S 12 KA 179/16

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 179/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Weder die Zulassungsgremien noch die Gerichte sind verpflichtet, ein Zulassungsentziehungsverfahren wegen anhaltender staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen oder eines gerichtlichen Strafverfahrens auszusetzen (vgl. bereits SG Marburg, Beschl. v. 04.04.2016 - S 12 KA 827/15 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris).
2. Die Zulassungsgremien und Gerichte können sich bei einer Zulassungsentziehung wegen gröblicher Pflichtverletzung auf bestandskräftige und nicht bestandskräftige Honorarberichtigungsbescheide berufen, ohne in eine detaillierte Prüfung einzutreten, jedenfalls dann, wenn es an der Offensichtlichkeit einer Rechtswidrigkeit der Bescheide oder an einem substantiierten Vorbringen des Vertragsarztes fehlt.
3. Eine Zulassungsentziehung aufgrund fehlerhafter Abrechnung in mehreren Quartalen mit einem Schaden in Höhe von wenigstens über 180.000 € ist nicht unverhältnismäßig.
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Der Streitwert wird auf 265.860,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine Zulassungsentziehung wegen gröblicher Verletzung der vertragsärztlichen Pflichten, insb. wegen verschiedener fehlerhafter Honorarabrechnungen, u. a. aufgrund zeitbezogener Plausibilitätsprüfungen der Quartale II/08 bis III/13.

Der 1948 geborene und jetzt 67-jährige Kläger wurde 1990 als Facharzt für Anästhesie mit Praxissitz in A-Stadt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er ist in einer Einzelpraxis tätig.

Die zu 1) beigeladene Kassenärztliche Vereinigung Hessen beantragte beim Zulassungsausschuss für Ärzte mit Schreiben vom 13.12.2010 die Entziehung der Zulassung des Klägers. Der Zulassungsausschuss entzog mit Beschluss vom 19.04.2011 dem Kläger die Zulassung, weil er trotz Beschluss des Disziplinarausschusses weitere Notdienste am 26./27.06.2010 wiederum nicht wahrgenommen habe Den hiergegen eigelegten Widerspruch wies der beklagte Berufungsausschuss für Ärzte mit Beschluss vom 16.01.2013 als unbegründet zurück. Nach Klage zum Az.: S 12 KA 169/13 haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 04.06.2014 folgenden Vergleich geschlossen:
1. Der Kläger gewährleistet, dass Postsendungen der Beigeladenen zu 1) und sonstiger Stellen der vertragsärztlichen Verwaltung ihn unter seiner Praxisadresse erreichen und die Annahme nicht verweigert wird. Es obliegt seiner Verantwortung, wie er im Falle seiner Ortsabwesenheit erreicht wird bzw. über den Inhalt Kenntnis erlangt.
2. Der Kläger erkennt an, dass er grundsätzlich zur Teilnahme im ärztlichen Bereitschaftsdient verpflichtet werden kann, auch durch den Obmann. Hiervon unberührt bleibt das Recht des Klägers zur Einlegung von Rechtsmitteln.
3. Der Kläger verpflichtet sich, einen ständigen Vertreter für den ärztlichen Bereitschaftsdienst zu benennen. Der Kläger verpflichtet sich weiter, für den kommenden Notdienst im September 2014 einen Vertreter bis Ende Juli gegenüber der Beigeladenen zu 1) zu benennen.
4. Der Beklagte hebt den Entziehungsbescheid auf.
5. Der Kläger trägt die Gerichtskosten und seine eigenen Kosten. Weitere Kosten sind gegenseitig nicht zu erstatten.
6. Die Beteiligten erklären den Rechtsstreit für erledigt.

Die Beigeladene zu 1) setzte mit Bescheid vom 21.11.2012 eine Honorarrückforderung in Höhe von 104.093,68 EUR wegen einer zeitbezogenen Plausibilitätsprüfung der Quartale II/08 bis IV/10 fest. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beigeladene zu 1) mit Widerspruchsbescheid vom 24.07.2013 als unzulässig zurück. Die Beigeladene zu 1) setzte mit Bescheid vom 10.07.2013 eine Honorarrückforderung in Höhe von 78.264,33 EUR wegen einer zeitbezogenen Plausibilitätsprüfung der Quartale I/11 bis II/12 fest. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beigeladene zu 1) mit Widerspruchsbescheid vom 24.07.2013 als unzulässig zurück. Die Beigeladene zu 1) setzte mit Bescheid vom 25.03.2013 eine Honorarrückforderung in Höhe von 1.556,90 EUR fest, weil der Kläger in fünf Behandlungsfällen Leistungen von bereits Verstorbenen für das Jahr 2009 (Quartale I bis IV) abgerechnet habe. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beigeladene zu 1) mit Widerspruchsbescheid vom 12.02.2014 als unbegründet zurück. Die Beigeladene zu 1) setzte mit Bescheid vom 14.01.2014 eine Honorarrückforderung in Höhe von 3.179,95 EUR fest. Sie wies darauf hin, sie habe dem Kläger bereits im Bescheid vom 25.03.2013 mitgeteilt, dass er Leistungen von bereits Verstorbenen für das Jahr 2009 abgerechnet habe. Aufgrund der auch in den Folgequartalen vorliegenden Falschabrechnungen in den gleichen Behandlungsfällen habe sie in den Quartalen I/10 bis II/11 ebf. eine Honorarkorrektur vorgenommen. Die Beigeladene zu 1) setzte aufgrund einer zeitbezogenen Plausibilitätsprüfung mit Bescheid vom 07.07.2014 eine Honorarrückforderung für das Quartal III/12 in Höhe von 15.955,61 EUR und mit Bescheid vom 01.12.2014 für die Quartale IV/12 bis III/13 in Höhe von 13.712,43 EUR fest. Die gegen beide Bescheide eingelegten Widersprüche wies die Beigeladene zu 1) mit Widerspruchsbescheid vom 29.06.2016 als unbegründet zurück. Hiergegen hat der Kläger am 01.08.2016 die Klage zum Az.: S 12 KA 363/16 erhoben, über die noch nicht entschieden worden ist.

Die Beigeladene zu 1) machte mit Datum vom 07.01.2013 gegenüber der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main eine Verdachtsmitteilung wegen Falschabrechnung. Das daraufhin eingeleitete strafrechtliche Ermittlungsverfahren ist zwischenzeitlich abgeschlossen. Die Staatsanwaltschaft hat mit Schriftsatz vom 21.07.2016 Anklage erhoben.

Die Beigeladene zu 1) beantragte bei ihrem Disziplinarausschuss am 27.03.2015 die Durchführung eines Disziplinarverfahrens. Der Disziplinarausschuss gab mit Beschluss vom 22.07.2015 das Verfahren an den Zulassungsausschuss ab mit dem Antrag, ein Verfahren auf Entziehung der Zulassung zu eröffnen, weil die im Einzelnen von ihm angeführten Pflichtverstöße nicht durch eine Disziplinarmaßnahme angemessen geahndet werden könnten.

Der Kläger beantragte mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 30.10.2015, die Entscheidung über die Eröffnung eines Zulassungsentziehungsverfahrens mit dem Ziel, den Entzug der ärztlichen Zulassung so lange zurückzustellen, bis das strafrechtliche Ermittlungsverfahren bei der Eingreifreserve der Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt am Main beendet sei. Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren sei vorgreiflich. Die Plausibilitätsprüfungen erfolgten computermäßig-statistisch, ohne die Besonderheiten seiner schmerztherapeutischen Ambulanz zu berücksichtigen. Auch die Größe der Ambulanz sei unbekannt. Die Praxis habe nicht nur einen, sondern fünf Behandlungsräume, in denen parallel Anwendungen durchgeführt werden würden. Weiterhin gebe es einen OP-Raum, einen Psychotherapieraum (offensichtlich gemeint ist ein Physiotherapieraum) und einen Gesellschaftsraum. Es handele sich durchweg um fachärztlich vorbehandelte Patienten mit schweren und chronischen Schmerzen und einer Vielzahl von unterschiedlichen Krankheitsbildern und Schmerzursachen. Er erläuterte im Einzelnen sein Behandlungsvorgehen und seine Abrechnungen im Allgemeinen. Es treffe nicht zu, dass er in erheblichem Umfang Leistungen abgerechnet habe, obwohl er diese nicht erbracht habe, weil er sich nicht in Deutschland aufgehalten und um keine Vertretung gekümmert habe. Wegen der politischen Lage sei es ihm in den Jahren 2011 bis 2014 nicht möglich gewesen, seine noch in seinem Heimatland C-Land lebende Familie (Christen) zu besuchen und zu versorgen. Er habe dies zwar häufig geplant gehabt, bekanntgegeben und Flüge reservieren lassen, es sei aber nicht zu jeweiligen Flügen gekommen. Nur ein einziges Mal sei ihm eine Reise gelungen. Es sei niemals länger als fünf Tage praxisabwesend gewesen, sodass eine Meldung eines Vertreters nicht erforderlich gewesen sei. Die telefonische Beratung nach Nr. 01435 sei jeweils erbracht und korrekt abgerechnet worden. Die Leistung nach Nr. 01100 oder 01101 sei vermehrt erbracht worden. Den Patienten sei allgemein bekannt gewesen, dass die Erreichbarkeit ihres Arztes nach den täglichen Sprechstunden ab 19:00 Uhr in der Regel gesichert sei. Im Laufe der Zeit seien die Patienten dazu übergegangen, von sich aus am Samstag mit der Praxis Kontakt aufzunehmen. Es sei unrichtig, dass er Leistungen für verstorbene Patienten abgerechnet habe. Leistungen nach Nr. 01435 (telefonische Beratung) seien lediglich bei drei Patienten erbracht worden. Versehentlich sei bei einem Patienten statt Abrechnung der Leistung mit der Ehefrau, die ebf. Patientin sei, diese auf die noch nicht gelöschte Karte des verstorbenen Ehemanns notiert worden. Bei einer weiteren Patientin handele es sich um eine Namensverwechslung. Soweit sich die Patientin D. beschwere, Leistungen seien abgerechnet worden, obwohl sie nicht in Behandlung gewesen sei, habe es sich um einen Fehler der Praxis gehandelt, da irrtümlich Behandlungsdaten vom Vater der Patientin sowie drei weiteren Personen mit dem gleichen Namen auf der Karte der Frau D. abgerechnet worden seien. Hintergrund der ganzen Angelegenheit sei, dass die Patientin nur deshalb tätig geworden sei, weil sie bei dem Versuch, sich privat zu versichern offenbar falsche Angaben über ihren Gesundheitszustand gemacht habe. Es treffe nicht zu, dass er sich nicht an die Auflagen im gerichtlichen Vergleich bzgl. der Erreichbarkeit von Schriftstücken gehalten habe. Er habe hunderte von Briefen von der Beigeladenen zu 1) erhalten. Für einen Einschreibebrief vom 09.04.2015 sei kein Benachrichtigungsschein in den Briefkasten eingelegt worden, sonst hätte er das Schreiben auch abgeholt. Ein vorsätzliches, grob fahrlässiges oder leichtfertig fehlerhaftes Abrechnungsverhalten oder ein Verstoß gegen sonstige Pflichten, die über das übliche Maß hinausgingen, seien nicht nachvollziehbar dargelegt und unter Beweis gestellt worden. Im Übrigen arbeite seine Praxis sehr wirtschaftlich. Er liege bei den Arzneimittelverordnungen und Verordnungen von physiotherapeutischen Maßnahmen weitgehend im Durchschnitt der Fachgruppe Anästhesisten und Schmerztherapeuten.

Der Zulassungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen lud den Kläger unter Datum 06.11.2015 zu einer mündlichen Verhandlung am 24.11.2015.

Der Kläger beantragte mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 12.11.2015 die Vertagung, weil er sich bereits zu einer Fortbildungsveranstaltung angemeldet habe.

Der Zulassungsausschuss entzog mit Beschluss vom 24.11.2015 dem Kläger die Zulassung unter Hinweis auf die Honorarrückforderungen aufgrund der Plausibilitätsprüfungen. Eine gleichzeitige Behandlung mehrerer Patienten sei nicht immer möglich, insb. nicht bei Facettenblockaden. Die Leistungen nach Nr. 30708 und 35110 EBM könnten nur in Ansatz gebracht werden, wenn die Beratungszeiten auch ausgeschöpft worden seien. Diese Leistungen überschritten an den auffälligen Tagen schon die 16-Stunden-Grenze. Die Notwendigkeit der Vielzahl der abgerechneten Samstagstelefonate sei nicht erkennbar, Das gehäufte Auftreten verstorbener Patienten könne nicht mehr als reine Verwechselung gewertet werden.

Hiergegen legte der Kläger am 15.01.2015 Widerspruch ein, den er nicht weiter begründete.

Die Beigeladene zu 1) trug unter Datum vom 23.02.2016 vor, sie rege an, den Widerspruch zurückzuweisen. Sie mache zum Gegenstand des Verfahrens den Inhalt einer CD der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main mit dem momentanen Stand des Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger, welches ihr auf Grund eines Amtshilfeersuchens von dieser übergeben worden sei. Insbesondere bei beachtlich, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers in seinem Schreiben vom 24.11.2015 auf Seite 4 ausführe, er habe zwar zum Teil angezeigt, dass er für bestimmte Zeiträume ortsabwesend in C-Land habe sein wollen, diese Reisepläne aber jeweils abgesagt habe, dies aber dann der KV nicht gemeldet habe, zum Teil auch deshalb, weil er durch seine behauptete Ortsabwesenheit Verschiebungen von Anhörungs- und Widerspruchsterminen habe erreichen wollen und auch erhalten habe. Dies sei ein zusätzlicher eklatanter Verstoß gegen die vertragsärztliche Mitwirkungspflicht. Die Aussagen des Klägers bzgl. seiner regelmäßigen Ortsabwesenheit und Hilfseinsätze in C-Land hätten im vorangegangenen Zulassungsentziehungsverfahren vor der Kammer auch dazu geführt, dass seinerzeit ein Vergleich geschlossen worden sei. Nun räume der Kläger über seinen Anwalt selbst ein, dass diese Aussagen falsch gewesen seien.

Der beklagte Berufungsausschuss für Ärzte lud den Kläger unter Datum vom 19.02.2016 zu einer mündlichen Verhandlung am 09.03.2016. Zuvor hatte er dessen Prozessbevollmächtigten mit E-Mail am 20.01.2016 über den vorgesehenen Termin informiert.

Der Kläger nahm an der Sitzung des Beklagten nicht teil. Mit Telefaxschreiben seines Prozessbevollmächtigten, das am 09.03.2016 um 11:33 Uhr kurz vor der für 14:00 Uhr anberaumten Sitzung bei dem Beklagten einging, teilte er mit, dass weder er noch sein Prozessbevollmächtigter an der Verhandlung teilnehmen würden. Er beantragte, den Termin aufzuheben. Sein Prozessbevollmächtigter habe lediglich eine Ladung per E-Mail erhalten, eine gesonderte Ladung an ihn sei nicht erfolgt. Nach der Disziplinarordnung sei er mit einer Ladungsfrist von 14 Tagen persönlich zu laden. Ferner wies er darauf hin, dass die Übersendung des Akteninhalts des Ermittlungsverfahrens bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main ohne seine vorherige Zustimmung unzulässig gewesen sei und ein Verstoß gegen das informelle Selbstbestimmungsrecht des Beschuldigten im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren darstelle. Die daraus gezogenen Erkenntnisse unterlägen einem Verwertungsverbot. Er beantrage, das vorliegende Zulassungsverfahren so lange auszusetzen, bis das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, welches vorgreiflich sei, beendet sei.

Der Beklagte lehnte mit Beschluss vom 09.03.2016, ausgefertigt am 13.04.2016, den Vertagungsantrag ab und wies den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Ablehnung des Vertagungsantrags führt er aus, anwendbar sei nicht die Disziplinarordnung. Für das Zulassungsverfahren gelte das Verfahrensrecht des SGB X, soweit sich aus den spezifischen vertragsarztrechtlichen Vorschriften des SGB V bzw. der Ärztezulassungsverordnung keine Abweichungen ergäben. Es gelte eine zweiwöchige Ladungsfrist. Aus § 13 Abs. 3 SGB X ergebe sich, dass die Ladung über den Bevollmächtigten zu erfolgen habe. Die Ladung sei durch Einschreiben-Rückschein an den Verfahrensbevollmächtigten vom 19.02.2016 erfolgt. Der Prozessbevollmächtigte habe auch zuvor eine entsprechende Vollmacht vorgelegt. Ausweislich der Auskunft der deutschen Post sei die Zustellung der Ladung an den Prozessbevollmächtigten am 22.02.2016 erfolgt. Zur Zurückweisung des Widerspruchs führte er aus, die Zulassung sei bei einer gröblichen Verletzung der vertragsärztlichen Pflichten zu entziehen. Dies sei der Fall, wenn die Entziehung zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung notwendig sei. Hiervon sei dann auszugehen, wenn durch sie das Vertrauen der vertragsärztlichen Institution in die ordnungsgemäße Behandlung der Versicherten und in die Rechtmäßigkeit der Abrechnungen durch den Vertragsarzt so gestört sei, dass ihnen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Vertragsarzt nicht zugemutet werden könne. Zu den Pflichten gehöre insb. die Verpflichtung zur peinlich genauen Abrechnung. Ein Verschulden sei nicht erforderlich. Er habe die diesbezüglichen Feststellungen des Zulassungsausschusses überprüft und vollinhaltlich bestätigt. Insofern mache er sich dessen Ausführungen zu Eigen. Darüber hinaus seien noch weitere gröbliche Pflichtverletzungen festzustellen gewesen. Der Kläger sei seiner Verpflichtung aus dem vor dem SG Marburg geschlossenen Vergleich, den Zugang von Postsendungen zu gewährleisten, nicht nachgekommen. Das Schreiben des Disziplinarausschusses vom 09.04.2016 (Übersendung der Antragsschrift vom 27.03.2015 per Einschreiben-Rückschein) sei vom Postamt nicht abgeholt worden und nach Ablauf der Lagerfrist zurückgesandt worden. Auf Grund der Vorgeschichte handele es sich um einen schweren Verstoß gegen vertragsärztliche Pflichten. Auf Grund des bis dahin bekannten Verhaltensmusters des Klägers erscheine sein Vortrag unglaubwürdig, dass ein Fehler der Post dazu geführt habe, dass ihn das Schreiben nicht erreicht habe. Soweit der Kläger nunmehr einräume, in früheren Verfahren eine Ortsabwesenheit nur vorgetäuscht zu haben, zeige er, dass er nicht bereit sei, die sich im Rahmen der Selbstverwaltung für ihn ergebenden Pflichten als Vertragsarzt zu erfüllen. Die Akten der Staatsanwaltschaft hätten verwertet werden können, weil der Kläger mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 30.10.2015 an den Zulassungsausschuss angeregt habe, die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten beizuziehen. Unabhängig davon sei die Weitergabe der Inhalte des Ermittlungsverfahrens an die Beigeladene zu 1) auch deshalb gerechtfertigt, weil diese möglicherweise im Hinblick auf die Unregelmäßigkeiten der vertragsärztlichen Abrechnung Geschädigte im Sinne des Strafprozessrechts sei. Das Vortäuschen der Ortsabwesenheit zur Vermeidung von Anhörungs- bzw. Widerspruchsterminen stelle bereits für sich genommen einen so schwerwiegenden Verstoß gegen vertragsärztliche Pflichten dar, dass sich bereits hieraus die Entziehung der vertragsärztlichen Zulassung rechtfertige. Schließlich sei dem Kläger zur Last zu legen, dass er durch wiederholte ungenaue Abrechnungen seine vertragsärztliche Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung seiner Leistungen in grober Weise verletzt habe. Die mangelnde Plausibilität der Abrechnungen stehe für die Quartale II/08 bis IV/10 und I/11 bis II/12 auf Grund der bestandskräftigen Bescheide in Plausibilitätsverfahren fest. Teilweise soll der Kläger danach mehr als 16 Stunden in einem Arzt-Patienten-Kontakt gestanden haben. Es handele sich nicht um eine statistische Betrachtung, sondern um die Addition der tatsächlichen Zeiten, die im Arzt-Patienten-Kontakt verbracht sein müssten, um die Leistungslegende zu erfüllen. Die parallele Behandlung in verschiedenen Behandlungskabinen sei nach der Leistungslegende des EBM und dem Inhalt der Leistungen nicht möglich. Dasselbe gelte für die Abrechnung von Leistungen für bereits verstorbene Patienten. Dies zeige ebf. einen eklatanten Verstoß gegen das Gebot der peinlich genauen Abrechnung. Der Kläger könne sich bei der Anzahl der Fälle, der Dauer der angeblichen Behandlung und der Größenordnung des Behandlungsumfangs nicht darauf berufen, dass es sich um ein Versehen gehandelt habe. Hiergegen sprächen der Umfang der Falschabrechnungen und die Systematik seines Vorgehens. Ferner habe die Beigeladene zu 1) festgestellt, dass der Kläger die Gebührenziffer 01435 (Telefonische Beratung) und 01102 (Inanspruchnahme samstags zwischen 7:00 Uhr und 14:00 Uhr) systematisch in alphabetischer Reihenfolge der Patienten abgerechnet habe (teilweise zwei Patienten zur selben Uhrzeit), u.a. auch am 21.07. und 04.08.2012, obwohl er sich zu diesem Zeitpunkt nach seinen eigenen Angaben im Ausland aufgehalten haben soll. Der Kläger weise Tagesprofilzeiten auf, die teilweise erheblich über 24 Stunden pro Tag hinausgingen. Den Vorwurf, der Kläger habe bei der Patientin D. Leistungen abgerechnet, die er tatsächlich nicht erbracht habe, verwerte er wegen der fehlenden abschließenden Klärung nicht. Der Ausgang der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen müsse nicht abgewartet werden. Es lägen hinsichtlich der fehlerhaften Abrechnungen bestandskräftige Bescheide der Beigeladenen zu 1) vor. Es gehe um unterschiedliche Aufgabenstellungen und Betrachtungsweisen in beiden Verfahren. Die vorliegenden Erkenntnisse stünden auch auf Grund entsprechender Dokumente (Rücklaufbescheinigung der Deutschen Post), eigenen Einlassungen des Klägers (Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten) sowie bestandskräftiger Regressbescheide der Beigeladenen zu 1) fest, sodass nicht ersichtlich sei, weshalb das Ende der strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Kläger noch abgewartet werden solle.

Hiergegen hat der Kläger am 19.04.2016 die Klage erhoben.

Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 15.07.2016 hat der Kläger die Aussetzung des Verfahrens beantragt, was die Kammer mit Beschluss vom 01.08.2016 abgelehnt hat.

Zur Begründung der Klage trägt der Kläger unter Verweis auf sein bisheriges Vorbringen im Übrigen vor, er sei nicht ordnungsgemäß zur Sitzung des Beklagten geladen worden. Eine Mitteilung hätte außer an seinen Bevollmächtigten auch direkt an ihn ergehen müssen. Eine Ladung an diesen nur per E-Mail sei nicht ausreichend. Der Kläger trägt weiter vor, er werde sich im Strafverfahren substantiiert bei jeder einzelnen behaupteten Tat bzw. bei jedem einzelnen Abrechnungsvorgang substantiiert auf die durchgeführte Dokumentation und insoweit ordnungsgemäße Behandlung des Patienten und ordnungsgemäße Abrechnung berufen. Es sei zu erwarten, dass dies zu einer mehrjährigen Beweisaufnahme vor dem Landgericht Frankfurt am Main führen werde. Da die Streitgegenstände weitgehend identisch seien, werde erneut der Antrag gestellt, das Verfahren so lange auszusetzen, bis eine endgültige strafrechtliche Entscheidung erfolgt sei. Das Strafverfahren sei auch besser geeignet, die materielle Wahrheit zu erforschen. Die Beigeladene zu 1) gehe offensichtlich nicht von einer schwerwiegenden Pflichtverletzung aus, denn er erhalte über den eingerichteten Vermittlungspool nach wie vor Scherzpatienten, die auf Basis der gesetzlichen Krankenversicherungen abgerechnet werden müssten, zur Behandlung, weil diese sonst offenbar wegen der entsprechenden fachärztlichen Defizite im Rhein-Main-Gebiet erst mit einer Verzögerung von mehreren Monaten qualifiziert behandelt würden. Bereits aus diesem Grund sei unter Beweis gestellt, dass das Vertrauen der vertragsärztlichen Institutionen in die ordnungsgemäße Behandlung der Versicherten und in die Rechtmäßigkeit der Abrechnungen durch ihn keinesfalls so gestört sei, dass nun eine weitere Zusammenarbeit mit ihm nicht mehr zugemutet werden könne. Dabei komme es auch gar nicht darauf an, ob es sich um eine verschuldete oder unverschuldete Pflichtverletzung handele. Im Zusammenhang mit den durchgeführten Plausibilitätsprüfungen sei zu keiner Zeit, wie dies im Verwaltungsverfahren notwendig gewesen wäre, eine Einladung zur Besprechung von Abrechnungsunklarheiten seitens des Beklagten oder der Beigeladenen zu 1) erfolgt. Insoweit verstoße die Entziehung der vertragsärztlichen Zulassung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie sei nicht das mildeste Mittel, dass im Sanktionskatalog zur Verfügung stehe. Durch die von ihm angefochtene Entziehung werde die ordnungsmäße Versorgung von Schmerzpatienten weiter erschwert. Im Rhein-Main-Gebiet gebe es nur noch drei die ambulante invasive Scherztherapie durchführende Ärzte einschließlich seiner Person. Es handele sich um einen sehr wichtigen Versorgungsbereich, für den er sich spezialisiert habe. Die vor dem Sozialgericht Marburg abgeschlossene Vereinbarung habe er eingehalten. Er habe schon darauf hingewiesen, dass er aus politischen Gründen bereits gebuchte Reisen nach C-Land kurzfristig abgesagt habe, er aber weiterhin als abwesend gemeldet geblieben sei, obwohl er seine Tätigkeit in dieser Zeit nunmehr fortgesetzt und tatsächlich ärztliche Leistungen erbracht habe. Er behandle in fünf Behandlungsräumen parallel und führe insoweit unterschiedliche Leistungserbringungen parallel durch. Dabei sei die Praxis so eingerichtet, dass er in eineinhalb Stunden jeweils vier Schmerzpatienten versorge. Daraus ergebe sich auch, dass es in der Tat scheine, dass bei der Addition von Leistungsprofilen tatsächlich pro Stunde mehr abgerechnet und geleistet werden könne, als dies den schematischen Vorgang der Plausibilitätsverfahren entspreche. Auch für psychosomatische verbale Interventionen habe er pro Patient die Mindestzeit von 10 Minuten eingehalten. Dies betreffe auch Beratung und Erörterung mit einer Mindestzeit von 10 Minuten. Hinsichtlich des Vorwurfs, für bereits verstorbene Patienten Leistungen abgerechnet zu haben, wiederholt er weitgehend sein bisheriges Vorbringen. Aus der Bestandskraft von Honorarrückforderungen könne nicht gefordert werden, dass insoweit ein Eingeständnis für fehlerhaftes Verhalten vorliege.

Der Kläger beantragt,
den Beschluss des Beklagten vom 09.03.2016 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Er trägt ergänzend zu seinen Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid vor, er lege eine Versandliste vor, auf der sämtliche Einschreibebriefe vermerkt seien, die am 19.02.2016 von der Geschäftsstelle versandt worden seien, darunter die Ladung zum 09.03.2016 an den Prozessbevollmächtigten des Klägers. Eine Nachfrage bei der Deutschen Post habe ergeben, dass die Zustellung der Sendung am 22.02.2016 erfolgt sei, wie er es auch in seinem Widerspruchsbescheid angegeben habe. Diese Aussage sei seinerzeit aufgrund der Einholung einer telefonischen Auskunft bei der Deutschen Post erfolgt. Auffällig sei ferner, dass in dem vor der Ladung erfolgten E-Mail-Verkehr als Beginn 17:15 Uhr genannt worden sei. Erst in der schriftlichen Ladung finde sich die Terminbestimmung 14:00 Uhr. Obwohl der Prozessbevollmächtigte des Klägers diese Ladung nicht erhalten haben will, gehe er in seinem Vertagungsgesuch vom 09.03.2016 von einem Termin um 14:00 Uhr aus. Es sei nicht ersichtlich, wie er diese genaue Uhrzeit ohne Kenntnis der schriftlichen Ladung erfahren haben will. In der mündlichen Verhandlung hat er ein Schreiben der Deutschen Post mit Datum vom 02.09.2016 mit einer Kopie der Bestätigung der Aushändigung des Einschreibebriefs zur Gerichtsakte gereicht, ferner Erklärungen der einzelnen Mitglieder des Berufungsausschusses, in denen diese erklären, sie hätten der Entscheidung des Berufungsausschusses vom 09.03.2016 zugestimmt.

Die Beigeladene zu 1) beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beigeladene zu 1) hat die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main vom 21.07.2016, auf welche sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers in seinem letzten Schriftsatz vom 30.08.2016 beziehe, zur Gerichtsakte gereicht.

Die übrigen Beigeladenen haben sich zur Sache nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat in der mündlichen Verhandlung nach Vorlage der Unterlagen der Deutschen Post durch die Beklagte auf Vorhalt der Beteiligten und des Gerichts, dass er seinerzeit erklärt habe, er habe lediglich eine Ladung per E-Mail erhalten, erklärt, dass es zutreffe, dass er in der Tat eine schriftliche Ladung in sein Büro bekommen habe.

Die Kammer hat mit Beschluss vom 20.04.2016 die Beiladung ausgesprochen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Sie konnte dies trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beigeladenen zu 2) bis 7) tun, weil diese ordnungsgemäß geladen und darauf hingewiesen worden sind, dass auch in ihrer Abwesenheit verhandelt und entschieden werden kann (§ 126 SGG).

Die Klage ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden. Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist allein der Bescheid des Berufungsausschusses, nicht auch der ursprüngliche Verwaltungsakt des Zulassungsausschusses (vgl. BSG, Urt. v. 06.02.2008 – B 6 KA 40/06 RSozR 4-5520 § 31 Nr. 3, juris Rdnr. 12; BSG, Urt. v. 28.08.1996 – 6 RKa 37/95SozR 3-1500 § 54 Nr. 30, juris Rdnr. 18, jeweils m.w.N.).

Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 09.03.2016 ist rechtmäßig. Er war daher nicht aufzuheben.

Streitig zwischen den Beteiligten ist die Entziehung der vertragszahnärztlichen Zulassung wegen gröblicher Pflichtverletzung, insb. aufgrund des dem Kläger vorgeworfenen fehlerhaften Abrechnungsverhaltens. Rechtsgrundlage hierfür ist § 95 Abs. 6 SGB V i. V. m. § 27 Ärzte-ZV. Danach ist die Zulassung u. a. zu entziehen, wenn der Vertragsarzt seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), von der abzuweichen die Kammer keine Veranlassung sieht, ist eine Pflichtverletzung gröblich, wenn sie so schwer wiegt, dass ihretwegen die Entziehung zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung notwendig ist. Davon ist dann auszugehen, wenn durch sie das Vertrauen der vertragsärztlichen Institutionen in die ordnungsgemäße Behandlung der Versicherten und in die Rechtmäßigkeit der Abrechnungen durch den Vertragsarzt so gestört ist, dass ihnen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Vertragsarzt nicht mehr zugemutet werden kann. Nicht erforderlich ist, dass den Vertragsarzt ein Verschulden trifft; auch unverschuldete Pflichtverletzungen können zur Zulassungsentziehung führen (vgl. zuletzt BSG, Beschl. v. 11.02.2015 - B 6 KA 37/14 B - juris. Rdnr. 11; BSG, Urt. v. 17.10.2012 B 6 KA 49/11 R - BSGE 112, 90 = 4-2500 § 95 Nr. 26, juris Rdnr. 21; BSG, Urt. v. 21.03.2012 - B 6 KA 22/11 R - BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 24, juris Rdnr. 33 u. 50 ff.; BSG, Urt. v. 17.06.2009 - B 6 KA 16/08 R - BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr. 2, juris Rdnr. 36 f.; BSG, Urt. v. 20.10.2004 - B 6 KA 67/03 R - BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 9, juris Rdnr. 17 m.w.N.). Wegen der Schwere des Eingriffs ist die Entziehung selbst immer ultima ratio. Die Zulassungsentziehung darf unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur ausgesprochen werden, wenn sie das einzige Mittel zur Sicherung und zum Schutz der vertragsärztlichen Versorgung ist (vgl. BSG, Urteil v. 24.11.1993 - 6 RKa 70/91 - BSGE 73, 234 = SozR 3-2500 § 95 Nr. 4, juris Rdnr. 23). Vorrangig kommen insb. Disziplinarmaßnahmen in Betracht; insb. ist als milderes Mittel die Anordnung des Ruhens (vgl. 95 Abs. 5 SGB V) zu prüfen (vgl. BSG, Beschl. v. 17.08.2011 - B 6 KA 18/11 B - juris Rdnr. 13; LSG Berlin, Urt. v. 01.12.2004 - L 7 KA 13/03 - www.sozialgerichtsbarkeit.de; LSG Bayern, Beschl. v. 14.01.2010 - L 12 KA 62/09 B ER - juris Rdnr. 18; SG Berlin, Urt. v. 07.09.2011 - S 83 KA 99/11 - juris Rdnr. 29 u. 34; SG Frankfurt a.M., Urt. v. 14.06.2000 - S 28 KA 2499/99 - juris Rdnr. 25). Maßgeblicher Zeitpunkt für die rechtliche und tatsächliche Beurteilung nicht vollzogener Entziehungsentscheidungen ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (vgl. BSG, Beschl. v. 17.08.2011 - B 6 KA 18/11 B - juris Rdnr. 11; BSG, Urt. v. 20.10.2004 - B 6 KA 67/03 R - BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 9, juris Rdnr. 20 ff.). Nach der Entscheidung des Berufungsausschusses liegende Umstände – wie eine Änderung des Verhaltens – können nur in einem Verfahren auf Wiederzulassung gewürdigt werden (vgl. BSG, Urt. v. 17.10.2012 - B 6 KA 49/11 R - BSGE 112, 90 = 4-2500 § 95 Nr. 26, juris Rdnr. 24 ff.). Eine Zulassungsentziehung erfordert keine Negativprognose für das künftige Verhalten des Leistungserbringers im Sinne der Feststellung einer Wiederholungsgefahr, da § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V nicht auf die Steuerung künftigen Verhaltens ausgerichtet ist, sondern auf eine nachträgliche Reaktion auf ein in der Vergangenheit liegendes pflichtwidriges Verhalten (vgl. BSG, Urt. v. 21.03.2012 - B 6 KA 22/11 R - BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 24, juris Rdnr. 56 ff.).

Für Vertragsärzte gilt das Gebot peinlich genauer Abrechnung der zu vergütenden Leistungen. Hierzu ist auch die Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Leistungserbringung zu rechnen. Leistungen dürfen nicht abgerechnet werden, die der Arzt entweder nicht oder nicht vollständig oder – sofern sie sein Tätigwerden voraussetzen – nicht selbst erbracht hat. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts deshalb von so entscheidender Bedeutung, weil ordnungsgemäße Leistungserbringung und peinlich genaue Abrechnung lediglich in einem beschränkten Umfang der Überprüfung durch diejenigen zugänglich sind, die die Gewähr für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zu tragen haben, nämlich die KV und die Krankenkassen. Insbesondere die Verpflichtung zur peinlich genauen Abrechnung gehört daher zu den Grundpflichten des Arztes (vgl. BSG, Urt. v. 24.11.1993 - 6 RKa 70/91 - BSGE 73, 234 = SozR 3-2500 § 95 Nr. 4, juris Rdnr. 22; BSG, Urt. v. 25.10.1989 - 6 RKa 28/88 - BSGE 66, 6 = SozR 2200 § 368a Nr. 24, juris Rdnr. 15 -; BSG, Urt. v. 08.07.1981 - 6 RKa 17/80 - juris Rdnr. 31; BSG, Beschl. v. 09.04.2008 - B 6 KA 18/07 B - juris Rdnr. 12; BVerfG, Beschl. v. 28.03.1985 - 1 BvR 1245/84, 1 BvR 1254/84 - BVerfGE 69, 233 = SozR 2200 § 368a Nr. 12, juris Rdnr. 27). Mit der Abrechnungs- und Sammelerklärung (§ 35 Abs. 2 Satz 3 BMV-Ä) garantiert der Kassen-/Vertragsarzt, dass die Angaben auf den von ihm eingereichten Behandlungsausweisen bzw. Datenträgern zutreffen (vgl. BSG, Urt. v. 17.09.1997 - 6 RKa 86/95 - SozR 3-5550 § 35 Nr. 1, juris Rdnr. 19).

Tages- und Quartalsprofile sind ein geeignetes Beweismittel, um einem Arzt unkorrekte Abrechnungen nachweisen zu können. Die Beweisführung mit solchen Profilen ist dem Indizienbeweis zuzuordnen. Für ihre Erstellung sind bestimmte Anforderungen erforderlich. Für die Ermittlung der Gesamtbehandlungszeit des Arztes dürfen nur solche Leistungen in die Untersuchung einbezogen werden, die ein Tätigwerden des Arztes selbst voraussetzen. Delegationsfähige Leistungen haben außer Betracht zu bleiben. Zu berücksichtigen ist weiter, dass die für die einzelnen ärztlichen Leistungen zugrunde zu legenden Durchschnittszeiten so bemessen sein müssen, dass ein erfahrener, geübter und zügig arbeitender Arzt die Leistungen im Durchschnitt in kürzerer Zeit schlechterdings nicht ordnungsgemäß und vollständig erbringen kann. Der Qualifizierung als Durchschnittszeit entspricht es, dass es sich hierbei nicht um die Festlegung absoluter Mindestzeiten handelt, sondern um eine Zeitvorgabe, die im Einzelfall durchaus unterschritten werden kann. Die Durchschnittszeit stellt sich aber bei einer ordnungsgemäßen und vollständigen Leistungserbringung als der statistische Mittelwert dar (vgl. BSG, Urt. v. 24.11.1993 - 6 RKa 70/91 - BSGE 73, 234 = SozR 3-2500 § 95 Nr. 4, juris Rdnr. 24 ff.; LSG Hessen, Urt. v. 26.11.2014 - L 4 KA 2/11 - Umdruck. S. 16; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 10.10.2007 - L 7 KA 56/03 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris Rdnr. 21). Als Nachweis für eine Falschabrechnung des Quartals genügt bereits ein beliebiger falsch abgerechneter Tag (vgl. BSG, Urt. v. 08.03.2000 - B 6 KA 16/99 R - SozR 3-2500 § 83 Nr. 1 = BSGE 86, 30, juris Rdnr. 37). Tages- und Quartalsprofil stehen alternativ und nicht kumulativ als Indizien für eine implausible Abrechnung nebeneinander (vgl. BSG, Beschl. v. 17.08.2011 - B 6 KA 27/11 B - juris Rdnr. 6).

Wiederholt unkorrekte Abrechnungen können die Zulassungsentziehung rechtfertigen (vgl. BSG, Urt. v. 24.11.1993 - 6 RKa 70/91 - BSGE 73, 234 = SozR 3-2500 § 95 Nr. 4, juris Rdnr. 36; BSG, Urt. v. 25.10.1989 - 6 RKa 28/88 - BSGE 66, 6 = SozR 2200 § 368a Nr. 24, juris Rdnr. 15; BSG, Urt. v. 30.03.1977 - 6 RKa 4/76 - BSGE 43, 250, 252 = SozR 2200 § 368a Nr. 3).

Bei einem Verdacht auf Abrechnungsbetrügereien ist eine Übermittlung von Daten aus strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. § 13 Abs. 2 Satz 1 EGGVG bereits vor Erhebung der öffentlichen Klage rechtmäßig und kann die Verwendung der übermittelten Daten in dem Zulassungsentziehungsverfahren somit zulässig sein (vgl. BSG, Beschl. v. 09.04.2008 - B 6 KA 18/07 B - juris Rdnr. 9 ff.). Die Zulassungsgremien können vor einer Zulassungsentziehung den rechtskräftigen Abschluss eines Strafverfahrens abwarten. Die lange Dauer eines Strafverfahrens hat keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der Entscheidung über die Zulassungsentziehung in der Sache. Sozialgerichte dürfen bei ihrer Feststellung, ob der Arzt sich als ungeeignet erwiesen hat, vorliegende bestandskräftige Entscheidungen anderer Gerichte und auch die Ergebnisse staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen verwerten. Dagegen kann die Höhe der Strafe für die Entscheidung über die Entziehung der Zulassung bereits deshalb nicht unmittelbar herangezogen werden, weil es sich bei der Entziehung der Zulassung nicht um eine Strafe, sondern um eine Verwaltungsmaßnahme handelt, die dem verloren gegangenen Vertrauen in die Einhaltung der vertragsarztrechtlichen Pflichten Rechnung trägt und der Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung dient. Die Höhe der Strafe kann daher allenfalls Hinweise für die Beurteilung der Schwere der Pflichtverletzung geben. Letztlich ist aber auch diese Frage von den Zulassungsgremien und den Gerichten eigenständig zu beurteilen. Im Übrigen kann ein geringeres Strafmaß, dem ein kooperatives Verhalten des Angeklagten im Strafprozess zugrunde liegt, im sozialgerichtlichen Verfahren keine Berücksichtigung finden, wenn sich dieses Verhalten im sozialgerichtlichen Verfahren nicht fortsetzt und wenn die Prognose eines künftig pflichtgemäßen Verhaltens auch aufgrund der fehlenden Einsicht des Arztes in sein Fehlverhalten nicht gestellt werden kann (vgl. BSG, Beschl. v. 02.04.2014 - B 6 KA 58/13 B - juris Rdnr. 14 ff. m.w.N.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen war das Verfahren weiterhin nicht auszusetzen. Wie die Kammer bereits in ihrem Beschluss vom 01.08.2016 dargelegt hat, besteht ein zwingender Zusammenhang zwischen einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und einer Zulassungsentziehung weder im Sinne einer Vorgreiflichkeit noch im Sinne einer rechtlichen Bedeutung. Dies gilt auch für den Ausgang eines Strafverfahrens, bei dem insb. auch strafrechtliche Schuldgesichtspunkte von Bedeutung sind, wohingegen es im Zulassungsentziehungsverfahren lediglich auf eine objektive Pflichtverletzung, nicht aber auf ein Verschulden ankommt. Auch soweit sich die Zulassungsgremien auf Erkenntnisse eines Strafverfahrens stützen, müssen sie eine eigene Bewertung des Sachverhalts und der Pflichtverletzung vornehmen (vgl. bereits SG Marburg, Beschl. v. 04.04.2016 S 12 KA 827/15 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris)

Auch der Gesichtspunkt der Prozessökonomie gebietet keine Aussetzung des Verfahrens. Es ist nicht ersichtlich, was von staatsanwaltschaftlicher Seite noch ermittelt werden soll, das für dieses Verfahren von Bedeutung ist (vgl. BSG, Beschl. v. 10.08.1990 - 5 BJ 252/89 - juris Rdnr. 5). Dies gilt erst Recht nach Abschluss des staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens und Vorlage der Anklageschrift. § 114 Abs. 3 SGG dient lediglich der Erleichterung der tatsächlichen Aufklärung der rechtlich relevanten Umstände (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 23.05.2014 - L 4 KR 553/14 B - juris Rdnr. 17). Weitere Ermittlungsoptionen werden gegenwärtig nicht als notwendig angesehen und werden vom Kläger nicht aufgezeigt. Bei der Prüfung der Pflichtverletzungen handelt es sich um die Prüfung vertragsarztrechtlicher Pflichten und der ordnungsgemäßen Abrechnung. Im Übrigen sieht § 114 Abs. 3 SGG keine zwingende Aussetzung vor, sondern stellt die Entscheidung in das Ermessen des Gerichts. Hierbei ist die hohe Grundrechtsrelevanz einer Zulassungsentziehung für den Kläger zu berücksichtigen, die ein zügiges Verfahren gebietet. Ebenso stark zu gewichten sind die Interessen der Beigeladenen, deren Vertrauen durch die fehlerhafte Abrechnung, die hier einen beträchtlichen Umfang und mehrere Quartale angedauert hat, gestört ist. Ein besonderes Interesse des Klägers an einer Aussetzung ist nicht ersichtlich. Allein das Interesse, wegen der aufschiebenden Wirkung der Klage die vertragsärztliche Tätigkeit fortführen zu können, rechtfertigt die Aussetzung nicht. Gerade aus diesem Grund ist im Interesse aller Beteiligten das Verfahren besonders zügig durchzuführen. Gründe der Prozessökonomie sprechen nicht, wie bereits ausgeführt, für eine Aussetzung. Nach allem war der Antrag auf Aussetzung des Verfahrens erneut abzulehnen. Im Übrigen hat der anwaltlich vertretene Kläger in der mündlichen Verhandlung keinen förmlichen Aussetzungsantrag gestellt.

Der angefochtene Bescheid des Beklagten ist formell rechtmäßig. Insb. liegt kein Verfahrensfehler vor.

Der Beklagte hat die ordnungsgemäße Ladung zu der mündlichen Verhandlung am 09.03.2016 vor ihm durch Vorlage der Unterlagen der Deutschen Post in der mündlichen Verhandlung nachgewiesen. Der Kläger bestreitet nicht mehr den Zugang der schriftlichen Ladung bei seinem Prozessbevollmächtigten. Entgegen der Auffassung des Klägers musste der Beklagte den Kläger nicht zusätzlich persönlich laden. Im Übrigen wäre der Bescheid des Beklagten wegen einer fehlerhaften Ladung nicht aufzuheben, da es sich um einen bloßen Formfehler handeln würde und da die Entscheidung des Beklagten einstimmig ergangen ist.

Neben der Kassenärztlichen Vereinigung, den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen sind die an dem Verfahren beteiligten Ärzte unter Einhaltung einer Frist von zwei Wochen zur mündlichen Verhandlung zu laden; die Ladung ist zuzustellen (§ 37 Abs. 2 Satz 1 Ärzte-ZV). Für das Zustellungsverfahren in Verwaltungsangelegenheiten der sonstigen unter Aufsicht des Landes stehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts finden die Vorschriften der §§ 2 bis 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes vom 12. August 2005 (BGBl. I S. 2354) in der jeweils geltenden Fassung Anwendung (Hessisches Verwaltungszustellungsgesetz). Hierunter fällt der Beklagte. Zustellungen können an den allgemeinen oder für bestimmte Angelegenheiten bestellten Bevollmächtigten gerichtet werden. Sie sind an ihn zu richten, wenn er schriftliche Vollmacht vorgelegt hat (§ 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG)). Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hatte bereits zuvor eine Vollmacht vorgelegt (Bl. 162/161 der Verwaltungsakte). Daneben besteht keine Pflicht zur Ladung des Vertragsarztes persönlich. Eine solche ergibt sich auch nicht aus anderen Vorschriften.

Der Beklagte hat die ordnungsgemäße Ladung des Prozessbevollmächtigten des Klägers zu der mündlichen Verhandlung am 09.03.2016 vor ihm nachgewiesen.

Ein Dokument kann durch die Post mittels Einschreiben durch Übergabe oder mittels Einschreiben mit Rückschein zugestellt werden (§ 4 Abs. 1 VwZG). Zum Nachweis der Zustellung genügt der Rückschein. Im Übrigen gilt das Dokument am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt, es sei denn, dass es nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Im Zweifel hat die Behörde den Zugang und dessen Zeitpunkt nachzuweisen. Der Tag der Aufgabe zur Post ist in den Akten zu vermerken (§ 4 Abs. 2 VwZG). Damit ist der Beklagte nachweispflichtig über den Zugang der Ladung. Seiner Nachweispflicht ist der Beklagte durch die Vorlage des Schreibens der Deutschen Post vom 02.09.2016 mit einer Kopie der Bestätigung der Aushändigung des Einschreibebriefs am 22.02.2016 nachgekommen. Soweit der Rückschein nicht vorgelegt werden kann, stehen dem Beklagten aber andere Beweismöglichkeiten offen. Der Vorlage des Rückscheins bedurfte es daher nicht. Im Übrigen bestreitet der Kläger nicht mehr die ordnungsgemäße Ladung seines Prozessbevollmächtigten. Auch aus diesem Grund ist es unerheblich, ob die Ausführungen des Beklagten zutreffen, erst im Ladungsschreiben vom 19.02.2016 die genaue Uhrzeit für den Verhandlungsbeginn genannt zu haben, da er in einer E-Mail an den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 21.01.2016 wegen Terminschwierigkeiten des Prozessbevollmächtigten angegeben hat, er könne die Sache bereits um 14:00 Uhr terminieren, was dann auch geschah.

Aber selbst wenn man von einer nicht ordnungsgemäßen Ladung ausgehen würde, wäre der angefochtene Bescheid aus diesem Grund nicht aufzuheben.

Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 40 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Satz 1 gilt nicht, wenn die erforderliche Anhörung unterblieben oder nicht wirksam nachgeholt ist (§ 42 SGB V). Verfahrensfehler ist aber nicht das Unterlassen der Anhörung, da der Kläger Gelegenheit zum Vortrag unter Kenntnis der wesentlichen Tatsachen hatte, und zwar durch den Antrag der Beigeladenen zu 1) bei ihrem Disziplinarausschuss am 27.03.2015 auf Durchführung eines Disziplinarverfahrens, den Beschluss des Disziplinarausschusses vom 22.07.2015 und den Beschluss des Zulassungsausschusses vom 24.11.2015. Der Kläger hat hiervon mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 30.10.2015 auch Gebrauch gemacht. Bei Zulassungsentziehungen wegen gröblicher Pflichtverletzung besteht weder ein Ermessens- noch ein Beurteilungsspielraum (§ 95 Abs. 6 SGB V).

Bei dem Verfahrensverstoß nach § 37 Abs. 2 Satz 1 Ärzte-ZV handelt es sich nicht um einen absoluten Fehler. Ein solcher liegt vor, wenn nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift bestimmten Beteiligten in ihrem Interesse oder im Interesse einer besonderen Befriedungs- und Konsensfunktion eine vom Ausgang des Verfahrens unabhängige, selbständig durchsetzbare Verfahrensposition eingeräumt wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.04.2009 - 1 WB 29/08 - juris Rdnr. 31, Leopold in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 42 SGB X, Rdnr. 26). Insofern besteht gerade kein zwingender Anspruch darauf, dass die Anhörung mündlich vor dem Beklagten stattfindet. Nach § 45 Abs. 2 Ärzte-ZV kann als Ausnahme zu den §§ 37 Abs. 1 Satz 1, 43 Abs. 3 Ärzte-ZV der Widerspruch auch in Zulassungs- und Entziehungsverfahren ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen werden, wenn der Berufungsausschuss die Zurückweisung einstimmig beschließt (vgl. BSG, Beschl. v. 06.02.2008 - B 6 KA 9/07 B - juris Rdnr. 8 f.; BSG, Beschl. v. 18.08.2010 - B 6 KA 17/10 B - BeckRS 2010, 73463; SG Hannover v. 30.08.2000 - S 10 KA 71/00 - juris Rdnr. 25).

Hinzu kommt, dass der Beklagte die angefochtene Entscheidung einstimmig getroffen hat. Dies ergibt sich aus den von ihm vorgelegten Erklärungen seiner sämtlichen Mitglieder, dass sie der streitbefangenen Entscheidung zugestimmt hätten. Damit hat der Beklagte die Zurückweisung des Widerspruchs einstimmig beschlossen und hätte er von einer mündlichen Anhörung absehen können (§ 45 Abs. 2 Ärzte-ZV).

Der Beklagte konnte von der Aussetzung des Verfahrens absehen. Insofern gelten auch für das Verwaltungsverfahren die Gründe, die die Kammer in ihrem Beschluss vom 01.08.2016 dargelegt hat.

Der angefochtene Bescheid des Beklagten ist nach den dargelegten rechtlichen Vorgaben auch materiell rechtmäßig. Zur Begründung verweist die Kammer auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid des Beklagten (§ 144 Abs. 3 SGG).

Soweit der Kläger auf die Besonderheiten seiner schmerztherapeutischen Praxis verweist, verkennt er, dass die Beigeladene zu 1) für die Quartale II/08 bis III/13 zeitbezogene Plausibilitätsprüfungen vorgenommen hat und als Grund für die Überschreitung plausibler Tages- oder Quartalszeiten die vermehrte Abrechnung von Gesprächsleistungen mit vorgegebenen Zeitangaben festgestellt hat. Insofern geht der Kläger fehl in der Annahme, er könne mehrere Patienten gleichzeitig behandeln, ohne dass sich dies in vollem Umfang auf seine Arbeitszeit niederschlage. Alle im EBM angegebenen Plausibilitätszeiten sind grundsätzlich so bemessen, dass eine parallele Leistungserbringung ausgeschlossen ist. Beratungs- und Gesprächszeiten beinhalten ausschließlich das Gespräch mit dem Patienten. Das schließt es aus, dass zeitgleich weitere Leistungen bei dem Patienten selbst oder gar bei weiteren Patienten vorgenommen werden. Soweit der Kläger im der Klage zum Az.: S 12 KA 179/16 vorausgegangenen Verwaltungsverfahren angegeben hat, während einer dreißigmünitigen Infusion, abgerechnet nach Nr. 30710 (Infusion, Dauer mindestens 30 Minuten) und 30760 EBM (Dokumentierte Überwachung im Anschluss an die Gebührenordnungsposition 30710), müsse er nicht bei dem Patienten verweilen, sondern könne andere Patienten behandeln, so trifft dies nur für einen Teil der Leistung zu. Insofern gehen diese beiden Leistungen auch nicht mit dreißig Minuten in die Zeitprofile ein, sondern nur, da es allein auf die ärztliche Tätigkeit ankommt, mit 4 und 5 Minuten, insgesamt also nur mit 9 Minuten.

Soweit die Berichtigungsbescheide bestandskräftig sind, kann sich der Beklagte ebenso wie das Gericht hierauf berufen, ohne in eine detaillierte Prüfung einzutreten, jedenfalls dann, wenn es wie hier vorliegend an der Offensichtlichkeit einer Rechtswidrigkeit der Bescheide fehlt oder an einem substantiierten Vorbringen des Vertragsarztes. Leistungen für bereits Verstorbene hat der Kläger in den Quartalen I/09 bis II/11, also über zehn Quartale hinweg erbracht. Insb. die Abrechnung über mehrere Quartale hinweg bei einzelnen Verstorbenen kann nicht mit der bloßen Behauptung, es handele sich um ein Versehen, entkräftet werden. Auch soweit der Kläger das Ergebnis der zeitbezogenen Plausibilitätsprüfung für die Quartale III/12 bis III/13 angefochten hat, ist nicht ersichtlich, weshalb die Bescheide rechtswidrig sein sollten. Die Klage hat der Kläger trotz Fristsetzung der Kammer bisher nicht begründet. Soweit in den Bescheiden auf vom Kläger angegebene Abwesenheitszeiten hingewiesen wird, in denen er dennoch Leistungen abgerechnet hat, ist der später erfolgte Vortrag, er habe die Reisen weitgehend nicht angetreten, wenig glaubhaft. Insofern verweist der Beklagte zutreffend auf die Ausführungen des Klägers im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren, in früheren Verwaltungsverfahren habe er eine Ortsabwesenheit nur vorgetäuscht, um eine Teilnahme an Anhörungs- und Widerspruchsterminen zu vermeiden. Der Kläger macht sich damit selbst unglaubwürdig. Für die Frage der Honorarberichtigung kommt es hierauf jedoch nicht an, da diese maßgeblich durch die Zeitprofile am Tag oder im Quartal, unabhängig von vermeintlichen Abwesenheitszeiten, errechnet werden.

Zutreffend stellt aber der Beklagte fest, dass das Vortäuschen der Ortsabwesenheit zur Vermeidung von Anhörungs- bzw. Widerspruchsterminen bereits für sich genommen einen so schwerwiegenden Verstoß gegen vertragsärztliche Pflichten darstellt, dass sich bereits hieraus die Entziehung der vertragsärztlichen Zulassung rechtfertigt. Es gilt allgemein eine Pflicht zur vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Institutionen des Vertragsarztrechts (vgl. BSG, Beschl. v. 25.09.1997 - 6 BKa 54/96 - juris Rdnr. 5; BSG, Urt. v. 08.07.1981 - 6 RKa 17/80 - juris Rdnr. 27). Es steht nicht im Belieben eines Vertragsarztes, Ortsabwesenheit nur zu dem Zweck anzugeben, um Ladungen der Beigeladenen zu 1) oder der Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltungen aus dem Weg zu gehen oder Vertagungen zu erreichen.

Die Zulassungsentziehung ist auch nicht unverhältnismäßig. Allein die fehlerhafte Abrechnung in den Quartalen II/08 bis II/12 hat zu einem Schaden in Höhe von wenigstens über 180.000,00 EUR geführt. Die Staatsanwaltschaft geht in ihrer Anklageschrift von einem Schaden für die Quartale I/10 bis I/13 in Höhe von 291.095,50 EUR aus, wobei sie wesentlich auf die Abrechnung von Leistungen abstellt, für die nach der Leistungslegende des EBM eine Dokumentation erforderlich ist, der Kläger diese Dokumentation aber gar nicht bzw. unvollständig erbracht hat. Sie hat festgestellt, u. a. durch Auswertung der Behandlungsaufzeichnungen des Klägers, dass er bei fast allen abgerechneten Leistungen, die nach der Leistungslegende eine Dokumentation erfordern, diese nicht erstellt hat. So hätten im Quartal I/10 von den abgerechneten 2.268 Leistungen, wobei für 2.139 Leistungen eine entsprechende Patientenkartei erforderlich sei, die Patientenkarteien für 2.138 Leistungen keine Dokumentation enthalten, obwohl diese als Leistungsbestandteil Abrechnungsvoraussetzung sei. Entsprechende Darlegungen werden in der Anklageschrift für die übrigen Quartale gemacht. Damit wird gleichfalls nachgewiesen, dass der Kläger in erheblichen Umfang abgerechnete Leistungen nicht bzw. nicht in vollem Umfang erbracht hat. Insofern wird die notwendige Erstellung einer Dokumentation in den zeitlichen Plausibilitätszeiten nach dem EBM berücksichtigt und zeigen die Zeitprofile zutreffend, dass der Kläger die Leistungen in einem großen Umfang nicht oder nicht vollständig erbracht hat.

Der Kläger geht auch fehl in der Annahme, wenn er vorträgt, die Beigeladene zu 1) gehe offensichtlich nicht von einer schwerwiegenden Pflichtverletzung aus, denn er erhalte über den eingerichteten Vermittlungspool nach wie vor Scherzpatienten. Zum einen kommt es für die Zulassungsentziehung nicht auf die Prognose zukünftigen Verhaltens an. Zum anderen ist die Zulassungsentziehung aufgrund der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage noch nicht wirksam und der Kläger damit weiterhin Vertragsarzt mit allen vertragsärztlichen Rechten (§ 95 Abs. 3 SGB V).

Nach allem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Streitwertfestsetzung erfolgte durch Beschluss des Vorsitzenden.

In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG).

In Zulassungsangelegenheiten ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der die Kammer hier folgt, der Streitwert in der Regel in Höhe des Umsatzes eines Drei-Jahres-Zeitraums anzusetzen, den der Arzt innerhalb der nächsten Zeit aus vertragsärztlicher Tätigkeit erzielen könnte, abzüglich des Praxiskostenanteils. Für die Umsätze ist in dem Regelfall einer Klage auf Zulassung auf die Beträge abzustellen, die im Gesamtbundesdurchschnitt (bzw. für Regionen in den neuen Bundesländern im Durchschnitt dieser Länder) für die Arztgruppe ausgewiesen sind, welcher der Arzt angehört (s. dazu KBV (Hrsg.), Grunddaten zur vertragsärztlichen Versorgung in Deutschland, www.kbv.de). Für die Praxiskostenanteile ist pauschalierend auf die Kostenquote abzustellen, die im Gesamtbundesdurchschnitt (bzw. für Regionen in den neuen Bundesländern im Durchschnitt dieser Länder) für die Arztgruppe ausgewiesen ist, welcher der betroffene Arzt angehört, bzw. auf die zeitnächsten verfügbaren Daten. Ist eine Arztgruppe betroffen, für die keine Daten vorliegen, so kann es in Betracht kommen, entweder auf die durchschnittliche Kostenquote aller Arztgruppen oder auf einen pauschal gegriffenen Kostensatz von z.B. 50 % abzustellen. Im Hinblick auf die gebotene pauschalierende Bestimmung von Streitwerten ist eine Reduzierung weder unter dem Gesichtspunkt veranlasst, dass eine neue Praxis in ihrer Anlaufphase möglicherweise noch nicht solche Umsätze erreichen wird, noch im Hinblick darauf, dass der Kläger nur eine - auf ein engeres Tätigkeitsspektrum begrenzte - Sonderbedarfszulassung begehrt (vgl. BSG, Beschl. v. 12.10.2005 - B 6 KA 47/04 B – juris; BSG, Beschl. v. 26.09.2005 B 6 KA 69/04 B – juris; BSG, Beschl. v. 01.09.2005 - B 6 KA 41/04 R – juris = www.sozialgerichtsbarkeit.de).

Ausgehend hiervon war der Streitwert in Höhe eines dreifachen Jahresumsatzes des Klägers abzüglich einer geschätzten Kostenquote von 50 % festzusetzen. Nicht zu berücksichtigen war, dass die Beklagte die Honoraransprüche des Klägers mit den festgesetzten Honorarberichtigungen verrechnet hat. Nach den von der Beigeladenen zu 1) vorgelegten Honorarunterlagen für die letzten vier Quartale II/15 bis I/16 beträgt der Gesamtumsatz für diese Quartale 177.240,61 EUR. Multipliziert mit 3 ergibt dies einen Umsatz von 531.721,83 Euro. Unter Berücksichtigung einer Kostenquote von 50 % verbleiben 265.860,00 EUR. Dies ergab den festgesetzten Streitwert.
Rechtskraft
Aus
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