2016 – S 7 SO 773/16 ER –, Rn. 33 ff.; SG Dortmund, Beschluss vom 18.04.2016 – S 32 AS 380/16 ER – Rn. 76 ff.; SG Berlin, Urteil vom 18.04.2016 – S 135 AS 3966/12 – Rn. 42 ff.; SG Berlin, Urteil vom 18.04.2016 – S 135 AS 22330/13 – Rn. 46 ff., sämtlich juris).

I. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ergibt sich als Menschenrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art 20 Abs. 1 GG (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 u.a. – Rn. 133). Das Bundesverfassungsgericht hat es insbesondere mit seinem Urteil vom 09.02.2010 zur Verfassungswidrigkeit der Bestimmung der Regelbedarfsleistungshöhe für Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (siehe anschließend: Urteil vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11; Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13) konkretisiert und Anforderungen für dessen Gewährleistung herausgearbeitet; es als Gewährleistungsrecht im Sozialrecht aktiviert (Aubel in: Emmenegger/Wiedmann, Leitlinien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erörtert von den wissenschaftlichen Mitarbeitern, Band 2, 1. Auflage 2011, S. 275).

Das Menschenwürdeprinzip aus Art. 1 Abs. 1 GG wird dabei als eigentliche Anspruchsgrundlage herangezogen, während das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG im Sinne eines Gestaltungsgebots mit erheblichem Wertungsspielraum verstanden wird (vgl. BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 – Rn. 62). Das auf dieser Grundlage bestimmte Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG habe in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG demnach neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung. Es sei dem Grunde nach unverfügbar und müsse durch den Gesetzgeber eingelöst werden. Dieser objektiven Verpflichtung aus Art. 1 GG korrespondiere ein individueller Leistungsanspruch, da das Grundrecht die Würde jedes einzelnen Menschen schützte, die in Notlagen, nur durch materielle Unterstützung gesichert werden könne (BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 – Rn. 63). Dieser Anspruch bedürfe aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung. Die Legislative habe die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen sowie der konkreten Lebenssituation des Hilfebedürftigen auszurichten. Dabei stehe ihr ein Gestaltungsspielraum zu. Der Umfang des Anspruches könne im Hinblick auf die Arten des Bedarfes und die dafür erforderlichen Mittel nicht unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet werden. (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 u.a. – Rn. 133, 138; Urteil vom 18.07.2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 – Rn. 66)

1. Die grundlegenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Konturierung des Rechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums zur Verfassungsmäßigkeit der Regelbedarfsleistungen der Grundsicherung und der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsybLG) hatten dabei allerdings jeweils zum Gegenstand, ob der durch den Gesetzgeber geschaffene Leistungsanspruch der Höhe nach evident (BVerfG Urteil vom 18.07.2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 – Rn. 80) unzureichend war, oder nicht auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren tragfertig zu rechtfertigen war (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09; Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13). Sie betrafen Konstellationen, in der die Frage der Anspruchsberechtigung des Adressatenkreises der jeweilig zu prüfenden Normen auf existenzsichernde Leistungen dem Grunde nach nicht zur Debatte stand. Rückschlüsse darüber, inwiefern es dem Gesetzgeber möglich ist, Personen ohne Aufenthaltsrecht Sozialleistungen zu verwehren (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 –, BVerfGE 132, 134-179, Rn. 74, knüpft z. B. an ein bestehendes Aufenthaltsrecht an) oder Personen mit einem bestimmten Aufenthaltsrecht - das nicht seinerseits aus Art. 1 Abs. 1 (i.V.m. Art. 20 Abs. 1) GG oder auf das Asylrecht aus Art. 16 a GG zurückzuführen ist (hier: dem Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche) - vom Sozialleistungsbezug auszuschließen, lassen diese Entscheidungen nicht zu (SG Dortmund, Beschluss vom 11. Februar 2016 – S 35 AS 5396/15 ER, Rn. 56, juris; SG Dortmund, Beschluss vom 18. April 2016 – S 32 AS 380/16 ER, Rn. 142, juris; Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages, WD 6-3000 – 025/16 vom 09.03.2016, S. 9), zumal das Bundesverfassungsgericht seine Position bisher nicht konsequent universalistisch ausgerichtet hat. Es fehlen Vorgaben, dass und wie die deutsche Staatsgewalt das oberste Verfassungsziel der Menschenwu&776;rde, soweit hieraus konkrete sozial- rechtliche Standards abgeleitet werden, in transnationalen Sachverhalten umfassend zu realisieren hätte (so Thym, Stellungnahme für die öffentliche Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 12.10.2015, S. 18; dies lässt unberücksichtigt: SG Mainz, Vorlagebeschluss vom 18. April 2016 – S 3 AS 149/16, Rn. 508, juris).

2. Eine Anspruchsberechtigung auf existenzsichernde Leistungen dem Grunde nach, als aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG abgeleitetes subjektives Recht, lässt sich nach Auffassung der Kammer aber nur in unmittelbarer Verbindung zu einer ihrerseits aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG bzw. aus dem, als Menschenrecht (vgl. Art. 14 UN-Menschenrechtscharta) in innerer Korrespondenz hierzu stehenden, Grundrecht auf Asyl aus Art. 16 a GG (vgl. zur Überlagerung dieses Grundrechts durch die Genfer Flüchtlingskonvention: Frerichs in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 1 AsylbLG, Rn. 15 f. m. w. Nachw.) folgenden Aufenthaltsberechtigung begründen. Für den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 2 SGB II ist hingegen bereits Voraussetzung, dass feststeht, dass ein solches Recht nicht besteht. Der Leistungsausschluss greift nur ein, wenn entweder überhaupt kein Aufenthaltsrecht besteht oder lediglich eines zur Arbeitsuche. Dieses Aufenthaltsrecht ist aber ersichtlich nicht aus Art. 1 Abs. 1 oder Art. 16 a GG zu entleihen, sondern lediglich auf Art. 45 Abs. 3 AEUV zurückzuführen.

Eine tragfähige Begründung dafür, dass der Gesetzgeber auch Personen, die sich ohne ein auf die Menschenwürde rückführbares Recht in Deutschland aufhalten, existenzsichernde Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu erbringen hat, lässt sich nicht erkennen. In einem europa&776;ischen Freiheitsraum muss die Gewa&776;hrleistung der Menschenwu&776;rde letztlich nicht notwendig in Deutschland und nach dem dortigen Standard erfolgen (vgl. Thym, Stellungnahme für die öffentliche Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 12.10.2015, S. 21 für § ; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 04. Februar 2015 – L 2 AS 14/15 B ER, Rn. 40, juris; in diesem Sinne auch: Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07. März 2016 – L 12 SO 79/16 B ER, Rn. 34, juris; LSG Rheinland-Pfalz, Beschl. vom 05.11.2015 - L 3 AS 479/15 B ER -; vom 11.02.2016 - L 3 AS 668/15 B ER -; Bayerischen LSG, Beschluss vom 13.10.2015 – L 16 AS 612/15 ER, Rn. 31 ff., juris; SG Dortmund, Beschluss v. 23.11.2015 - S 30 AS 3827/15 ER, juris: Der Gesetzgeber habe mit dem Leistungsausschluss für EU-Ausländer, die ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ableiten, den Nachrang des deutschen Sozialleistungssystems gegenüber dem des Herkunftslandes normiert. Dies sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden).

3. Soweit die Gegenauffassung aus dem Urteil des BVerfG zum Asylbewerberleistungsgesetz vom 18. Juli 2012 (1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 –, BVerfGE 132, 134-179) den Schluss zieht, ein Recht auf die Gewährung von existenzsichernden Leistungen hänge letztlich allein vom tatsächlichen Aufenthalt eines im (einfachrechtlichen Sinne) Hilfebedürftigen im Bundesgebiet ab (insb. SG Mainz, Vorlagebeschluss vom 18. April 2016 – S 3 AS 149/16, Rn. 508, 517 passim, juris; Hessisches LSG, Urteil vom 27. November 2013 – L 6 AS 378/12 –, Rn. 63, juris; Coseriu in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 23 SGB XII, Rn. 75.1; auch Kötter, infoalso 2016, S. 3, 6; Wunder, SGb 2015, S. 620, 622 f.; Frerichs, ZESAR 2014, S. 283; Kingreen, NVwZ 2015, S. 1506; ders. SGb 2013, S. 132, 137 f.), wird nicht verständlich, weshalb die Abschiebung eines Menschen ohne Aufenthaltsrecht in Deutschland in einen anderen Staat ungeachtet der Tatsache rechtmäßig möglich bleiben soll, ob dort ein (dem deutschen vergleichbares) Existenzsicherungssystem vorhanden ist (vgl. SG Mainz, a.a.O., Rn. 508). Es überzeugt nicht, dass der mittelbare und mildere faktische Zwang zur Ausreise durch einen Ausschluss von existenzsichernden Leistungen "fundamental" mit dem Menschenwürdeprinzip unvereinbar sein soll, während ein aufenthaltsrechtlich erzeugter und unmittelbar mit hoheitlicher Staatsgewalt durchgesetzter Ausschluss von der Existenzsicherung in Deutschland auf keine Bedenken stößt (vgl. SG Mainz, a.a.O., Rn. 517; vgl. auch Oppermann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 1a AsylbLG 2. Überarbeitung, Rn. 155). In diesem Sinne hat der 12. Senat des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 07.03.2016 (L 12 SO 79/16 B ER, Rn. 36, juris) ausgeführt, dass, soweit – ohne dass dagegen grundrechtliche Bedenken erhoben werden (vgl. Stellungnahme für die öffentliche Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 12.10.2015, S. 18) – im Ausländerrecht die allein nachteilige wirtschaftliche Situation im Herkunftsland kein Umstand, der zur Gewährung eines Aufenthaltsrechtes oder dem Schutz vor Abschiebung führen kann, ist (vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 06.09.2007 - 11 A 633/05 A -, Rn. 16, 28-32, juris, zur Zumutbarkeit einer Abschiebung nach Sierra Leone trotz völlig fehlender sozialer Sicherungssysteme und einer Arbeitslosenquote von 70 %; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19. Oktober 2005 – 1 B 16/05, Rn. 4, juris; Thym, a.a.O), es unter Berücksichtigung des Gedankens der Einheit der Rechtsordnung auch nicht denkbar sei, solche nachteiligen Lebensumstände im Herkunftsland bei der Prüfung der sozialrechtlichen Zumutbarkeit einer Rückkehr anzuführen.

4. Hinzu tritt, dass das Bundesverfassungsgericht mit seinen nach dem Urteil zum Asylbewerberleistungsgesetz gefassten Beschlüssen vom 03.09.2014 (1 BvR 1768/11) sowie vom 08.10.2014 (1 BvR 886/14) einen durch den Leistungsausschluss für Schüler und Studenten nach § 7 Abs. 5 SGB II verursachten faktischen Zwang, das Studium oder die Ausbildung abbrechen zu müssen, um in den Genuss von SGB II-Leistungen zu gelangen, als mit dem Recht auf Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimumms vereinbar erachtet hat. (In diesen Zusammenhang lässt sich auch § 24 Abs. 1 S. 2 SGB XII stellen, der auch Deutschen im Ausland in der Regel zumutet, ins Inland zurückzukehren). Daraus wird zunächst erkennbar, dass die von der Gegenauffassung angeführte Aussage (u.a.) in dem Urteil des BVerfG zum Asylbewerberleistungsgesetz, der elementare Lebensbedarf der Leistungsberechtigten sei in dem Augenblick zu befrieden, in dem er entstehe (Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09, Rn. , 99, 72 juris) nicht damit gleichgesetzt werden kann, es genüge der tatsächliche Aufenthalt in Deutschland allein. Denn der gem. § 7 Abs. 5 SGB II von Leistungen der Grundsicherung ausgeschlossene Student, dessen Studium dem Grunde nach nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) förderungsfähig ist (und für den auch kein Leistungsanspruch nach dem SGB XII bereit gehalten wird), der aber aufgrund persönlicher Ausschlussgründe keine Leistungen nach dem BAföG erhält, hat so lange keinen Anspruch auf existenzsichernde Leistungen, wie er sein Studium noch nicht abgebrochen hat, ohne das darin ein Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG gesehen würde. Weiter lässt sich den o. a. Beschlüssen des BVerfG entnehmen, dass der faktische Zwang, die bisherige Lebensführung zur Sicherung des Existenzminimums ändern zu müssen, nicht zur Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums führt, sondern vielmehr das Grundrecht, das diese vom Hilfebedürftigen anvisierte Lebensgestaltung schützt (in den Fällen 1 BvR 1768/11 und 1 BvR 886/14 die teilhaberechtliche Dimension des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 und dem Sozialstaatsgebot aus Art. 20 Abs. 1 GG – s. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 03. September 2014 – 1 BvR 1768/11, Rn. 24, juris -; hier die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG) berührt (SG Dortmund, Beschluss vom 11. Februar 2016 – S 35 AS 5396/15 ER –, Rn. 58, juris; Bayerischen LSG, Beschluss vom 01.10.2015 – L 7 AS 627/15 B ER, Rn. 31 ff, juris; a. A. Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages, WD 6-3000 – 025/16 vom 09.03.2016, S. 9, weil die von § 7 Abs. 5 SGB II Ausgeschlossenen dem BAföG unterlägen und es deshalb nicht zu einem "menschenunwürdigen Totalausschluss" käme. Die Ausgeschlossenen haben aber gerade nicht notwendig einen Anspruch nach dem BAföG, weil sie ggfs. aus in ihrer Person liegenden Gründen – vgl. Abschnitt II. des BAföG - ausgeschieden werden.).

5. Aus dem Vorstehenden (insb. 4.) folgt, dass eine Prüfung, inwiefern ein vom Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II betroffener Hilfebedürftiger in seinem Herkunftsland das Existenzminimum nach deutschen Maßstäben sichern kann, nicht anzustellen ist. Auch im Ausländerrecht ist die nachteilige wirtschaftliche Situation im Herkunftsland kein Maßstab, der zur Gewährung eines Aufenthaltsrechts oder dem Schutz vor einer Abschiebung führen kann, ohne dass dies verfassungsrechtliche Beanstandung fände (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07. März 2016 – L 12 SO 79/16 B ER , Rn. 34, juris; Thym, a.a.O.).

II. Auch ein Verstoß gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgebot im Hinblick auf die Vergleichsgruppe der nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Leistungsberechtigten ist nicht gegeben (a. A. Kingreen, SGb 2013, 132, 139; Frerichs, ZESAR 2014, 279, 280 ff.; vgl. auch SG Mainz, Vorlagebeschluss vom 18. April 2016 – S 3 AS 149/16, Rn. 515). Es fehlt die Vergleichbarkeit mit den vom Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 2 SGB II Betroffenen (zum Verhältnis des Art. 3 Abs. 1 GG zu Art. 1 Abs. 1 GG: Frerichs in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 1 AsylbLG, Rn. 34-36 m. w. Nachw.; Aubel, SGb 2016, 105 ff.).

Insofern ist zu bedenken, dass der persönliche Anwendungsbereich nach § 1 Abs. 1 AsylbLG konzeptionell (d. h. mit Ausnahme der nach Nr. 5 Berechtigten, deren Anspruch ggfs. nach § 1a Abs. 1-3 eingeschränkt ist) Drittstaatsangehörige adressiert, die sich (allein) auf politische, humanitäre oder völkerrechtliche Aufenthaltsgründe berufen können (Frerichs in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 1 AsylbLG, Rn. 13). Der im Schwerpunkt menschenrechtlichen Prägung der Aufenthaltsrechte korrespondiert ein Anspruch auf existenzsichernde Leistungen in Deutschland. Das AsylbLG ist weiterhin insofern ein eigenes, spezielles Leistungssystem zur Sicherung des Lebensbedarfs, als es primär an den ungesicherten Aufenthaltsstatus anknüpft (vgl. BVerfG v. 11.07.2006 - 1 BvR 293/05 - BVerfGE 116, 229, 232; Oppermann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 1a AsylbLG 2. Überarbeitung, Rn. 22). Der Adressatenkreis des AsylbLG unterscheidet sich daher maßgeblich von einem Unionsbürger, dem – auch im Wege des Günstigkeistvergleiches nach dem AufenthG – kein Aufenthaltsrecht oder nur ein solches zur Arbeitsuche zusteht und der insofern in sein Heimatland zurückkehren kann bzw. muss (SG Dortmund, Beschluss vom 11. Februar 2016 – S 35 AS 5396/15 ER, Rn. 57, juris; a.A. Coseriu in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 23 SGB XII, Rn. 74).

Sofern Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG auch Personen erhalten, die vollziehbar ausreisepflichtig sind (vgl. § 50 AufenthG) (vgl. SG Mainz a.a.O., Rn. 515), ist zu beachten, dass § 1 a Abs. 1-3 (geändert durch das "Integrationsgesetz" vom 31.07.2016 - BGBl 2016 Teil I Nr. 39; BT- Drs. Drucksache 18/8615, S. 35) insbesondere für diese Personengruppe Anspruchseinschränkungen vorsieht. Sofern Leistungen nicht auf das im Einzelfall unabweisbare beschränkt werden, weil der Leistungsberechtigte eingereist ist, um Leistungen zu erhalten (Abs. 1), reduziert sich der Anspruch auf nach den Abs. 2, 3 näher bezeichnete "Überbrückungsleistungen". Vergleichbare Leistungen können den vom Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Nr. 1, 2 SGB II erfassten Personen allerdings de lege lata nach dem neunten Kapitel des SGB XII, § 73 SGB XII (Hilfe in sonstigen Lebenslagen) erbracht werden (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. November 2013 – L 15 AS 365/13 B ER , juris, Rn. 67; Beschluss vom 24. Juli 2014 – L 15 AS 202/14 B ER, juris, Rn. 23). (Nach dem Referentenentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II und in der Sozialhilfe nach dem SGB XII, aufrufbar über Coseriu in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 23 SGB XII, Rn. 63.18, Anm. von Bittner in SGb 2016, S. 402 f., soll de lege ferenda in § 23 Abs. 3 und § 23a SGB XII ein Überbrückungsanspruch der sich an § 1a Abs. 2 des AsylbLG orientiert und ein Darlehensanspruch für Reiserückkosten eingeführt werden).

C. Über einen Anspruch auf solche Leistungen zur Finanzierung der Rückkehr der Klägerinnen nach Italien bzw. des bis dahin noch erforderlichen Aufenthalts war nicht zu entscheiden. Streitgegenständlich war die Gewährung von Leistungen zum Lebensunterhalt. (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07. März 2016 – L 12 SO 79/16 B ER, Rn. 38, juris; SG Dortmund, Beschluss vom 23. November 2015 – S 30 AS 3827/15 ER –, Rn. 44, juris).

D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

E. Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hiermit ihr Einverständnis erklärt haben (vgl. § 124 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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