L 15 SF 261/16 E

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 SF 261/16 E
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Kostenbeschluss
Leitsätze
1. Eine Erinnerung nach § 66 Abs. 1 Satz 1 GKG kann nur auf eine Verletzung des Kostenrechts gestützt werden.
2. Die im Hauptsacheverfahren getroffene Entscheidung zur Anwendung des § 197 a SGG ist wegen der insofern eingetretenen Rechtskraft einer Überprüfung im Kostenansatzverfahren entzogen.
Die Erinnerung gegen die Gerichtskostenfeststellung vom 8. April 2016 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Streitig ist eine Gerichtskostenfeststellung der Urkundsbeamtin.

Das zugrunde liegende und unter dem Aktenzeichen L 17 U 16/16 B ER geführte (Hauptsache-)Verfahren, in dem sich der dortige Beschwerdeführer und jetzige Erinnerungsführer (im Folgenden: Erinnerungsführer) als Teil einer Erbengemeinschaft im Weg des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Heranziehung zu Beitragen zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung gewendet hatte, endete mit Beschluss des Bayer. Landessozialgerichts (LSG) vom 24.03.2016, Az.: L 17 U 16/16 B ER. Darin wies der Hauptsachesenat die gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 13.11.2015 erhobene Beschwerde zurück, erlegte die Kosten des Verfahrens dem Erinnerungsführer auf und setzte den Streitwert auf 5.000,- EUR fest.

Mit Gerichtskostenfeststellung vom 08.04.2016 erhob die Kostenbeamtin beim Erinnerungsführer Gerichtskosten in Höhe von 292,- EUR für das vorgenannte Hauptsacheverfahren und legte dabei eine Gebühr nach Nr. 7220 Kostenverzeichnis (KV) der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz (GKG) (KV GKG) zugrunde.

Dagegen hat sich der Erinnerungsführer nach einem zwischenzeitlichen Schriftwechsel mit der Kostenbeamtin mit Schreiben vom 02.09.2016 gewandt. Er trägt vor, dass er als Versicherter durch kostenfreie Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit privilegiert sei. Er sei kein Unternehmer im Sinn der landwirtschaftlichen Unfallversicherung, da er nur einen Haus- und Ziergarten habe, nicht aber ein Park- und Gartenpflegeunternehmen. Eine Veranlagung als land- und forstwirtschaftlicher Unternehmer halte er für Rechtsbeugung. Die Erhebung von Gerichtskosten empfinde er als Nötigung.

Der Senat hat die Akten des Hauptsacheverfahrens beigezogen.

II.

Eine Verletzung des Kostenrechts ist weder vom Erinnerungsführer vorgetragen worden noch ersichtlich; der Kostenansatz ist nicht zu beanstanden.

Das Schreiben des Erinnerungsführers vom 02.09.2016 ist als Erinnerung im Sinn von § 66 Abs. 1 GKG auszulegen, da aus diesem Schreiben ersichtlich wird, dass der Erinnerungsführer die Berechtigung der Gerichtskostenfeststellung vom 08.04.2016 anzweifelt und ihre Aufhebung begehrt.

1. Prüfungsumfang bei der Erinnerung

Eine Erinnerung gemäß § 66 Abs. 1 GKG kann nur auf eine Verletzung des Kostenrechts gestützt werden (vgl. Bundesgerichtshof, Beschlüsse vom 13.02.1992, Az.: V ZR 112/90, und vom 20.09.2007, Az.: IX ZB 35/07; Bundesfinanzhof, Beschluss vom 29.06.2006, Az.: VI E 2/06; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Beschluss vom 01.08.2014, Az.: L 15 SF 90/14 E; Hartmann, Kostengesetze, 46. Aufl. 2016, § 66 GKG, Rdnr. 18; Meyer, GKG/FamGKG, 15. Aufl. 2016, § 66, Rdnr. 13), nicht aber auf die (vermeintliche oder tatsächliche) Unrichtigkeit einer im Hauptsacheverfahren getroffenen Entscheidung. Die im Hauptsacheverfahren getroffenen Entscheidungen sind wegen der insofern eingetretenen Bestandskraft (§ 197 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - i.V.m. § 158 Verwaltungsgerichtsordnung bzw. § 68 Abs. 1 GKG) einer Überprüfung im Kostenansatzverfahren entzogen (ständige Rspr., vgl. z.B. Beschluss des Senats vom 18.12.2014, Az.: L 15 SF 322/14 E - m.w.N.). Gleiches gilt grundsätzlich auch für die dort getroffenen Verfügungen (vgl. Beschlüsse des Senats vom 07.10.2014, Az.: L 15 SF 61/14 E, und vom 05.12.2014, Az.: L 15 SF 202/14 E).

Im Erinnerungsverfahren zum Kostenansatz kann daher lediglich geprüft werden, ob die im Hauptsacheverfahren erfolgten Festlegungen kostenrechtlich richtig umgesetzt worden sind.

2. Zum Einwand des Erinnerungsführers

Der Einwand des Erinnerungsführers, es liege kein gerichtskostenpflichtiges Verfahren vor, ist unbeachtlich. Denn das Gericht der Hauptsache hat beim Beschwerdeverfahren im einstweiligen Rechtsschutz des jetzigen Erinnerungsführers die Anwendung des § 197 a SGG und damit die Gerichtskostenpflichtigkeit des Beschwerdeverfahrens festgestellt.

Sofern der Erinnerungsführer zur Begründung der Erinnerung vorgetragen hat, dass er das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes als Versicherter betrieben habe und daher das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht kostenpflichtig gemäß § 197 a SGG sei, ist dies ein kostenrechtlich unbeachtlicher Einwand. Denn entscheidend ist allein, was der Hauptsacherichter - den Kostenbeamten und das Gericht der Kostensache bindend - zur Frage der Gerichtskostenpflichtigkeit verfügt bzw. festgestellt hat (ständige Rspr. des Senats, vgl. Beschlüsse vom 10.05.2013, Az.: L 15 SF 136/12 B, vom 22.07.2013, Az.: L 15 SF 165/13 E, vom 27.11.2013, Az.: L 15 SF 154/12 B, vom 27.01.2015, Az.: L 15 SF 162/12 B, vom 19.02.2015, Az.: L 15 SF 4/15 E, vom 10.04.2015, Az.: L 15 SF 83/15 E, vom 21.08.2015, Az.: L 15 SF 181/15 E, vom 25.09.2015, Az.: L 15 SF 195/15, vom 10.02.2016, Az.: L 15 SF 362/15 E, und - zur vergleichbaren Problematik in einem Verfahren nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz - vom 16.02.2012, Az.: L 15 SF 204/11). Der Hauptsachesenat hat im vorliegenden Fall mit Beschluss vom 24.03.2016, Az.: L 17 U 16/16 B ER, ausdrücklich festgelegt, dass das Hauptsacheverfahren ein solches gemäß § 197 a SGG ist.

3. Zur Überprüfung des Kostenansatzes über den vom Erinnerungsführer erhobenen Einwand hinaus

Der Kostenansatz vom 08.04.2016 ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden.

Nach § 3 Abs. 1 GKG richten sich die Gebühren nach dem Streitwert, soweit nichts anderes bestimmt ist. Der Streitwert ist im Beschluss vom 24.03.2016, Az.: L 17 U 16/16 B ER, für das Kostenansatzverfahren bindend (vgl. oben Ziff. 1.) mit 5.000,- EUR festgesetzt worden. Die Kosten werden gemäß § 3 Abs. 2 GKG nach dem KV GKG erhoben, wobei der maßgebliche Zeitpunkt für die Wertberechnung gemäß § 40 GKG durch die den Streitgegenstand betreffende Antragstellung, die den Rechtszug einleitet, bestimmt wird. In Verfahren über Beschwerden gegen Beschlüsse des Sozialgerichts nach § 86 b SGG beträgt die Gebühr gemäß Nr. 7220 KV GKG das 2,0-fache der Gebühr nach § 34 GKG.

Bei einem Streitwert in Höhe von 5.000,- EUR beträgt zu dem gemäß § 40 GKG maßgeblichen Zeitpunkt des Eingangs des als Beschwerde auszulegenden Schriftsatzes vom 04.01.2016 die einfache Gebühr 146,- EUR (§ 34 Abs. 1 GKG i.V.m. Anlage 2 zum GKG). Das gemäß Nr. 7220 KV GKG anzusetzende 2,0-fache der Gebühr nach § 34 GKG beträgt daher 292,- EUR, wie dies zutreffend im Kostenansatz vom 08.04.2016 festgestellt worden ist.

Die Gebühr für Verfahren über Beschwerden gegen Beschlüsse des Sozialgerichts nach § 86 b SGG ist gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 5 GKG mit der Einreichung der Beschwerdeschrift fällig geworden.

4. Informatorischer Hinweis des Kostensenats

Um dem Erinnerungsführer nicht das Gefühl zu geben, er hätte lediglich aus formalen Gründen - wegen der Bindung des Kostensenats an die Festlegung des Hauptsachesenats, dass das Verfahren der Hauptsache gerichtskostenpflichtig ist (vgl. oben Ziff. 2.) - mit seiner Erinnerung keinen Erfolg, möchte der Senat dem Erinnerungsführer - außerhalb des Erinnerungsverfahrens als überobligatorische Dienstleistung zum besseren Verständnis - Folgendes zur Gerichtskostenpflichtigkeit sozialgerichtlicher Verfahren erläutern:

Gesetzliche Regelungen zur Frage der Kostenfreiheit bzw. -pflichtigkeit enthalten § 183 SGG und § 197 a SGG.

§ 183 SGG lautet:

"Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Abs. 2 Satz 1 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2)."

§ 197 a SGG, der im Jahr 2001 ins SGG eingefügt worden ist, lautet:

"(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung. (2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten. (3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind."

Der Differenzierung des Gesetzgebers liegt der Gedanke zugrunde, dass nicht alle Verfahren vor den Sozialgerichten durch das traditionelle Verständnis einer besonderen sozialen Schutzbedürftigkeit der Kläger geprägt sind (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/ders., SGG, 11. Aufl. 2014, vor § 183, Rdnr. 6).

Der Gesetzgeber selbst hat die Einführung der ausnahmsweisen Kostenpflichtigkeit sozialgerichtlicher Verfahren wie folgt begründet (vgl. die Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes [6. SGGÄndG] - Bundestags-Drucksache 14/5943, S. 28 f.):

"Als Ausnahmeregelung zu der in § 183 vorgesehenen Gebührenfreiheit regelt § 197 a die Anwendung des Gerichtskostengesetzes (GKG) und bestimmter Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) für die Verfahren, an denen Personen beteiligt sind, die nicht eines besonderen sozialen Schutzes in Form eines kostenfreien Rechtsschutzes bedürfen. Dies gilt z. B. für Streitigkeiten von Sozialleistungsträgern untereinander oder Streitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern und Arbeitgebern. Auch soweit es um Vertragsarztverfahren (Vertragsarztzulassung, Honorarstreitigkeiten) geht, ist eine Gebührenprivilegierung, die von ihrem Schutzzweck her auf die Durchsetzung von Ansprüchen auf Sozialleistungen ausgerichtet ist, nicht sachgerecht."

Das zugrunde liegende Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, in dem dem Erinnerungsführer wegen seines Unterliegens in der Sache die Kosten des Verfahrens auferlegt worden sind, war, wie dies der 17. Senat als Hauptsachegericht zutreffend festgestellt hat, ein kostenpflichtiges Verfahren im Sinn des § 197 a SGG. Denn der Erinnerungsführer trat in diesem Verfahren nicht in der Eigenschaft eines - sozial schutzbedürftigen - Versicherten, sondern als - sozial nicht schutzbedürftiger - Unternehmer auf. Denn er hat sich gegen die Erhebung von Beiträgen, die ein Unternehmer der gesetzlichen Unfallversicherung schuldet, und damit gegen die Annahme seiner Unternehmerschaft im unfallversicherungsrechtlichen Sinn gewandt. Als Versicherter ist er in diesem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gerade nicht aufgetreten.

Dass derartige beitragsrechtliche Verfahren der Regelung des § 197 a SGG, nicht der des § 183 SGG, unterfallen, hat das Bundessozialgericht ausdrücklich im Beschluss vom 05.03.2008, Az.: B 2 U 353/07 B, wie folgt bestätigt:

"Entgegen der Auffassung des LSG gehört der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen, sodass eine Kostenprivilegierung nicht in Betracht kommt. Mit der im Jahre 2005 erhobenen Klage, die zu der vorliegenden Nichtzulassungsbeschwerde führte, verfolgte der Kläger gegenüber der Beklagten keine Rechte als Versicherter auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl BSG Beschluss vom 14. Juli 2006 - B 2 U 98/06 B-), sondern wandte sich gegen die Erhebung von Beiträgen durch die Beklagte von ihm als Unternehmer (BSG Beschluss vom 3. Januar 2006 - B 2 U 367/05 B - sowie Beschluss vom 23. November 2006 - B 2 U 258/06 B -; Köhler, Das Kostenprivileg des § 183 SGG im Falle eines unfallversicherten Unternehmers, Die Sozialgerichtsbarkeit 2008, 76, 79)."

Wenn der Erinnerungsführer das Gefühl zu haben scheint, im Hauptsacheverfahren ungerecht behandelt worden zu sein, irrt er daher. Er muss sich bewusst sein, dass es ihm nicht möglich ist, sozialgerichtliche Hilfe ohne jegliches Kostenrisiko und unabhängig von den Erfolgsaussichten seines Begehrens in Anspruch zu nehmen, wenn Gegenstand des Verfahrens die Frage ist, ob er als landwirtschaftlicher Unternehmer im unfallversicherungsrechtlichen Sinn mit der Folge einer Beitragspflicht zu betrachten ist.

Die Erinnerung ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

Das Bayer. LSG hat über die Erinnerung gemäß § 66 Abs. 6 Satz 1, 1. Halbsatz GKG als Einzelrichter zu entscheiden gehabt.

Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 66 Abs. 3 Satz 3 GKG). Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 66 Abs. 8 GKG).
Rechtskraft
Aus
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