Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SO 5732/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 4914/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Umstand, dass der Ehepartner des verstorbenen Hilfeempfängers, für den der Sozialhilfeträger Kostenersatz nach § 102 SGB XII geltend macht, die je zur Hälfte im Miteigentum der Eheleute stehende Wohnimmobilie überwiegend finanziert hat, stellt keinen Härtefall gemäß § 102 Abs. 3 Nr. 3 SGB XII dar.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23. Oktober 2014 abgeändert. Der Bescheid vom 6. Juni 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Dezember 2013 wird insoweit aufgehoben als der Beklagte darin eine Kostenerstattung von mehr als 9.208,59 EUR geltend macht. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Berufung des Beklagten wird im Übrigen zurückgewiesen.
Die Klägerin und der Beklagte tragen die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen je zur Hälfte.
Der Streitwert wird auf 17.852 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Inanspruchnahme als Erbin ihres verstorbenen hilfebedürftigen Ehemannes durch den Sozialhilfeträger.
Die Klägerin ist die Witwe und durch gemeinschaftliches Testament Alleinerbin des am 19.8.1944 geborenen und am 3.10.2012 verstorbenen S. (im Folgenden: GS). GS hatte in der Zeit vom 24.11.1999 bis 30.11.2004 Leistungen der Eingliederungshilfe im Zusammenhang mit dem teilstationären halbtägigen Besuch der Reha-Werkstatt in L. im Arbeitsbereich nach den Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) vom damals noch zuständig gewesenen Landeswohlfahrtsverband Baden in Karlsruhe unter Beteiligung an den Verpflegungskosten in der Werkstatt in Höhe des festgesetzten Satzes der häuslichen Ersparnis bezogen (Bescheid vom 6.12.1999, Abhilfebescheid vom 26.11.2002, Bl. 181, 299 VA). Den Nachlass des GS hatte die Klägerin gegenüber dem Nachlassgericht wie folgt angegeben: Konto mit 19.017 EUR, Schallplatten- und CD-Sammlung im Wert von ca. 1.200 EUR sowie ein Hausgrundstück mit einem Wert von 185.000 EUR. Dem gegenüberstehende Verbindlichkeiten gab die Klägerin mit ca. 105.000 EUR an (s. Nachlassverzeichnis vom 19.11.2012, Bl. 359 VA). Das Hausgrundstück (Grundstücksgröße 541 m², Gesamtwohnfläche 114,48 m², Neubau von 1996) war Miteigentum der Klägerin und des GS je zur Hälfte (Bl. 237 VA).
Nach Kenntnis vom Tod des GS wandte sich der Beklagte als Rechtsnachfolger des Landeswohlfahrtsverbands Baden mit Schreiben vom 8.3.2013 an die Klägerin zur Prüfung eines Kostenersatzanspruchs gegenüber ihr als Erbin und forderte Nachweise an. Mit Bescheid vom 6.6.2013 forderte der Beklagte von der Klägerin Kostenersatz nach § 102 SGB XII in Höhe von 17.851,95 EUR. Hierbei war unter Berücksichtigung des hälftigen Eigentumsanteils der Klägerin ein Nachlassvermögen von 102.008,50 EUR und Nachlassverbindlichkeiten in Höhe von 71.710,62 EUR (halbe Darlehenssumme zzgl. Beerdigungskosten) und somit ein Reinnachlass von 30.297,88 EUR zu Grunde gelegt worden. Der Sozialhilfeaufwand habe im relevanten 10-Jahreszeitraum 20.095,95 EUR betragen. Unter Abzug des Dreifachen des Grundbetrages nach § 85 Abs. 1 SGB XII in Höhe von 2.244,00 EUR ergebe sich der geforderte Betrag. Eine besondere Härte liege nicht vor. Insbesondere auf die Lebenshaltungskosten könne sich nicht berufen werden, da gemäß § 1353 Abs. 1 i.V.m. § 1360 BGB Ehegatten innerhalb der eigens geschlossenen ehelichen Gemeinschaft einander zu Unterhalt verpflichtet seien (Bl. 483 VA).
Dagegen hat die Klägerin Widerspruch eingelegt und die Höhe des Sozialhilfeaufwands sowie den Wert des Hausgrundstücks bestritten. Im Übrigen liege eine besondere Härte vor, da der GS schon bald nach der Eheschließung eine endogene Psychose mit starken Auswirkungen auf seine Erwerbsmöglichkeiten erlitten habe, sodass die Klägerin für ihn habe aufkommen müssen und die Finanzierung des Hauses aus ihren Mitteln erfolgt sei. Zudem sei sie finanziell zur Rückzahlung nicht in der Lage und es drohe ihrerseits Sozialhilfebedürftigkeit. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 4.12.2013 zurück und führte zur Begründung aus, dass ohne ein Wertgutachten vom Wert des Hausgrundstücks mit 185.000 EUR entsprechend der Mitteilung des Nachlassgerichts vom 13.2.2013 ausgegangen werde. Ein atypischer Sachverhalt, der eine besondere Härte begründen könne, liege nicht vor. Sozialhilfebedürftigkeit der Klägerin im Falle des Kostenersatzes sei nicht ersichtlich. Die von der Klägerin erbrachten Leistungen seien im Rahmen ihrer ehelichen Unterhaltspflicht auch zu erwarten gewesen (Bl. 507 VA).
Dagegen hat die Klägerin am 19.12.2013 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erheben lassen und ihr Begehren im Wesentlichen mit der gleichen Begründung weiterverfolgt. Vertiefend hat sie vortragen lassen, dass für die Finanzierung des Hausgrundstücks nach der Erkrankung des Mannes 1972 und Bezugs einer unbedeutenden Erwerbsminderungsrente ab 1982 allein aus Mitteln der Klägerin auch spreche, dass die Baufinanzierung mit der BHW bei einer Fremdfinanzierung zu 90 % allein auf den Namen der Klägerin erfolgt sei. Sämtliche Handwerkerrechnungen und Anschaffungen für Möbel etc. seien aus ihren Mitteln erfolgt. Die Klägerin hat hierzu zahlreiche Darlehensunterlagen sowie Überweisungsträger vorgelegt.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat aus der Vorlage der Rechnungen und des Schriftverkehrs mit der Bausparkasse einen Beweis dafür, dass ausschließlich aus dem Einkommen der Klägerin das Hausgrundstück finanziert worden sei, nicht gesehen.
Mit Urteil vom 23.10.2014 hat das SG der Klage stattgegeben und den Bescheid vom 6.6.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.12.2013 aufgehoben. In der Geltendmachung des Kostenersatzanspruchs gegenüber der Klägerin hat es eine besondere Härte i.S. von § 102 Abs. 3 Nr. 3 SGB XII gesehen, da die Klägerin das den wesentlichen Teil des Vermögens darstellende Hausgrundstück fast ausschließlich selbst finanziert habe. Der Aufbau dieses Vermögenswertes während der Ehezeit sei bei einer wirtschaftlichen Betrachtung vorrangig der Klägerin zuzuordnen. Daher erscheine die Bewertung eines dem GS "gehörenden" Eigentumsanteils letztlich unbillig. Aufgrund der früheren Erkrankung kurz nach der Eheschließung habe GS in den 40 Jahren Ehe lediglich anfänglich 6 Jahre geringfügig im Rahmen von Hilfsarbeiten Einkommen erzielt. Überwiegend habe er überhaupt kein Einkommen besessen. Die Familie der Klägerin und des GS habe in dieser Zeit ausschließlich von dem Gehalt der Klägerin gelebt. GS habe aufgrund seiner Erkrankung und der Einnahme von Medikamenten auch nur in einem sehr geringen Umfang zu der Führung des Haushalts und der Erziehung der Kinder beitragen können. GS habe ab 1982 eine geringe Erwerbsunfähigkeitsrente erhalten. Die Klägerin habe somit für sich, ihren Mann und die gemeinsamen Kinder finanziell aufkommen müssen; die Vermögensbildung sei aus dem Einkommen der Klägerin erfolgt, weshalb ihre Inanspruchnahme im Rahmen des Kostenersatzes eine besondere Härte bedeute.
Gegen das dem Beklagten gegen Empfangsbekenntnis am 31.10.2014 zugestellte Urteil hat er am 27.11.2014 schriftlich beim Landessozialgericht Baden-Württemberg Berufung eingelegt und vorgetragen, dass die Herkunft der Mittel zur Kreditfinanzierung des Hauses nicht nachgewiesen worden sei. Nicht nachvollziehbar sei, ob die Finanzierung aus dem Erwerbseinkommen der Klägerin oder der Rente bzw. den sonstigen Einkünften des GS erfolgt sei. Es könne daher nicht von vornherein darauf abgestellt werden, dass die fraglichen vererbten Vermögenswerte in erster Linie auf die persönliche Lebensleistung der Klägerin zurückzuführen seien. Auch wenn das Einkommen der Ehefrau mit ca. 1.900 EUR monatlich gegenüber dem Renteneinkommen mit monatlich 767 EUR zuzüglich Werkstattlohn höher gewesen sei, sei es rein spekulativ davon auszugehen, dass das vorhandene Vermögen ausschließlich von der Klägerin gebildet worden sei. Das SG habe die Rentenansprüche und den Werkstattlohn des GS übersehen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23. Oktober 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und hat weiterhin die Höhe der Sozialhilfeaufwendungen sowie den angenommenen Verkehrswert ihres Hauses bestritten.
Die Klägerin hat auf Nachfrage mitgeteilt, dass die monatlichen Einnahmen des GS von 1996 bis 2004 durch Rente wegen Erwerbsunfähigkeit 681,97 EUR ab 1996 bzw. 650,46 EUR ab 2002 und durch Altersrente 664,82 EUR ab 2005 bzw. 709,04 EUR in 2012 betragen hätten. Der Arbeitslohn in der WfbM habe ca. 100 EUR betragen, der für das Jobticket nach L. benötigt worden sei. Das Sparguthaben (ca. 19.000 EUR) sei Gegenstand der Finanzierung mittels Bausparverträgen gewesen. Sie habe nicht nur über die Einkünfte aus ihrer Pension, sondern auch über Einkünfte aus einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung verfügt, wodurch sie in der Summe Bruttoeinnahmen in Höhe von 3.100 EUR monatlich gehabt habe.
Der Beklagte hat hinsichtlich seines Sozialhilfeaufwandes für GS Jahresfallauszüge vom 16.12.2002, 15.12.2003, 23.12.2004, und 16.12.2005 vorgelegt, die den Sozialhilfeaufwand im Erstattungszeitraum beziffern sollen. Des Weiteren hat er das beim Gutachterausschuss der Gemeinde S. bereits im Auftrag der Klägerin über ihr Hausgrundstück erstellte Verkehrswertgutachten vom 22.10.2013 vorgelegt. Danach bemisst sich der Verkehrswert auf 230.000 EUR (Bl. 44 LSG-Akte).
Die Klägerin hat unter Vorlage weiterer Unterlagen ergänzende Angaben zu ihren und des GS Einkommensverhältnissen gemacht (Bl. 51 LSG-Akte). Demnach erhielt sie 2002 vom Landesamt für Besoldung und Versorgung Versorgungsbezüge inklusive Kindergeld (154 EUR) in Höhe von netto 2.413,68 EUR monatlich, im November 2.632,29 EUR. Zusätzlich hat sie eine BU-Rente, die sie immer für 3 Monate in einem Betrag bekommen hat, in Höhe von monatlich 595,63 EUR für 2002 bzw. 601,50 (2003 und 2004) erhalten (Bl. 58 LSG-Akte). GS erhielt 2002 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in Höhe von 650,46 EUR zuzüglich Werkstattlohn in Höhe von etwa 100 EUR monatlich. Für die Finanzierung des Eigenheims wurden monatlich 1.278,07 EUR aufgewendet. Die Klägerin bestreitet weiterhin den vom Beklagten angegebenen Sozialhilfeaufwand und den Wert ihres Hausgrundstücks.
Der Beklagte hat mit Schreiben vom 13.6.2016 die Buchungen in den Jahresfallauszügen näher erläutert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten hat teilweise Erfolg.
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist auch teilweise begründet. Der Beklagte hat die Klägerin zu Recht als Erbin zum Kostenersatz für die an den GS im Zeitraum vom 4.10.2002 bis 30.11.2004 erbrachten Sozialhilfeleistungen herangezogen. Der Anspruch besteht jedoch nur in Höhe von 9.208,59 EUR, weil darüber hinaus der höhere Sozialhilfeaufwand vom Beklagten nicht belegt ist.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 6.6.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.12.2013, mit dem die Klägerin als Erbin zum Ersatz aufgewandter Sozialhilfekosten für ihren Ehemann i.H.v. 17.851,95 EUR aufgefordert wurde. Hiergegen geht die Klägerin zulässig mit der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG vor.
Der angegriffene Bescheid ist formell rechtmäßig. Da der Landeswohlfahrtsverband Baden die Leistungen der Sozialhilfe erbracht hat, war der Beklagte als dessen Rechtsnachfolger (§ 2 des Gesetzes zur Auflösung der Landeswohlfahrtsverbände in der Fassung des Art. 177 des Verwaltungsstruktur-Reformgesetzes vom 1.7.2004 - VRG - (GBl. S. 469, 570) i.V.m. Art. 187 Abs. 1 VRG) mit Wirkung vom 1.1.2005 der sachlich und örtlich zuständig gewordene Sozialhilfeträger und damit auch für die Geltendmachung des Kostenersatzes zuständig.
Der angegriffene Bescheid ist hinreichend bestimmt nach § 33 Abs. 1 SGB X, weil die Höhe der Haftungsschuld aus dem Verfügungssatz eindeutig erkennbar ist (BSG, Urteil vom 23.3.2010 – B 8 SO 2/09 R –, juris Rn. 11).
Nach § 102 Abs. 1 SGB XII ist der Erbe des Hilfeempfängers unter weiteren Voraussetzungen zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe verpflichtet. Ausweislich der Auskunft des Notariats L. vom 10.1.2013 ist die Klägerin auf Grund notariellen gemeinschaftlichen Testaments unabhängig von den beiden gemeinsamen Kindern Alleinerbin geworden.
Nach § 102 Abs. 1 S. 2 SGB XII besteht die Ersatzpflicht nur für die Kosten der Sozialhilfe, die innerhalb eines Zeitraumes von 10 Jahren vor dem Erbfall aufgewendet worden sind und die das Dreifache des Grundbetrages nach § 85 Abs. 1 SGB XII (Freibetrag) übersteigen. GS hat in der Zeit vom 24.11.1999 bis 30.11.2004 Eingliederungshilfe für den Besuch der Rehawerkstatt in L., einer WfbM erhalten. Die Leistungen umfassten die Werkstattkosten Vergütung (§ 41 Abs. 3 SGB IX), Sozialversicherungsbeiträge (§ 5 Abs. 1 Nr. 7 SGB V, § 1 Nr. 2a SGB VI, § 20 Abs. 1 Nr. 8 SGB XII), Fahrtkosten und Arbeitsförderungsgeld (§ 43 Satz 1 SGB IX). Hierauf angerechnet wurde die häusliche Ersparnis (§ 43 Abs. 2 Nr. 7 BSHG).
Der Sozialhilfeaufwand ist im erstattungsrelevanten Zeitraum von 10 Jahren - ausgehend vom Eintritt des Erbfalls am Todestag, dem 3.10.2012 (§ 1922 Abs. 1 BGB) also in der Zeit vom 4.10.2002 bis zum Leistungsende am 30.11.2004 - nur in Höhe von 11.452,59 EUR nachgewiesen. Dieser Betrag ergibt sich als Summe aus den Einzelposten auf den vom Beklagten vorgelegten Jahresfallauszügen mit Ausgabe- und Einnahmekonten. Hierbei ist allerdings im Hinblick auf stattgehabte erhebliche zeitliche Verzögerungen bei der Auszahlung bzw. Buchung allein auf die Zeiträume abzustellen, für die die Leistungen erbracht wurden; nur so sind die im 10-Jahres-Zeitraum entstandenen und zu erstattenden Kosten der Sozialhilfe zu ermitteln. Anders als der Beklagte meint, kommt es nicht auf die zwar im 10-Jahres-Zeitrum geleisteten aber verspäteten Zahlungen (für 2001) an, die im Übrigen den vom Erben zu erstattenden Betrag willkürlich verändern würden. Auch kann hier nicht auf die sog. "Zuflusstheorie" abgestellt werden, zumal die Zahlungen nach dem Bewilligungsbescheid vom 6.12.1999 nicht an den GS erfolgten, sondern die Kosten mit der Einrichtung abgerechnet wurden. Danach sind die im Jahr 2002 gebuchten Kosten für die Eingliederungshilfe im Jahr 2001 (Jahresfallauszug vom 16.12.2002) für den Kostenersatz nicht relevant, weil sie Sozialhilfeaufwand für eine Zeit außerhalb des 10-Jahres-Zeitraums betreffen.
Weiter ist zu berücksichtigen, dass nach dem Jahresfallauszug vom 15.12.2003 und den Erläuterungen des Beklagten keine Zahlungen (für 2002 und 2003) im Jahr 2003 erfolgten, sondern diese im Jahr 2004 nachgeholt wurden. Damit erfasst der Jahresfallauszug vom 23.12.2004 trotz verwirrender anderslautender Jahresangaben in der linken Spalte gerade noch nachvollziehbar die Leistungen für die Jahre 2002 und 2003, sowie der Jahresfallauszug vom 16.12.2005 die Leistungen für 2004, die im Jahr 2005 zur Auszahlung kamen bzw. verbucht wurden.
Nicht berücksichtigt werden können die Ausgaben für das Jahr 2002. Der Erstattungszeitraum begann erst am 4.10.2002. Eine genaue Zuordnung der im Jahr 2002 für die in der Zeit vom 4.10 bis 31.12.2002 angefallenen Kosten, die abhängig von den geleisteten Arbeitstagen im jeweiligen Monat variiert haben, ist dem Beklagten nicht möglich. Von daher kann der Sozialhilfeaufwand für diesen Zeitraum nicht konkretisiert werden und ist damit nicht bestimmbar.
Der Sozialhilfeaufwand für 2003 und 2004 betrug anhand der Jahresfallauszüge vom 23.12.2004 und vom 16.12.2005 insgesamt 11.452,59 EUR wie folgt:
Haushaltsstelle 2003 2004 Werkstattkostenvergütung ...743091.8 4.336,20 EUR 4.303,82 EUR Arbeitsförderungsgeld ...743095.0 312 EUR 312 EUR Fahrtkosten ...743094.2 330 EUR 363 EUR Sozialversicherungsbeiträge ...743087.0 1.301,91 EUR 1.322,56 EUR Gesamt 6.280,11 EUR 6.301,38 EUR Abzügl. Eigenanteil -489,90 EUR -639 EUR Tatsächlicher Aufwand 5.790,21 EUR 5.662,38 EUR
Diese Aufwendungen lagen um 9.208,59 EUR über dem Dreifachen des Grundbetrages nach § 85 Abs. 1 SGB XII. Maßgebender Zeitpunkt für die Höhe des zu Grunde zu legenden Grundbetrags nach § 85 Abs. 1 SGB XII ist der Erbfall (BSG, Urteil vom 23.3.2010 – B 8 SO 2/09 R –, juris Rn. 26 mit Hinweis auf BVerwGE 57, 26, 27 zur Vorgängervorschrift § 81 Abs. 1 BSHG). Der Grundbetrag betrug 748 EUR (Zweifaches der Regelbedarfsstufe 1 in 2012: 374 EUR x 2), das Dreifache demnach 2.244 EUR. Daraus ergibt sich der Kostenersatzanspruch in Höhe von 9.208,59 EUR statt wie vom Beklagten in Höhe von 17.851,95 EUR gefordert.
Die Vorschriften über den Kostenersatz in § 102 SGB XII erfassen nur rechtmäßig erbrachte Sozialhilfeleistungen. Maßgeblich ist, ob die dem Erblasser gewährten Leistungen nach den materiell-rechtlichen Vorschriften - hier noch des BSHG - zugestanden haben (BSG, Urteil vom 23.3.2010 – B 8 SO 2/09 R –, juris Rn. 17). Hieran besteht kein Zweifel und wird von der Klägerin auch nicht in Frage gestellt. Die Eingliederungshilfe (§ 27 Abs. 1 Nr. 3 BSHG) ist GS im Kostenersatzzeitraum zu Recht erbracht worden. GS gehörte auf Grund seiner psychischen Behinderung zum leistungsberechtigten Personenkreis für Eingliederungshilfe gem. § 39 Abs. 1 Satz 1 BSHG i.V.m. § 3 Verordnung nach § 47 des Bundessozialhilfegesetzes (Eingliederungshilfe-Verordnung). Nach § 39 Abs. 4 BSHG i.V.m. § 41 SGB IX hatte er Anspruch auf Besuch der Rehawerkstatt L. - WfbM - und Gewährung entsprechender Leistungen.
Den in § 28 BSHG genannten Personen - so auch dem GS - ist nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 BSHG bei Leistungen in einer WfbM nach § 41 SGB IX die Aufbringung der Mittel nur für die Kosten des Lebensunterhalts zuzumuten. Der Lebensunterhalt in einer WfbM besteht lediglich in der Zurverfügungstellung eines Mittagessens (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 12.12.2013 – L 7 SO 402/11 –, Rn. 30, juris mit Hinweis auf Bundestags-Drucksache 14/5074 S. 124 f.). Die Aufbringung der Mittel nach Satz 1 Nr. 7 a.a.O. ist gemäß § 43 Abs. 2 Satz 3 BSHG nicht zumutbar, wenn das Einkommen des behinderten Menschen insgesamt einen Betrag in Höhe des zweifachen Regelsatzes eines Haushaltsvorstandes nicht übersteigt. Da GS 2002 Erwerbsunfähigkeiteitsrente in Höhe von 595,63 EUR monatlich bezog, der Regelsatz eines Haushaltsvorstands ab 1.7.2002 294 EUR betrug und der zweifache Regelsatz damit 588 EUR, hat der Landeswohlfahrtsverband Baden zu Recht einen Kostenbeitrag in Form der häuslichen Ersparnis von ihm verlangt (Bewilligungsbescheid auf unbestimmte Zeit vom 6.12.1999, Abhilfebescheid vom 26.11.2002). Auch war Vermögen nicht zu berücksichtigen. Das Hausgrundstück als einzig in Betracht kommender Vermögensgegenstand war mit 114,48 m² Wohn- und 541 m² Grundstücksfläche bei einer vierköpfigen Familie, die 1982 und 1984 geborenen Kinder lebten noch im Haushalt, gem. § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG von der Größe und dem Wert her angemessen. Wesentliche Änderungen haben sich im Bewilligungszeitraum bis 30.11.2004 durch die Rentenanpassungen und die Erhöhung der Regelsätze nicht ergeben. Die Eingliederungshilfe ist dem GS im Kostenersatzzeitraum rechtmäßig gewährt worden.
Nach § 102 Abs. 2 Satz 2 SGB XII haftet der Erbe mit dem Wert des im Zeitpunkt des Erbfalls - hier am 3.10.2012 - vorhandenen Nachlasses. Der Wert des Nachlasses (Erbschaft) umfasst das als Ganzes übergehende Vermögen des Erblassers und ermittelt sich anhand des angefallenen Aktivvermögens des Erblassers, von dem die Nachlassverbindlichkeiten in Abzug zu bringen sind, also der Differenz zwischen dem in Geld zu veranschlagenden Aktivbestand und den Passiva im Zeitpunkt des Erbfalls. Zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören auch die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten (§ 1967 Abs. 2 BGB), folglich auch die Beerdigungskosten, weil der Erbe diese Kosten nach § 1968 BGB zu tragen hat (BSG, Urteil vom 23.3.2010 – B 8 SO 2/09 R –,juris Rn. 24).
Der Nachlass bestand im Wesentlichen aus dem hälftigen Hausgrundstück, die Platten- und CD- Sammlung im Schätzwert von 1.200 EUR schlagen nicht wesentlich zu Buche. Das von der Klägerin gegenüber dem Nachlassgericht angegebene Guthaben von 19.017 EUR diente nach ihren Angaben der Hausfinanzierung, war dann aber wiederum von den angegebenen Nachlassverbindlichkeiten durch die verbliebene Darlehenssumme abzuziehen. Das Hausgrundstück bewertet der Senat ausgehend von dem Verkehrswertgutachten des Gutachterausschusses der Gemeinde S. vom 22.10.2013 mit 230.000 EUR. Hieran zu zweifeln gibt es keinen Grund, insbesondere nachdem die Klägerin selbst dieses Gutachten in Auftrag gegeben aber verschwiegen hatte und die durch die Vorlage von Kopien von Fotos belegten leichten Risse im Putz, an einer Fuge und Spuren am Holzzaun keinen wesentlichen wertbildenden Faktor ausmachen. Die Hälfte hiervon beträgt 115.000 EUR als Nachlassvermögen. Demgegenüber stehen Nachlassverbindlichkeiten bezogen auf GS in Höhe von 62.102,12 (Darlehenssumme 139.203,66 abzüglich 19.017 EUR zur Finanzierung geteilt durch ein halb ergibt 60.093,33 EUR zuzüglich Beerdigungskosten 2.108,79 EUR). Daraus ergibt sich ein Reinnachlass von 52.897,88 EUR, abzüglich des Freibetrags von 2.244 EUR ein einzusetzender Nachlass in Höhe von 50.653,88 EUR. Damit übersteigt der Wert des Nachlasses die Sozialhilfeaufwendungen im streitigen Zeitraum und kann der Kostenersatz in voller Höhe geltend gemacht werden. Dies würde auch gelten, wenn man den Wert des Hausgrundstücks zu Gunsten der Klägerin niedriger, nämlich mit den von ihr angegebenen 185.000 EUR ansetzen würde, wie sich bereits aus der Berechnung des Beklagten im Bescheid vom 6.6.2013 ergibt.
Der Kostenersatz scheidet ganz oder teilweise auch nicht nach § 102 Abs. 3 Nr. 3 SGB XII, der allein einschlägigen Variante, aus. Die Nr. 1 kommt nicht in Betracht, da der Wert des Nachlasses nicht unter dem Wert des Dreifachen des Grundbetrages nach § 85 Abs. 1 (2.244 EUR) liegt. Die Nr. 2 ist nicht einschlägig, weil die Klägerin den GS mangels Pflegebedürftigkeit auch nicht gepflegt hat und der Wert des Nachlasses auch nach Abzug des erhöhten Freibetrags von 15.340 EUR noch immer über dem Sozialhilfeaufwand läge und dieser voll geltend gemacht werden könnte. Nach § 102 Abs. 3 Nr. 3 SGB XII ist der Anspruch auf Kostenersatz nicht geltend zu machen, soweit die Inanspruchnahme des Erben nach der Besonderheit des Einzelfalls eine besondere Härte bedeuten würde. Eine solche Härte ist bei einer auffallenden Atypik des zu beurteilenden Sachverhalts anzunehmen, die es unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls als unbillig erscheinen lässt, den Erben für den Ersatz der Kosten der Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen. Die Härte muss besonders gewichtig sein, also objektiv besonders schwer wiegen (BSG, Urteil vom 23.3.2010 – B 8 SO 2/09 R –, juris Rn. 27 zur Vorgängervorschrift in § 92c Abs. 3 Nr. 3 BSHG).
Dies kann etwa der Fall sein, wenn ein der Nr. 2 des § 92c Abs. 3 BSHG (bzw. jetzt § 102 Abs.3 SGB XII) vergleichbarer Fall vorliegt, weil der Hilfebedürftige von dem mit ihm verwandten Erben bis zum Tode des Hilfeempfängers gepflegt wurde, ohne dass eine häusliche Gemeinschaft bestand, aber der Hilfebedürftige und der Verwandte in naher Nachbarschaft lebten und die Pflege auf Grund dieser Nähe gesichert war (W. Schellhorn/H. Schellhorn, BSHG, 16. Aufl 2002, § 92c BSHG Rn. 2; Schellhorn SGB XII 18.Aufl. 2010 § 102 Rn.27; s.a. Begründung zum Gesetzentwurf in BT-Drucks. V/3495 S.16 zu § 92c). Allerdings setzt die Pflege eines Schwerstbehinderten dann einen erheblichen zeitlichen Umfang voraus, weil die in häuslicher Gemeinschaft erbrachte Pflege eines Verwandten ebenfalls "rund um die Uhr erfolgt". Eine solche Situation war hier nicht gegeben. Der Erblasser war nicht schwer pflegebedürftig.
Ebensowenig lässt sich die Annahme einer besonderen Härte bereits darauf stützen, dass das ererbte Vermögen dem Schonvermögen des Erblassers zuzurechnen war. Der Ersatzanspruch gegen den Erben zielt gerade darauf ab, zu verhindern, dass sich der Schutz des Schonvermögens des Leistungsberechtigten auch zugunsten des Erben auswirkt, ohne dass in dessen Person eine diesbezügliche Schutzbedürftigkeit gegeben ist.
Eine besondere Härte ergibt sich auch nicht daraus, dass es sich bei dem ererbten Grundbesitz um Miteigentum an dem Haus handelt, das ein Erbe mit seinem Ehegatten bewohnt hat und nach seinem Tod weiterhin bewohnt, selbst wenn dies zum Verlust eines früheren Familienheimes führen kann. Insoweit handelt es sich nicht um einen atypisch gelagerten Fall mit Ausnahmecharakter, wie er Voraussetzung für das Vorliegen einer besonderen Härte ist, sondern um eine häufig anzutreffende Konstellation, wenn nicht sogar um den typischen Fall des §§ 102 SGB XII (Bayerisches LSG v. 23.02.2012 - L 8 SO 113/09 - , juris Rn. 61 m.w.Nw.).
Allerdings kann eine die Ersatzpflicht ausschließende Härte dann vorliegen, wenn der Vermögensgegenstand vor dem Erbfall im Miteigentum des Leistungsberechtigten und des Erben stand und daher auch für beide gleichermaßen als Schonvermögen geschützt war (z.B. bei einem selbst bewohnten Hausgrundstück; zu einem beiden Eheleuten gemeinsam gehörenden landwirtschaftlichen Betrieb; vgl. Senatsentscheidung vom 22.12.2010 – L 2 SO 5548/08 –, juris Rn. 44; Bayerisches LSG v. 23.2.2012 - L 8 SO 113/09 juris Rn. 63 mit Hinweis auf VGH München, FEVS 44, 461). Ein solcher Fall lag nicht vor, weil die Klägerin nicht im Sozialhilfebezug stand und auf Grund ihrer Pensionsbezüge und Einnahmen aus der privaten Rente nicht hilfebedürftig war.
Entgegen dem SG hält der Senat auch durch die familiären Umstände auf Grund der frühen Erkrankung des GS im Zusammenhang mit der Finanzierung des gemeinsamen Hauses eine besondere Härte nicht für begründet. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin mit GS und ihren beiden gemeinsamen Kindern eine Einstandsgemeinschaft gebildet haben. Angesichts der Einkommensverhältnisse im Kostenersatzzeitraum kann nicht davon gesprochen werden, dass die Klägerin das Hausgrundstück allein finanziert hat und deshalb das Immobilienvermögen nur durch einen besonderen Einsatz der Klägerin gebildet worden wäre, sodass ihre Inanspruchnahme eine besondere Härte bedeuten würde. Die Einkünfte der Klägerin beliefen sich auf ca. 3.000 EUR monatlich, die des GS mit seiner Erwerbsminderungsrente in Höhe von 595,63 EUR und dem Werkstattlohn in Höhe von ca. 100 EUR auf knapp 700 EUR. Danach bestand zwar ein Missverhältnis in den Einkünften, das aber im Rahmen einer Ehe als Normalfall anzusehen ist. Jedenfalls hat GS ebenfalls einen seiner Leistungsfähigkeit entsprechenden Anteil zum Familieneinkommen geleistet, wodurch sich die Summe des zur Verfügung stehenden Geldes zum Haushalten erhöht hat, sodass die Finanzierung des Hausgrundstücks möglich wurde. Es ist im Übrigen nicht richtig, dass der Werkstattlohn nicht zur Verfügung stand, weil er für die Fahrtkosten hätte aufgewendet werden müssen. Die Fahrtkosten hat der Beklagte als Teil der Eingliederungshilfe getragen.
Im Zeitpunkt der Kaufentscheidung für das Hausgrundstück im Jahr 1996 lagen die anteiligen finanziellen Verhältnisse innerhalb der Familie bereits mehrere Jahre vor. GS bezog bereits seit 1982 eine Erwerbsminderungsrente und es war klar, dass die Klägerin innerhalb des familiären Wirtschaftens den Hauptanteil würde tragen müssen. Dennoch haben sich die Eheleute bewusst für Miteigentum entschieden. Ein vergleichbarer Fall zu dem anerkannten Fall besonderer Härte, dass der Erbe auf ein zum Nachlass gehörendes (fremdes) Haus werterhöhende Aufwendungen zur Renovierung gemacht hat, die deshalb zu einem höheren Kostenersatz führen, weil er selbst Aufwendungen gemacht hat (Simon in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 102 Rn. 60), liegt in diesem Fall familiären Wirtschaftens aus einem Topf nicht vor. Hieran ändert auch nichts der Umstand, dass die Finanzierung formal nur auf den Namen der Klägerin erfolgt ist.
Schließlich ist der Anspruch auf Kostenersatz auch nicht nach § 102 Abs. 4 SGB XII erloschen. Der Anspruch erlischt grundsätzlich in 3 Jahren nach dem Tode des Hilfeempfängers. Aufgrund der entsprechenden Geltung des § 103 Abs. 3 Satz 2 SGB XII und den danach heranzuziehenden Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Hemmung und Unterbrechung der Verjährung ist die Frist vorliegend durch Erlass des Leistungsbescheides unterbrochen worden, da er nämlich nach § 102 Abs. 3 Satz 3 SGB XII der Erhebung der Klage gleichsteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Klägerin gehört nicht zu dem in § 183 SGG genannten Personenkreis, weil sie nicht in der Eigenschaft als Versicherte, Leistungsempfänger oder Sonderrechtsnachfolger nach § 56 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) klagt, sondern als Erbin in Anspruch genommen wird und sich in dieser Funktion gegen die von dem Beklagten geltend gemachten Ersatzansprüche zur Wehr setzt.
Die Entscheidung über den Streitwert stützt sich auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG iVm §§ 52 Abs 3, 63 Abs 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG).
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung des Beklagten wird im Übrigen zurückgewiesen.
Die Klägerin und der Beklagte tragen die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen je zur Hälfte.
Der Streitwert wird auf 17.852 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Inanspruchnahme als Erbin ihres verstorbenen hilfebedürftigen Ehemannes durch den Sozialhilfeträger.
Die Klägerin ist die Witwe und durch gemeinschaftliches Testament Alleinerbin des am 19.8.1944 geborenen und am 3.10.2012 verstorbenen S. (im Folgenden: GS). GS hatte in der Zeit vom 24.11.1999 bis 30.11.2004 Leistungen der Eingliederungshilfe im Zusammenhang mit dem teilstationären halbtägigen Besuch der Reha-Werkstatt in L. im Arbeitsbereich nach den Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) vom damals noch zuständig gewesenen Landeswohlfahrtsverband Baden in Karlsruhe unter Beteiligung an den Verpflegungskosten in der Werkstatt in Höhe des festgesetzten Satzes der häuslichen Ersparnis bezogen (Bescheid vom 6.12.1999, Abhilfebescheid vom 26.11.2002, Bl. 181, 299 VA). Den Nachlass des GS hatte die Klägerin gegenüber dem Nachlassgericht wie folgt angegeben: Konto mit 19.017 EUR, Schallplatten- und CD-Sammlung im Wert von ca. 1.200 EUR sowie ein Hausgrundstück mit einem Wert von 185.000 EUR. Dem gegenüberstehende Verbindlichkeiten gab die Klägerin mit ca. 105.000 EUR an (s. Nachlassverzeichnis vom 19.11.2012, Bl. 359 VA). Das Hausgrundstück (Grundstücksgröße 541 m², Gesamtwohnfläche 114,48 m², Neubau von 1996) war Miteigentum der Klägerin und des GS je zur Hälfte (Bl. 237 VA).
Nach Kenntnis vom Tod des GS wandte sich der Beklagte als Rechtsnachfolger des Landeswohlfahrtsverbands Baden mit Schreiben vom 8.3.2013 an die Klägerin zur Prüfung eines Kostenersatzanspruchs gegenüber ihr als Erbin und forderte Nachweise an. Mit Bescheid vom 6.6.2013 forderte der Beklagte von der Klägerin Kostenersatz nach § 102 SGB XII in Höhe von 17.851,95 EUR. Hierbei war unter Berücksichtigung des hälftigen Eigentumsanteils der Klägerin ein Nachlassvermögen von 102.008,50 EUR und Nachlassverbindlichkeiten in Höhe von 71.710,62 EUR (halbe Darlehenssumme zzgl. Beerdigungskosten) und somit ein Reinnachlass von 30.297,88 EUR zu Grunde gelegt worden. Der Sozialhilfeaufwand habe im relevanten 10-Jahreszeitraum 20.095,95 EUR betragen. Unter Abzug des Dreifachen des Grundbetrages nach § 85 Abs. 1 SGB XII in Höhe von 2.244,00 EUR ergebe sich der geforderte Betrag. Eine besondere Härte liege nicht vor. Insbesondere auf die Lebenshaltungskosten könne sich nicht berufen werden, da gemäß § 1353 Abs. 1 i.V.m. § 1360 BGB Ehegatten innerhalb der eigens geschlossenen ehelichen Gemeinschaft einander zu Unterhalt verpflichtet seien (Bl. 483 VA).
Dagegen hat die Klägerin Widerspruch eingelegt und die Höhe des Sozialhilfeaufwands sowie den Wert des Hausgrundstücks bestritten. Im Übrigen liege eine besondere Härte vor, da der GS schon bald nach der Eheschließung eine endogene Psychose mit starken Auswirkungen auf seine Erwerbsmöglichkeiten erlitten habe, sodass die Klägerin für ihn habe aufkommen müssen und die Finanzierung des Hauses aus ihren Mitteln erfolgt sei. Zudem sei sie finanziell zur Rückzahlung nicht in der Lage und es drohe ihrerseits Sozialhilfebedürftigkeit. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 4.12.2013 zurück und führte zur Begründung aus, dass ohne ein Wertgutachten vom Wert des Hausgrundstücks mit 185.000 EUR entsprechend der Mitteilung des Nachlassgerichts vom 13.2.2013 ausgegangen werde. Ein atypischer Sachverhalt, der eine besondere Härte begründen könne, liege nicht vor. Sozialhilfebedürftigkeit der Klägerin im Falle des Kostenersatzes sei nicht ersichtlich. Die von der Klägerin erbrachten Leistungen seien im Rahmen ihrer ehelichen Unterhaltspflicht auch zu erwarten gewesen (Bl. 507 VA).
Dagegen hat die Klägerin am 19.12.2013 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erheben lassen und ihr Begehren im Wesentlichen mit der gleichen Begründung weiterverfolgt. Vertiefend hat sie vortragen lassen, dass für die Finanzierung des Hausgrundstücks nach der Erkrankung des Mannes 1972 und Bezugs einer unbedeutenden Erwerbsminderungsrente ab 1982 allein aus Mitteln der Klägerin auch spreche, dass die Baufinanzierung mit der BHW bei einer Fremdfinanzierung zu 90 % allein auf den Namen der Klägerin erfolgt sei. Sämtliche Handwerkerrechnungen und Anschaffungen für Möbel etc. seien aus ihren Mitteln erfolgt. Die Klägerin hat hierzu zahlreiche Darlehensunterlagen sowie Überweisungsträger vorgelegt.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat aus der Vorlage der Rechnungen und des Schriftverkehrs mit der Bausparkasse einen Beweis dafür, dass ausschließlich aus dem Einkommen der Klägerin das Hausgrundstück finanziert worden sei, nicht gesehen.
Mit Urteil vom 23.10.2014 hat das SG der Klage stattgegeben und den Bescheid vom 6.6.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.12.2013 aufgehoben. In der Geltendmachung des Kostenersatzanspruchs gegenüber der Klägerin hat es eine besondere Härte i.S. von § 102 Abs. 3 Nr. 3 SGB XII gesehen, da die Klägerin das den wesentlichen Teil des Vermögens darstellende Hausgrundstück fast ausschließlich selbst finanziert habe. Der Aufbau dieses Vermögenswertes während der Ehezeit sei bei einer wirtschaftlichen Betrachtung vorrangig der Klägerin zuzuordnen. Daher erscheine die Bewertung eines dem GS "gehörenden" Eigentumsanteils letztlich unbillig. Aufgrund der früheren Erkrankung kurz nach der Eheschließung habe GS in den 40 Jahren Ehe lediglich anfänglich 6 Jahre geringfügig im Rahmen von Hilfsarbeiten Einkommen erzielt. Überwiegend habe er überhaupt kein Einkommen besessen. Die Familie der Klägerin und des GS habe in dieser Zeit ausschließlich von dem Gehalt der Klägerin gelebt. GS habe aufgrund seiner Erkrankung und der Einnahme von Medikamenten auch nur in einem sehr geringen Umfang zu der Führung des Haushalts und der Erziehung der Kinder beitragen können. GS habe ab 1982 eine geringe Erwerbsunfähigkeitsrente erhalten. Die Klägerin habe somit für sich, ihren Mann und die gemeinsamen Kinder finanziell aufkommen müssen; die Vermögensbildung sei aus dem Einkommen der Klägerin erfolgt, weshalb ihre Inanspruchnahme im Rahmen des Kostenersatzes eine besondere Härte bedeute.
Gegen das dem Beklagten gegen Empfangsbekenntnis am 31.10.2014 zugestellte Urteil hat er am 27.11.2014 schriftlich beim Landessozialgericht Baden-Württemberg Berufung eingelegt und vorgetragen, dass die Herkunft der Mittel zur Kreditfinanzierung des Hauses nicht nachgewiesen worden sei. Nicht nachvollziehbar sei, ob die Finanzierung aus dem Erwerbseinkommen der Klägerin oder der Rente bzw. den sonstigen Einkünften des GS erfolgt sei. Es könne daher nicht von vornherein darauf abgestellt werden, dass die fraglichen vererbten Vermögenswerte in erster Linie auf die persönliche Lebensleistung der Klägerin zurückzuführen seien. Auch wenn das Einkommen der Ehefrau mit ca. 1.900 EUR monatlich gegenüber dem Renteneinkommen mit monatlich 767 EUR zuzüglich Werkstattlohn höher gewesen sei, sei es rein spekulativ davon auszugehen, dass das vorhandene Vermögen ausschließlich von der Klägerin gebildet worden sei. Das SG habe die Rentenansprüche und den Werkstattlohn des GS übersehen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23. Oktober 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und hat weiterhin die Höhe der Sozialhilfeaufwendungen sowie den angenommenen Verkehrswert ihres Hauses bestritten.
Die Klägerin hat auf Nachfrage mitgeteilt, dass die monatlichen Einnahmen des GS von 1996 bis 2004 durch Rente wegen Erwerbsunfähigkeit 681,97 EUR ab 1996 bzw. 650,46 EUR ab 2002 und durch Altersrente 664,82 EUR ab 2005 bzw. 709,04 EUR in 2012 betragen hätten. Der Arbeitslohn in der WfbM habe ca. 100 EUR betragen, der für das Jobticket nach L. benötigt worden sei. Das Sparguthaben (ca. 19.000 EUR) sei Gegenstand der Finanzierung mittels Bausparverträgen gewesen. Sie habe nicht nur über die Einkünfte aus ihrer Pension, sondern auch über Einkünfte aus einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung verfügt, wodurch sie in der Summe Bruttoeinnahmen in Höhe von 3.100 EUR monatlich gehabt habe.
Der Beklagte hat hinsichtlich seines Sozialhilfeaufwandes für GS Jahresfallauszüge vom 16.12.2002, 15.12.2003, 23.12.2004, und 16.12.2005 vorgelegt, die den Sozialhilfeaufwand im Erstattungszeitraum beziffern sollen. Des Weiteren hat er das beim Gutachterausschuss der Gemeinde S. bereits im Auftrag der Klägerin über ihr Hausgrundstück erstellte Verkehrswertgutachten vom 22.10.2013 vorgelegt. Danach bemisst sich der Verkehrswert auf 230.000 EUR (Bl. 44 LSG-Akte).
Die Klägerin hat unter Vorlage weiterer Unterlagen ergänzende Angaben zu ihren und des GS Einkommensverhältnissen gemacht (Bl. 51 LSG-Akte). Demnach erhielt sie 2002 vom Landesamt für Besoldung und Versorgung Versorgungsbezüge inklusive Kindergeld (154 EUR) in Höhe von netto 2.413,68 EUR monatlich, im November 2.632,29 EUR. Zusätzlich hat sie eine BU-Rente, die sie immer für 3 Monate in einem Betrag bekommen hat, in Höhe von monatlich 595,63 EUR für 2002 bzw. 601,50 (2003 und 2004) erhalten (Bl. 58 LSG-Akte). GS erhielt 2002 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in Höhe von 650,46 EUR zuzüglich Werkstattlohn in Höhe von etwa 100 EUR monatlich. Für die Finanzierung des Eigenheims wurden monatlich 1.278,07 EUR aufgewendet. Die Klägerin bestreitet weiterhin den vom Beklagten angegebenen Sozialhilfeaufwand und den Wert ihres Hausgrundstücks.
Der Beklagte hat mit Schreiben vom 13.6.2016 die Buchungen in den Jahresfallauszügen näher erläutert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten hat teilweise Erfolg.
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist auch teilweise begründet. Der Beklagte hat die Klägerin zu Recht als Erbin zum Kostenersatz für die an den GS im Zeitraum vom 4.10.2002 bis 30.11.2004 erbrachten Sozialhilfeleistungen herangezogen. Der Anspruch besteht jedoch nur in Höhe von 9.208,59 EUR, weil darüber hinaus der höhere Sozialhilfeaufwand vom Beklagten nicht belegt ist.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 6.6.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.12.2013, mit dem die Klägerin als Erbin zum Ersatz aufgewandter Sozialhilfekosten für ihren Ehemann i.H.v. 17.851,95 EUR aufgefordert wurde. Hiergegen geht die Klägerin zulässig mit der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG vor.
Der angegriffene Bescheid ist formell rechtmäßig. Da der Landeswohlfahrtsverband Baden die Leistungen der Sozialhilfe erbracht hat, war der Beklagte als dessen Rechtsnachfolger (§ 2 des Gesetzes zur Auflösung der Landeswohlfahrtsverbände in der Fassung des Art. 177 des Verwaltungsstruktur-Reformgesetzes vom 1.7.2004 - VRG - (GBl. S. 469, 570) i.V.m. Art. 187 Abs. 1 VRG) mit Wirkung vom 1.1.2005 der sachlich und örtlich zuständig gewordene Sozialhilfeträger und damit auch für die Geltendmachung des Kostenersatzes zuständig.
Der angegriffene Bescheid ist hinreichend bestimmt nach § 33 Abs. 1 SGB X, weil die Höhe der Haftungsschuld aus dem Verfügungssatz eindeutig erkennbar ist (BSG, Urteil vom 23.3.2010 – B 8 SO 2/09 R –, juris Rn. 11).
Nach § 102 Abs. 1 SGB XII ist der Erbe des Hilfeempfängers unter weiteren Voraussetzungen zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe verpflichtet. Ausweislich der Auskunft des Notariats L. vom 10.1.2013 ist die Klägerin auf Grund notariellen gemeinschaftlichen Testaments unabhängig von den beiden gemeinsamen Kindern Alleinerbin geworden.
Nach § 102 Abs. 1 S. 2 SGB XII besteht die Ersatzpflicht nur für die Kosten der Sozialhilfe, die innerhalb eines Zeitraumes von 10 Jahren vor dem Erbfall aufgewendet worden sind und die das Dreifache des Grundbetrages nach § 85 Abs. 1 SGB XII (Freibetrag) übersteigen. GS hat in der Zeit vom 24.11.1999 bis 30.11.2004 Eingliederungshilfe für den Besuch der Rehawerkstatt in L., einer WfbM erhalten. Die Leistungen umfassten die Werkstattkosten Vergütung (§ 41 Abs. 3 SGB IX), Sozialversicherungsbeiträge (§ 5 Abs. 1 Nr. 7 SGB V, § 1 Nr. 2a SGB VI, § 20 Abs. 1 Nr. 8 SGB XII), Fahrtkosten und Arbeitsförderungsgeld (§ 43 Satz 1 SGB IX). Hierauf angerechnet wurde die häusliche Ersparnis (§ 43 Abs. 2 Nr. 7 BSHG).
Der Sozialhilfeaufwand ist im erstattungsrelevanten Zeitraum von 10 Jahren - ausgehend vom Eintritt des Erbfalls am Todestag, dem 3.10.2012 (§ 1922 Abs. 1 BGB) also in der Zeit vom 4.10.2002 bis zum Leistungsende am 30.11.2004 - nur in Höhe von 11.452,59 EUR nachgewiesen. Dieser Betrag ergibt sich als Summe aus den Einzelposten auf den vom Beklagten vorgelegten Jahresfallauszügen mit Ausgabe- und Einnahmekonten. Hierbei ist allerdings im Hinblick auf stattgehabte erhebliche zeitliche Verzögerungen bei der Auszahlung bzw. Buchung allein auf die Zeiträume abzustellen, für die die Leistungen erbracht wurden; nur so sind die im 10-Jahres-Zeitraum entstandenen und zu erstattenden Kosten der Sozialhilfe zu ermitteln. Anders als der Beklagte meint, kommt es nicht auf die zwar im 10-Jahres-Zeitrum geleisteten aber verspäteten Zahlungen (für 2001) an, die im Übrigen den vom Erben zu erstattenden Betrag willkürlich verändern würden. Auch kann hier nicht auf die sog. "Zuflusstheorie" abgestellt werden, zumal die Zahlungen nach dem Bewilligungsbescheid vom 6.12.1999 nicht an den GS erfolgten, sondern die Kosten mit der Einrichtung abgerechnet wurden. Danach sind die im Jahr 2002 gebuchten Kosten für die Eingliederungshilfe im Jahr 2001 (Jahresfallauszug vom 16.12.2002) für den Kostenersatz nicht relevant, weil sie Sozialhilfeaufwand für eine Zeit außerhalb des 10-Jahres-Zeitraums betreffen.
Weiter ist zu berücksichtigen, dass nach dem Jahresfallauszug vom 15.12.2003 und den Erläuterungen des Beklagten keine Zahlungen (für 2002 und 2003) im Jahr 2003 erfolgten, sondern diese im Jahr 2004 nachgeholt wurden. Damit erfasst der Jahresfallauszug vom 23.12.2004 trotz verwirrender anderslautender Jahresangaben in der linken Spalte gerade noch nachvollziehbar die Leistungen für die Jahre 2002 und 2003, sowie der Jahresfallauszug vom 16.12.2005 die Leistungen für 2004, die im Jahr 2005 zur Auszahlung kamen bzw. verbucht wurden.
Nicht berücksichtigt werden können die Ausgaben für das Jahr 2002. Der Erstattungszeitraum begann erst am 4.10.2002. Eine genaue Zuordnung der im Jahr 2002 für die in der Zeit vom 4.10 bis 31.12.2002 angefallenen Kosten, die abhängig von den geleisteten Arbeitstagen im jeweiligen Monat variiert haben, ist dem Beklagten nicht möglich. Von daher kann der Sozialhilfeaufwand für diesen Zeitraum nicht konkretisiert werden und ist damit nicht bestimmbar.
Der Sozialhilfeaufwand für 2003 und 2004 betrug anhand der Jahresfallauszüge vom 23.12.2004 und vom 16.12.2005 insgesamt 11.452,59 EUR wie folgt:
Haushaltsstelle 2003 2004 Werkstattkostenvergütung ...743091.8 4.336,20 EUR 4.303,82 EUR Arbeitsförderungsgeld ...743095.0 312 EUR 312 EUR Fahrtkosten ...743094.2 330 EUR 363 EUR Sozialversicherungsbeiträge ...743087.0 1.301,91 EUR 1.322,56 EUR Gesamt 6.280,11 EUR 6.301,38 EUR Abzügl. Eigenanteil -489,90 EUR -639 EUR Tatsächlicher Aufwand 5.790,21 EUR 5.662,38 EUR
Diese Aufwendungen lagen um 9.208,59 EUR über dem Dreifachen des Grundbetrages nach § 85 Abs. 1 SGB XII. Maßgebender Zeitpunkt für die Höhe des zu Grunde zu legenden Grundbetrags nach § 85 Abs. 1 SGB XII ist der Erbfall (BSG, Urteil vom 23.3.2010 – B 8 SO 2/09 R –, juris Rn. 26 mit Hinweis auf BVerwGE 57, 26, 27 zur Vorgängervorschrift § 81 Abs. 1 BSHG). Der Grundbetrag betrug 748 EUR (Zweifaches der Regelbedarfsstufe 1 in 2012: 374 EUR x 2), das Dreifache demnach 2.244 EUR. Daraus ergibt sich der Kostenersatzanspruch in Höhe von 9.208,59 EUR statt wie vom Beklagten in Höhe von 17.851,95 EUR gefordert.
Die Vorschriften über den Kostenersatz in § 102 SGB XII erfassen nur rechtmäßig erbrachte Sozialhilfeleistungen. Maßgeblich ist, ob die dem Erblasser gewährten Leistungen nach den materiell-rechtlichen Vorschriften - hier noch des BSHG - zugestanden haben (BSG, Urteil vom 23.3.2010 – B 8 SO 2/09 R –, juris Rn. 17). Hieran besteht kein Zweifel und wird von der Klägerin auch nicht in Frage gestellt. Die Eingliederungshilfe (§ 27 Abs. 1 Nr. 3 BSHG) ist GS im Kostenersatzzeitraum zu Recht erbracht worden. GS gehörte auf Grund seiner psychischen Behinderung zum leistungsberechtigten Personenkreis für Eingliederungshilfe gem. § 39 Abs. 1 Satz 1 BSHG i.V.m. § 3 Verordnung nach § 47 des Bundessozialhilfegesetzes (Eingliederungshilfe-Verordnung). Nach § 39 Abs. 4 BSHG i.V.m. § 41 SGB IX hatte er Anspruch auf Besuch der Rehawerkstatt L. - WfbM - und Gewährung entsprechender Leistungen.
Den in § 28 BSHG genannten Personen - so auch dem GS - ist nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 BSHG bei Leistungen in einer WfbM nach § 41 SGB IX die Aufbringung der Mittel nur für die Kosten des Lebensunterhalts zuzumuten. Der Lebensunterhalt in einer WfbM besteht lediglich in der Zurverfügungstellung eines Mittagessens (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 12.12.2013 – L 7 SO 402/11 –, Rn. 30, juris mit Hinweis auf Bundestags-Drucksache 14/5074 S. 124 f.). Die Aufbringung der Mittel nach Satz 1 Nr. 7 a.a.O. ist gemäß § 43 Abs. 2 Satz 3 BSHG nicht zumutbar, wenn das Einkommen des behinderten Menschen insgesamt einen Betrag in Höhe des zweifachen Regelsatzes eines Haushaltsvorstandes nicht übersteigt. Da GS 2002 Erwerbsunfähigkeiteitsrente in Höhe von 595,63 EUR monatlich bezog, der Regelsatz eines Haushaltsvorstands ab 1.7.2002 294 EUR betrug und der zweifache Regelsatz damit 588 EUR, hat der Landeswohlfahrtsverband Baden zu Recht einen Kostenbeitrag in Form der häuslichen Ersparnis von ihm verlangt (Bewilligungsbescheid auf unbestimmte Zeit vom 6.12.1999, Abhilfebescheid vom 26.11.2002). Auch war Vermögen nicht zu berücksichtigen. Das Hausgrundstück als einzig in Betracht kommender Vermögensgegenstand war mit 114,48 m² Wohn- und 541 m² Grundstücksfläche bei einer vierköpfigen Familie, die 1982 und 1984 geborenen Kinder lebten noch im Haushalt, gem. § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG von der Größe und dem Wert her angemessen. Wesentliche Änderungen haben sich im Bewilligungszeitraum bis 30.11.2004 durch die Rentenanpassungen und die Erhöhung der Regelsätze nicht ergeben. Die Eingliederungshilfe ist dem GS im Kostenersatzzeitraum rechtmäßig gewährt worden.
Nach § 102 Abs. 2 Satz 2 SGB XII haftet der Erbe mit dem Wert des im Zeitpunkt des Erbfalls - hier am 3.10.2012 - vorhandenen Nachlasses. Der Wert des Nachlasses (Erbschaft) umfasst das als Ganzes übergehende Vermögen des Erblassers und ermittelt sich anhand des angefallenen Aktivvermögens des Erblassers, von dem die Nachlassverbindlichkeiten in Abzug zu bringen sind, also der Differenz zwischen dem in Geld zu veranschlagenden Aktivbestand und den Passiva im Zeitpunkt des Erbfalls. Zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören auch die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten (§ 1967 Abs. 2 BGB), folglich auch die Beerdigungskosten, weil der Erbe diese Kosten nach § 1968 BGB zu tragen hat (BSG, Urteil vom 23.3.2010 – B 8 SO 2/09 R –,juris Rn. 24).
Der Nachlass bestand im Wesentlichen aus dem hälftigen Hausgrundstück, die Platten- und CD- Sammlung im Schätzwert von 1.200 EUR schlagen nicht wesentlich zu Buche. Das von der Klägerin gegenüber dem Nachlassgericht angegebene Guthaben von 19.017 EUR diente nach ihren Angaben der Hausfinanzierung, war dann aber wiederum von den angegebenen Nachlassverbindlichkeiten durch die verbliebene Darlehenssumme abzuziehen. Das Hausgrundstück bewertet der Senat ausgehend von dem Verkehrswertgutachten des Gutachterausschusses der Gemeinde S. vom 22.10.2013 mit 230.000 EUR. Hieran zu zweifeln gibt es keinen Grund, insbesondere nachdem die Klägerin selbst dieses Gutachten in Auftrag gegeben aber verschwiegen hatte und die durch die Vorlage von Kopien von Fotos belegten leichten Risse im Putz, an einer Fuge und Spuren am Holzzaun keinen wesentlichen wertbildenden Faktor ausmachen. Die Hälfte hiervon beträgt 115.000 EUR als Nachlassvermögen. Demgegenüber stehen Nachlassverbindlichkeiten bezogen auf GS in Höhe von 62.102,12 (Darlehenssumme 139.203,66 abzüglich 19.017 EUR zur Finanzierung geteilt durch ein halb ergibt 60.093,33 EUR zuzüglich Beerdigungskosten 2.108,79 EUR). Daraus ergibt sich ein Reinnachlass von 52.897,88 EUR, abzüglich des Freibetrags von 2.244 EUR ein einzusetzender Nachlass in Höhe von 50.653,88 EUR. Damit übersteigt der Wert des Nachlasses die Sozialhilfeaufwendungen im streitigen Zeitraum und kann der Kostenersatz in voller Höhe geltend gemacht werden. Dies würde auch gelten, wenn man den Wert des Hausgrundstücks zu Gunsten der Klägerin niedriger, nämlich mit den von ihr angegebenen 185.000 EUR ansetzen würde, wie sich bereits aus der Berechnung des Beklagten im Bescheid vom 6.6.2013 ergibt.
Der Kostenersatz scheidet ganz oder teilweise auch nicht nach § 102 Abs. 3 Nr. 3 SGB XII, der allein einschlägigen Variante, aus. Die Nr. 1 kommt nicht in Betracht, da der Wert des Nachlasses nicht unter dem Wert des Dreifachen des Grundbetrages nach § 85 Abs. 1 (2.244 EUR) liegt. Die Nr. 2 ist nicht einschlägig, weil die Klägerin den GS mangels Pflegebedürftigkeit auch nicht gepflegt hat und der Wert des Nachlasses auch nach Abzug des erhöhten Freibetrags von 15.340 EUR noch immer über dem Sozialhilfeaufwand läge und dieser voll geltend gemacht werden könnte. Nach § 102 Abs. 3 Nr. 3 SGB XII ist der Anspruch auf Kostenersatz nicht geltend zu machen, soweit die Inanspruchnahme des Erben nach der Besonderheit des Einzelfalls eine besondere Härte bedeuten würde. Eine solche Härte ist bei einer auffallenden Atypik des zu beurteilenden Sachverhalts anzunehmen, die es unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls als unbillig erscheinen lässt, den Erben für den Ersatz der Kosten der Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen. Die Härte muss besonders gewichtig sein, also objektiv besonders schwer wiegen (BSG, Urteil vom 23.3.2010 – B 8 SO 2/09 R –, juris Rn. 27 zur Vorgängervorschrift in § 92c Abs. 3 Nr. 3 BSHG).
Dies kann etwa der Fall sein, wenn ein der Nr. 2 des § 92c Abs. 3 BSHG (bzw. jetzt § 102 Abs.3 SGB XII) vergleichbarer Fall vorliegt, weil der Hilfebedürftige von dem mit ihm verwandten Erben bis zum Tode des Hilfeempfängers gepflegt wurde, ohne dass eine häusliche Gemeinschaft bestand, aber der Hilfebedürftige und der Verwandte in naher Nachbarschaft lebten und die Pflege auf Grund dieser Nähe gesichert war (W. Schellhorn/H. Schellhorn, BSHG, 16. Aufl 2002, § 92c BSHG Rn. 2; Schellhorn SGB XII 18.Aufl. 2010 § 102 Rn.27; s.a. Begründung zum Gesetzentwurf in BT-Drucks. V/3495 S.16 zu § 92c). Allerdings setzt die Pflege eines Schwerstbehinderten dann einen erheblichen zeitlichen Umfang voraus, weil die in häuslicher Gemeinschaft erbrachte Pflege eines Verwandten ebenfalls "rund um die Uhr erfolgt". Eine solche Situation war hier nicht gegeben. Der Erblasser war nicht schwer pflegebedürftig.
Ebensowenig lässt sich die Annahme einer besonderen Härte bereits darauf stützen, dass das ererbte Vermögen dem Schonvermögen des Erblassers zuzurechnen war. Der Ersatzanspruch gegen den Erben zielt gerade darauf ab, zu verhindern, dass sich der Schutz des Schonvermögens des Leistungsberechtigten auch zugunsten des Erben auswirkt, ohne dass in dessen Person eine diesbezügliche Schutzbedürftigkeit gegeben ist.
Eine besondere Härte ergibt sich auch nicht daraus, dass es sich bei dem ererbten Grundbesitz um Miteigentum an dem Haus handelt, das ein Erbe mit seinem Ehegatten bewohnt hat und nach seinem Tod weiterhin bewohnt, selbst wenn dies zum Verlust eines früheren Familienheimes führen kann. Insoweit handelt es sich nicht um einen atypisch gelagerten Fall mit Ausnahmecharakter, wie er Voraussetzung für das Vorliegen einer besonderen Härte ist, sondern um eine häufig anzutreffende Konstellation, wenn nicht sogar um den typischen Fall des §§ 102 SGB XII (Bayerisches LSG v. 23.02.2012 - L 8 SO 113/09 - , juris Rn. 61 m.w.Nw.).
Allerdings kann eine die Ersatzpflicht ausschließende Härte dann vorliegen, wenn der Vermögensgegenstand vor dem Erbfall im Miteigentum des Leistungsberechtigten und des Erben stand und daher auch für beide gleichermaßen als Schonvermögen geschützt war (z.B. bei einem selbst bewohnten Hausgrundstück; zu einem beiden Eheleuten gemeinsam gehörenden landwirtschaftlichen Betrieb; vgl. Senatsentscheidung vom 22.12.2010 – L 2 SO 5548/08 –, juris Rn. 44; Bayerisches LSG v. 23.2.2012 - L 8 SO 113/09 juris Rn. 63 mit Hinweis auf VGH München, FEVS 44, 461). Ein solcher Fall lag nicht vor, weil die Klägerin nicht im Sozialhilfebezug stand und auf Grund ihrer Pensionsbezüge und Einnahmen aus der privaten Rente nicht hilfebedürftig war.
Entgegen dem SG hält der Senat auch durch die familiären Umstände auf Grund der frühen Erkrankung des GS im Zusammenhang mit der Finanzierung des gemeinsamen Hauses eine besondere Härte nicht für begründet. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin mit GS und ihren beiden gemeinsamen Kindern eine Einstandsgemeinschaft gebildet haben. Angesichts der Einkommensverhältnisse im Kostenersatzzeitraum kann nicht davon gesprochen werden, dass die Klägerin das Hausgrundstück allein finanziert hat und deshalb das Immobilienvermögen nur durch einen besonderen Einsatz der Klägerin gebildet worden wäre, sodass ihre Inanspruchnahme eine besondere Härte bedeuten würde. Die Einkünfte der Klägerin beliefen sich auf ca. 3.000 EUR monatlich, die des GS mit seiner Erwerbsminderungsrente in Höhe von 595,63 EUR und dem Werkstattlohn in Höhe von ca. 100 EUR auf knapp 700 EUR. Danach bestand zwar ein Missverhältnis in den Einkünften, das aber im Rahmen einer Ehe als Normalfall anzusehen ist. Jedenfalls hat GS ebenfalls einen seiner Leistungsfähigkeit entsprechenden Anteil zum Familieneinkommen geleistet, wodurch sich die Summe des zur Verfügung stehenden Geldes zum Haushalten erhöht hat, sodass die Finanzierung des Hausgrundstücks möglich wurde. Es ist im Übrigen nicht richtig, dass der Werkstattlohn nicht zur Verfügung stand, weil er für die Fahrtkosten hätte aufgewendet werden müssen. Die Fahrtkosten hat der Beklagte als Teil der Eingliederungshilfe getragen.
Im Zeitpunkt der Kaufentscheidung für das Hausgrundstück im Jahr 1996 lagen die anteiligen finanziellen Verhältnisse innerhalb der Familie bereits mehrere Jahre vor. GS bezog bereits seit 1982 eine Erwerbsminderungsrente und es war klar, dass die Klägerin innerhalb des familiären Wirtschaftens den Hauptanteil würde tragen müssen. Dennoch haben sich die Eheleute bewusst für Miteigentum entschieden. Ein vergleichbarer Fall zu dem anerkannten Fall besonderer Härte, dass der Erbe auf ein zum Nachlass gehörendes (fremdes) Haus werterhöhende Aufwendungen zur Renovierung gemacht hat, die deshalb zu einem höheren Kostenersatz führen, weil er selbst Aufwendungen gemacht hat (Simon in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 102 Rn. 60), liegt in diesem Fall familiären Wirtschaftens aus einem Topf nicht vor. Hieran ändert auch nichts der Umstand, dass die Finanzierung formal nur auf den Namen der Klägerin erfolgt ist.
Schließlich ist der Anspruch auf Kostenersatz auch nicht nach § 102 Abs. 4 SGB XII erloschen. Der Anspruch erlischt grundsätzlich in 3 Jahren nach dem Tode des Hilfeempfängers. Aufgrund der entsprechenden Geltung des § 103 Abs. 3 Satz 2 SGB XII und den danach heranzuziehenden Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Hemmung und Unterbrechung der Verjährung ist die Frist vorliegend durch Erlass des Leistungsbescheides unterbrochen worden, da er nämlich nach § 102 Abs. 3 Satz 3 SGB XII der Erhebung der Klage gleichsteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Klägerin gehört nicht zu dem in § 183 SGG genannten Personenkreis, weil sie nicht in der Eigenschaft als Versicherte, Leistungsempfänger oder Sonderrechtsnachfolger nach § 56 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) klagt, sondern als Erbin in Anspruch genommen wird und sich in dieser Funktion gegen die von dem Beklagten geltend gemachten Ersatzansprüche zur Wehr setzt.
Die Entscheidung über den Streitwert stützt sich auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG iVm §§ 52 Abs 3, 63 Abs 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG).
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
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