L 13 AS 1585/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 13 AS 2221/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 1585/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 10. März 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine Aufforderung des Beklagten, persönlich zur ärztlichen Untersuchung zu erscheinen.

Der 1963 geborene Kläger bezieht von dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II); mit Bescheid vom 10. April 2015 bewilligte der Beklagte dem Kläger von Mai 2015 bis April 2016 829,00 EUR monatlich und mit Bescheid vom 5. April 2016 von Mai 2016 bis April 2017 834,00 EUR monatlich.

Mit Schreiben vom 8. April 2015 lud der Beklagte den Kläger in seinem Interesse und mit seinem Einverständnis gemäß § 32 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) zur Abklärung seiner Erwerbsfähigkeit für den 27. April 2015 um 09:00 Uhr zu einer ärztlichen Untersuchung nach § 59 SGB II i. V. m. § 309 Abs. 1 SGB III ein. Ziel der Untersuchung sei es, die gesundheitliche Leistungsfähigkeit des Klägers abzuklären. Die Untersuchung finde statt bei N. P., Agentur für Arbeit -Ärztlicher Dienst- x.-Strasse xxx, X., Zimmer xxx. Es erfolgte eine Rechtsfolgenbelehrung für den Fall des Nichterscheinens (Minderung um 10 % des Regelbedarfs) bzw. mangelnde Mitwirkung an der Untersuchung (Versagung nach § 66 SGB I). Mit Schreiben vom 17. April 2015 erhob der Kläger hiergegen Widerspruch. In der Anordnung sei noch nicht einmal begründet worden, warum trotz vorgelegter ärztlicher Unterlagen eine persönliche Untersuchung für erforderlich gehalten werde. Sein Schlafrhythmus sei dem Beklagten seit langem bekannt; er könne nur nachmittags Termine wahrnehmen. Ob er sich einer ärztlichen Untersuchung aussetze, hänge dazu noch vom Namen des Arztes sowie von dessen Fachgebiet ab. Zudem sei der normale Arbeitsplatz des Arztes anzugeben, wenn er nicht Gutachten erstelle. Bis Mitte Mai sei er auch aufgrund ablaufender Ausschlussfristen und wegen TÜV und hierfür notwendigen Reparaturen vollständig ausgebucht. Ohne die ausstehenden Angaben wäre eine Nichtfolgeleistung nicht sanktionierbar.

Der Kläger hat den Termin zur ärztlichen Untersuchung nicht wahrgenommen. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2015 verwarf der Beklagte den Widerspruch als unzulässig. Bei dem Schreiben vom 8. April 2015 handele es sich um ein Einladungsschreiben und nicht um einen Verwaltungsakt. Der Widerspruchsbescheid wurde am 24. Juni 2015 zur Post aufgegeben.

Am 27. Juli 2015 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Mit der Anordnung zur Untersuchung seien schwerwiegende Sanktionen angekündigt worden, sodass es sich sicherlich um einen Verwaltungsakt handele. Zu weiteren Begründung hat er sich auf seine Widerspruchsbegründung bezogen. Mit Gerichtsbescheid vom 10. März 2016 hat das SG das als Fortsetzungsfeststellungsklage verstandene Begehren des Klägers als unzulässig verworfen, da kein berechtigtes Interesse hierfür vorgelegen habe. Weder sei ein Rehabilitationsinteresse noch die Absicht, eine Schadensersatz- oder Entschädigungsklage anzustrengen, oder eine konkrete Wiederholungsgefahr dargelegt worden oder ersichtlich.

Gegen den dem Kläger am 16. März 2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat er am 18. April 2016 (Montag) Berufung eingelegt. Es bestehe eine Wiederholungsgefahr, da für den Fall eines erneuten Ladungsbescheides zur ärztlichen Untersuchung abermals Sanktionen angedroht würden, eine morgendliche Terminierung und eine wiederholte Verweigerung der Namhaftmachung des Arztes drohe. Es sei ihm unzumutbar, sich erst gegen die Sanktionierung zu wehren.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass der Bescheid vom 8. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juni 2015 rechtswidrig ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Sanktionen seien keine erfolgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist gem. §§ 143, 144, 151 SGG zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zutreffend als Fortsetzungsfeststellungsklage gewertet und mangels berechtigtem Interesse als unzulässig verworfen.

Gemäß § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der vorher durch Zurücknahme oder anderes erledigte Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

Das SG hat zutreffend entschieden, dass es sich bei der Aufforderung vom 8. April 2015 um einen Verwaltungsakt handelt. Gemäß § 31 SGB X ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Der Beklagte hat in der Aufforderung zum persönlichen Erscheinen zur ärztlichen Untersuchung vom 8. April 2015 sich zum Einen auf § 32 SGB III, andererseits aber auch auf § 59 SGB II i. V. m. § 309 SGB III gestützt. Bei einer Meldeaufforderung nach § 59 SGB II handelt es sich aber nach der überzeugenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) um einen Verwaltungsakt (siehe Beschluss vom 19. Dezember 2011, B 4 AS 146/11 B, Juris). Hiernach ist das Aufforderungsschreiben insgesamt als Verwaltungsakt anzusehen. Dieser Verwaltungsakt hat sich am 27. April 2015 erledigt, nachdem der Untersuchungstermin abgelaufen war. Eine Fortsetzungsfeststellungsklage ist auch zulässigerweise möglich, wenn -wie hier- die Erledigung vor Erhebung der Klage (27. Juli 2015) eingetreten ist (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Auflage, § 131 Rdnr. 7d m.w.N.). Der Kläger hat auch fristgerecht Widerspruch und Klage erhoben, so dass die Klage insoweit zulässig ist. Der Kläger hat aber kein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass der Bescheid rechtwidrig ist. Die vom Kläger im Berufungsverfahren behauptete Wiederholungsgefahr besteht nicht. Ausreichend ist eine hinreichend bestimmte konkrete Gefahr, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleichartige Entscheidung ergehen wird. Es genügt die nicht entfernt liegende Möglichkeit eines wiederholten Auftretens der Rechtsfrage (vgl. Meyer-Ladeweg/Keller/Leitherer, a.a.O., § 131 Rdnr. 10b m. w. N.). Es besteht nur die entfernt liegende Möglichkeit eines wiederholten Auftretens derselben Rechtsfrage, nämlich, ob der Beklagte wie konkret erfolgt, zur ärztlichen Untersuchung auffordern darf. Der Beklagte kann im Falle einer weiteren Aufforderung zur ärztlichen Untersuchung, die möglich wäre, dem Kläger vorab -ggf. durch den hinzugezogenen Arzt- die Gründe für seine persönlichen Untersuchung darlegen, sodass sich insoweit bereits eine wesentliche Abweichung zur vorliegenden Konstellation ergeben kann. Es besteht auch die Möglichkeit, dass der Beklagte nicht nur den Namen des Arztes - wie im vorliegenden Fall - sondern auch dessen Fachgebiet und seine Beziehung zum Beklagten darlegt. Da der Beklagte jedoch auch eine Sanktion gemäß § 32 SGB II bisher nicht festgestellt hat, eine weitere Einladung zur ärztlichen Untersuchung nicht vorgenommen hat, ist es auch gut möglich, dass der Beklagte derzeit von weiteren Einladungen zur ärztlichen Begutachtung absieht. Gegen eine Wiederholungsfahr in der vorliegenden Konstellation spricht auch, dass der Beklagte die Aufforderung sowohl auf § 32 SBG III als auch auf § 59 SGB II i. V. m. § 309 SGB III gestützt hat. Eine solche Vermengung zweier Ermächtigungsgrundlagen mit unterschiedlichen Anforderungen dürfte ebenfalls kaum wiederholt werden. Schließlich ist es auch möglich, dass der Beklagte dem Kläger nachmittags einen Termin gibt. Zudem dürfte die Abwendung weiterer Prozesse beim klagefreudigen Kläger (s. nur seinen Schriftsatz vom 18. Mai 2016 und die Vorverfahrensliste des Landessozialgerichts Baden-Württemberg) durch die Klärung dieser Konstellation nicht erreicht werden. Das SG hat auch zutreffend dargelegt, dass andere Interessen, die ein berechtigtes Interesse für eine Fortsetzungsfeststellungsklage darstellen könnten (siehe hierzu Maier-Ladeweg/Keller/Leitherer, a. a. O. § 131 Rdnr. 10 a), nicht vorliegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass der Kläger mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und der Beklagte keinen berechtigten Anlass zur Erhebung der Fortsetzungsfeststellungsklage gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Aufl., § 193 SGG Rdnr. 8 erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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