L 3 U 152/14

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 19 U 179/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 152/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt gegenüber der Beklagten die Feststellung einer Atemwegserkrankung als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 4201 (exogen-allergische Alveolitis (EAA)), 4301 (durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen (einschließlich Rhinopathie), die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können) bzw. 4302 (durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können) der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) und hilfsweise Maßnahmen gegen Berufskrankheiten bzw. Übergangsleistungen.

Der 1954 geborene Kläger war von 1971 bis Dezember 1999 als Schlosser und Traktorist in der Tierversorgung und danach in der Rinderzucht als Viehpfleger und Traktorist tätig. Sein behandelnder Arzt Dr. M zeigte der Beklagten gegenüber mit BK-Anzeige vom 04. Juni 2007 unter Bezugnahme auf eine Entlassungsmitteilung der Klinik A in W eine beim Kläger bestehende Farmerlunge als BK an. Die Krankenkasse des Klägers meldete der Beklagten gegenüber mit Schreiben vom 22. Juni 2007 Erstattungsansprüche an und legte einen vom Kläger ausgefüllten Fragebogen bei Atemwegserkrankungen vor, welcher eine Beschäftigungsübersicht und die Angabe enthielt, dass er seit 2000 wegen der Atemwegsbeschwerden in ärztlicher Behandlung sei. Die Beklagte leitete ein BK-Feststellungsverfahren ein und ließ vom Kläger unter dem 04. Juli 2007 einen weiteren Fragebogen zur Anamnese der Atemwegserkrankung ausfüllen. Sie zog u.a. eine Epikrise der Lungenklinik A vom 04. Juli 2007 bei, wonach der Kläger aufgrund eines seit vier Jahren bestehenden Brennengefühls im Hals mit Hustenanfällen und Leistungsminderung bei der Arbeit, insbesondere morgens dann auch mit weißlich-gelbem Auswurf stationär aufgenommen worden sei. Diese Symptomatik trete vorwiegend im Rinderstall auf. Draußen und nachts habe der Kläger kaum Beschwerden. Als Ursache sei eine exogen-allergische Alveolitis (Farmerlunge) bei Verdacht auf Schimmelpilzexposition gefunden worden. Eine Lungenfibrose bzw. ein Asthma bronchiale hätten sich nicht nachweisen lassen. Nachweisbar sei eine multiple Pollenallergie insbesondere auf Getreidepollen sowie Früh- bis Mittelblüher in gering bis mäßiger Ausprägung.

Die Beklagte schaltete ihren Technischen Aufsichtsdienst (TAD) zur Ermittlung der beruflichen Exposition des Klägers ein, vgl. Bericht vom 02. August 2007. Ferner zog sie Behandlungsunterlagen bei der den Kläger behandelnden Allgemeinmedizinerin Dr. M einschließlich eines Allergietestbogens, eines mikrobiologischen Endbefunds des Sputums und Lungenfunktionstestergebnisse bei, ferner einen ärztlichen Reha-Entlassungsbericht vom 24. September 2007 über eine stationäre Maßnahme im August und September 2007 (Rehabilitationsdiagnose u.a anamnestisch exogen allergische Alveolitis, zurzeit ohne Funktionsschaden; kein Hinweis auf klinisch relevante Sensibilisierung; eine für eine Alveolitis typische Lungenfunktionsstörung oder Gasaustauschstörung zeigte sich nicht). Die Beklagte holte einen auf ambulanter Untersuchung des Klägers beruhenden Beratungsarztbericht der Ärztin für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. L vom 12. August 2007 ein. Sie kam zur Einschätzung, dass beim Kläger bislang keine BK 4201, 4301 oder 4302 vorliege. Bei ihm bestehe jedoch aufgrund der klinisch manifesten Beschwerdesymptomatik in Form einer leichtgradigen unspezifischen bronchialen Hyperreaktivität die konkrete Gefahr, dass eine solche BK entstehe, weshalb Maßnahmen zur Verhinderung einer Entwicklung einer solchen BK empfohlen würden.

Auf Veranlassung der Beklagten nahm der Arzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde Prof. Dr. B eine Begutachtung einschließlich ambulanter Untersuchung des Klägers vor. Prof. Dr. B führte in seinem Gutachten vom 12. Februar 2008 aus, die Daten der durchgeführten Lungenfunktion ergäben insgesamt keinen Hinweis auf eine restriktive oder obstruktive Atemwegskrankheit; sie belegten weder eine Lungenfibrose noch eine bronchiale Hyperreaktivität. Die serologiscne Untersuchung habe bis auf eine Hypercholesterinämie keine Auffälligkeiten ergeben. Der Prick-Test habe nicht zum Nachweis einer relevanten Sensibilisierung gegen ubiquitäre oder partiell landwirtschaftstypische Allergene geführt. Die Konzentration des Gesamt-IgE (Immunglobulin E) liege im Normbereich. Spezifische IgE-Antikörper im Serum gegen ubiquitäre oder landwirtschaftstypische inhalative Allergene einschließlich Hausstaub- und Vorratsmilben, verschiedene Tierhaare und Schimmelpilze seien nicht nachweisbar. IgG- (Gammaglobulin-) Antikörper seien ebenfalls nicht nachzuweisen gewesen. Es liege nach den aktuellen Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft Alveolitis keine BK 4201 vor, weil sich keine expositions-/ zeitbezogenen alveolitis-typischen Symptome, keine IgE-spezifischen Antikörper, kein Knisterrasseln, keine einschlägigen radiologischen Zeichen und nur eine normale Ventilation und Lungenfunktionsleistung fänden. Es finde sich zwar eine leichte Erhöhung der Lymphozyten anlässlich einer bronchialen Lavage im Mai 2007, es fehle aber an einer passenden Histologie, einem positiven Karenztest, einer positiven (und mangels begründbaren Antigens auch nicht angezeigten) inhalativen Expositions- oder Provokationstestung. Eine BK 4301 kommen nicht in Betracht, weil der Kläger kein Atopiker oder Allergiker sei. Auch liege keine Erkrankung i.S.e. BK 4302 vor. Weder bestehe ein Unterlassungszwang noch müsse der Kläger seine bisherige Tätigkeit in der Landwirtschaft einstellen.

Die Beklagte lehnte nach Einholung einer entsprechenden gewerbeärztlichen Stellungnahme vom 18. März 2008 das Vorliegen einer BK nach Nr. 4201, 4301 und 4302 sowie die Erbringung von dem Entstehen einer BK entgegenwirkenden Leistungen mit Bescheid vom 27. März 2008 ab. Zur Begründung bezog sich die Beklagte im Wesentlichen auf das Gutachten von Prof. Dr. B. Der Kläger erhob Widerspruch und setzte sich kritisch mit dem Ergebnis der Begutachtung auseinander. Die Beklagte verkenne, dass seine Beschwerden im Wesentlichen unmittelbar im Zusammenhang mit dem Aufenthalt im Rinderstall aufträten. Ein Fernbleiben vom Arbeitsplatz bzw. ein längerer Aufenthalt außerhalb des Rinderstalls führten zu einer Besserung der Symptome, wenn auch nicht zur deren vollständiger Rückbildung. Es fehle an einem Provokationstest und einer Histologie. Dies sei nachzuholen. Soweit eine bronchiale Hyperreaktivität verneint werde, stehe dies im Widerspruch zum BK-Beratungsarztbericht vom Dr. L vom 12. August 2007. Der Sachverhalt sei weiter aufzuklären. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19. Juni 2008 als unbegründet zurück.

Der Kläger hat sein Begehren mit der am 24. Juli 2008 zum Sozialgericht Neuruppin (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt und sein bisheriges Vorbringen vertieft. Das SG hat das schriftliche Sachverständigengutachten des Arztes für Innere Medizin mit Schwerpunkt Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. M vom 03. November 2010 eingeholt, welches dieser aufgrund mehrerer ambulanter Untersuchungen des Klägers im Juli, August und September 2010 erstellt hat. Dieser hat ausgeführt, dass der Kläger gegenwärtig ohne Medikation beschwerdefrei sei, und ist zur Einschätzung gelangt, dass beim Kläger eine allergische Sensibilisierung auf einzelne Milbenarten und auf Pflanzenpollen, jedoch lediglich eine BK 4302 in Gestalt eines Asthma-like-Syndroms vorliege, weil die allergologischen Befunde nicht hinreichten, die im Rahmen unterschiedlicher Peak-Flow-Messungen festgestellten klinischen Erscheinungen des Klägers zu begründen. Die Beklagte ist dem Ergebnis der Begutachtung mit einer auf Expositionsmessungen beruhenden Stellungnahme ihres TAD vom 20. Januar 2011 und beratungsärztlichen Stellungnahmen des Arbeitsmediziners Dr. R vom 15. Dezember 2010 und 13. September 2011 entgegengetreten. Das SG hat hierzu ergänzende Stellungnahmen von Dr. M vom 20. August 2011 und 17. Januar 2012 eingeholt, in welchen er bei seiner bisherigen Einschätzung geblieben ist. Das SG hat infolge einer ersten am 20. Juni 2012 durchgeführten mündlichen Verhandlung von der Beklagten Protokolle über Schadstoffmessungen in Rinder-, Schweine- und Geflügelställen vorgelegt. Das SG hat den Zeugen F zum Viehbestand des Unternehmens schriftlich befragt, in welchem der Kläger arbeitete, vgl. dessen Antwortschreiben vom 04. März 2013.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 25. Juni 2014 abgewiesen. Eine BK 4201 liege nicht vor, weil eine EAA nicht habe gesichert werden können. Insbesondere habe der gerichtliche Sachverständige Dr. M in Übereinstimmung mit dem bereits im Verwaltungsverfahren gehörten Prof. Dr. B eine solche nicht diagnostiziert. Es fehle an der Erfüllung der einschlägigen Diagnosekriterien. Auch scheide eine BK 4301 aus; aus dem Gutachten von Dr. M ergebe sich, dass die allergologischen Befunde nicht ausreichten, die klinischen Erscheinungen beim Kläger zu begründen. Für eine BK 4302 fehle es nach den letzten Ermittlungen der Beklagten bereits an den sog. arbeitstechnischen Voraussetzungen, weil eine hinreichende Exposition gegen Ammoniak und anderen Bioaerosolen nicht bewiesen sei. Zudem seien auch die medizinischen Voraussetzungen einer BK 4302 fraglich, weil eine Atemwegobstruktion nicht habe gesichert werden können. Da eine Erkrankung i.S.d. o.g. BKen auch nicht einzutreten drohe, bestehe ferner kein Anspruch auf präventive Maßnahmen und Übergangsleistungen nach § 3 BKV.

Der Kläger hat gegen das ihm am 08. August 2014 zugestellte Urteil am 05. September 2014 Berufung eingelegt. Die Messungen der Beklagten reichten nicht aus, die tatsächlichen Expositionen, denen er ausgesetzt gewesen sei, zu ermitteln. Dieses Ermittlungsdefizit führe zu einer Beweislastumkehr. Deshalb sei eine BK 4201 zu bejahen. Auch lägen die Voraussetzungen für die Anerkennung der BKen 4301 und 4302 vor.

Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 25. Juni 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. März 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 19. Juni 2008 aufzuheben und festzustellen, dass seine Atemwegserkrankung eine Berufskrankheit nach Nr. 4201, 4301 und 4302 der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung ist,

hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, Maßnahmen zu ergreifen, um der Gefahr, dass eine Berufskrankheit entsteht, wiederauflebt oder sich verschlimmert, entgegenzuwirken,

hilfsweise Übergangsleistungen bei Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit in Form einer monatlich wiederkehrenden Zahlung bis zur Höhe eines Zwölftels der Vollrente längstens für die Dauer von fünf Jahren zu erbringen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil im Wesentlichen für zutreffend.

Der Senat hat das schriftliche Sachverständigengutachten des Internisten und Arztes für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. S vom 27. September 2015 eingeholt, welches der Sachverständige aufgrund einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 08. September 2015 erstellt hat. Dr. S hat ausgeführt, dass die Voraussetzungen einer BK 4301 nicht vorlägen, weil Hinweise für das Vorliegen einer klinisch relevanten Allergie nicht bestünden. Da auch kein Asthmaleiden zu sichern sei, fehle es an den medizinischen Voraussetzungen einer BK 4302. Soweit Dr. M aufgrund arbeitsplatzbezogener serieller Peak-Flow-Bestimmungen Hinweise auf eine mögliche asthmatische Reaktionsbereitschaft bei Exposition am Arbeitsplatz erbracht habe, seien diese Ergebnisse jedoch methodisch aufgrund der mitarbeitsbedingten Schwankungen als alleiniges diagnostisches Kriterium für die Festlegung eines manifesten Asthmaleidens schwierig heranziehbar. Andere unterstützende Befunde wie erhöhtes Stickoxid in der Ausatemluft oder eindeutige positive unspezifische bronchiale Hyperreaktivität fehlten. Es liege aber eine EAA i.S.d. BK 4201 vor aufgrund einer Inhalation von Pilzsporen aus verschimmeltem Getreide oder Heu vor. Laut den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Allergologie müssten bestimmte Kriterien zur Diagnosestellung einer EAA erfüllt sein. Hier seien jedenfalls eine nachgewiesene oder wahrscheinliche Exposition und respiratorische und/ oder systemische Symptome zu bejahen. Es liege auch mit dem nunmehr erbrachten Nachweis von IgG gegen verschiedene Pilzsporen ein weiteres notwendiges Kriterium vor, nachdem diesbezügliche Untersuchungen bei der Erstdiagnose noch unterblieben gewesen seien. Ferner sei mit der Feststellung einer Lymphozytose bei einer bronchoalveolären Lavage ein viertes Diagnosekriterium gegeben. Die Diagnose der EAA decke sich widerspruchsfrei mit dem longitudinalen klinischen Verlauf mit der wechselnden Symptomatik. Die Beklagte ist dem Gutachten mit einer beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. B vom 21. Oktober 2015 entgegengetreten, welcher der Beitrag von Sennekamp et al., in: Pneumologie 2007; 61; S. 52 bis 56 "Empfehlungen zur Diagnostik der exogen-allergischen Alveolitis" der Arbeitsgemeinschaft Exogen-Allergische Alveolitis der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. (DGP) und der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und Klinische Immunologie (DGAKI) (nachfolgend EAA-Empfehlungen) beigefügt gewesen ist. Dr. B hat ausgeführt, dass insgesamt sechs Diagnosekriterien erfüllt sein müssten und selbst Dr. S nur insgesamt vier Kriterien zu sichern vermag.

Der Senat hat daraufhin die ergänzende Stellungnahme von Dr. S vom 05. März 2016 eingeholt. In dieser hat der Sachverständige ausgeführt, dass neben den von ihm bereits zuvor gesicherten Kriterien auch ein positiver Karenztest vorliege, weil ein expositionskongruentes Beschwerdebild im Zeitraum der potentiell gefährdenden Tätigkeit vorgelegen habe und zwar mit einer deutlichen Linderung der Symptomatik bei zumindest deutlicher Reduktion der inhalativen Belastungen.

Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 23. Mai 2016 einer Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle des Senats im Wege schriftlicher Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen und inhaltliche Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Berichterstatter kann, weil die vorliegende Streitsache weder besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist noch von grundsätzlicher Bedeutung ist, in Ausübung des insofern eröffneten richterlichen Ermessens anstelle des Senats im schriftlichen Verfahren ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben, vgl. §§ 155 Abs. 3 und 4, 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klage hat zunächst mit dem auf die Feststellung einer BK gerichteten Hauptantrag keinen Erfolg. Die angefochtenen Bescheide sind insofern rechtmäßig und beschweren den Kläger nicht.

Als Versicherungsfall gilt nach § 7 Abs. 1 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) auch eine BK. BKen sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet, § 9 Abs. 1 S. 1 SGB VII. Die ver-sicherten Tätigkeiten ergeben sich aus §§ 2, 4 und 6 SGB VII, wozu nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII vor allem die Beschäftigung gehört. Die Bundesregierung ist ermäch-tigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann BKen auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten versehen. Der Tatbestand der BK 4201 umfasst die EAA, und die Tatbestände der BK 4301 und 4302 umfassen die durch allergisierende beziehungsweise chemisch-irritative oder toxisch wirkende Stoffe verursachten obstruktiven Atemwegserkrankungen, welche zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Gemäß diesen Vorgaben lassen sich folgende Tatbestandsmerkmale ableiten: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die vorgenannten Merkmale der versicherten Tätigkeit, Verrichtung, Einwirkungen und Krankheit müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (etwa BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R –, zitiert nach juris Rn. 15). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (vgl. BSG a.a.O., auch Rn. 18 und 20).

Dies zugrunde gelegt ist der Senat bereits nicht im gemäß § 128 Abs. 1 S. 1 SGG zu fordernden Maße eines Vollbeweises vom Vorliegen einer Erkrankung i.S.d. BKen 4201, 4301 und 4302 überzeugt, so dass es auf die Frage, welchen schädlichen Einwirkungen der Kläger bei Ausübung seiner gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherten Beschäftigung ausgesetzt war, nicht ankommt.

Zunächst lässt sich keine EAA i.S.d. BK 4201 im Vollbeweis feststellen. Bei der EAA handelt es sich etwa nach dem einschlägigen arbeitsmedizinischen Schrifttum (Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, Kap. 17.10, S. 1043), welches für die zu fordernden Diagnosekriterien auf die o.g. aus zwei Expertengremien hervorgegangenen und nach Auffassung des Senats den aktuellen arbeitsmedizinischen Wissensstand spiegelnden EAA-Empfehlungen abstellt, um eine Entzündung der Alveolen der Lunge (Lungenbläschen) als Reaktion auf Allergene, die mit der Luft eingeatmet werden. Die organischen Stäube müsse alveolengängig sein, d.h. unter 5 µm. Krankheitsbilder werden entsprechend der Tätigkeit z.B. als Farmerlunge benannt. Von den anerkannten BKen entfallen 75 % auf die Landwirtschaft, nach feuchten Sommern ansteigend. Es müssen grundsätzlich folgende sechs Diagnosekriterien erfüllt sein: 1. Nachweis einer Antigen-Exposition 2. Expositionsabhängige klinische Symptome drei bis zwölf Stunden nach Antigenkontakt 3. Spezifische IgG-Antikörper im Serum 4. Sklerophonie (Knisterrasseln) 5. EAA-typische Röntgenzeichen im konventionellen Thorax-Röntgenbild oder im HR-CT 6. Arterielle Hypertoxämie in Ruhe und/ oder unter Belastung oder eine eingeschränkte Diffusionskapazität Sind die vorgenannten sechs Diagnosekriterien nicht erfüllt, so kann jedes der folgenden Kriterien jeweils ein fehlendes ersetzen: 1. Lymphozytsoe in der bronchoalveolären Lavage 2. Mit einer EAA zu vereinbarender histopathologischer Befund der Lunge 3. Positiver Kranztest 4. Positiver inhalativer Expositions- oder Provokationstest (vgl. EAA-Empfehlungen S. 55)

Hiervon ausgehend ist das Vorliegen eine EAA mangels Erfüllung von zumindest sechs der vorgenannten Kriterien nicht im Vollbeweis gesichert. Zwar mögen die ersten drei Hauptkriterien nach den Ausführungen von Dr. S in seinem vom Senat eingeholten schriftlichen Sachverständigengutachten vom 27. September 2015 und seiner ergänzenden Stellungnahme vom 05. März 2016 erfüllt sein. Dr. bejaht jedenfalls eine nachgewiesene oder wahrscheinliche Exposition und respiratorische und/ oder systemische Symptome. Es liegt nach Dr. S auch mit dem nunmehr erbrachten Nachweis von IgG gegen verschiedene Pilzsporen ein weiteres notwendiges Kriterium vor. Ferner lässt sich in der Tat mit der Feststellung einer Lymphozytose bei einer bronchoalveolären Lavage ein viertes Diagnosekriterium bejahen. Schließlich bejaht er sogar auch einen positiven Karenztest, obwohl an dieser Einschätzung durchgreifende Zweifel bestehen, weil hierfür erforderlich wäre, die pathologisch veränderten klinischen Parameter, die Lungenfunktion, Leukozyten etc. unter der Karenz zeitlich zu verfolgen (vgl. EAA-Empfehlungen S. 54), was hier mit einer einschlägigen Diagnostik nicht geschehen ist. Im Übrigen vermag der Sachverständige keine weiteren Kriterien zu bejahen; insbesondere verneint er ausdrücklich ein bei einer EAA immerhin in 73 % der Fälle vorkommendes Knisterrasseln (vgl. EAA-Empfehlungen S. 53), welches eines der aussagekräftigsten nichtinvasiven Kriterien der darstellt (vgl. EAA-Empfehlungen S. 55), eindeutige Röntgenzeichen und eine Gasaustauschstörung, welche weitere wichtige Diagnosekriterien sind (vgl. EAA-Empfehlungen S. 55). Einschlägige Befunde aus weiteren invasiven, duldungspflichtigen Diagnostiken wie Histopathologie und einer inhalativen Reexposition, welche laut Dr. S grundsätzlich unter stationärer Überwachung durchgeführt werden muss und mit schwerwiegenden Hypoxämien einhergehen kann (vgl. EAA-Empfehlungen S. 54), hat der Kläger nicht beigebracht. Ihre Durchführung hält der Sachverständige gegenwärtig auch nicht für begründbar, zumal der Kläger zwischenzeitlich nicht mehr unter den angeschuldigten Noxen arbeitet und ohne bleibendes funktionelles Defizit weitgehend beschwerdefrei ist. Dr. S räumt schließlich bei alldem selbst ein, dass letztlich auch seiner Einschätzung nach nur fünf statt mindestens sechs Diagnosekriterien erfüllt sind. Dementsprechend lehnen der bereits im ausgangsgerichtlichen Verfahren gehörte Sachverständige Dr. M, vgl. nochmals das schriftliche Sachverständigengutachten vom 03. November 2010, und der zuvor von der Beklagten herangezogene Prof. Dr. B, vgl. Gutachten vom 12. Februar 2008, übereinstimmend und überzeugend das Vorliegen einer EAA ab.

Der Senat ist auch nicht vom Vorliegen einer obstruktiven Atemwegserkrankung i.S.d. BKen 4301 und 4302 überzeugt. Die Diagnose der obstruktiven Atemwegserkrankung ist demnach erst dann zu stellen, wenn im Zusammenhang mit Beschwerden zumindest eine unspezifische bronchiale Hyperreagibilität wiederholt außerhalb von Infektperioden nachgewiesen wird (Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, a.a.O., S. 1051). Dies ist hier nicht der Fall. Bei nahezu sämtlichen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren durchgeführten Lungenfunktionsprüfungen erzielte der Kläger einen Normalbefund. Soweit Dr. M aufgrund arbeitsplatzbezogener serieller Peak-Flow-Bestimmungen Hinweise auf eine mögliche asthmatische Reaktionsbereitschaft bei Exposition am Arbeitsplatz ermittelt haben will, sind diese Ergebnisse nach den insofern überzeugenden Ausführungen von Dr. S in seinem schriftlichen Sachverständigengutachten vom 27. September 2015 jedoch methodisch aufgrund der mitarbeitsbedingten Schwankungen als alleiniges diagnostisches Kriterium für die Festlegung eines manifesten Asthmaleidens nicht ausreichend, zumal andere unterstützende Befunde wie erhöhtes Stickoxid in der Ausatemluft oder eine eindeutige positive unspezifische bronchiale Hyperreaktivität fehlen. Eine solche hatte im Übrigen auch Prof. Dr. B nach eingehender ambulanter Untersuchung nicht feststellen können; hier hatte sich eine völlig normale Lungenfunktion gezeigt, vgl. nochmals Gutachten vom 12. Februar 2008. Die Befunde, welche Dr. L in ihrem beratungsärztlichen Bericht vom 12. August 2007 noch zum Anlass genommen hatte, von einer leichtgradigen unspezifischen bronchialen Hyperreaktivität auszugehen, konnten späterhin durch keinen der herangezogenen Gutachter bzw. Sachverständigen bestätigt werden.

Die Berufung ist hiernach auch zurückzuweisen, soweit das SG die Klage mit dem der Sache nach zuerst gestellten, auf die Gewährung präventiver Maßnahmen nach § 3 Abs. 1 S. 1 BKV gerichteten Hilfsantrag zurückgewiesen hat. Nach dieser Vorschrift haben die Unfallversicherungsträger, wenn für Versicherte die Gefahr besteht, dass eine BK entsteht, wiederauflebt oder sich verschlimmert, dieser Gefahr mit allen geeigneten Mitteln entgegenzuwirken. Nach dem zuvor Gesagten erschließt sich dem Senat nach dem Gesamtergebnis der medizinischen Ermittlungen indes nicht, dass hier auch nur die Gefahr für eine BK i.S.d. hier allein verfahrensgegenständlichen Nr. 4201, 4301 oder 4302 der Anlage 1 zur BKV besteht. Soweit Dr. L in ihrer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 12. August 2007 nach Auswertung der ihr vorliegenden Befunde noch zur Einschätzung gelangt war, dass beim Kläger zwar bislang keine BK 4201, 4301 oder 4302 vorgelegen, bei ihm jedoch aufgrund der klinisch manifesten Beschwerdesymptomatik die konkrete Gefahr bestanden habe, dass eine solche BK entstehe, weshalb Maßnahmen zur Verhinderung einer Entwicklung einer solchen BK empfohlen würden, hat sich dies nach dem zuvor Gesagten im Rahmen der nachfolgenden medizinischen Ermittlungen nicht erhärtet.

Hiernach hat die Berufung auch bzgl. des zweiten Hilfsantrags keinen Erfolg, mit dem der Kläger Übergangsleistungen geltend macht. Nach § 3 Abs. 2 S. 1 BKV haben Versicherte, die die gefährdende Tätigkeit unterlassen, weil die Gefahr fortbesteht, zum Ausgleich hierdurch verursachter Minderungen des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile gegen den Unfallversicherungsträger Anspruch auf Übergangsleistungen. Als Übergangsleistung wird gemäß § 3 Abs. 2 S. 2 BKV ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der Vollrente (Nr. 1) oder eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zur Höhe eines Zwölftels der Vollrente längstens für die Dauer von fünf Jahren gezahlt (Nr. 2). Da es hier bereits an einer gemäß § 3 Abs. 2 S. 1 BKV zu unterlassenden gefährdenden Tätigkeit fehlt, kommen Übergangsleistungen vorliegend bereits dem Grunde nach nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

Die Revision ist mangels Zulassungsgrunds nach § 160 Abs. 2 SGG nicht zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
Saved