S 6 KR 93/16

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 6 KR 93/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
Sprungrevision
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 24/16 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 300,00EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.05.2016 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens

Die Berufung wird zugelassen.

Die Sprungrevision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung der Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c S. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) nebst Zinsen.

Die bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte D. wurde im Stadtkrankenhaus A Stadt, dessen Trägerin die Klägerin ist, vom 26.08.2015 bis 22.09.2015 vollstationär behandelt. Die Klägerin rechnete den Aufenthalt mit der Beklagten ab. Die Rechnung über 60.475,48EUR glich die Beklagte vollständig aus. Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) mit der Überprüfung. Der MDK sollte die folgende Frage prüfen:

Ist die Anzahl der Beatmungsstunden korrekt?

Dies teilte die Beklagte der Klägerin unter ausdrücklichem Hinweis darauf, dass eine sachlich-rechnerische Prüfung der Abrechnung durchgeführt werden solle, mit Schreiben vom 16.11.2015 mit.

Diese Frage beantwortete der MDK zugunsten der Klägerin.

Die Klägerin machte sodann mit Rechnung vom 23.02.2016 eine Aufwandspauschale in Höhe von 300,- EUR für die Prüfung geltend. Die Beklagte beglich die Rechnung nicht.

Die Klägerin hat am 10.05.2016 Klage erhoben.

Sie trägt im Wesentlichen vor, dass ihr die Aufwandspauschale in Höhe von 300,- EUR zustehe. Eine Aufwandspauschale falle immer dann an, wenn trotz Prüfung der Rechnungsbetrag unvermindert geblieben sei. Dies sei hier der Fall. Die Klägerin vertritt außerdem die Auffassung, dass sich die neuere Rechtsprechung des 1. Senates des Bundessozialgerichts, wonach für eine Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit keine Aufwandspauschale anfalle, über den Wortlaut des § 275 Abs. 1, 1c SGB V in unzulässiger Weise hinweggesetzt habe. Für diese Rechtsprechung gebe es keine Rechtsgrundlage.

Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 300,00EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.02.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass sie lediglich die sachlich-rechnerische Richtigkeit der Rechnung der Klägerin überprüft habe. Es handele sich nicht um eine Auffälligkeitsprüfung. Daher sei nach der Rechtsprechung des 1. Senates des Bundessozialgerichts die Regelung des § 275 Abs. 1c SGB V für den vorliegenden Fall nicht einschlägig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakte verwiesen, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihre Zustimmung erteilt haben.

Die zulässige Leistungsklage ist auch ganz überwiegend begründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf 300,- EUR für die im Streit stehende Prüfung der Krankenhausrechnung der Klägerin vom 23.02.2016 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.05.2016.

Rechtsgrundlage des Anspruchs des Krankenhausträgers auf Zahlung der Aufwandspauschale ist § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V. Nach § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V ist bei einer Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V eine Prüfung durch den MDK nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V zeitnah durchzuführen. Diese Prüfung ist spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten und durch den MDK dem Krankenhaus anzuzeigen (vgl. § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V). Daran anschließend bestimmt § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V: "Falls die Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führt, hat die Krankenkasse dem Krankenhaus eine Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 Euro zu entrichten." Danach setzt der Anspruch auf die Aufwandspauschale voraus, dass die Krankenkasse eine Abrechnungsprüfung durch den MDK im Sinne des § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V veranlasst hat, dem Krankenhaus durch eine Anforderung von Sozialdaten durch den MDK gemäß § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V ein Aufwand entstanden ist, die Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages geführt hat und das Prüfverfahren nicht durch eine nachweislich fehlerhafte Abrechnung seitens des Krankenhauses veranlasst wurde (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 28.11. 2013, B 3 KR 4/13 R).

Unter Berücksichtigung dessen ist ein Anspruch der Klägerin auf die Aufwandspauschale gemäß § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V entstanden. Insbesondere lag eine Prüfung nach § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V in Verbindung mit § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V vor. Zwar hat die Beklagte vorliegend ausdrücklich ausweislich der Prüfanzeige vom 16.11.2015 eine sachlich-rechnerische Überprüfung der Abrechnung durchgeführt. Auch diese unterfällt jedoch den Vorgaben des § 275 Abs. 1c SGB V. Auch für eine reine Prüfung der "sachlich-rechnerischen Richtigkeit" gilt das Prüfregime des § 275 Abs. 1c SGB V. Die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit einer Abrechnung durch den MDK hat ihre Grundlage - entgegen der Auffassung des 1. Senats des Bundessozialgerichts - in § 275 Abs. 1c SGB V in Verbindung mit § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V und nicht (alleine) in § 301 SGB V. Deshalb entsteht bei einer solchen Prüfung ein Anspruch auf die Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V. Die Kammer schließt sich den Urteilen der Sozialgerichte Darmstadt (Urteil vom 07.12.2015, S 8 KR 434/14 und Urteile vom 23.05.2016, S 8 KR 408/15 und 353/15), Kassel (Urteil vom 04.05.2016, S 12 KR 72/16), Speyer (Urteil vom 22.04.2016, S 12 KR 72/16 und Urteil vom 28.07.2015, S 19 KR 588/14), Mainz (Urteil vom 18.04.2016, S 3 KR 580/15 und Urteil vom 04.05.2015, S 3 KR 428/14), Detmold (Urteil vom 31.03.2016, S 3 KR 182/15 und Urteil vom 04.02.2016, S 24 KR 380/15), Würzburg (Urteil vom 24.03.2016, S 11 KR 628/15), Rostock (Urteil vom 02.03.2016, S 15 KR 406/13), Osnabrück (Urteil vom 27.01.2016, S 34 KR 98/15 und Urteil vom 09.12.2015, S 34 KR 238/15), Gelsenkirchen (Urteil vom 21.05.2015, S 11 KR 160/13), Dortmund (Urteil vom 06.07.2015, S 40 KR 514/13, Urteil vom 19.01.2016, S 13 KR 357/15, Urteil vom 23.10.2015, S 39 KR 33/13 und Urteil vom 22.06.2015, S 40 KR 867/13), Halle (Urteil vom 27.05.2015, S 35 KR 570/13), Ulm (Urteil vom 18.06.2015, S 13 KR 2461/14), Augsburg (Urteil vom 15.12.2015, S 6 KR 97/15) und Oldenburg (Urteil vom 11.01.2016, S 62 KR 163/15) an.

Insbesondere der Wortlaut des § 275 Abs. 1c SGB V in Verbindung mit § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V spricht dafür, dass gerade auch die Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung, also der sachlich-rechnerischen Richtigkeit, von § 275 Abs. 1, 1c SGB V erfasst werden soll (vgl. hierzu insbesondere SG Osnabrück, Urteil vom 10.12.2015, S 34 KR 238/15 und SG Darmstadt, aaO). Für eine Begrenzung der Anwendung der Vorschriften auf die Prüfung der Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots findet sich kein Anhaltspunkt in der Formulierung der Vorschriften (so auch Knispel, Gesundheitsrecht 2015, S. 200, 206; Hambüchen, Rechtsgutachten im Auftrag der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen e.V. vom 04.01.2016, S. 19). Die Überprüfung durch den MDK soll nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V "bei Erbringung von Leistungen" stattfinden. Dies konkretisiert § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V auf die Leistung der "Krankenhausbehandlung nach § 39". Das Wort "insbesondere" in § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V macht deutlich, dass die Aufzählung in § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V nicht abschließend ist und neben der Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie von Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung auch noch weitere Prüfungsgegenstände erfasst werden können (vgl. Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 4.5.2015, S 3 KR 428/14). In Bezug auf die "Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung" enthält der Wortlaut der Vorschrift eine einschränke Voraussetzung. Sie darf nur "bei Auffälligkeiten" erfolgen. Jedoch wird keine Differenzierung zwischen Auffälligkeiten in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit der Abrechnung und Auffälligkeiten in Bezug auf die sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung vorgenommen (vgl. SG Darmstadt, Urteil vom 07.12.2015, S 8 KR 434/14). Vielmehr ist nach dem Wortlaut der Norm auch die "sachlich-rechnerische Richtigkeit" Bestandteil einer "ordnungsgemäßen Abrechnung" gemäß § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V (SG Würzburg, Urteil vom 24.03.2016, S 11 KR 628/15).

§ 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V verweist ohne Einschränkung auf § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Sofern eine Prüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V vorliegt, entsteht daher - soweit die weiteren Voraussetzungen des § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V vorliegen - auch ein Anspruch auf die Aufwandspauschale.

Diese Auffassung der Kammer entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, der als Reaktion auf die neuere Rechtsprechung des 1. Senates des Bundessozialgerichts zum 1.1.2016 einen Satz 4 in § 275 Abs. 1c SGB V eingeführt hat, wonach § 275 Abs. 1c SGB V ausdrücklich für alle Prüfungen gelten soll. Wörtlich heißt es in § 275 Abs. 1c S. 4 SGB V in der Fassung vom 10.12.2015: "Als Prüfung nach Satz 1 ist jede Prüfung der Abrechnung eines Krankenhauses anzusehen, mit der die Krankenkasse den Medizinischen Dienst beauftragt und die eine Datenerhebung durch den Medizinischen Dienst beim Krankenhaus erfordert." In der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit zu dem Gesetzentwurf des "Gesetzes zur Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung" (BT Drs. 18/6586, S. 121 f.) hat der Gesetzgeber dazu ausgeführt: "In einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) (BSG 1 KR 29/13R) hat der erkennende 1. Senat eine rechtliche Differenzierung zwischen Auffälligkeitsprüfungen und Prüfungen auf sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Krankenhausrechnung vorgenommen. Während er auf Auffälligkeitsprüfungen § 275 Absatz 1c anwendet, ist er der Auffassung, dass diese Vorschrift für Prüfungen der sachlich-rechnerischen Richtigkeit nicht gilt. Für Letztere gelte weder die Frist des § 275 Absatz 1c Satz 2 noch die Pflicht zur Entrichtung eine Aufwandspauschale nach § 275 Absatz 1c Satz 3. Vielmehr unterlägen sie einem eigenen Prüfregime. Infolge dieses Urteils sind zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen Probleme entstanden, weil Krankenkassen sich bei Prüfungen der Krankenhausabrechnungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vermehrt auf den Standpunkt stellen, es handele sich um Prüfungen der sachlich-rechnerischen Richtigkeit, bei denen keine Aufwandspauschale zu zahlen und keine Frist zu beachten sei. Hinzu kommt, dass im Schrifttum teilweise kritisiert wird, dass es für die Trennung der beiden Prüfarten im Gesetz keine hinreichende Stütze gebe und es an Abgrenzungskriterien fehle. Deshalb wird mit der Neuregelung des § 275 Absatz 1c Satz 4 nunmehr bestimmt, dass sich die Fristen- und Anzeigeregelung des Satzes 2 und die Regelung zur Aufwandspauschale in Satz 3 auf jede Prüfung der Abrechnung einer stationären Behandlung beziehen, mit der eine Krankenkasse den MDK beauftragt und die eine Datenerhebung durch den MDK beim Krankenhaus erfordert. Dies gilt sowohl für die vom 1. Senat des BSG angesprochenen Auffälligkeitsprüfungen als auch für die Prüfungen auf sachlich-rechnerische Richtigkeit. Mit der Voraussetzung, dass es sich um Prüfungen handeln muss, die eine Datenerhebung durch den MDK erfordern, wird auf das vom BSG entwickelte System der dreistufigen Sachverhaltsermittlung Bezug genommen. Dadurch wird in Übereinstimmung mit diesem Ansatz zum Ausdruck gebracht, dass § 275 Absatz 1c nur für Prüfungen auf der dritten Stufe der Sachverhaltserhebung anwendbar ist. Dies ist dann der Fall, wenn der MDK den Prüfauftrag der Krankenkasse nur mit Angaben und Unterlagen des Krankenhauses erfüllen kann und deshalb eine Prüfung durchführen muss, die Außenwirkung auf das Krankenhaus hat. Durch eine derartige Prüfung entsteht dem Krankenhaus ein besonderer Aufwand, der - falls es nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages kommt - durch die Pauschale zu entschädigen ist. Die Neuregelung hat zugleich zur Folge, dass Sachverhaltsermittlungen, die eine Einsichtnahme in Unterlagen des Krankenhauses oder sonstige Datenanforderungen beim Krankenhaus erfordern, ausgeschlossen sind, wenn die Frist nach Satz 2 ungenutzt abgelaufen ist. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um eine Prüfung der sachlichen und rechnerischen Richtigkeit der Krankenhausabrechnung oder um eine Auffälligkeitsprüfung handelt. Dadurch sollen die bereits mit den Sätzen 2 und 3 verfolgten Zwecke der Beschleunigung und Planungssicherheit gestärkt werden. ( ...)"

Vor dem Hintergrund dieses eindeutigen gesetzgeberischen Willens hält die Kammer die für die Vergangenheit ergangene Rechtsprechung des 1. Senates des Bundessozialgerichts für nicht überzeugend, zumal sie sich auch nicht mit der historischen Auslegung der Regelungsgeschichte deckt. Die Formulierung in § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V "sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung" wurde durch das Gesetz zur Einführung des diagnoseorientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser vom 23. April 2002 mit Wirkung zum 01. Januar 2003 ins SGB V eingefügt. Diese Änderung fand im Rahmen der Einführung des DRG-Systems zur Vergütung der Krankenhausleistungen in das Gesetz statt (BT-Drs. 14/7862, S. 6). Dies spricht dafür, dass gerade auch die ordnungsgemäße Anwendung der Kodiervorschriften erfasst sein sollte und damit die sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung (vgl. Knispel, Gesundheitsrecht 2015, S. 200, 206; SG Darmstadt, Urteil vom 07.12.2015). Dass der Gesetzgeber die Vorschrift auf die Prüfung bei Auffälligkeiten im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot begrenzen wollte, lässt sich der Begründung zum Gesetzesentwurf nicht entnehmen (vgl. BT Drs. 14/7862, S. 6). Die Regelung des § 275 Abs. 1c SGB V hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26. März 2007 in das SGB V eingefügt. Der Gesetzgeber sah einen "Handlungsbedarf im Hinblick auf den Umfang der gutachtlichen Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), die Krankenkassen im Rahmen der Einzelfallprüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 anfordern" (BT-Drucksache 16/3100, S 171). Die eingeführte Frist von sechs Wochen sollte bewirken, Einzelfallprüfungen zukünftig zielorientierter und zügiger einzusetzen. Um einer ungezielten und übermäßigen Einleitung von Begutachtungen durch den MDK entgegenzuwirken, wurde die Regelung über eine Aufwandspauschale eingeführt (BT-Drucksache 16/3100, S 171). Es stände in starkem Widerspruch zu dieser Intention des Gesetzgeber, wenn beide Regelungen (Aufwandspauschale und die Frist von sechs Wochen) auf einen großen Teil der Abrechnungsprüfungen, namentlichen jene auf sachlich-rechnerische Richtigkeit, gar keine Anwendung finden würden (vgl. Hambüchen a.a.O, S. 21; SG Darmstadt, Urteil vom 07.12.2015, S 8 KR 434/14).

Dieses Auslegungsergebnis wird auch durch die systematische Auslegung bestätigt. Das SGB V regelt in seinem Neunten Kapitel (§ 275 - § 283) abschließend die Einbindung des MDK in die Leistungs- und Abrechnungsprüfung der Krankenkasse, also die Frage, wann und in welchen Fällen eine Begutachtungs-, Beratungs- und Prüfkompetenz des MDK besteht, während § 301 SGB V systematisch im Zweiten Abschnitt des Zehnten Kapitels des SGB V steht und die Form und das Verfahren bei der Übermittlung der Behandlungs- bzw. Patientendaten zwischen Krankenhaus und Krankenkasse regelt. § 301 SGB V sieht gerade keine Prüfungskompetenzen durch den MDK vor (vgl. SG Speyer Urteil vom 28.07.2015, S 19 KR 588/14; SG Detmold, Urteil vom 04.02.2016, S 24 KR 380/15).

Zwar ist eine Differenzierung der Prüfregime zwischen sachlich-rechnerischen Prüfungen und Wirtschaftlichkeitsprüfungen dem SGB V im Bereich des Vertragsarztrechts nicht fremd. Die dazu ergangenen Regelungen in §§ 106, 106a SGB V stehen jedoch in keinerlei systematischem Kontext mit der Prüfung von Krankenhausabrechnungen.

Nicht zuletzt entspricht die vorgenommene Auslegung auch dem Sinn und Zweck des Gesetzes. Es sollen Anreize zur Vermeidung unverhältnismäßiger und nicht sachgerechter Prüfungen zur Einzelfallsteuerung gesetzt werden, Bürokratie abgebaut, eine Beschleunigung des Prüfverfahrens erreicht und mit der Aufwandspauschale eine vereinfachte - keine Detailgerechtigkeit in jedem Einzelfall gewährleistende - Regelung geschaffen werden (vgl. BT-Drs. 16/3100, S. 171). Ein Ausklammern der Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit aus § 275 Abs. 1c SGB V in Verbindung mit § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V würde diesem Zweck widersprechen.

Aus diesen Gründen musste die Klage hinsichtlich der Hauptforderung Erfolg haben.

Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB, wonach der Schuldner einer Geldschuld diese von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen hat (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 23.6.2015, Az. B 1 KR 24/14 R). Der von der Klägerin geltend gemachte Zinsanspruch kann nicht auf Vereinbarungen oder sonstige Regelungen zum Anspruch auf Vergütung für erbrachte Leistungen gestützt werden, da die Aufwandspauschale kein Vergütungsanspruch des Leistungserbringers ist. Die Klägerin kann daher - mangels anderweitiger Rechtsgrundlage - nur Prozesszinsen nach §§ 291, 288 Abs. 1 S 2 BGB geltend machen (Urteil des Bundessozialgerichts vom 23.6.2015, Az. B 1 KR 24/14 R). Danach hat der Schuldner eine Geldschuld von dem Eintritt der Rechtshängigkeit (§ 94 SGG) an zu verzinsen. Im vorliegenden Fall liegt er Beginn am 10.05.2016, denn die Klage ist an diesem Tag beim SG eingegangen und damit nach § 94 SGG rechtshängig geworden. Ein Anspruch auf darüber hinausgehende Verzugszinsen seit dem 17.09.2015 besteht nicht. Insoweit war die Klage abzuweisen.

Da es bei Aufwandspauschalen nicht um Entgeltforderungen bei Rechtsgeschäften geht (Urteil des Bundessozialgerichts vom 23.6.2015, Az. B 1 KR 24/14 R), besteht der Anspruch in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO und folgt der Entscheidung in der Hauptsache. Der Anteil des Unterliegens im Hinblick auf einen Teil der Zinsentscheidung ist im Ergebnis von so untergeordneter Bedeutung, das er sich in der Kostenentscheidung nicht widerspiegelt.

Die Berufung war nach § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG zuzulassen, weil die Kammer von der Rechtsprechung des 1. Senates des Bundessozialgerichts abweicht und die Entscheidung darauf beruht.

Die Sprungrevision nach § 161 SGG war auf Antrag der Beteiligten zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG hat.
Rechtskraft
Aus
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