L 5 SF 92/15 E

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 SF 92/15 E
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Termingebühr nach Nr. 3104 VV-RVG i.V.m.Teil 3 Vorb. 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 kann durch ein Telefonat ausgelöst werden, setzt aber die grundsätzliche Bereitschaft der Gegenseite zu einer einvernehmlichen Beendigung des jeweiligen konkreten Verfahrens voraus.
Die Erinnerung der Erinnerungsführer gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 10. November 2015 wird zurückgewiesen. Das Verfahren ist gebührenfrei. Die außergerichtlichen Kosten des Erinnerungsgegners tragen die Erinnerungsführer. Der Wert des Erinnerungsverfahrens wird auf 4.245,44 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Rechtsanwaltskosten der Erinnerungsführer.

Streitig ist im Hauptsacheverfahren die Rechtmäßigkeit eines Regresses gegen die Kläger, eine Berufsausübungsgemeinschaft von Ärzten. Nach klageabweisendem Urteil haben die Erinnerungsführer für die Kläger Berufung eingelegt und ebenfalls am 11. März 2015 die Herstellung der aufschiebenden Wirkung der Berufung beantragt, weil die zu 6) beigeladene Kassenärztliche Vereinigung ab Februar 2015 jegliche Honorarzahlungen eingestellt hatte. Gegenstand eines an die Beigeladene zu 6) gerichteten Schriftsatzes der Erinnerungsführer vom 11. März 2015 war die vergleichsweise Erledigung des Regressverfahrens, den die Beigeladene zu 6) an den Antragsgegner weitergeleitet hatte. Ergänzend dazu übersandten die Antragsteller eine E-Mail mit dem Vorschlag einer Zahlungsregelung. Am 27. April 2015 fand zwischen den Erinnerungsführern und dem Vorsitzenden des Erinnerungsgegners ein Telefonat statt, auf das die Erinnerungsführer in einem Telefonat mit der Geschäftsstelle des für das Rechtsschutzverfahren zuständigen 4. Senat des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts hinwiesen und anfragten, wann mit einer Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu rechnen sei. Ein gerichtlicher Vergleichsvorschlag vom 30. April 2015 führte nicht zu einer Erledigung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens. Daraufhin hat der 4. Senat mit Beschluss vom 29. Mai 2015 die teilweise Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Berufung angeordnet. Hinsichtlich der Kostenentscheidung hat der Senat entschieden, dass die Erinnerungsführer die Kosten des Verfahrens zur Hälfte tragen, die Erinnerungsgegnerin und die Beigeladene zu 6) je zu einem Viertel.

Die Erinnerungsführer haben daraufhin mit Kostenantrag die Festsetzung von 8.868,48 EUR beantragt, davon 3.567,60 EUR als Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 VV-RVG zuzüglich Mehrwertsteuer. Die Entstehung der Terminsgebühr, so die Erinnerungsführer, ergebe sich aus der Vorbemerkung 3 Abs. 3 von Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses, wonach die Gebühr auch für Besprechungen, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet seien, entstehe. Einen Erfolg der gütlichen Einigung setze diese Gebührenziffer nicht voraus. Dieser Tatbestand sei mit dem Telefonat am 27. April 2015 erfüllt.

Mit Beschluss vom 10. November 2015 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts die zu erstattenden Gebühren und Auslagen auf 4.623,03 EUR festgesetzt, wovon die Antragsgegnerin und die Beigeladene zu 6) je ein Viertel (1.155,76 EUR) zu tragen hätten. Für den Ansatz der Terminsgebühr der Nr. 3104 VV-RVG fehle es an der dafür erforderlichen Mitwirkung an Besprechungen, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet seien.

Gegen den Beschluss richtet sich die Erinnerung der Erinnerungsführer vom 1. De-zember 2015. Zur Begründung verweisen die Erinnerungsführer erneut auf das am 27. April 2015 erfolgte Telefonat mit dem Erinnerungsgegner, in dem darüber gesprochen worden sei, alle laufenden Verfahren vergleichsweise zu beenden. In diesem Zusammenhang sei auch auf den Schriftsatz vom 11. März 2015 und die E-Mail vom 25. März 2015 hinzuweisen, deren Inhalt ebenfalls eine vergleichsweise Erledigung gewesen sei. Jede bereits über die passive Teilnahme hinausgehende Tätigkeit bei einer auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung genüge als Mitwirkung im Sinne der Nr. 3104 VV-RVG aus. Auch das laufende Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz sei Gegenstand des Telefonats gewesen. Der Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners habe sich nicht geweigert, über die Vergleichsoption zu sprechen, sondern vielmehr mitgeteilt, dass eine vergleichsweise Lösung erst nach der Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz denkbar sei.

Der Erinnerungsgegner und die Beigeladenen zu 1) und 6) sind der Auffassung, dass das Telefonat vom 27. April 2015 nicht geeignet sei, die Voraussetzungen für eine Terminsgebühr nach der Nr. 3104 VV-RVG zu erfüllen.

Auf Anforderung des Senats hat der Vorsitzende des Erinnerungsgegners den Inhalt des Gesprächs am 27. April 2015 aus seiner Erinnerung wiedergegeben.

II.

Der Senat entscheidet mit seinen Berufsrichtern, da die hier maßgebende Vorschrift des § 197 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Verfahrensvorschriften des RVG verdrängt und damit auch § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG, der die Entscheidung durch den Einzelrichter vorsieht, keine Anwendung findet (vgl. Beschluss des Senats vom 12. Feb¬ruar 2014 – L 5 SF 502/13 B E).

Die Erinnerung ist zulässig, aber unbegründet. Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10. November 2015 ist nicht zu beanstanden, da die Voraussetzungen für die Festsetzung einer Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV-RVG auch in Verbindung mit Teil 3 Vorb. 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 nicht vorliegen.

Nach dieser Vorschrift entsteht eine Terminsgebühr auch für die Mitwirkung an Besprechungen, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet sind; dies gilt nicht für Besprechungen mit dem Auftraggeber. Zutreffend weisen die Erinnerungsführer darauf hin, dass die Gebühr nicht davon abhängig ist, dass die Vergleichsverhandlungen zu einem Erfolg führen. Darauf gerichtete Besprechungen reichen aus. Auf der anderen Seite reicht eine einseitige Absicht, das gerichtliche Verfahren zu erledigen oder zu vermeiden, nicht aus. Vielmehr ist auch erforderlich, dass die Gegenseite die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens zumindest im Laufe der Besprechung für sich mit ins Auge fasst und die Besprechung (auch) zu diesem Zwecke führt (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 2. März 2009 – 3 O 158/08; OVG Hamburg, Beschluss vom 10. Januar 2006 – 1 So 177/05). Verweigert der Gegner von vornherein entweder ein solches sachbezogenes Gespräch oder eine gütliche Einigung, kommt eine auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung bereits im Ansatz nicht zu Stande (BGH, Beschluss vom 6. März 2014 – VII ZB 40/13; Beschluss vom 20. No¬vember 2006 -–II ZB 9/06; OVG NRW, Beschluss vom 3. Februar 2014 – 6 E 1209/12; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, VVVorb. 3 Rz. 174 m. w. N.).

Mit der Regelung in der Vorb 3 soll das ernsthafte Bemühen des Prozessbevollmächtigten um einen Abschluss des Verfahrens ohne Beteiligung des Gerichts honoriert und damit zugleich die außergerichtliche Streitbeilegung gefördert werden (OLG München, Beschluss vom 21. März 2014 – 11 W 457/14). Eine solche Besprechung im Sinne der Vorschrift kann nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. etwa Beschluss vom 11. April 2016 – L 5 SF 44/14 B E –) auch in einem Telefonat erfolgen, weil der vom Gesetz verwendete Begriff "Besprechungen" keine Einschränkung auf persönliche Gespräche enthält, die Regelung insgesamt die Erledigung von Verfahren ohne Beteiligung des Gerichts durch Honorierung von darauf gerichteten Bemühungen des Anwalts fördern soll und kein Grund ersichtlich ist, warum solche Bemühungen nicht auch telefonisch erfolgen können (so auch Bayrisches LSG, Beschluss vom 21. Feb¬ruar 2011 -–L 15 SF 168/10 B E; Hartmann, Kostengesetze, Nr. 3104 VV-RVG Rz. 9 m. w. N.).

Nach dem Akteninhalt und dem Vortrag der Beteiligten hat eine auf die Erledigung gerichtete Besprechung i. S. d. Vorb weder im Telefonat vom 27. April 2015 noch zu einem anderen Zeitpunkt stattgefunden. Zwar ist dem Telefonvermerk der Geschäftsstelle des 4. Senats vom 30. April 2015, der Wiedergabe des Gesprächs durch den Vorsitzenden des Antragsgegners, aber auch den Aufzeichnungen der Erinnerungsführer über das Gespräch und ihrem Vortrag zu entnehmen, dass eine vergleichsweise Erledigung durch die Erinnerungsführer angesprochen wurde. Deutlich wird allerdings auch anhand aller Vermerke, dass der Vorsitzende des Antragsgegners erst die Entscheidung des Landessozialgerichts im einstweiligen Rechtsschutzverfahren abwarten wollte. Daher kann von der für das Entstehen der Vergleichsgebühr notwendigen grundsätzlichen Einigungsbereitschaft des Erinnerungsgegners hinsichtlich des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht ausgegangen werden, wenn er dessen Abschluss vor weiteren Vergleichsgesprächen (über die Hauptsache) abwarten wollte. Voraussetzung für die Entstehung der Gebühr ist, wie oben näher ausgeführt, dass es überhaupt zu einer inhaltlichen Ausrichtung auf eine Verfahrenserledigung kommt. Dazu gehören Vergleichsgespräche im eigentlichen Sinne. Die Gegenseite muss die Bereitschaft erkennen lassen, in Überlegungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Beendigung des Verfahrens einzutreten (OVG Mecklenburg-Vorpommern a. a. O.). In diesem Zusammenhang weisen aber auch die Erinnerungsführer in ihrem Schriftsatz vom 22. Juli 2016 darauf hin, dass sich der Antragsgegner nicht geweigert habe, über die Vergleichsoptionen zu sprechen, sondern mitgeteilt habe, dass eine vergleichsweise Lösung "erst nach der Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz denkbar sei".

Da für die Erinnerung grundsätzlich eine eigene Gebühr anfällt (Nr. 3500 VV-RVG), ist eine Kostenentscheidung geboten (Leitherer, Kommentar zum SGG, § 197 Rz. 10, 10. Aufl. m. w. N.; Straßfeld in Jansen, SGG-Kommentar, § 197 Rz. 13). Diese folgt aus § 197a Abs. 1 SGG i. V. m. § 154 VwGO.

Der Wert des Erinnerungsverfahrens orientiert sich an der hier allein streitigen Terminsgebühr zuzüglich Umsatzsteuer.

Im Übrigen ist das Verfahren gebührenfrei.

Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 197 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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