Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 964/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 3848/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30. Juli 2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.
Der 1962 geborene Kläger hat den Beruf des Bankkaufmanns erlernt. Er war als Bankkaufmann, selbstständiger Anlageberater, Vertriebsmitarbeiter im Finanzbereich und zuletzt als kaufmännischer Angestellter (Abteilungsleiter) in der Verpackungsindustrie versicherungspflichtig beschäftigt. Seit dem 05.12.2011 ist der Kläger arbeitsunfähig; vom 16.01.2012 bis 03.06.2013 bezog er Krankengeld, vom 04.06.2013 bis 05.09.2014 Arbeitslosengeld I, anschließend Arbeitslosengeld II. Zwischenzeitlich lebt er von einer privaten Berufsunfähigkeitsrente.
Vom 19.02.2013 bis 26.03.2013 gewährte die Beklagte dem Kläger eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme in der K.-K., Fachklinik für Psychosomatik und Psychotherapie, in St. B ... Im Entlassungsbericht vom 26.03.2013 werden als Diagnosen eine mittelgradige depressive Episode, Benzodiazepin-Abhängigkeit (Abstinenz seit 12/2011) und ein LWS-Syndrom angegeben. Der Kläger wurde sowohl für die letzte Tätigkeit als Abteilungsleiter im Vertrieb im Innendienst als auch für leichte bis mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig leistungsfähig entlassen.
Am 30.08.2013 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung des Klägers durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. M., der in seinem Gutachten vom 07.11.2013 die Diagnosen Somatisierungsstörung mit multiplen Symptomen und insbesondere auch mit einer chronischen somatoformen Schmerzstörung sowie Benzodiazepin-Abhängigkeit (Abstinenz sei 12/2011) und Alkoholmissbrauch (Abstinenz seit 12/2011) angab. Der Kläger sei in der Lage, leichte Arbeiten ohne Zeitdruck, ohne häufige Überkopfarbeiten, ohne häufiges Heben und Tragen von Lasten sowie ohne längere Wirbelsäulenzwangshaltungen mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Auch in der letzten beruflichen Tätigkeit als kaufmännischer Angestellter sei das Leistungsvermögen mit sechs Stunden und mehr anzugeben.
Mit Bescheid vom 11.11.2013 lehnte die Beklagte den Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung ab. Die Einschränkungen, die sich aus den Krankheiten oder Behinderungen des Klägers ergäben, führten nicht zu einem Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung. Der Kläger könne noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein.
Zur Begründung seines hiergegen am 02.12.2013 eingelegten Widerspruchs führte der Kläger aus, aufgrund von Depressionen und Angststörungen 1 ½ Jahre krankgeschrieben gewesen zu sein. Er nehme nach wie vor die ihm verordneten Medikamente ein. Die Vielzahl der psychischen Erkrankungen mache einen Tagesablauf nur unter Einnahme von starken Schmerzmitteln möglich. Die psychische Erkrankung sowie die immer stärker werdenden körperlichen Beschwerden, u.a. verschiedene Arthrosen am ganzen Körper, führten dazu, dass er weniger als drei Stunden täglich arbeitsfähig sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.04.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger sei in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne besonderen Zeitdruck und ohne Nachtschicht täglich sechs Stunden und mehr auszuüben. Auch als kaufmännischer Angestellter sei er noch täglich sechs Stunden und mehr einsatzfähig. Ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung bestehe daher nicht. Hiergegen hat der Kläger am 16.04.2014 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben.
Im Rahmen der Beweisaufnahme hat das SG zunächst die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen gehört und dann Begutachtungen des Klägers durch den Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. D. sowie die Ärztin für Orthopädie Dr. K. veranlasst.
Der Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. L. hat mitgeteilt, den Kläger letztmalig am 03.12.2012 behandelt zu haben und daher keine Aussage zu den an ihn gestellten Beweisfragen treffen zu können. Unter dem 23.05.2014 hat der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. H. ausgeführt, bei dem Kläger lägen neben anhaltender orthopädischer Beschwerden rezidivierende mittelgradige depressive Episoden, ein Diabetes mellitus Typ II sowie Adipositas vor. Eine wesentliche Änderung im Gesundheitszustand sei im Laufe der Behandlung nicht festgestellt worden. Der Kläger nehme regelmäßig Antidepressiva ein. Nach den erhobenen Befunden könne der Kläger leichte Tätigkeiten sechs Stunden täglich verrichten. Aufgrund der orthopädischen Probleme seien körperliche Belastungen zu vermeiden. Aufgrund der Einnahme von Psychopharmaka seien Tätigkeiten mit Autofahrten vorsichtig zu beurteilen und erforderten gegebenenfalls eine neurologische Abklärung. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. C. hat unter dem 28.05.2014 mitgeteilt, den Kläger am 31.01.2014 sowie am 20.03.2014 wegen einer mittelgradigen depressiven Episode und einer somatoformen Schmerzstörung behandelt zu haben. Anamnestisch bestehe ein Alkohol- und Benzodiazepin-Abusus. Im Laufe der Behandlung habe sich keine wesentliche Veränderung im Gesundheitszustand eingestellt. Aufgrund der multiplen und anhaltenden Belastungen durch Schmerzen und rezidivierende depressive Symptome seien leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch drei bis unter sechs Stunden arbeitstäglich möglich. Mangels anderer Kompensationsmöglichkeiten drohe bei Überforderung ein erneuter Alkohol- und Benzodiazepin-Abusus. Der Facharzt für Orthopädie Heber hat in seiner Aussage vom 28.05.2014 insbesondere über Erkrankungen im Bereich der Schultern beidseits berichtet. Über den Schultergelenken sei es im Verlauf der Behandlung zu einer Verschlechterung gekommen. Hier seien zunehmende Schmerzen und alltagsrelevante Einschränkungen und in deren Folge auch zunehmende Beschwerden über der Halswirbelsäule zu verzeichnen. Die Beschwerden über dem unteren Rücken seien wechselhaften, im Verlauf der letzten Untersuchungen zunehmenden Charakters. Aufgrund der orthopädischen Erkrankungen bestünden massive Einschränkungen. Auf einen regelmäßigen Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen müsse geachtet werden. Überkopfarbeiten könnten nicht mehr durchgeführt werden. Das Heben und Tragen schwerer Lasten sei dauerhaft nicht möglich. Unter Einhaltung dieser gravierenden Einschränkungen sei ein Leistungsvermögen von drei bis sechs Stunden maximal täglich möglich. Inwiefern die auf psychiatrischem Fachgebiet bestehenden Diagnosen die Leistungsfähigkeit noch weiter minderten, könne er nicht beurteilen.
Dr. D. hat in seinem Gutachten vom 11.01.2015 angegeben, bei dem Kläger bestehe eine depressiv-dysphorische Entwicklung, eine Angststörung mit Panikattacken, eine Somatisierungsstörung mit dominierender chronischer Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, eigen- und fremdanamnestisch ein Abhängigkeitssyndrom von Benzodiazepinen, anamnestisch Abstinenz seit Dezember 2011, aktuell kein Anhalt für einen Rückfall und Alkoholmissbrauch bei gegenwärtig fortgesetztem Alkoholkonsum. Der Kläger sei nach wie vor in der Lage, Erwerbstätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden auszuüben. Die Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet bedingten eine leichte bis allenfalls mäßige Einschränkung hinsichtlich Arbeitsgeschwindigkeit, Ausdauer, Durchhaltevermögen und sozialer Anpassung. Mehr als die üblichen Arbeitspausen seien aus psychiatrischem Blickwinkel nicht unabdingbar, auch nicht wegen der geklagten Schmerzen. Der Kläger habe die zur Verfügung stehenden therapeutischen Möglichkeiten nicht ausgeschöpft. So bestehe die Möglichkeit, an einer Entwöhnungsmaßnahme unter stationären, tagesklinischen oder ambulanten Rahmenbedingungen teilzunehmen und sich wegen der Affektstörungen mit zumindest teilweise verminderter Impulskontrolle und geklagten Panikattacken infolge der Angststörung einer (ambulanten) psychotherapeutischen Behandlung zu unterziehen.
Dr. K. hat in ihrem Gutachten vom 18.03.2015 über ein chronisches Schmerzsyndrom der Halswirbelsäule, ein chronisches Schmerzsyndrom der Lendenwirbelsäule bei Fehlstatik, Bandscheibenverschleiß, Muskelschwäche der Rumpfmuskulatur, Übergewicht, eine dezente Einklemmungssymptomatik beider Schultergelenke, einen Tennisellenbogen rechts, den Verdacht auf beginnende Sattelgelenksarthrose beidseits, beginnende Hüftgelenksarthrose beidseits, rechts führend, initiale Kniegelenksarthrose rechts, Formvariante der Kniescheibe, initiale Arthrose linkes oberes Sprunggelenk und Achillodynie links berichtet. Der Kläger sei nach wie vor in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne anhaltendes und wiederholtes Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 10 kg mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Zu vermeiden wären Arbeiten in Zwangshaltung, mit wiederholtem und anhaltendem Bücken und Aufrichten des Rumpfes, in Armvorneigehaltung, über Schulterhöhe sowie im Knien und Hocken. Die Gehstrecke sei nicht beeinträchtigt. Mehr als die üblichen Arbeitspausen seien nicht erforderlich. Die zum Leistungsvermögen abweichende Stellungnahme des behandelnden Orthopäden sei nicht durch entsprechende klinische und radiologische Befunde gestützt. Zur Behandlung der körperlichen Beschwerden sei eine konsequente und anhaltende Trainings- und Bewegungstherapie, das konsequente Tragen der verordneten Hilfsmittel sowie eine Gewichtsreduktion zu empfehlen.
Mit Urteil vom 30.07.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Die - näher dargelegten - Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung seien nicht erfüllt, was sich im Wesentlichen aus den Gutachten von Dr. D. und Dr. K. ergebe.
Gegen das ihm am 21.08.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10.09.2015 Berufung eingelegt. Zur Berufungsbegründung hat er im Wesentlichen auf ein für die private Berufsunfähigkeitsversicherung eingeholtes Gutachten von Prof. Dr. W. vom 29.06.2015 Bezug genommen. Die Gutachterin sei zu der Auffassung gelangt, dass der Zustand des Klägers chronifiziert und eine Änderung und Besserung aus psychiatrischer Sicht eher unwahrscheinlich sei. Sie habe eine aktuell rezidivierende Depression mit aktuell mittelschwerer Episode sowie eine Panikstörung mittlerer Ausprägung, eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren sowie abschließend verschiedene orthopädische Störungen festgestellt. Ihre Einschätzung stehe der Auffassung des SG diametral entgegen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30. Juli 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 11. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. April 2014 zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsminderung in gesetzlicher Höhe ab dem 1. August 2013 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers hat der Senat den Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. A. nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 22.04.2016 nach ambulanter Untersuchung des Klägers hat der Gutachter ausgeführt, bei dem Kläger bestehe eine rezidivierende depressive Störung, aktuell mittelschwere Episode, Panikattacken, eine somatoforme Schmerzstörung, eine Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom, Tranquilizer-Abhängigkeit in Remission seit Entgiftungsbehandlung im Jahr 2011 sowie ein fortgesetzter Alkoholmissbrauch. Die vorhandenen Einschränkungen seien so weitreichend, dass hieraus auch eine quantitative Leistungseinschränkung resultiere. Dies führe dazu, dass insbesondere seit der hinzugetretenen Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom in etwa seit der Begutachtung bei Prof. Dr. W. sowohl die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Abteilungsleiter in der Verpackungsindustrie als auch sonstige leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nur noch drei bis vier Stunden täglich zumutbar seien. Bei Erhalt einer leidensgerechten Teilzeittätigkeit müsse damit gerechnet werden, dass Eingewöhnungsschwierigkeiten am Anfang vorhanden seien. Die Prognose gestalte sich insgesamt deutlich unsicher. Der Kläger werde adäquat psychiatrisch behandelt, psychotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten stünden ergänzend zur Verfügung. Eine erneute Prüfung nach zwei Jahren stehe der Beklagten frei.
Gegen das Gutachten hat die Beklagte Einwände vorgebracht und eine Stellungnahme ihres Sozialmedizinischen Dienstes durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Rehabilitationswesen und Sozialmedizin B. vom 23.06.2016 vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung des Klägers bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Das angefochtene Urteil des SG vom 30.07.2015 sowie der angefochtene Bescheid vom 11.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.04.2014 sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI)). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (§ 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).
Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Eine volle Erwerbsminderung liegt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch dann vor, wenn der Versicherte täglich mindestens drei bis unter sechs Stunden erwerbstätig sein kann, der Teilzeitarbeitsmarkt aber verschlossen ist (Gürtner in Kassler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand Juni 2014, § 43 SB VI Rdnr. 58 und 30 ff.).
Der Kläger ist, an diesem gesetzlichen Maßstab orientiert, zur Überzeugung des Senats nicht voll oder teilweise erwerbsgemindert. Er hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.
Eine Erwerbsminderung, das heißt ein Absinken seiner beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht belegen. Dies ergibt sich im Wesentlichen aus der Gesamtwürdigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen, insbesondere der Gutachten von Dr. K. und Dr. D., der im Wege des Urkundenbeweises verwertbaren Gutachten von Dr. M. und Prof. Dr. W. sowie dem Entlassungsbericht der Kohlwald-Klinik vom 26.03.2013. Keine andere Beurteilung des Leistungsvermögens folgt im Ergebnis aus dem Gutachten von Dr. A ...
Der Senat stellt zunächst fest, dass der Kläger auf orthopädischem Fachgebiet unter einem chronischen Schmerzsyndrom der Halswirbelsäule und der Lendenwirbelsäule bei Fehlstatik, Bandscheibenverschleiß und Muskelschwäche der Rumpfmuskulatur leidet. Darüber hinaus besteht eine dezente Einklemmungssymptomatik beider Schultergelenke, ein Tennisellenbogen rechts und der Verdacht auf Sattelgelenksarthrose beidseits. Hinzu kommt eine beginnende Arthrose im rechten Kniegelenk und im linken oberen Sprunggelenk. Dies folgt aus dem Gutachten der Orthopädin Dr. K. vom 18.03.2015, die ausführliche Befunde erhoben und sich mit der Krankheitsgeschichte des Klägers und den von ihm geschilderten Beschwerden auseinandergesetzt hat. Darüber hinaus hat die Gutachterin die von dem behandelnden Orthopäden Dr. H. angefertigten Röntgenaufnahmen ausgewertet und aus den erhobenen Befunden schlüssig und nachvollziehbar die mitgeteilten Diagnosen abgeleitet. Ebenso überzeugend ist die Gutachterin zu der Einschätzung gelangt, dass der Kläger trotz der vorliegenden Gesundheitsstörungen noch in der Lage ist, Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche zu verrichten. Hierbei sind qualitative Einschränkungen zu berücksichtigen. Dem Kläger sind nur noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten zuzumuten. Anhaltendes oder wiederholtes Heben, Tragen und Schieben von Lasten über 10 kg ist dem Kläger nicht mehr zumutbar. Zu vermeiden sind Arbeiten in Zwangshaltung mit wiederholtem und anhaltendem Bücken und Aufrichten des Rumpfes, anhaltende, dauerhafte Arbeiten mit Armvorneigungen oder über Schulterhöhe und dauerhafte Arbeiten im Knien und Hocken. Eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens folgt aus den orthopädischen Erkrankungen jedoch nicht. Wesentliche Bewegungseinschränkungen oder neurologische Ausfallerscheinungen waren im Rahmen der Begutachtung nicht festzustellen. Nicht gefolgt werden kann insoweit der Einschätzung des behandelnden Orthopäden Dr. H. in seiner Stellungnahme vom 28.05.2014, der von einem auf unter sechs Stunden eingeschränkten Leistungsvermögen ausging. Wie Dr. K. überzeugend darlegt, ist diese Leistungsbeurteilung nicht nachvollziehbar und nicht durch entsprechende klinische und radiologische Befunde begründet.
Weiter stellt der Senat fest, dass der Kläger auf psychiatrischem Fachgebiet unter einer depressiv-dysphorischen Entwicklung (Dysthymia), einer Angststörung mit Panikattacken, einer Somatisierungsstörung mit dominierender chronischer Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren sowie einem Alkoholabhängigkeitssyndrom leidet. Hinzu kommt der Zustand nach einem Abhängigkeitssyndrom von Benzodiazepinen bei Abstinenz seit Dezember 2011. Diese Diagnosen entnimmt der Senat dem Gutachten von Dr. D. vom 11.01.2015, das dieser nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 20.11.2014 erstellt hat. Diese Diagnosen leitet der Gutachter schlüssig und nachvollziehbar aus den von ihm erhobenen Befunden ab. Der Gutachter hat ausführlich unter Einbeziehung von testpsychologischen Untersuchungen Befunde erhoben und sich mit der Krankheitsgeschichte des Klägers anhand der vorliegenden medizinischen Unterlagen auseinander gesetzt. Der von ihm erhobene psychische Befund sowie der durch den Kläger geschilderte Tagesablauf rechtfertigen die Annahme einer Einschränkung des Leistungsvermögens auf unter sechs Stunden arbeitstäglich auch für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht. Der durch den Kläger geschilderte Tagesablauf ist strukturiert. Der Kläger war bewusstseinsklar, voll orientiert, die Auffassung sicher und prompt, wenn auch von einem deutlichen Misstrauen gegenüber dem Gutachter geprägt. Die konzentrative Belastbarkeit war gut. Anhaltspunkte für Störungen von Merkfähigkeit, Kurz- und Langzeitgedächtnis bei ausgesprochen gutem Gedächtnis für Zahlen und biographische Meilensteine bestanden nicht. Der Gedankengang war geordnet, es bestanden kein Wahn, keine Zwänge und keine Sinnestäuschungen. Die Grundstimmung war allerdings insbesondere zu Beginn der Untersuchung missmutig, der Kläger affektiv dünnhäutig und reizbar. Es bestanden Hinweise auf eine deutlich erhöhte Kränkbarkeit und Empfindlichkeit bei wenig gefestigtem Selbstwertgefühl. Anhaltspunkte für Simulation oder Aggravation bestanden nicht. Dr. Dengler führt insoweit schlüssig aus, dass die resignative-verbitterte und zum Teil feindselige Grundhaltung wegen der durch den Kläger erfahrenen Kränkungen und Enttäuschungen nachvollziehbar ist, der Kläger aber aufgrund der festzustellenden seelischen Erkrankungen nicht so sehr beeinträchtigt ist, dass er deshalb auch in seiner quantitativen Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter sechs Stunden täglich eingeschränkt ist. Auch aus der Alkoholerkrankung folgt nach der Einschätzung des Gutachters keine zeitliche Leistungseinschränkung; dem schließt sich der Senat an.
Dass die durch Dr. D. erhobenen Befunde zu keiner rentenrelevanten Einschränkung des Leistungsvermögens führen, ergibt sich letztlich auch aus den Ausführungen von Dr. A., der den Eintritt der von ihm angenommenen Leistungsminderung auf den Zeitpunkt der Begutachtung durch Prof. Dr. W. festgelegt hat und für die Zeit davor ausgehend von den durch Dr. D. erhobenen Befunden eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens nicht angenommen hat.
Der Senat konnte sich nicht von einer rentenrelevanten Verschlechterung der Befunde seit der Begutachtung von Dr. Dengler überzeugen. Eine solche lässt sich weder aus dem Gutachten von Prof. Dr. W. vom 29.06.2015 (Untersuchung vom 10.06.2015) noch aus dem Gutachten von Dr. A. vom 22.04.2016 (Untersuchung vom selben Tag) ableiten.
Eine Verschlechterung der Befunde gegenüber den von Dr. D. erhobenen lässt sich dem Gutachten der Prof. Dr. W. nicht entnehmen. Die Gutachterin beschreibt zwar ein nur noch mäßiges Aufmerksamkeitsniveau - Dr. D. hatte die konzentrative Belastbarkeit noch als gut beschrieben -, stellt aber ebenfalls keine Kurz- oder Langzeitgedächtnisstörungen fest. Die Stimmung war deutlich zum Negativen hin verschoben, die affektive Resonanzfähigkeit deutlich, der Antrieb mäßig reduziert. Insgesamt teilt aber auch Prof. Dr. W. keine Befunde mit, die zu einer Einschränkung auch für leichte Tätigkeiten führen. Soweit sie davon ausgeht, dass dem Kläger die Tätigkeiten als Finanzberater und als Kundenbetreuer in der Verpackungsindustrie nicht mehr zugemutet werden können, führt dies nicht zu einer Einschränkung auch für eine leichte Tätigkeiten. Prof. Dr. W. gelangt im Ergebnis ebenfalls zu der Einschätzung, dass dem Kläger leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt - beispielhaft werden einfache Bürotätigkeiten genannt - noch sechs Stunden arbeitstäglich zugemutet werden können. Wie bereits Dr. D. geht Prof. Dr. W. davon aus, dass dem Kläger Tätigkeiten unter Zeitdruck, mit häufigem Kundenkontakt, der Übernahme besonderer Verantwortung, mit erhöhtem Anspruch an das Konzentrationsvermögen und Störung des Tag-/Nachtrhythmus nicht zumutbar sind. Diesen qualitativen Einschränkungen kann aber durch das Erfordernis einer leichten Tätigkeit Rechnung getragen werden. Eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens resultiert hieraus nicht.
Der Senat vermochte sich trotz der von Dr. A. getroffenen Leistungseinschätzung nicht von einer rentenrelevanten Einschränkung des Leistungsvermögens zu überzeugen. Insoweit folgt der Senat der Einschätzung des Dr. B. in seiner Stellungnahme vom 23.06.2016. Der von Dr. A. mitgeteilte psychopathologische Befund genügt nicht, um eindeutig eine mittelschwere Depression entsprechend der ICD-10 Kriterien zu begründen. Bei der Kläger besteht nur eine geringfügige Beeinträchtigung der Konzentration und Aufmerksamkeit und eine etwas dysphorische Stimmungslage. Eine quantitative Leistungsminderung kann hieraus nicht abgeleitet werden. Der Senat konnte sich ebenso wie Dr. B. nicht davon überzeugen, dass bei dem Kläger eine - rentenrechtlich relevante - Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom als eigenständige Erkrankung vorliegt. Die von Dr. A. geschilderten Symptome - Reizbarkeit, innere Anspannung, Unruhe - wurden bereits durch Dr. Dengler gesehen und in seinem Gutachten berücksichtigt. Die Tagesstruktur und Fähigkeit, den Alltag zu gestalten, ist auch weiterhin erhalten. Der Kläger unterstützt u.a. seinen Vater bei der Betreuung der an Demenz erkrankten Mutter. Der Senat verkennt nicht, dass eine mangelhafte Belastbarkeit seitens des Vaters toleriert wird, der Kläger jederzeit Pausen einlegen kann und sich nicht an strukturelle Pläne halten muss. Im Vordergrund steht für den Senat allerdings, dass der Kläger in der Lage ist, sich unter Aufbringung einer entsprechenden Willensanspannung um den Vater und die demenzkranke Mutter zu kümmern, das Essen zuzubereiten und hierbei tatsächlich eine konkrete Tagesstruktur einhält.
Die Panikattacken, die alle zwei Tage auftreten und ca. 10 Minuten andauern, führen ebenfalls nicht zu einer quantitativen Einschränkung des Leistungsvermögens.
Nicht zu überzeugen vermochte sich der Senat von der Einschätzung des behandelnden Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. C., der in seiner Aussage vom 28.05.2014 von einem auf drei bis unter sechs Stunden eingeschränkten Leistungsvermögen ausging. Dies hat er damit begründet, dass mangels anderer Kompensationsmöglichkeiten bei Überforderung ein erneuter Alkohol- und Benzodiazepin-Abusus droht. Dem ist, wie Dr. D. überzeugend darlegt, entgegenzuhalten, dass der Kläger bislang die therapeutischen Möglichkeiten, die bei Alkohol- und Benzodiazepin-Abusus allgemein empfohlen werden, bei weitem nicht ausgeschöpft hat und zudem die eventuelle Möglichkeit eines Rückfalls nicht ausreicht, um deshalb die Gewährung einer Rente zu rechtfertigen.
Zusammenfassend ist der Kläger unter Berücksichtigung sämtlicher bei ihm diagnostizierter Gesundheitsstörungen noch in der Lage, jedenfalls körperlich leichte Tätigkeiten mit den genannten qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Der Kläger ist somit nicht voll erwerbsgemindert, zumal auch die Zusammenschau der einzelnen Gesundheitsstörungen kein Leistungsvermögen von täglich weniger als sechs Stunden begründet. Insbesondere muss für die Verneinung von Erwerbsminderung bei mindestens sechs Stunden täglich leistungsfähigen Versicherten weder eine konkrete Tätigkeit benannt werden, noch ist die Frage zu prüfen, ob es genügend Arbeitsplätze gibt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für in diesem Umfang leistungsfähige Ungelernte und Angelernte des unteren Bereichs geeignete Arbeitsplätze in ausreichender Zahl vorhanden sind (Beschlüsse des Großen Senats des BSG vom 19.12.21996, u.a. SozR 3-2600 § 44 Nr. 8). Dies stimmt mit dem erklärten Willen des Gesetzgebers überein, der durch § 43 Abs. 3 SGB VI klargestellt hat, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Dem Kläger ist somit keine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren, und zwar unabhängig davon, ob die für ihn zuständige Arbeitsagentur einen seinem Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz anbieten könnte. Denn das Risiko, keinen offenen Arbeitsplatz zu finden, ist nicht von der Renten-, sondern grundsätzlich von der Arbeitslosenversicherung zu tragen (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 137 m.w.N.). Allerdings ist die Frage, ob es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeitsplätze gibt, immer dann zu klären, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 104 und 117) oder wenn Arbeitskräfte i.S.v. § 43 Abs. 3 SGB VI nur noch auf solchen Arbeitsplätzen einsetzbar sind, bei denen wegen ihrer Seltenheit die Gefahr einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes besteht, also z. B. noch in Betracht kommende Tätigkeiten nicht unter betriebsüblichen Bedingungen ausgeübt werden können oder entsprechende Arbeitsplätze aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen von der Wohnung aus nicht erreichbar sind oder nur vereinzelt vorkommen (BSG SozR 2200 §§ 1246 Nrn. 136, 137 und 139 sowie § 1247 Nrn. 33 und 53; SozR 3-2200 § 1247 Nrn. 10 und 14).
Ausgehend hiervon sind keine Beschränkungen des zumutbaren Arbeitsweges erkennbar, denn keiner der gehörten Ärzte hat über eine eingeschränkte Gehfähigkeit berichtet. Darüber hinaus sind auch keine Gesundheitsstörungen ersichtlich, die eine solche begründen könnten. Ebenso gibt es für das Bestehen der übrigen sog. Katalogfälle keine Anhaltspunkte.
Darüber hinaus liegt auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen und auch keine spezifische Leistungsbehinderung vor. So sind die dem Kläger noch zumutbaren leichten körperlichen Arbeiten ohne anhaltendes oder wiederholtes Tragen, Heben und Schieben von Lasten über 10 kg, ohne Zwangshaltung mit wiederholtem und anhaltendem Bücken und Aufrichten des Rumpfes, ohne anhaltende, dauerhafte Arbeiten mit Armvorneigungen oder über Schulterhöhe und ohne dauerhaftes Knien und Hocken zumutbar. Zu vermeiden sind Tätigkeiten unter Zeitdruck, mit häufigem Kundenkontakt, der Übernahme besonderer Verantwortung, mit erhöhtem Anspruch an das Konzentrationsvermögen und Störung des Tag-/Nachtrhythmus. Unter Berücksichtigung dieser qualitativen Einschränkungen, die keine schweren spezifischen Einschränkungen darstellen, sind dem Kläger leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch zuzumuten. Ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung besteht daher nicht.
Wie das SG zutreffend dargelegt hat, sind die Voraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI bereits deshalb nicht erfüllt, weil der Kläger nach dem gesetzlichen Stichtag geboren ist.
Nach alledem war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.
Der 1962 geborene Kläger hat den Beruf des Bankkaufmanns erlernt. Er war als Bankkaufmann, selbstständiger Anlageberater, Vertriebsmitarbeiter im Finanzbereich und zuletzt als kaufmännischer Angestellter (Abteilungsleiter) in der Verpackungsindustrie versicherungspflichtig beschäftigt. Seit dem 05.12.2011 ist der Kläger arbeitsunfähig; vom 16.01.2012 bis 03.06.2013 bezog er Krankengeld, vom 04.06.2013 bis 05.09.2014 Arbeitslosengeld I, anschließend Arbeitslosengeld II. Zwischenzeitlich lebt er von einer privaten Berufsunfähigkeitsrente.
Vom 19.02.2013 bis 26.03.2013 gewährte die Beklagte dem Kläger eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme in der K.-K., Fachklinik für Psychosomatik und Psychotherapie, in St. B ... Im Entlassungsbericht vom 26.03.2013 werden als Diagnosen eine mittelgradige depressive Episode, Benzodiazepin-Abhängigkeit (Abstinenz seit 12/2011) und ein LWS-Syndrom angegeben. Der Kläger wurde sowohl für die letzte Tätigkeit als Abteilungsleiter im Vertrieb im Innendienst als auch für leichte bis mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig leistungsfähig entlassen.
Am 30.08.2013 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung des Klägers durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. M., der in seinem Gutachten vom 07.11.2013 die Diagnosen Somatisierungsstörung mit multiplen Symptomen und insbesondere auch mit einer chronischen somatoformen Schmerzstörung sowie Benzodiazepin-Abhängigkeit (Abstinenz sei 12/2011) und Alkoholmissbrauch (Abstinenz seit 12/2011) angab. Der Kläger sei in der Lage, leichte Arbeiten ohne Zeitdruck, ohne häufige Überkopfarbeiten, ohne häufiges Heben und Tragen von Lasten sowie ohne längere Wirbelsäulenzwangshaltungen mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Auch in der letzten beruflichen Tätigkeit als kaufmännischer Angestellter sei das Leistungsvermögen mit sechs Stunden und mehr anzugeben.
Mit Bescheid vom 11.11.2013 lehnte die Beklagte den Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung ab. Die Einschränkungen, die sich aus den Krankheiten oder Behinderungen des Klägers ergäben, führten nicht zu einem Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung. Der Kläger könne noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein.
Zur Begründung seines hiergegen am 02.12.2013 eingelegten Widerspruchs führte der Kläger aus, aufgrund von Depressionen und Angststörungen 1 ½ Jahre krankgeschrieben gewesen zu sein. Er nehme nach wie vor die ihm verordneten Medikamente ein. Die Vielzahl der psychischen Erkrankungen mache einen Tagesablauf nur unter Einnahme von starken Schmerzmitteln möglich. Die psychische Erkrankung sowie die immer stärker werdenden körperlichen Beschwerden, u.a. verschiedene Arthrosen am ganzen Körper, führten dazu, dass er weniger als drei Stunden täglich arbeitsfähig sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.04.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger sei in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne besonderen Zeitdruck und ohne Nachtschicht täglich sechs Stunden und mehr auszuüben. Auch als kaufmännischer Angestellter sei er noch täglich sechs Stunden und mehr einsatzfähig. Ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung bestehe daher nicht. Hiergegen hat der Kläger am 16.04.2014 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben.
Im Rahmen der Beweisaufnahme hat das SG zunächst die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen gehört und dann Begutachtungen des Klägers durch den Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. D. sowie die Ärztin für Orthopädie Dr. K. veranlasst.
Der Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. L. hat mitgeteilt, den Kläger letztmalig am 03.12.2012 behandelt zu haben und daher keine Aussage zu den an ihn gestellten Beweisfragen treffen zu können. Unter dem 23.05.2014 hat der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. H. ausgeführt, bei dem Kläger lägen neben anhaltender orthopädischer Beschwerden rezidivierende mittelgradige depressive Episoden, ein Diabetes mellitus Typ II sowie Adipositas vor. Eine wesentliche Änderung im Gesundheitszustand sei im Laufe der Behandlung nicht festgestellt worden. Der Kläger nehme regelmäßig Antidepressiva ein. Nach den erhobenen Befunden könne der Kläger leichte Tätigkeiten sechs Stunden täglich verrichten. Aufgrund der orthopädischen Probleme seien körperliche Belastungen zu vermeiden. Aufgrund der Einnahme von Psychopharmaka seien Tätigkeiten mit Autofahrten vorsichtig zu beurteilen und erforderten gegebenenfalls eine neurologische Abklärung. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. C. hat unter dem 28.05.2014 mitgeteilt, den Kläger am 31.01.2014 sowie am 20.03.2014 wegen einer mittelgradigen depressiven Episode und einer somatoformen Schmerzstörung behandelt zu haben. Anamnestisch bestehe ein Alkohol- und Benzodiazepin-Abusus. Im Laufe der Behandlung habe sich keine wesentliche Veränderung im Gesundheitszustand eingestellt. Aufgrund der multiplen und anhaltenden Belastungen durch Schmerzen und rezidivierende depressive Symptome seien leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch drei bis unter sechs Stunden arbeitstäglich möglich. Mangels anderer Kompensationsmöglichkeiten drohe bei Überforderung ein erneuter Alkohol- und Benzodiazepin-Abusus. Der Facharzt für Orthopädie Heber hat in seiner Aussage vom 28.05.2014 insbesondere über Erkrankungen im Bereich der Schultern beidseits berichtet. Über den Schultergelenken sei es im Verlauf der Behandlung zu einer Verschlechterung gekommen. Hier seien zunehmende Schmerzen und alltagsrelevante Einschränkungen und in deren Folge auch zunehmende Beschwerden über der Halswirbelsäule zu verzeichnen. Die Beschwerden über dem unteren Rücken seien wechselhaften, im Verlauf der letzten Untersuchungen zunehmenden Charakters. Aufgrund der orthopädischen Erkrankungen bestünden massive Einschränkungen. Auf einen regelmäßigen Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen müsse geachtet werden. Überkopfarbeiten könnten nicht mehr durchgeführt werden. Das Heben und Tragen schwerer Lasten sei dauerhaft nicht möglich. Unter Einhaltung dieser gravierenden Einschränkungen sei ein Leistungsvermögen von drei bis sechs Stunden maximal täglich möglich. Inwiefern die auf psychiatrischem Fachgebiet bestehenden Diagnosen die Leistungsfähigkeit noch weiter minderten, könne er nicht beurteilen.
Dr. D. hat in seinem Gutachten vom 11.01.2015 angegeben, bei dem Kläger bestehe eine depressiv-dysphorische Entwicklung, eine Angststörung mit Panikattacken, eine Somatisierungsstörung mit dominierender chronischer Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, eigen- und fremdanamnestisch ein Abhängigkeitssyndrom von Benzodiazepinen, anamnestisch Abstinenz seit Dezember 2011, aktuell kein Anhalt für einen Rückfall und Alkoholmissbrauch bei gegenwärtig fortgesetztem Alkoholkonsum. Der Kläger sei nach wie vor in der Lage, Erwerbstätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden auszuüben. Die Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet bedingten eine leichte bis allenfalls mäßige Einschränkung hinsichtlich Arbeitsgeschwindigkeit, Ausdauer, Durchhaltevermögen und sozialer Anpassung. Mehr als die üblichen Arbeitspausen seien aus psychiatrischem Blickwinkel nicht unabdingbar, auch nicht wegen der geklagten Schmerzen. Der Kläger habe die zur Verfügung stehenden therapeutischen Möglichkeiten nicht ausgeschöpft. So bestehe die Möglichkeit, an einer Entwöhnungsmaßnahme unter stationären, tagesklinischen oder ambulanten Rahmenbedingungen teilzunehmen und sich wegen der Affektstörungen mit zumindest teilweise verminderter Impulskontrolle und geklagten Panikattacken infolge der Angststörung einer (ambulanten) psychotherapeutischen Behandlung zu unterziehen.
Dr. K. hat in ihrem Gutachten vom 18.03.2015 über ein chronisches Schmerzsyndrom der Halswirbelsäule, ein chronisches Schmerzsyndrom der Lendenwirbelsäule bei Fehlstatik, Bandscheibenverschleiß, Muskelschwäche der Rumpfmuskulatur, Übergewicht, eine dezente Einklemmungssymptomatik beider Schultergelenke, einen Tennisellenbogen rechts, den Verdacht auf beginnende Sattelgelenksarthrose beidseits, beginnende Hüftgelenksarthrose beidseits, rechts führend, initiale Kniegelenksarthrose rechts, Formvariante der Kniescheibe, initiale Arthrose linkes oberes Sprunggelenk und Achillodynie links berichtet. Der Kläger sei nach wie vor in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne anhaltendes und wiederholtes Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 10 kg mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Zu vermeiden wären Arbeiten in Zwangshaltung, mit wiederholtem und anhaltendem Bücken und Aufrichten des Rumpfes, in Armvorneigehaltung, über Schulterhöhe sowie im Knien und Hocken. Die Gehstrecke sei nicht beeinträchtigt. Mehr als die üblichen Arbeitspausen seien nicht erforderlich. Die zum Leistungsvermögen abweichende Stellungnahme des behandelnden Orthopäden sei nicht durch entsprechende klinische und radiologische Befunde gestützt. Zur Behandlung der körperlichen Beschwerden sei eine konsequente und anhaltende Trainings- und Bewegungstherapie, das konsequente Tragen der verordneten Hilfsmittel sowie eine Gewichtsreduktion zu empfehlen.
Mit Urteil vom 30.07.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Die - näher dargelegten - Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung seien nicht erfüllt, was sich im Wesentlichen aus den Gutachten von Dr. D. und Dr. K. ergebe.
Gegen das ihm am 21.08.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10.09.2015 Berufung eingelegt. Zur Berufungsbegründung hat er im Wesentlichen auf ein für die private Berufsunfähigkeitsversicherung eingeholtes Gutachten von Prof. Dr. W. vom 29.06.2015 Bezug genommen. Die Gutachterin sei zu der Auffassung gelangt, dass der Zustand des Klägers chronifiziert und eine Änderung und Besserung aus psychiatrischer Sicht eher unwahrscheinlich sei. Sie habe eine aktuell rezidivierende Depression mit aktuell mittelschwerer Episode sowie eine Panikstörung mittlerer Ausprägung, eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren sowie abschließend verschiedene orthopädische Störungen festgestellt. Ihre Einschätzung stehe der Auffassung des SG diametral entgegen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30. Juli 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 11. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. April 2014 zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsminderung in gesetzlicher Höhe ab dem 1. August 2013 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers hat der Senat den Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. A. nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 22.04.2016 nach ambulanter Untersuchung des Klägers hat der Gutachter ausgeführt, bei dem Kläger bestehe eine rezidivierende depressive Störung, aktuell mittelschwere Episode, Panikattacken, eine somatoforme Schmerzstörung, eine Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom, Tranquilizer-Abhängigkeit in Remission seit Entgiftungsbehandlung im Jahr 2011 sowie ein fortgesetzter Alkoholmissbrauch. Die vorhandenen Einschränkungen seien so weitreichend, dass hieraus auch eine quantitative Leistungseinschränkung resultiere. Dies führe dazu, dass insbesondere seit der hinzugetretenen Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom in etwa seit der Begutachtung bei Prof. Dr. W. sowohl die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Abteilungsleiter in der Verpackungsindustrie als auch sonstige leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nur noch drei bis vier Stunden täglich zumutbar seien. Bei Erhalt einer leidensgerechten Teilzeittätigkeit müsse damit gerechnet werden, dass Eingewöhnungsschwierigkeiten am Anfang vorhanden seien. Die Prognose gestalte sich insgesamt deutlich unsicher. Der Kläger werde adäquat psychiatrisch behandelt, psychotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten stünden ergänzend zur Verfügung. Eine erneute Prüfung nach zwei Jahren stehe der Beklagten frei.
Gegen das Gutachten hat die Beklagte Einwände vorgebracht und eine Stellungnahme ihres Sozialmedizinischen Dienstes durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Rehabilitationswesen und Sozialmedizin B. vom 23.06.2016 vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung des Klägers bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Das angefochtene Urteil des SG vom 30.07.2015 sowie der angefochtene Bescheid vom 11.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.04.2014 sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI)). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (§ 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).
Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Eine volle Erwerbsminderung liegt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch dann vor, wenn der Versicherte täglich mindestens drei bis unter sechs Stunden erwerbstätig sein kann, der Teilzeitarbeitsmarkt aber verschlossen ist (Gürtner in Kassler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand Juni 2014, § 43 SB VI Rdnr. 58 und 30 ff.).
Der Kläger ist, an diesem gesetzlichen Maßstab orientiert, zur Überzeugung des Senats nicht voll oder teilweise erwerbsgemindert. Er hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.
Eine Erwerbsminderung, das heißt ein Absinken seiner beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht belegen. Dies ergibt sich im Wesentlichen aus der Gesamtwürdigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen, insbesondere der Gutachten von Dr. K. und Dr. D., der im Wege des Urkundenbeweises verwertbaren Gutachten von Dr. M. und Prof. Dr. W. sowie dem Entlassungsbericht der Kohlwald-Klinik vom 26.03.2013. Keine andere Beurteilung des Leistungsvermögens folgt im Ergebnis aus dem Gutachten von Dr. A ...
Der Senat stellt zunächst fest, dass der Kläger auf orthopädischem Fachgebiet unter einem chronischen Schmerzsyndrom der Halswirbelsäule und der Lendenwirbelsäule bei Fehlstatik, Bandscheibenverschleiß und Muskelschwäche der Rumpfmuskulatur leidet. Darüber hinaus besteht eine dezente Einklemmungssymptomatik beider Schultergelenke, ein Tennisellenbogen rechts und der Verdacht auf Sattelgelenksarthrose beidseits. Hinzu kommt eine beginnende Arthrose im rechten Kniegelenk und im linken oberen Sprunggelenk. Dies folgt aus dem Gutachten der Orthopädin Dr. K. vom 18.03.2015, die ausführliche Befunde erhoben und sich mit der Krankheitsgeschichte des Klägers und den von ihm geschilderten Beschwerden auseinandergesetzt hat. Darüber hinaus hat die Gutachterin die von dem behandelnden Orthopäden Dr. H. angefertigten Röntgenaufnahmen ausgewertet und aus den erhobenen Befunden schlüssig und nachvollziehbar die mitgeteilten Diagnosen abgeleitet. Ebenso überzeugend ist die Gutachterin zu der Einschätzung gelangt, dass der Kläger trotz der vorliegenden Gesundheitsstörungen noch in der Lage ist, Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche zu verrichten. Hierbei sind qualitative Einschränkungen zu berücksichtigen. Dem Kläger sind nur noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten zuzumuten. Anhaltendes oder wiederholtes Heben, Tragen und Schieben von Lasten über 10 kg ist dem Kläger nicht mehr zumutbar. Zu vermeiden sind Arbeiten in Zwangshaltung mit wiederholtem und anhaltendem Bücken und Aufrichten des Rumpfes, anhaltende, dauerhafte Arbeiten mit Armvorneigungen oder über Schulterhöhe und dauerhafte Arbeiten im Knien und Hocken. Eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens folgt aus den orthopädischen Erkrankungen jedoch nicht. Wesentliche Bewegungseinschränkungen oder neurologische Ausfallerscheinungen waren im Rahmen der Begutachtung nicht festzustellen. Nicht gefolgt werden kann insoweit der Einschätzung des behandelnden Orthopäden Dr. H. in seiner Stellungnahme vom 28.05.2014, der von einem auf unter sechs Stunden eingeschränkten Leistungsvermögen ausging. Wie Dr. K. überzeugend darlegt, ist diese Leistungsbeurteilung nicht nachvollziehbar und nicht durch entsprechende klinische und radiologische Befunde begründet.
Weiter stellt der Senat fest, dass der Kläger auf psychiatrischem Fachgebiet unter einer depressiv-dysphorischen Entwicklung (Dysthymia), einer Angststörung mit Panikattacken, einer Somatisierungsstörung mit dominierender chronischer Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren sowie einem Alkoholabhängigkeitssyndrom leidet. Hinzu kommt der Zustand nach einem Abhängigkeitssyndrom von Benzodiazepinen bei Abstinenz seit Dezember 2011. Diese Diagnosen entnimmt der Senat dem Gutachten von Dr. D. vom 11.01.2015, das dieser nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 20.11.2014 erstellt hat. Diese Diagnosen leitet der Gutachter schlüssig und nachvollziehbar aus den von ihm erhobenen Befunden ab. Der Gutachter hat ausführlich unter Einbeziehung von testpsychologischen Untersuchungen Befunde erhoben und sich mit der Krankheitsgeschichte des Klägers anhand der vorliegenden medizinischen Unterlagen auseinander gesetzt. Der von ihm erhobene psychische Befund sowie der durch den Kläger geschilderte Tagesablauf rechtfertigen die Annahme einer Einschränkung des Leistungsvermögens auf unter sechs Stunden arbeitstäglich auch für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht. Der durch den Kläger geschilderte Tagesablauf ist strukturiert. Der Kläger war bewusstseinsklar, voll orientiert, die Auffassung sicher und prompt, wenn auch von einem deutlichen Misstrauen gegenüber dem Gutachter geprägt. Die konzentrative Belastbarkeit war gut. Anhaltspunkte für Störungen von Merkfähigkeit, Kurz- und Langzeitgedächtnis bei ausgesprochen gutem Gedächtnis für Zahlen und biographische Meilensteine bestanden nicht. Der Gedankengang war geordnet, es bestanden kein Wahn, keine Zwänge und keine Sinnestäuschungen. Die Grundstimmung war allerdings insbesondere zu Beginn der Untersuchung missmutig, der Kläger affektiv dünnhäutig und reizbar. Es bestanden Hinweise auf eine deutlich erhöhte Kränkbarkeit und Empfindlichkeit bei wenig gefestigtem Selbstwertgefühl. Anhaltspunkte für Simulation oder Aggravation bestanden nicht. Dr. Dengler führt insoweit schlüssig aus, dass die resignative-verbitterte und zum Teil feindselige Grundhaltung wegen der durch den Kläger erfahrenen Kränkungen und Enttäuschungen nachvollziehbar ist, der Kläger aber aufgrund der festzustellenden seelischen Erkrankungen nicht so sehr beeinträchtigt ist, dass er deshalb auch in seiner quantitativen Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter sechs Stunden täglich eingeschränkt ist. Auch aus der Alkoholerkrankung folgt nach der Einschätzung des Gutachters keine zeitliche Leistungseinschränkung; dem schließt sich der Senat an.
Dass die durch Dr. D. erhobenen Befunde zu keiner rentenrelevanten Einschränkung des Leistungsvermögens führen, ergibt sich letztlich auch aus den Ausführungen von Dr. A., der den Eintritt der von ihm angenommenen Leistungsminderung auf den Zeitpunkt der Begutachtung durch Prof. Dr. W. festgelegt hat und für die Zeit davor ausgehend von den durch Dr. D. erhobenen Befunden eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens nicht angenommen hat.
Der Senat konnte sich nicht von einer rentenrelevanten Verschlechterung der Befunde seit der Begutachtung von Dr. Dengler überzeugen. Eine solche lässt sich weder aus dem Gutachten von Prof. Dr. W. vom 29.06.2015 (Untersuchung vom 10.06.2015) noch aus dem Gutachten von Dr. A. vom 22.04.2016 (Untersuchung vom selben Tag) ableiten.
Eine Verschlechterung der Befunde gegenüber den von Dr. D. erhobenen lässt sich dem Gutachten der Prof. Dr. W. nicht entnehmen. Die Gutachterin beschreibt zwar ein nur noch mäßiges Aufmerksamkeitsniveau - Dr. D. hatte die konzentrative Belastbarkeit noch als gut beschrieben -, stellt aber ebenfalls keine Kurz- oder Langzeitgedächtnisstörungen fest. Die Stimmung war deutlich zum Negativen hin verschoben, die affektive Resonanzfähigkeit deutlich, der Antrieb mäßig reduziert. Insgesamt teilt aber auch Prof. Dr. W. keine Befunde mit, die zu einer Einschränkung auch für leichte Tätigkeiten führen. Soweit sie davon ausgeht, dass dem Kläger die Tätigkeiten als Finanzberater und als Kundenbetreuer in der Verpackungsindustrie nicht mehr zugemutet werden können, führt dies nicht zu einer Einschränkung auch für eine leichte Tätigkeiten. Prof. Dr. W. gelangt im Ergebnis ebenfalls zu der Einschätzung, dass dem Kläger leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt - beispielhaft werden einfache Bürotätigkeiten genannt - noch sechs Stunden arbeitstäglich zugemutet werden können. Wie bereits Dr. D. geht Prof. Dr. W. davon aus, dass dem Kläger Tätigkeiten unter Zeitdruck, mit häufigem Kundenkontakt, der Übernahme besonderer Verantwortung, mit erhöhtem Anspruch an das Konzentrationsvermögen und Störung des Tag-/Nachtrhythmus nicht zumutbar sind. Diesen qualitativen Einschränkungen kann aber durch das Erfordernis einer leichten Tätigkeit Rechnung getragen werden. Eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens resultiert hieraus nicht.
Der Senat vermochte sich trotz der von Dr. A. getroffenen Leistungseinschätzung nicht von einer rentenrelevanten Einschränkung des Leistungsvermögens zu überzeugen. Insoweit folgt der Senat der Einschätzung des Dr. B. in seiner Stellungnahme vom 23.06.2016. Der von Dr. A. mitgeteilte psychopathologische Befund genügt nicht, um eindeutig eine mittelschwere Depression entsprechend der ICD-10 Kriterien zu begründen. Bei der Kläger besteht nur eine geringfügige Beeinträchtigung der Konzentration und Aufmerksamkeit und eine etwas dysphorische Stimmungslage. Eine quantitative Leistungsminderung kann hieraus nicht abgeleitet werden. Der Senat konnte sich ebenso wie Dr. B. nicht davon überzeugen, dass bei dem Kläger eine - rentenrechtlich relevante - Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom als eigenständige Erkrankung vorliegt. Die von Dr. A. geschilderten Symptome - Reizbarkeit, innere Anspannung, Unruhe - wurden bereits durch Dr. Dengler gesehen und in seinem Gutachten berücksichtigt. Die Tagesstruktur und Fähigkeit, den Alltag zu gestalten, ist auch weiterhin erhalten. Der Kläger unterstützt u.a. seinen Vater bei der Betreuung der an Demenz erkrankten Mutter. Der Senat verkennt nicht, dass eine mangelhafte Belastbarkeit seitens des Vaters toleriert wird, der Kläger jederzeit Pausen einlegen kann und sich nicht an strukturelle Pläne halten muss. Im Vordergrund steht für den Senat allerdings, dass der Kläger in der Lage ist, sich unter Aufbringung einer entsprechenden Willensanspannung um den Vater und die demenzkranke Mutter zu kümmern, das Essen zuzubereiten und hierbei tatsächlich eine konkrete Tagesstruktur einhält.
Die Panikattacken, die alle zwei Tage auftreten und ca. 10 Minuten andauern, führen ebenfalls nicht zu einer quantitativen Einschränkung des Leistungsvermögens.
Nicht zu überzeugen vermochte sich der Senat von der Einschätzung des behandelnden Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. C., der in seiner Aussage vom 28.05.2014 von einem auf drei bis unter sechs Stunden eingeschränkten Leistungsvermögen ausging. Dies hat er damit begründet, dass mangels anderer Kompensationsmöglichkeiten bei Überforderung ein erneuter Alkohol- und Benzodiazepin-Abusus droht. Dem ist, wie Dr. D. überzeugend darlegt, entgegenzuhalten, dass der Kläger bislang die therapeutischen Möglichkeiten, die bei Alkohol- und Benzodiazepin-Abusus allgemein empfohlen werden, bei weitem nicht ausgeschöpft hat und zudem die eventuelle Möglichkeit eines Rückfalls nicht ausreicht, um deshalb die Gewährung einer Rente zu rechtfertigen.
Zusammenfassend ist der Kläger unter Berücksichtigung sämtlicher bei ihm diagnostizierter Gesundheitsstörungen noch in der Lage, jedenfalls körperlich leichte Tätigkeiten mit den genannten qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Der Kläger ist somit nicht voll erwerbsgemindert, zumal auch die Zusammenschau der einzelnen Gesundheitsstörungen kein Leistungsvermögen von täglich weniger als sechs Stunden begründet. Insbesondere muss für die Verneinung von Erwerbsminderung bei mindestens sechs Stunden täglich leistungsfähigen Versicherten weder eine konkrete Tätigkeit benannt werden, noch ist die Frage zu prüfen, ob es genügend Arbeitsplätze gibt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für in diesem Umfang leistungsfähige Ungelernte und Angelernte des unteren Bereichs geeignete Arbeitsplätze in ausreichender Zahl vorhanden sind (Beschlüsse des Großen Senats des BSG vom 19.12.21996, u.a. SozR 3-2600 § 44 Nr. 8). Dies stimmt mit dem erklärten Willen des Gesetzgebers überein, der durch § 43 Abs. 3 SGB VI klargestellt hat, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Dem Kläger ist somit keine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren, und zwar unabhängig davon, ob die für ihn zuständige Arbeitsagentur einen seinem Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz anbieten könnte. Denn das Risiko, keinen offenen Arbeitsplatz zu finden, ist nicht von der Renten-, sondern grundsätzlich von der Arbeitslosenversicherung zu tragen (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 137 m.w.N.). Allerdings ist die Frage, ob es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeitsplätze gibt, immer dann zu klären, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 104 und 117) oder wenn Arbeitskräfte i.S.v. § 43 Abs. 3 SGB VI nur noch auf solchen Arbeitsplätzen einsetzbar sind, bei denen wegen ihrer Seltenheit die Gefahr einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes besteht, also z. B. noch in Betracht kommende Tätigkeiten nicht unter betriebsüblichen Bedingungen ausgeübt werden können oder entsprechende Arbeitsplätze aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen von der Wohnung aus nicht erreichbar sind oder nur vereinzelt vorkommen (BSG SozR 2200 §§ 1246 Nrn. 136, 137 und 139 sowie § 1247 Nrn. 33 und 53; SozR 3-2200 § 1247 Nrn. 10 und 14).
Ausgehend hiervon sind keine Beschränkungen des zumutbaren Arbeitsweges erkennbar, denn keiner der gehörten Ärzte hat über eine eingeschränkte Gehfähigkeit berichtet. Darüber hinaus sind auch keine Gesundheitsstörungen ersichtlich, die eine solche begründen könnten. Ebenso gibt es für das Bestehen der übrigen sog. Katalogfälle keine Anhaltspunkte.
Darüber hinaus liegt auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen und auch keine spezifische Leistungsbehinderung vor. So sind die dem Kläger noch zumutbaren leichten körperlichen Arbeiten ohne anhaltendes oder wiederholtes Tragen, Heben und Schieben von Lasten über 10 kg, ohne Zwangshaltung mit wiederholtem und anhaltendem Bücken und Aufrichten des Rumpfes, ohne anhaltende, dauerhafte Arbeiten mit Armvorneigungen oder über Schulterhöhe und ohne dauerhaftes Knien und Hocken zumutbar. Zu vermeiden sind Tätigkeiten unter Zeitdruck, mit häufigem Kundenkontakt, der Übernahme besonderer Verantwortung, mit erhöhtem Anspruch an das Konzentrationsvermögen und Störung des Tag-/Nachtrhythmus. Unter Berücksichtigung dieser qualitativen Einschränkungen, die keine schweren spezifischen Einschränkungen darstellen, sind dem Kläger leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch zuzumuten. Ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung besteht daher nicht.
Wie das SG zutreffend dargelegt hat, sind die Voraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI bereits deshalb nicht erfüllt, weil der Kläger nach dem gesetzlichen Stichtag geboren ist.
Nach alledem war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved