Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 8 KR 1055/14
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Versorgung der Klägerin mit dem Arzneimittel Cimzia® im Wege des off-label-use.
Die am xxxxx1990 geborene Klägerin ist Mitglied der Beklagten und leidet unter Morbus Crohn. Am 14.4.2014 beantragte der Kindergastroenterologe Dr. S1 für die Klägerin bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Behandlung der Klägerin mit dem Medikament Cimzia®; dies im Wege des off-label-use, weil Cimzia® wohl für einige Indikationen (z.B. für die Behandlung von einer aktiven rheumatoiden Arthritis), nicht aber für die Behandlung von Morbus Crohn zugelassen ist. Bei der Klägerin habe im Verlauf der Erkrankung immer ein Bedarf an erheblicher Immunsuppression bestanden. Eine Behandlung mit Prednisolon und Azathioprin oder Methotrexat (MTX) sei erfolgreich gewesen, habe aber zu Komplikationen durch virale Infektionen geführt. Die Klägerin sei mit Infliximab und Adalimumab behandelt worden. Man habe die Behandlung aber wegen unklarer Datenlage bzw. wegen Antikörpern gegen IFX abgebrochen. Es bestehe aktuell ein Schub, der sich unter Gabe von Budsonid und Azathioprin nicht gebessert habe, aber unter hoch dosiertem Prednisolon und Azathioprin rückläufig sei. Die Medikation sei mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden. Eine Reduktion der Prednisolon-Dosis sei aber unmöglich, weil die Klägerin ein Pyoderma gangraenosum entwickelt habe. Es solle daher ein Behandlungsversuch mit Cimzia® unternommen werden. Dieses garantiere durch das Anti-Tumornekrosefaktor (TNF)-alpha - Wirkprinzip eine Remission und biete durch den Mangel an dem Fc-Segment des Grund-Immunglobulingerüstes eine viel geringere allergische und Virusabwehr störende Potenz. Dieses Vorgehen entspreche auch dem Konferenzbeschluss des Exzellenzzentrums Entzündungsmedizin des Universitätsklinikums S. vom 25.3.2014.
In einer von der Beklagten in Auftrag gegebenen Stellungnahme führte Dr. H. für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) aus, die Voraussetzungen für einen off-label-use lägen nicht vor. Von einer die Lebensqualität auf Dauer beeinträchtigenden Erkrankung könne ausgegangen werden. Ob eine zugelassene Therapieoption bestehe, lasse sich den Unterlagen nicht unternehmen. Die ärztliche Begründung lasse nicht erkennen, warum die bisherige Therapie mit Prednisolon und Azathioprin nicht zumindest für einen überschaubaren Zeitraum fortgeführt werden könne. Das Auftreten von Antikörpern gegen Infliximab oder Adalimumab machten diese nicht zwangsläufig wirkungslos. Da die Blockade von TNF-alpha per se zu einer erhöhten Infektionsneigung führe, sei der Hinweis auf die geringere allergische und Virusabwehr-störende Potenz nicht nachvollziehbar. Ob eine Therapie mit Sulfasalazin, Mesalazin oder eine topische Glukokortikoidtherapie möglich und sinnvoll sei, könne anhand der vorhandenen Unterlagen nicht beurteilt werden. Es bestehe auch aufgrund der Datenlage keine begründete Aussicht, dass mit Cimzia® ein Behandlungserfolg zu erzielen sei. Es lägen zwei Studien der Phase III vor, deren Ergebnisse umstritten seien. Die European Medicines Agency (EMA) habe aufgrund dessen die Genehmigung für Cimzia® zur Behandlung von Morbus Crohn 2008 versagt. Lediglich in der Schweiz und in den USA sei das Medikament zur Behandlung von Morbus Crohn zugelassen. Eine 2011 veröffentlichte Studie habe die Wirksamkeit des Medikaments bei Morbus Crohn ebenfalls nicht nachweisen können.
Mit Schreiben vom 29.4.2014 teilte die Beklagte der Klägerin aufgrund dieser Stellungnahme mit, dass sie die Kosten für die Behandlung mit Cimzia® nicht übernehmen werde. Der Wertung des MDK widersprach die Klägerin mit Unterstützung von Dr. S1 mit Schreiben vom 12.5.2014. In einer erneuten Stellungnahme des MDK, Dr. H1, hieß es, die Annahme, Cimzia ® garantiere als TNF-alpha Blocker eine Remission, sei spekulativ. Es lasse sich nicht erkennen, dass Humira® (Adalimumab) und Remicade® (Infliximab) nicht mehr wirksam seien. Das Vorliegen von Antikörpern begründe keine off-label-Gabe. Auf dieser Grundlage lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 5.6.2014 ab.
Gegen den Bescheid erhob die Klägerin durch ihre Bevollmächtigte Widerspruch (30.6.2014). Mit Schreiben vom 7.8.2014 teilte das Universitätsklinikum S., Dr. S2 und Dr. N., der Beklagten mit, dass am 25.3.2014 das Medikament Cimzia® bis auf weiteres im Wege des off-label-use verordnet worden sei. Die Verordnung sei nach gemeinsamer Beratung von zahlreichen Fachärzten und Experten in ihrer entzündungsmedizinischen Fallkonferenz beschlossen worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.8.2014 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.
Mit der am 21.8.2014 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Die Bevollmächtigte der Klägerin führt aus, das begehrte Medikament werde bei Morbus Crohn eingesetzt, um den Entzündungsprozess zu reduzieren. Gemäß § 11 I Nr. 4 i.V.m. § 27 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) bestehe ein Anspruch auf Krankenbehandlung. Dieser umfasse auch die zulassungsüberschreitende Verordnung von Medikamenten. Aus den ärztlichen Stellungnahmen wie auch dem Konferenzbeschluss vom 25.3.2014 ergebe sich, dass die Indikation für einen off-label-use vorliege.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagte vom 5.6.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.8.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Versorgung der Klägerin mit Cimzia® zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Bevollmächtigte der Beklagten nimmt zur Begründung Bezug auf die Gutachten des MDK. Unter Bezugnahme auf ein der Klagerwiderung beigefügtes Schreiben des behandelnden Arztes der Klägerin – Dr. S1 – führt sie ferner aus, Dr. S1 habe schon in einem Schreiben vom 17.6.2014 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass am 14.7.2014 das Medikament Vedolizumab (Entnyio®) zugelassen werde und als Alternative zur Verfügung stehe. Die Chancen, eine Remission zu erreichen, entsprächen ungefähr denen von Cimzia®. Das Schreiben von Dr. S1 ist der Klagerwiderung beigefügt. Es bestünden – so die Bevollmächtigte der Beklagten – ferner keine hinreichenden Erfolgsaussichten für die Behandlung mit Cimzia®. Die Zulassung des Medikaments sei in Europa daran gescheitert, dass die Ergebnisse der durchgeführten Studien (2005 und 2008) nicht ausreichten. Die Studien hätten nicht lange genug gedauert, um aussagekräftig zu sein und hätten eine relevante Wirksamkeit nicht gezeigt. Es hätten auch Bedenken gegen die Sicherheit des Medikamentes bestanden. Die 2011 veröffentlichte Studie sei ebenfalls negativ ausgefallen. Es bestehe daher keine Datenlage, die eine hinreichende Erfolgsaussicht versprechen würde. Der behandelnde Arzt sei ferner Kindergastroenterologe und habe die Klägerin daher nach dem 19. Lebensjahr nicht mehr behandeln und die Behandlung nicht abrechnen dürfen. Die Bevollmächtigte der Klägerin hat hierauf erwidert, es könne derzeit nicht festgestellt werden, dass Vedolizumab dauerhaft wirksam sei bei der Klägerin, während Cimzia® die Remission nach Dr. S1 garantiere. Sie legt hierzu eine neue Stellungnahme von Dr. S1 vom 8.12.2014 vor, in der es heißt, die Gabe von Vedoluzimab könne wirksam sein, man wisse dies aber nicht. Man habe etwas tun müssen, um Schäden zu vermeiden.
Aus der Veröffentlichung der EMA zu Cimzia® mit Stand Dezember 2013 (Zusammenfassung des Europäischen Öffentlichen Beurteilungsberichts - EMA/726043/2013, EMEA/H/C/001037) ergibt sich, dass Cimzia® angewendet wird bei mittelschwerer bis schwerer aktiven rheumatoiden Arthritis, bei axialer Spondyloarthritis und bei Psoriasis-Arthritis. Es setzt die Aktivität des Immunsystems herab. Der Antikörper Certolizumab bindet an den TNF alpha. Dadurch wird der TNF alpha blockiert und die Entzündung und andere Symptome vermindert. In den Studien zum Einsatz von Cimzia® bei den genannten Erkrankungen habe sich gezeigt, dass der Nutzen gegenüber den Risiken überwiege. Die Europäische Kommission habe am 1.10.2009 eine Genehmigung für das Inverkehrbringen des Medikaments erteilt.
In einer Veröffentlichung der EMA aus 2008 zur empfohlenen Versagung der Genehmigung für das Inverkehrbringen von Cimzia® (EMEA/224480/2008) wird die Anwendung bei Morbus Crohn thematisiert. Zu den zu dieser Anwendung durchgeführten zwei Studien heißt es, die Studien hätten eine unbedeutende und zu geringe Wirksamkeit des Medikaments gezeigt. Die Studien hätten nicht lange genug gedauert, um aussagekräftige Informationen über die langfristigen Wirkungen des Medikaments zu erhalten. Die 2007 aufgeführten Bedenken gegen die Sicherheit des Medikaments seien 2008 ausgeräumt worden.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte der Kam¬mer und die Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht durfte gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Gerichtsbescheid entscheiden. Die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten auf und der Sachverhalt ist geklärt. Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Versorgung mit dem Medikament Cimzia®. Soweit die Klägerin einen Anspruch für die Vergangenheit geltend macht, handelt es sich dabei um einen Kostenerstattungsanspruch gemäß § 13 III SGB V. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass sie die Kosten bereits gezahlt hat. Insoweit kommt auch ein Anspruch auf Freistellung von den Kosten in Betracht. Auch dies ist materiell ein Kostenerstattungsanspruch. Soweit ersichtlich hat die Klägerin den Antrag auf Versorgung mit Cimzia® erst gestellt (14.4.2014), als die Behandlung bereits begonnen worden war (25.3.2014). Damit fehlt es an den Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch. § 13 III SGB V konstituiert nämlich einen solchen Anspruch für den Fall, dass Versicherten Kosten dadurch entstanden sind, dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder zu Unrecht abgelehnt hat. Damit ist eine Kausalitätsbeziehung zwischen dem Entstehen der Kosten und dem Unvermögen der Krankenkasse geregelt, die nicht gegeben ist, wenn Versicherte eine Leistung in Anspruch nehmen, ohne vorher der Krankenkasse die Möglichkeit einzuräumen, auf den Antrag zu reagieren. Wird die Krankenkasse wie hier mit dem Leistungsantrag gar nicht befasst, bevor die Leistung erbracht wird, fehlt es ihr an dieser Möglichkeit (ständige Rechtsprechung, vgl. Bundessozialgericht – BSG –, Beschluss vom 1.4.2010 – B 1 KR 114/09 B). Ein Kostenerstattungsanspruch setzt darüber hinaus einen Sachleistungsanspruch voraus. Soweit die Klage nicht nur auf die Vergangenheit abzielt – insoweit ist der Klagantrag der Bevollmächtigten der Klägerin nicht eindeutig – müsste ebenfalls ein Sachleistungsanspruch zu bejahen sein. Dies ist hier nicht der Fall. Versicherte haben gemäß § 27 I SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst die Versorgung mit Arzneimitteln. Dabei müssen die Leistungen der Krankenkassen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein. Sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten §12 I SGB V). Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen (§ 2 I S. 3 SGB V). Für den Bereich der Arzneimittel wird das Vorliegen dieser Voraussetzungen durch das Zulassungsverfahren nach Arzneimittelrecht garantiert. Das Krankenversicherungsrecht enthält insoweit keine eigenen Vorschriften zur Qualitätssicherung. Bei Vorliegen der arzneimittelrechtlichen Zulassung ist daher davon auszugehen, dass die Qualitätskriterien des § 2 I SGB V erfüllt sind. Die Zulassung erfolgt jedoch indikationsbezogen. Außerhalb der Indikation stellt die Anwendung grundsätzlich keine Leistung der Krankenkassen dar (vgl. BSG, Urteil vom 19.3.2002 – B 1 KR 37/00 R). Danach ist die Anwendung von Cimzia® bei Morbus Crohn an sich keine Leistung, die von der Beklagten zu übernehmen wäre. Etwas anderes gilt, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) die Anwendung eines Medikaments außerhalb der Indikation, für die es zugelassen ist (also im Wege des off-label-use), geprüft, befürwortet und in die Anlage VI zur Richtlinie des GBA über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinie) aufgenommen hat (§ 30 Arzneimittel-Richtlinie). Dies ist hier nicht der Fall. Cimzia® ist in der Anlage VI nicht für die Verordnung im off-label-use gelistet. Ausnahmsweise kann die Anwendung eines Arzneimittels ferner im Wege des off-label-use zulässig sein, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen: Es liegt eine schwerwiegende (lebensbedrohliche oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende) Erkrankung vor (1), für die eine andere Therapie nicht zur Verfügung steht (2). Aufgrund der Datenlage besteht die begründete Aussicht, dass mit dem begehrten Arzneimittel ein Behandlungserfolg kurativer oder palliativer Art erzielt werden kann (3) (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urteil vom 19.3.2002 – B 1 KR 37/00 R; BSG, Urteil vom 8.11.2011 – B 1 KR 19/10 R). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht alle vor. Vom Vorliegen der ersten Voraussetzung betreffend die Schwere der klägerischen Erkrankung ist auszugehen. Es liegt aber eine anerkannte Therapiemöglichkeit vor, die zweite Voraussetzung ist daher nicht erfüllt. Der die Klägerin behandelnde Dr. S1 selbst hat auf das seit dem 14.7.2014 zur Verfügung stehende Medikament Vedolizumab hingewiesen. Obwohl Dr. S1 seine Aussage hinsichtlich der Erfolgsaussichten der Behandlung von Morbus Crohn mit Vedoluzimab im Laufe des Verfahrens relativiert hat – zunächst hat er die Aussichten als mit Cimzia® vergleichbar beschrieben, später betont, die Wirksamkeit sei nicht sicher – besteht damit eine Standard-Therapiemöglicheit, die auszuprobieren wäre. Ohne einen Behandlungsversuch mit Vedoluzimab ab dessen Zulassung am 14.7.2014 ist eine Verwendung von Cimzia® nicht zulässig. Aber auch für die Zeit vor der Zulassung von Vedoluzimab – sowie für die Zeit danach – scheitert die Anwendung von Cimzia® auf Kosten der Beklagten an der dritten Voraussetzung für den off-label-use, also an der notwendigen Aussicht auf Heilung bzw. positve Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Eine positive Aussicht besteht, wenn Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das (konkrete) Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden kann. Dies kann nur angenommen werden, wenn die Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht sind und eine klinisch relevante Wirksamkeit respektive einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen. Eine Differenzierung des Maßes an wissenschaftlicher Erkenntnis danach, ob ein Zulassungsverfahren für das Medikament läuft oder nicht, hat das BSG mittlerweile aufgegeben (BSG, Urteil vom 8.11.2011 – B 1 KR 19/10 R). Dies ist auch sinnvoll, weil das Schutzbedürfnis der Versicherten während und außerhalb eines Zulassungsverfahrens nicht unterschiedlich ist. Die damit erforderlichen positiven Ergebnisse einer Studie Phase III liegen nicht vor. Das EMA hat im Gegenteil die vorliegenden Studien als nicht hinreichend aussagekräftig bewertet und eine Empfehlung der Anwendung bei Morbus Crohn ausdrücklich versagt. Die erwähnte Studie aus 2011 hat offensichtlich kein anderes Ergebnis erbracht. Dr. H. und ei Bevollmächtigte der Beklagten haben auf ein negatives Ergebnis hingewiesen. Dem haben die Ärzte der Klägerin nicht widersprochen. Den Veröffentlichungen der EMA zufolge ist die Anwendung von Cimzia® auch weiterhin auf die rheumatische Arthritis, die Spondyloarthritis und die Psoriasis-Arthristis beschränkt. Der GBA hat das Medikament bis heute nicht in die Anlage VI der Arzneimittel-Richtlinie aufgenommen. Soweit die Klägerin sich darauf beruft, Cimzia® sei in der Schweiz und in den USA zur Behandlung von Morbus Crohn zugelassen, ergibt sich daraus nichts anderes. Eine Anwendung von Cimzia® jenseits der Regelungen zum off-label-use kann sich allenfalls aus dem sogenannten N.-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 6.12.2005 – 1 BvR 347/98) ergeben (BSG, Urteil vom 4.4.2006 – B 1 KR 7/05 R), der inzwischen in § 2 Ia SGB V eine gesetzliche Regelung gefunden haben. Hierfür ist allerdings eine notstandsähnliche Situation im Sinne einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung bzw. einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung vorausgesetzt. Diese ist hier nicht gegeben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Versorgung der Klägerin mit dem Arzneimittel Cimzia® im Wege des off-label-use.
Die am xxxxx1990 geborene Klägerin ist Mitglied der Beklagten und leidet unter Morbus Crohn. Am 14.4.2014 beantragte der Kindergastroenterologe Dr. S1 für die Klägerin bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Behandlung der Klägerin mit dem Medikament Cimzia®; dies im Wege des off-label-use, weil Cimzia® wohl für einige Indikationen (z.B. für die Behandlung von einer aktiven rheumatoiden Arthritis), nicht aber für die Behandlung von Morbus Crohn zugelassen ist. Bei der Klägerin habe im Verlauf der Erkrankung immer ein Bedarf an erheblicher Immunsuppression bestanden. Eine Behandlung mit Prednisolon und Azathioprin oder Methotrexat (MTX) sei erfolgreich gewesen, habe aber zu Komplikationen durch virale Infektionen geführt. Die Klägerin sei mit Infliximab und Adalimumab behandelt worden. Man habe die Behandlung aber wegen unklarer Datenlage bzw. wegen Antikörpern gegen IFX abgebrochen. Es bestehe aktuell ein Schub, der sich unter Gabe von Budsonid und Azathioprin nicht gebessert habe, aber unter hoch dosiertem Prednisolon und Azathioprin rückläufig sei. Die Medikation sei mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden. Eine Reduktion der Prednisolon-Dosis sei aber unmöglich, weil die Klägerin ein Pyoderma gangraenosum entwickelt habe. Es solle daher ein Behandlungsversuch mit Cimzia® unternommen werden. Dieses garantiere durch das Anti-Tumornekrosefaktor (TNF)-alpha - Wirkprinzip eine Remission und biete durch den Mangel an dem Fc-Segment des Grund-Immunglobulingerüstes eine viel geringere allergische und Virusabwehr störende Potenz. Dieses Vorgehen entspreche auch dem Konferenzbeschluss des Exzellenzzentrums Entzündungsmedizin des Universitätsklinikums S. vom 25.3.2014.
In einer von der Beklagten in Auftrag gegebenen Stellungnahme führte Dr. H. für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) aus, die Voraussetzungen für einen off-label-use lägen nicht vor. Von einer die Lebensqualität auf Dauer beeinträchtigenden Erkrankung könne ausgegangen werden. Ob eine zugelassene Therapieoption bestehe, lasse sich den Unterlagen nicht unternehmen. Die ärztliche Begründung lasse nicht erkennen, warum die bisherige Therapie mit Prednisolon und Azathioprin nicht zumindest für einen überschaubaren Zeitraum fortgeführt werden könne. Das Auftreten von Antikörpern gegen Infliximab oder Adalimumab machten diese nicht zwangsläufig wirkungslos. Da die Blockade von TNF-alpha per se zu einer erhöhten Infektionsneigung führe, sei der Hinweis auf die geringere allergische und Virusabwehr-störende Potenz nicht nachvollziehbar. Ob eine Therapie mit Sulfasalazin, Mesalazin oder eine topische Glukokortikoidtherapie möglich und sinnvoll sei, könne anhand der vorhandenen Unterlagen nicht beurteilt werden. Es bestehe auch aufgrund der Datenlage keine begründete Aussicht, dass mit Cimzia® ein Behandlungserfolg zu erzielen sei. Es lägen zwei Studien der Phase III vor, deren Ergebnisse umstritten seien. Die European Medicines Agency (EMA) habe aufgrund dessen die Genehmigung für Cimzia® zur Behandlung von Morbus Crohn 2008 versagt. Lediglich in der Schweiz und in den USA sei das Medikament zur Behandlung von Morbus Crohn zugelassen. Eine 2011 veröffentlichte Studie habe die Wirksamkeit des Medikaments bei Morbus Crohn ebenfalls nicht nachweisen können.
Mit Schreiben vom 29.4.2014 teilte die Beklagte der Klägerin aufgrund dieser Stellungnahme mit, dass sie die Kosten für die Behandlung mit Cimzia® nicht übernehmen werde. Der Wertung des MDK widersprach die Klägerin mit Unterstützung von Dr. S1 mit Schreiben vom 12.5.2014. In einer erneuten Stellungnahme des MDK, Dr. H1, hieß es, die Annahme, Cimzia ® garantiere als TNF-alpha Blocker eine Remission, sei spekulativ. Es lasse sich nicht erkennen, dass Humira® (Adalimumab) und Remicade® (Infliximab) nicht mehr wirksam seien. Das Vorliegen von Antikörpern begründe keine off-label-Gabe. Auf dieser Grundlage lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 5.6.2014 ab.
Gegen den Bescheid erhob die Klägerin durch ihre Bevollmächtigte Widerspruch (30.6.2014). Mit Schreiben vom 7.8.2014 teilte das Universitätsklinikum S., Dr. S2 und Dr. N., der Beklagten mit, dass am 25.3.2014 das Medikament Cimzia® bis auf weiteres im Wege des off-label-use verordnet worden sei. Die Verordnung sei nach gemeinsamer Beratung von zahlreichen Fachärzten und Experten in ihrer entzündungsmedizinischen Fallkonferenz beschlossen worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.8.2014 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.
Mit der am 21.8.2014 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Die Bevollmächtigte der Klägerin führt aus, das begehrte Medikament werde bei Morbus Crohn eingesetzt, um den Entzündungsprozess zu reduzieren. Gemäß § 11 I Nr. 4 i.V.m. § 27 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) bestehe ein Anspruch auf Krankenbehandlung. Dieser umfasse auch die zulassungsüberschreitende Verordnung von Medikamenten. Aus den ärztlichen Stellungnahmen wie auch dem Konferenzbeschluss vom 25.3.2014 ergebe sich, dass die Indikation für einen off-label-use vorliege.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagte vom 5.6.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.8.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Versorgung der Klägerin mit Cimzia® zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Bevollmächtigte der Beklagten nimmt zur Begründung Bezug auf die Gutachten des MDK. Unter Bezugnahme auf ein der Klagerwiderung beigefügtes Schreiben des behandelnden Arztes der Klägerin – Dr. S1 – führt sie ferner aus, Dr. S1 habe schon in einem Schreiben vom 17.6.2014 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass am 14.7.2014 das Medikament Vedolizumab (Entnyio®) zugelassen werde und als Alternative zur Verfügung stehe. Die Chancen, eine Remission zu erreichen, entsprächen ungefähr denen von Cimzia®. Das Schreiben von Dr. S1 ist der Klagerwiderung beigefügt. Es bestünden – so die Bevollmächtigte der Beklagten – ferner keine hinreichenden Erfolgsaussichten für die Behandlung mit Cimzia®. Die Zulassung des Medikaments sei in Europa daran gescheitert, dass die Ergebnisse der durchgeführten Studien (2005 und 2008) nicht ausreichten. Die Studien hätten nicht lange genug gedauert, um aussagekräftig zu sein und hätten eine relevante Wirksamkeit nicht gezeigt. Es hätten auch Bedenken gegen die Sicherheit des Medikamentes bestanden. Die 2011 veröffentlichte Studie sei ebenfalls negativ ausgefallen. Es bestehe daher keine Datenlage, die eine hinreichende Erfolgsaussicht versprechen würde. Der behandelnde Arzt sei ferner Kindergastroenterologe und habe die Klägerin daher nach dem 19. Lebensjahr nicht mehr behandeln und die Behandlung nicht abrechnen dürfen. Die Bevollmächtigte der Klägerin hat hierauf erwidert, es könne derzeit nicht festgestellt werden, dass Vedolizumab dauerhaft wirksam sei bei der Klägerin, während Cimzia® die Remission nach Dr. S1 garantiere. Sie legt hierzu eine neue Stellungnahme von Dr. S1 vom 8.12.2014 vor, in der es heißt, die Gabe von Vedoluzimab könne wirksam sein, man wisse dies aber nicht. Man habe etwas tun müssen, um Schäden zu vermeiden.
Aus der Veröffentlichung der EMA zu Cimzia® mit Stand Dezember 2013 (Zusammenfassung des Europäischen Öffentlichen Beurteilungsberichts - EMA/726043/2013, EMEA/H/C/001037) ergibt sich, dass Cimzia® angewendet wird bei mittelschwerer bis schwerer aktiven rheumatoiden Arthritis, bei axialer Spondyloarthritis und bei Psoriasis-Arthritis. Es setzt die Aktivität des Immunsystems herab. Der Antikörper Certolizumab bindet an den TNF alpha. Dadurch wird der TNF alpha blockiert und die Entzündung und andere Symptome vermindert. In den Studien zum Einsatz von Cimzia® bei den genannten Erkrankungen habe sich gezeigt, dass der Nutzen gegenüber den Risiken überwiege. Die Europäische Kommission habe am 1.10.2009 eine Genehmigung für das Inverkehrbringen des Medikaments erteilt.
In einer Veröffentlichung der EMA aus 2008 zur empfohlenen Versagung der Genehmigung für das Inverkehrbringen von Cimzia® (EMEA/224480/2008) wird die Anwendung bei Morbus Crohn thematisiert. Zu den zu dieser Anwendung durchgeführten zwei Studien heißt es, die Studien hätten eine unbedeutende und zu geringe Wirksamkeit des Medikaments gezeigt. Die Studien hätten nicht lange genug gedauert, um aussagekräftige Informationen über die langfristigen Wirkungen des Medikaments zu erhalten. Die 2007 aufgeführten Bedenken gegen die Sicherheit des Medikaments seien 2008 ausgeräumt worden.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte der Kam¬mer und die Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht durfte gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Gerichtsbescheid entscheiden. Die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten auf und der Sachverhalt ist geklärt. Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Versorgung mit dem Medikament Cimzia®. Soweit die Klägerin einen Anspruch für die Vergangenheit geltend macht, handelt es sich dabei um einen Kostenerstattungsanspruch gemäß § 13 III SGB V. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass sie die Kosten bereits gezahlt hat. Insoweit kommt auch ein Anspruch auf Freistellung von den Kosten in Betracht. Auch dies ist materiell ein Kostenerstattungsanspruch. Soweit ersichtlich hat die Klägerin den Antrag auf Versorgung mit Cimzia® erst gestellt (14.4.2014), als die Behandlung bereits begonnen worden war (25.3.2014). Damit fehlt es an den Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch. § 13 III SGB V konstituiert nämlich einen solchen Anspruch für den Fall, dass Versicherten Kosten dadurch entstanden sind, dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder zu Unrecht abgelehnt hat. Damit ist eine Kausalitätsbeziehung zwischen dem Entstehen der Kosten und dem Unvermögen der Krankenkasse geregelt, die nicht gegeben ist, wenn Versicherte eine Leistung in Anspruch nehmen, ohne vorher der Krankenkasse die Möglichkeit einzuräumen, auf den Antrag zu reagieren. Wird die Krankenkasse wie hier mit dem Leistungsantrag gar nicht befasst, bevor die Leistung erbracht wird, fehlt es ihr an dieser Möglichkeit (ständige Rechtsprechung, vgl. Bundessozialgericht – BSG –, Beschluss vom 1.4.2010 – B 1 KR 114/09 B). Ein Kostenerstattungsanspruch setzt darüber hinaus einen Sachleistungsanspruch voraus. Soweit die Klage nicht nur auf die Vergangenheit abzielt – insoweit ist der Klagantrag der Bevollmächtigten der Klägerin nicht eindeutig – müsste ebenfalls ein Sachleistungsanspruch zu bejahen sein. Dies ist hier nicht der Fall. Versicherte haben gemäß § 27 I SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst die Versorgung mit Arzneimitteln. Dabei müssen die Leistungen der Krankenkassen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein. Sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten §12 I SGB V). Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen (§ 2 I S. 3 SGB V). Für den Bereich der Arzneimittel wird das Vorliegen dieser Voraussetzungen durch das Zulassungsverfahren nach Arzneimittelrecht garantiert. Das Krankenversicherungsrecht enthält insoweit keine eigenen Vorschriften zur Qualitätssicherung. Bei Vorliegen der arzneimittelrechtlichen Zulassung ist daher davon auszugehen, dass die Qualitätskriterien des § 2 I SGB V erfüllt sind. Die Zulassung erfolgt jedoch indikationsbezogen. Außerhalb der Indikation stellt die Anwendung grundsätzlich keine Leistung der Krankenkassen dar (vgl. BSG, Urteil vom 19.3.2002 – B 1 KR 37/00 R). Danach ist die Anwendung von Cimzia® bei Morbus Crohn an sich keine Leistung, die von der Beklagten zu übernehmen wäre. Etwas anderes gilt, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) die Anwendung eines Medikaments außerhalb der Indikation, für die es zugelassen ist (also im Wege des off-label-use), geprüft, befürwortet und in die Anlage VI zur Richtlinie des GBA über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinie) aufgenommen hat (§ 30 Arzneimittel-Richtlinie). Dies ist hier nicht der Fall. Cimzia® ist in der Anlage VI nicht für die Verordnung im off-label-use gelistet. Ausnahmsweise kann die Anwendung eines Arzneimittels ferner im Wege des off-label-use zulässig sein, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen: Es liegt eine schwerwiegende (lebensbedrohliche oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende) Erkrankung vor (1), für die eine andere Therapie nicht zur Verfügung steht (2). Aufgrund der Datenlage besteht die begründete Aussicht, dass mit dem begehrten Arzneimittel ein Behandlungserfolg kurativer oder palliativer Art erzielt werden kann (3) (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urteil vom 19.3.2002 – B 1 KR 37/00 R; BSG, Urteil vom 8.11.2011 – B 1 KR 19/10 R). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht alle vor. Vom Vorliegen der ersten Voraussetzung betreffend die Schwere der klägerischen Erkrankung ist auszugehen. Es liegt aber eine anerkannte Therapiemöglichkeit vor, die zweite Voraussetzung ist daher nicht erfüllt. Der die Klägerin behandelnde Dr. S1 selbst hat auf das seit dem 14.7.2014 zur Verfügung stehende Medikament Vedolizumab hingewiesen. Obwohl Dr. S1 seine Aussage hinsichtlich der Erfolgsaussichten der Behandlung von Morbus Crohn mit Vedoluzimab im Laufe des Verfahrens relativiert hat – zunächst hat er die Aussichten als mit Cimzia® vergleichbar beschrieben, später betont, die Wirksamkeit sei nicht sicher – besteht damit eine Standard-Therapiemöglicheit, die auszuprobieren wäre. Ohne einen Behandlungsversuch mit Vedoluzimab ab dessen Zulassung am 14.7.2014 ist eine Verwendung von Cimzia® nicht zulässig. Aber auch für die Zeit vor der Zulassung von Vedoluzimab – sowie für die Zeit danach – scheitert die Anwendung von Cimzia® auf Kosten der Beklagten an der dritten Voraussetzung für den off-label-use, also an der notwendigen Aussicht auf Heilung bzw. positve Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Eine positive Aussicht besteht, wenn Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das (konkrete) Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden kann. Dies kann nur angenommen werden, wenn die Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht sind und eine klinisch relevante Wirksamkeit respektive einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen. Eine Differenzierung des Maßes an wissenschaftlicher Erkenntnis danach, ob ein Zulassungsverfahren für das Medikament läuft oder nicht, hat das BSG mittlerweile aufgegeben (BSG, Urteil vom 8.11.2011 – B 1 KR 19/10 R). Dies ist auch sinnvoll, weil das Schutzbedürfnis der Versicherten während und außerhalb eines Zulassungsverfahrens nicht unterschiedlich ist. Die damit erforderlichen positiven Ergebnisse einer Studie Phase III liegen nicht vor. Das EMA hat im Gegenteil die vorliegenden Studien als nicht hinreichend aussagekräftig bewertet und eine Empfehlung der Anwendung bei Morbus Crohn ausdrücklich versagt. Die erwähnte Studie aus 2011 hat offensichtlich kein anderes Ergebnis erbracht. Dr. H. und ei Bevollmächtigte der Beklagten haben auf ein negatives Ergebnis hingewiesen. Dem haben die Ärzte der Klägerin nicht widersprochen. Den Veröffentlichungen der EMA zufolge ist die Anwendung von Cimzia® auch weiterhin auf die rheumatische Arthritis, die Spondyloarthritis und die Psoriasis-Arthristis beschränkt. Der GBA hat das Medikament bis heute nicht in die Anlage VI der Arzneimittel-Richtlinie aufgenommen. Soweit die Klägerin sich darauf beruft, Cimzia® sei in der Schweiz und in den USA zur Behandlung von Morbus Crohn zugelassen, ergibt sich daraus nichts anderes. Eine Anwendung von Cimzia® jenseits der Regelungen zum off-label-use kann sich allenfalls aus dem sogenannten N.-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 6.12.2005 – 1 BvR 347/98) ergeben (BSG, Urteil vom 4.4.2006 – B 1 KR 7/05 R), der inzwischen in § 2 Ia SGB V eine gesetzliche Regelung gefunden haben. Hierfür ist allerdings eine notstandsähnliche Situation im Sinne einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung bzw. einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung vorausgesetzt. Diese ist hier nicht gegeben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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