L 8 U 4970/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 1173/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 4970/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 19.11.2014 abgeändert und die Beklagte verurteilt, unter Abänderung des Bescheids vom 07.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.03.2014 bei der Klägerin ein reactive-airway dysfunction Syndrome (RADS; chemisch irritativ induziertes Asthma bronchiale) sowie eine Anosmie und eine Dysgeusie als weitere Folgen des Arbeitsunfalles vom 28.01.2010 festzustellen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte ihrer außergerichtlichen Kosten in beiden Instanzen zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente wegen eines Arbeitsunfalles am 28.01.2010 zusteht.

Die 1975 geborene Klägerin war zum Unfallzeitpunkt bei der Fa. Z. GmbH, S. , einem Mitgliedsunternehmen der Beklagten, versicherungspflichtig als Reinigungskraft beschäftigt und als solche im Bundeswehrkrankenhaus U. (BWK U. ) bei der Reinigung des Operationssaalbereichs eingesetzt.

Am 28.01.2010 stieß beim schnellen Liegendtransport eines beatmeten Patienten dessen Bett/Trage im Bereich vor dem Operationssaal an einen dort stehenden Tisch, auf dem zwei Kanister mit 4% gepuffertem Formaldehyd standen (zum Sicherheitsdatenblatt vgl. / 8, 2 der Beklagtenakte). Diese stürzten zu Boden, zerbrachen und liefen aus (zur Unfallanzeige / 8, 1 der Beklagtenakte).

Die Klägerin, die gerade ihre Schicht begonnen hatte, wurde gegen 21:45 Uhr mit dem Aufwischen der Flüssigkeit beauftragt. Dazu sollte sie mit dem Wischmop und von Hand mit Tüchern sowie unter Beigabe von Wasser die ausgelaufene Flüssigkeit aufsaugen und beseitigen. Die Klägerin verwendete dazu auch gebrauchte Op-Kittel und Tücher, die sie einem neben der Lache stehenden Aufbewahrungsbehälter entnahm und mit denen sie die Ausdehnung der Flüssigkeit eindämmen und diese aufsaugen wollte.

Später wurde die Klägerin bewusstlos in der Flüssigkeitslache liegend vorgefunden, vom Zeugen S. geborgen, in einen anderen Raum gebracht und später stationär bis 30.01.2010 im BWK U. versorgt (zum Entlassbericht vom 29.04.2010 vgl. / 18 der Beklagtenakte). Dort wurde sie im Laufe der Nacht vom Ehemann noch in ihrer nassen Arbeitskleidung aufgefunden.

Nachdem die Klägerin aus dem Op-Bereich geborgen war, wurde zunächst die Feuerwehr des BWK U. eingeschaltet, dann – mangels entsprechender Schutzkleidung der Bundeswehrfeuerwehr – die Feuerwehr der Stadt U. (zu den jeweiligen Aktendokumentationen und Berichten vgl. Blatt 74/88, 89/123 und Anlage der Senatsakte).

Prof. Dr. F. vom BWK U. gab in seinem Durchgangsarztbericht vom 28.01.2010 (/ 1 der Beklagtenakte) eine Intoxikation mit Formaldehyd an. Die Sauerstoffsättigung betrage 100%, die Klägerin gebe Kopfschmerzen und Brennen im Bereich der oberen Atemwege an. Im H-Arztbericht von Dr. C. vom 02.02.2010 (/ 2 der Beklagtenakte) werden noch immer Kopfschmerzen im Frontallappen, Schwindel, brennende Beschwerden sternal und Schmerzen in gleicher Höhe dorsal beschrieben. Bei einer stationären Aufnahme im BWK U. am 15.02.2010 (Bericht vom 02.03.2010, / 10 der Beklagtenakte) gab die Klägerin an, es sei in der Nacht zuvor zu plötzlicher Atemnot mit Engegefühl gekommen. Seit der Formaldehydvergiftung fühle sie sich insgesamt schwach und leistungsgemindert. Es sei auch zwischenzeitlich immer wieder zu Luftnot gekommen. Es hatte sich eine leichte restriktive Ventilationsstörung bei Adipositas gezeigt. Ein Hinweis auf eine signifikante Lungenerkrankung wurde nicht gefunden.

Am 22.02.2010 nahm die Klägerin ihre Tätigkeit wieder auf.

Im Bericht vom 04.04.2011 (/ 21 der Beklagtenakte) der HNO-Facharzt und Allergologe, Leiter der Spezialdiagnostik des BWK U. , Dr. Mü. , an, die Klägerin habe bereits am 18.02.2011 darüber berichtet, anfänglich sei nach dem Unfall der Geruchssinn teilweise noch vorhanden gewesen, nun bestehe subjektiv eine vollständige Anosmie. In der Geruchstestung habe die Klägerin keine der angeboten Geruchsqualitäten wahrnehmen können, jedoch bei der Probe mit dem Essig-Stift eine stechende Empfindung in der Nase angegeben. Korrespondierend dazu habe sich in der objektiven Olfaktometrie mit Äthanol in verschiedenen Konzentrationen eine entsprechende Signalgebung der Ableitung über CZ bei der 20%igen Reizung gezeigt, die 10%ige Reizung habe keine Änderung des Signals ergeben. Insgesamt habe sich aufgrund der vorhandenen Messungen ergeben, dass die trigeminale Reizbarkeit der Nase deutlich erhalten sei. Olfaktorisch hätten sich keine relevanten Reizantworten, weder subjektiv noch objektiv, gezeigt.

Am 20.05.2011 (/ 30 der Beklagtenakte) berichtete Dr. Mü. , dass trotz Decotin-Medikation es zu keiner Verbesserung der kompletten Riechstörung gekommen sei. Der HNO-Arzt Dr. W. gab im Bericht vom 09.02.2011 (/ 35 der Beklagtenakte) an, es bestehe noch immer eine Geruchs- und Geschmacksstörung.

Dr. Ke. gab in ihrem Bericht vom 15.04.2011 (/ 35, 12 der Beklagtenakte) eine bronchiale Hyperreagibilität an. Die Röntgenuntersuchung der Thoraxorgane habe einen unauffälligen Befund ergeben, die Sauerstoffsättigung sei mit 99% im Normbereich gewesen, Auch bodysplethysmographisch habe sich ein unauffälliger Befund gezeigt ohne Hinweise für eine obstruktive oder restriktive Ventilationsstörung. Hinsichtlich der bronchialen Hyperreagibilität sei jetzt nicht mehr klärbar, ob dies mit dem Arbeitsunfall oder dem letzten Infekt zusammenhänge, radiologisch hätten sich keine frischen Infiltrate gezeigt.

Dr. Ha. (Internist/Kardiologe) konnte im Bericht vom 02.05.2011 (/ 35, 22 der Beklagtenakte) ein akutes Koronarsyndrom ausschließen. Der nervenärztliche Bericht von Prof. Dr. Schr. vom 20.06.2011 ergab einen unauffälligen Hirnnervenstatus, wobei insbesondere die Pupillo- und Okulomotorik unauffällig gewesen sei. Das EEG habe einen altersentsprechenden Normalbefund ergeben, zusammenfassend liege eine gemischte Kopfschmerzsymptomatik vor, wobei von einer Migräne und einem Spannungskopfschmerz ausgegangen werden könne.

Im Verlauf teilte Dr. Ke. (Berichte vom 15.07.2011 und 22.07.2011, / 48, 49 der Beklagtenakte) eine teilweise Besserung der Lungenfunktion mit. Nach Absetzen von Foster und weiterhin inhalativer Belastung am Arbeitsplatz durch Putzmittel seien die bronchitischen Beschwerden mit Brennen auf der Brust und zunehmender Belastungsdyspnoe wieder aufgetreten.

Mit Schreiben vom 20.10.2011 (/ 72 der Beklagtenakte) wandte sich Dr. H.-H. , Fachärztin für Allgemeinmedizin, Akkupunktur und Naturheilverfahren, an die Beklagte und teilte eine seit dem Unfall bestehende komplette Anosmie mit. Weiter klage die Klägerin über Kopfschmerzen und Atemnot, was sie vor dem Unfall nie getan habe.

Im Bericht vom 05.11.2011 (/ 81 der Beklagtenakte) teilte Dr. Ke. mit, die Lungenfunktion sei weiterhin nur leicht eingeschränkt. Die Klägerin mache zunehmend einen depressiven Eindruck.

Für die Beklagte erstellte Prof. Dr. Ko. unter Berücksichtigung eines radiologischen Zusatzgutachten von Prof. Dr. G. (/ 87 der Beklagtenakte) unter dem Datum des 01.12.2011 (/ 91 der Beklagtenakte) ein fachinternistisches-pneumologisches Gutachten. Bei der Klägerin bestehe ein Reactive-airway dysfunction Syndrome (RADS), d.h. ein chemisch irritativ induziertes Asthma bronchiale im Sinne der BK 4302, eine Anosmie, ein chronischer Kopfschmerz sowie eine Thymushyperplasie. Das RADS sei durch einmalige Exposition gegenüber Formaldehyddämpfen am 28.01.2010 ausgelöst. Die Anosmie sei ebenfalls toxischer Genese nach dem Unfallereignis zu werten. Bei der Exposition mit Formaldehyd komme es konzentrationsabhängig zu Reizerscheinungen der Augenbindehäute und Schleimhäute der oberen und unteren Atemwege. Nach Resorption einer großen Menge Formaldehyd sei auch ein Bewusstseinsverlust möglich und es bestehe die Gefahr eines Lungenödems. In der aktuellen Untersuchung sei eine normale Lungenfunktion und eine grenzwertige, unspezifische bronchiale Hyperreagibilität nachzuweisen. Aufgrund des RADS sei die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf 30 v.H. einzuschätzen.

Weiterhin zog die Beklagte den Entlassungsbericht über die zu Lasten der Deutschen Rentenversicherung durchgeführte stationäre Rehabilitation bei (/ 113 der Beklagtenakte) und holte bei Prof. Dr. Ma. ein HNO-ärztlichen Gutachtens ein. Dieser führte ins einem Gutachten vom 07.02.2012 (/ 120 der Beklagtenakte) aus, bei der Klägerin bestehe eine toxisch verursachte Anosmie und Dysgeusie, wobei der Unfall für die bestehenden Beschwerden verantwortlich sei. Die MdE bewertete er für die ersten sechs Wochen nach dem Unfall mit 100 v.H. und dann auf das HNO-ärztliche Gebiet bezogen auf Dauer mit 20 v.H.

Der Beratungsarzt Dr. T. (/ 126 der Beklagtenakte) hielt das lungenfachärztliche Gutachten und das HNO-ärztliche Gutachten in sich für schlüssig und nachvollziehbar. Der chronische Kopfschmerz bedürfe noch der Abklärung (Stellungnahme vom 14.07.2012).

Die Beklagte holte daraufhin bei Prof. Dr. St. ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten ein (/ 147 der Beklagtenakte; mit neuropsychologischem Zusatzgutachten Dipl.-Psych. B. , / 148 der Beklagtenakte), der in seinem Gutachten vom 16.11.2012 angab, das HNO-ärztliche Gutachten sei nicht verwertbar, da das Riech- und Geschmacksvermögen das neurologische Fachgebiet betreffe. Die eingesetzten Untersuchungsverfahren seien nicht richtig ausgewertet worden. Eine Formaldehyd-Exposition könne zwar zu einer Riechstörung führen, eine solche sei aber nicht nachgewiesen. Eine Geschmacksstörung könne ohnehin nicht nachvollzogen werden, da hierfür eine Schädigung von 6 Hirnnerven vorliegen müsse, wobei es sich unmöglich um eine Folge der Formalinexposition handeln könne. Darüber hinaus gehöre eine Bewusstseinsstörung nicht zu den Wirkungen des Formaldehyds, eine solche könne höchstens sekundär auftreten, wenn aufgrund eines Lungenödems ein Atmungsversagen mit Sauerstoffuntersättigung eingetreten sei. Ein Lungenödem habe jedoch ausgeschlossen werden können, eine adäquate Sauerstoffsättigung sei nachgewiesen und Atemschwierigkeiten seien keine dokumentiert. Der klinisch-neurologische Befund wie auch der psychiatrische Befund sei unauffällig gewesen. Auf neurologischem und psychiatrischem Fachgebiet liege keine Gesundheitsstörung vor.

Am 18.01.2013 stellte sich die Klägerin erneut bei Dr. Ke. vor (zum Bericht vom 20.01.2013 / 160 der Beklagtenakte), die eine im Wesentlichen unveränderte Atemsituation beschrieb. Es sei nur eine diskrete kombinierte Ventilationsstörung vorhanden, die auch die ausgeprägten Belastungsbeschwerden nicht erklären könne.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 23.06.2013 (/ 196 der Beklagtenakte) verblieb der Gutachter Prof. Dr. Ma. bei seiner Einschätzung; weshalb bei einer unfallbedingten Geschmacksstörung sechs Hirnnerven betroffen sein müssten, erschließe sich aus dem Gutachten von Prof. Dr. St. nicht.

Aus vorgelegten Berichten von Dr. J. , Facharzt für Neurologie und Psychiatrie (/ 204 der Beklagtenakte) aus den Jahren 2012 und 2013 ergibt sich die Diagnose einer okulären Myasthenie.

Nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme bei Dr. med. Dipl.-Biol. K. (/ 219 der Beklagtenakte) anerkannte die Beklagte das Ereignis vom 28.01.2010 als Arbeitsunfall, eine Formaldehydvergiftung als Unfallfolge sowie Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit für die Zeit vom 28.01.2010 bis 21.02.2010 an (Bescheid vom 07.10.2013, / 221 der Beklagtenakte, in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.03.2014, / 249 der Beklagtenakte), lehnte darüber hinaus aber einen Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab.

Die Klägerin hat am 10.04.2014 beim Sozialgericht (SG) Ulm Klage erhoben und die Verurteilung zur Gewährung einer Rente nach einer MdE von wenigstens 20 v.H. begehrt. Die Klägerin hat ärztliche Unterlagen des BWK U. vorgelegt (Blatt 13/17 der SG-Akte), insbesondere die Olfakometrie von Dr. Mü. vom 24.07.2014. Sie hat geltend gemacht, sie habe seit dem Unfall Atemstörungen, eine Riechstörung, Kopfschmerzen, Sehstörungen, eine Hörminderung, Zahnschmerzen und Schwindel.

Das SG hat mit Urteil vom 19.11.2014 die Klage abgewiesen. Bereits fraglich sei, ob die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid überhaupt über die Gewährung einer Verletztenrente entschieden habe. Jedenfalls fehlten unfallbedingten Gesundheitsschäden. Zu den Folgen einer Formaldehydexposition ergebe sich aus dem Gutachten Prof. Dr. St. , dass hierzu keine Bewusstseinsstörung gehöre, sondern eine solche nur sekundär im Rahmen eines Atmungsversagens nach Lungenödem auftreten könne. Ein solches Lungenödem habe das BWK U. im Rahmen der Erstbehandlung nicht feststellen können, auch seien unauffällige Laborparameter erhoben und die Sauerstoffsättigung habe bei 100% gelegen. Weiterhin habe das BWK U. nur eine leichte restriktive Ventilationsstörung diagnostizieren können, die auf die Adipositas zurückgeführt worden sei, jedoch eine signifikante Lungenerkrankung ausgeschlossen. Diese Befunde würden durch Dr. Ke. bestätigt. Hinsichtlich der Riechstörung verweise der Gutachter zwar darauf, dass eine solche durch eine Formaldehydexposition denkbar sei, stelle aber weder eine entsprechend große Exposition fest, noch ließen sich seinen Ausführungen Zusammenhangserwägungen entnehmen.

Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 21.11.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 02.12.2014 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Sie hat auf das bisherige Vorbringen Bezug genommen und ausgeführt, dass das SG sich nicht mit den geltend gemachten Sehstörungen, der Hörminderung, den Zahnschmerzen und der Schwindelproblematik befasst habe und Dr. H.-H. unfallabhängig eine depressive Symptomatik mit Schlafstörungen und Sekundenschlaf geltend gemacht habe. Die Klägerin hat hierzu Unterlagen vorgelegt (Blatt 25/33 der Senatsakte).

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 19.11.2014 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheids vom 07.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.03.2014 zu verurteilen, ihr eine Verletztenrente nach einer MdE um wenigstens 20 v.H. zu gewähren, hilfsweise eine Atemstörung (reactive-airway dysfunction Syndrome), eine Riech-/Schmeckstörung, Kopfschmerzen, Schwindel, eine depressive Erkrankung mit Schlafstörung, Zahnschmerzen, Sehstörung, Hörstörung und thorakale Beschwerden mit Engegefühl als Folgen des Arbeitsunfalls am 28.10.2010 festzustellen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten. Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Das SG habe zutreffend darauf hingewiesen, dass die klägerischen Angaben zum Unfallgeschehen insoweit nicht schlüssig erschienen, als den Erstangaben zufolge lediglich zwei bis drei Liter Formaldehyd ausgelaufen seien, sich die Mengenangabe in späteren Schilderungen dann aber auf bis zu 40 Liter erhöht habe. Das Gutachten von Prof. Dr. Ko. lege schlüssig dar, dass es zwar infolge einer Formaldehydexposition zu einem Lungenödem und hierdurch zu einem Bewusstseinsverlust kommen könne, dieses aber nur bei einer - hier nicht nachgewiesenen - hinreichend großen Menge anzunehmen sei. Dies werde bestätigt durch das Gutachten von Prof. Dr. St. vom 16.11.2012, in welchem dieser ausführlich auseinandersetze, dass eine Bewusstseinsstörung nur in Folge eines Atmungsversagens nach Lungenödem als Folge einer Formaldehydresorption denkbar sei, da Formaldehyd keine zentralnervöse Wirkung habe. Zum Einen habe ein solches Lungenödem nicht gesichert werden können, zum Anderen habe die Sauerstoffsättigung bei der Erstuntersuchung im Bundeswehrkrankenhaus bei 100 % gelegen. Auch die Anerkennung von Geruchs- und Geschmacksstörungen als Unfallfolgen scheide aus. Zum Einen seien solche erst etwa sechs Monate nach dem Unfallereignis dokumentiert. Zum Anderen ergebe die gutachterliche Untersuchung durch Prof. Dr. St. , dass die Ergebnisse der Geruchs- und Geschmackstestungen unterhalb der Ratewahrscheinlichkeit gelegen und daher keine Aussagekraft hätten. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin in der Untersuchung durch Prof. Dr. St. entgegen der Auffassung der Dr. H.-H. eine ausgeglichene Stimmungslage bei regelrechtem Schwingungsvermögen und offener Interaktion gezeigt habe.

Der Senat hat im nichtöffentlichen Termin vom 14.12.2015 den Ehemann der Klägerin sowie Dr. H.-H. als Zeugen vernommen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses des Termins wird auf die Niederschrift (Blatt 46/57 der Senatsakte) Bezug genommen.

Dazu hat die Beklagte die beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. med. Dipl.-Biol. K. vom 09.05.2016 vorgelegt (Blatt 61/68 der Senatsakte). Dieser hat u.a. ausgeführt, die Klägerin habe am Tag des Arbeitsunfalles über retrosternales Brennen und Brennen im Rückenbereich in etwa auf derselben Höhe geklagt. Ansonsten habe sich weder klinisch noch untersuchungstechnisch ein Hinweis für eine reale Dyspnoe gefunden. Bei sämtlichen Untersuchungen bei der Lungenfachärztin hätten sich bis Juli 2013 bis auf die Untersuchung am 13.01.2012 lungenfunktionell keine auffälligen Messwerte für die FVC oder die FEV1 gezeigt. Lediglich die Atemwegswiderstände seien entweder im Grenzbereich oder im (i.d.R.) leicht auffälligen Bereich, die spezifische Resistance totalis habe dagegen bis auf einen ausgedruckten Messwert am 03.11.2011 im Normbereich gelegen. Damit habe in der Gesamtschau bis Juli 2013 eine normale Lungenfunktion vorgelegen. Auch alle weiteren lungenfachärztlichen Untersuchungen einschließlich der Untersuchung beim Gutachten hätten keine Datenlage für eine ventilatorische Einschränkung zutage gefördert, d.h. es liege keine Obstruktion und keine Restriktion vor. Die vom pneumologischen Gutachter als auch vom Beratungsarzt Dr. T. vorgeschlagene Anerkennung eines RADS sei keinesfalls gerechtfertigt, da nicht einer der nachfolgenden Punkte zu bejahen sei; - Symptombeginn ventilatorischer Beeinträchtigung(en) binnen 24 Stunden und Persistenz über mindestens 3 Monate, - Beginn der Symptome nach einer einmaligen, hohen Exposition, - Therapierefraktäre arterielle Hypoxämie, - Diffuse beidseitige Lungenverschattungen ohne Hinweis auf ein kardiales Lungenödem. Bezüglich der Anosmie sei festzustellen, dass die Versicherte zeitnah zum Unfallereignis keine entsprechenden Beschwerden angegeben habe. Das HNO-Konsil habe keine Rötung/Auflagerungen in oral oder Rachenhinterwand oder lingual gezeigt. Erst ca. ein Jahr nach dem Unfallereignis habe sich die Klägerin mit Geruchs- und Geschmackstörungen bei Dr. W. vorgestellt. Die daraufhin veranlasste spezielle Diagnostik habe ergeben, dass keine der angebotenen Geruchsqualitäten wahrgenommen werden konnte, jedoch bei der Probe mit einem Essigstift eine stechende Empfindung in der Nase. Korrespondierend dazu habe sich in der objektiven Olfaktometrie mit Ethanol in verschiedenen Konzentrationen eine entsprechende Signalgebung in der Ableitung gezeigt. Aufgrund dieses Ergebnisses sei es absolut unverständlich, dass in den HNO-gutachterlichen Untersuchungen mit ambulanten Vorstellungen auf eine objektive Olfaktometrie verzichtet worden sei. Im Gutachten sei keiner der Duftstoffe erkannt worden, auch der getestete Trigeminusreizstoff (Fisch) sei nicht wahrgenommen worden. Der auffällige Test hätte durch eine objektivierte Testung verifiziert werden müssen. Die im neuro-psychologischen Gutachten herausgearbeiteten Auffälligkeiten und Widersprüchlichkeiten belegten eine deutliche Beschwerdeübertreibung sowie zwei Auffälligkeiten in Form von Übergewicht und Bluthochdruck. Hinsichtlich der Anosmie gelte, dass ein symptomfreies Intervall völlig ungewöhnlich sei. Darüber hinaus gelte, dass eine Schleimhaut ohne Behandlung nicht völlig ohne Rötung/Auflagerungen in oral oder Rachenhinterwand oder lingual im HNO-Konsil während der Unfall bedingten Behandlung imponiere, welche dann aber mit einem symptomfreien Intervall quasi im Totalausfall des Geruchssinns ende; wobei hier noch Widersprüchlichkeiten in der Diagnostik des Geruchs- und Geschmackssinn hinzukämen. Dass Formaldehyd eine reversible Riechstörung zeige, sei Lehrbuchwissen. Zwar habe sich im HNO-Konsil keine Rötung/Auflagerungen in oral oder Rachenhinterwand oder lingual gezeigt, ein initiales Brennen der Atemwege und die Kopfschmerzen habe im Verlauf aber nachgelassen. Also habe keine Rötung/ Reizung der Schleimhäute der Augen i.S.e. relevanten konjunktivalen Reizung vorgelegen, welche aber als lokale Reaktion früher zu erwarten gewesen wäre als eine nasale. Seit Paracelsus sei bekannt, dass die Dosis die Giftwirkung bedinge. Bei dem verschütteten Formaldehyd handele es sich um eine 4 %ige Fixierlösung. Dem Sicherheitsdatenblatt (SDB) sei zu entnehmen, welche Risiken beim Umgang mit einem Gefahrstoff (GefStoff) verbunden sein könnten. In zwei SDB sei dort kein Hinweis für eine Atemwegsreizung zu finden. Erst Gemische mit 35 % Formaldehydgehalt seien mit "H331 Giftig bei Einatmen" gekennzeichnet.

Nunmehr hat der Senat – auf Anregung des Beratungsarztes der Beklagten – die Einsatzberichte der Bundeswehrfeuerwehr des BWK U. und der Feuerwehr der Stadt U. beigezogen (Blatt 74/88 und 89/123 der Senatsakte).

Der Senat hat im nichtöffentlichen Termin vom 08.07.2016 T. S. als Zeugen vernommen (zur Niederschrift vgl. Blatt 128/133 der Senatsakte), der am 28.01.2010 als Anästhesiepfleger im OP-Bereich des BWK U. tätig war. Er hat u.a. angegeben, beim Transport eines Beatmungspatienten seien Kanister mit Formaldehyd zu Boden gegangen und zerbrochen. Während der Patient im Operationssaal vorbereitet worden war sei die Krankenschwester einige Zeit später gekommen und habe gesagt, dass die Klägerin auf dem Boden liege und krampfe. Er sei aus dem OP-Saal raus und habe die Klägerin mit Krämpfen auf dem Boden liegend angetroffen. Mit der OP-Schwester habe er die Klägerin in den Aufwachraum gebracht und medizinisch versorgt. Auch er habe Probleme mit der Lunge, den Augen und der Nase gehabt, letztere hätten getränt und seien gereizt gewesen. Im Aufwachraum sei die Klägerin wieder zu sich gekommen. Sie sei zuvor bewusstlos gewesen und sei mit Sauerstoff und Medikamenten versorgt worden. Er selbst sei zwei bis drei Tage krank gewesen und sei betriebsärztlich über das BWK U. betreut worden. In den Raum, wo die Klägerin gelegen habe, habe es schon extrem stark und drückend gestunken und sei beißend gewesen. Die Klägerin habe komplett in der ausgelaufenen Flüssigkeit gelegen. Die Lache sei komplett um sie herum gewesen. Er selbst habe noch ca. ein Monat danach Kortisonspray genommen und gewisse Beschwerden gehabt.

Die Beklagte hat nun erneut die beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. med. Dipl.-Biol. K. vom 09.05.2016 vorgelegt (Blatt 136/146 der Senatsakte).

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Blatt 149, 150 der Beklagtenakte).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber nur teilweise begründet.

Das SG hat die statthafte kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1, Abs. 4 SGG) zu Unrecht in vollem Umfang abgewiesen. Die Beklagte hat in dem angefochtenen Bescheid vom 07.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.03.2014 nicht über die Gewährung einer Verletztenrente entschieden. Die bloße Ablehnung von Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung enthält keine Regelung über die Ablehnung konkreten Geldleistungen i.S. einer Verletztenrente. Auch den Umständen des konkreten Einzelfalles kann nicht entnommen werden, dass die Beklagte zumindest konkludent über eine Rente entschieden hätte. Denn weder war im Verwaltungsverfahren – z.B. durch eine entsprechende Begehrensmitteilung seitens der Klägerin – eine Rente zum Gegenstand gemacht worden – die bloße Befragung der Gutachter zur Einschätzung der MdE genügt insoweit nicht -, noch ist aus dem Widerspruchsverfahren bzw. dem Widerspruchsbescheid ersichtlich, dass die Entscheidung im Bescheid vom 07.10.2013 zumindest als konkludente Ablehnung von Rentenansprüchen verstanden werden musste. Damit fehlt es an einer vom Gericht zu überprüfenden Verwaltungsentscheidung über die Gewährung einer Verletztenrente auf der Grundlage des von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalles vom 28.01.2010, was bereits Gegenstand des Termins vom 14.12.2015 war. Die hierauf gerichtete Klage und Berufung waren daher ab- bzw. zurückzuweisen.

Der Senat hat entsprechend dem Vorbringen der Klägerin im Klage- und Berufungsverfahren den ausdrücklich gestellten Leistungsantrag sachdienlich ausgelegt und im Sinne eines um einen hilfsweise verfolgten Feststellungsantrag erweiterten Klage- und Berufungsantrages verstanden. Der im Klage- und Berufungsverfahren gestellte Antrag enthält im Hinblick auf die Erörterungen im Termin vom 14.12.2015 und vom 08.07.2015 ein weiteres Begehren, das auch in dem weiteren Prozessverhalten der Beteiligten zu erkennen ist; im angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 07.10.2013 werden Gesundheitsbeschwerden im Bereich der Atemwege sowie bezüglich einer Geschmacks- und Geruchsstörung als Folgen des Unfalls verneint, so dass die von der Klägerin im Rechtsbehelfsverfahren angeführten Gesundheitsstörungen nicht nur der Begründung der Höhe der Verletztenrente dienten, sondern dass mit dem Klage- und Berufungsantrag zumindest hilfsweise zugleich auch die Feststellung weiterer – auch mittelbarer - Unfallfolgen (u.a. Feststellung eines reactive-airway dysfunction Syndrome (RADS), also eines chemisch irritativ induzierten Asthma bronchiale sowie einer Anosmie und einer Dysgeusie als Folge des Arbeitsunfalles vom 28.01.2010) verfolgt wird.

Dieses Begehren ist nicht schon deswegen unzulässig, weil die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 07.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.03.2014 bereits eine Formaldehydvergiftung als Unfallfolge anerkannt hat. Denn die vorliegend geltend gemachten Folgen werden insoweit aus dieser Unfallfolge resultierende Folgen der Vergiftung, mithin als aus dem Unfallerstschaden ableitbare eigenständige Folgeschäden im Rahmen mittelbarer Unfallfolgen geltend gemacht. Diese sind weder medizinisch noch rechtlich bereits unter dem Begriff einer Formaldehydvergiftung erfasst und können daher medizinisch und rechtlich selbständig festgestellt werden.

Insoweit ist der angefochtene Bescheid vom 07.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.03.2014 teilweise rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Feststellung eines reactive-airway dysfunction Syndrome (RADS), also eines chemisch irritativ induzierten Asthma bronchiale sowie einer Anosmie und einer Dysgeusie als weitere - mittelbare - Folge des Arbeitsunfalles vom 28.01.2010.

Der von der Beklagten anerkannte Arbeitsunfall vom 28.01.2010 hat bei der Klägerin zu einem Gesundheitserstschaden geführt. Der durch eine Einwirkung von außen verursachte Gesundheitsschaden i.S.d. § 8 Abs. 1 SGB VII, d.h. die Verletzung der körperlichen (seelischen oder geistigen) Integrität, wird nach allgemeiner Auffassung entsprechend der im Recht der Gesetzlichen Krankenversicherung geltenden Definition bestimmt als regelwidriger körperlicher, geistiger oder seelischer Zustand (G. Wagner in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Auflage 2014, § 8 SGB VII, RdNr. 151). Zwar ist für die Feststellung des Arbeitsunfalles lediglich die Feststellung eines Gesundheitserst-schadens erforderlich (dazu vgl. BSG 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R - SozR 4-2700 § 11 Nr. 1 = juris RdNr. 18; BSG 15.05.2012 - B 2 U 16/11 R - SozR 4-2700 § 2 Nr. 21 = juris RdNr. 19); dies schließt aber eine Feststellung weiterer Unfallfolgeschäden, die ggf. für die Gewährung einer Verletztenrente oder von Verletztengeld aber auch für die Gewährung von Heilbehandlung zu Lasten des Sicherungssystems der Gesetzlichen Unfallversicherung von Bedeutung sein kann, nicht aus. Insoweit gehören zwar diejenigen Schäden, die sich aus dem Erstschaden erst nach dem Unfall entwickeln, nicht mehr zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des Unfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung, können aber gleichwohl als mittelbare Unfallfolgen bzw. Folgeschäden (BSG 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 = juris; G. Wagner a.a.O.) einen Feststellungsanspruch auslösen und zu einem (weiteren) Entschädigungsanspruch führen. Insoweit sind mittelbare Unfallfolgen auch dem Arbeitsunfall zuzurechnen, wenn diese rechtlich hinreichend wahrscheinlich wesentlich auf das versicherte Unfallgeschehen zurückzuführen sind (G. Wagner a.a.O. RdNr. 155).

Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr. vgl. stellvertretend BSG 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 = juris RdNr. 11). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).

Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie (vgl. dazu nur Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl. 2006, Vorb. v § 249 RdNr. 57 ff m. w. N. sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr. 91) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele ("conditio sine qua non"). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen.

Bei mehreren Ursachen ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende (Mit-)Ursache auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (ständige Rechtsprechung; vgl. stellvertretend zum Vorstehenden insgesamt BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4 2700 § 8 Nr. 17 = juris; BSG 09.05.2006 - B 2 U 40/05 R - UV Recht Aktuell 2006, 419 = juris; BSG 09.05.2006 - B 2 U 26/04 R - UV Recht Aktuell 2006, 497 = juris).

Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (st. Rspr. BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a. F. RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 a. F. RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG 09.05.2006 a.a.O. m.w.H.). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m. w. N.).

Nach der Theorie von der rechtlich wesentlichen Ursache beurteilt sich auch, ob weitere Folgen als sogenannte mittelbare Unfallfolgen als Folge des versicherten Unfalles festzustellen bzw. zu entschädigen sind. Voraussetzung ist in jedem Falle, dass der Unfall rechtlich wesentliche Ursache auch der weiteren Folge oder des Folgeunfalls ist; die für ihren Anwendungsbereich bei bestimmten mittelbaren Unfallfolgen abschließende Regelung des § 11 SGB VII ist vorliegend nicht einschlägig.

Vorliegend konnte sich der Senat nach Durchführung der Beweisaufnahme sowie unter Berücksichtigung der im Verwaltungsverfahren eingeholten ärztlichen Befunde und Gutachten davon überzeugen, dass bei der Klägerin ein reactive-airway dysfunction Syndrome (RADS), also ein chemisch irritativ induziertes Asthma bronchiale sowie eine Anosmie und eine Dysgeusie als weitere Folgen des Arbeitsunfalles vom 28.01.2010 bestehen.

1. Atemstörung Der Senat konnte feststellen, dass bei der Klägerin ein reactive-airway dysfunction Syndrome (RADS), also ein chemisch irritativ induziertes Asthma bronchiale, besteht. Dies konnte der Senat dem überzeugenden Gutachten von Prof. Dr. Ma. entnehmen. Soweit Prof. Dr. St. diesen Befund anzweifelt, äußert er sich fachfremd und missachtet die aktenkundigen, vor allem unfallnah erhobenen ärztlichen Befunde und Berichte.

Prof. Dr. Ko. hat in seinem Gutachten (/ 91 der Beklagtenakte) darauf hingewiesen, dass Formaldehyd ein stechend riechendes, farbloses Gas sei, das konzentrationsabhängig als "gesundheitsschädlich" (verdünnte Lösung ab 3%), in höheren Konzentrationen ()25%) auch als "giftig" einzustufen sei. Dies wird auch durch die Ausführungen des Beratungsarztes Dr. med Dipl.-Biol K. bestätigt. Bei Exposition kommt es konzentrationsabhängig zu Reizerscheinungen der Augenbindehäute und Schleimhäute der oberen und unteren Atemwege. Typische klinische Beschwerden seien Tränenfluss, Unbehagen, Hustenreiz und Atemnot. Nach Resorption einer großen Menge Formaldehyd (Inhalation, Hautkontakt) sei auch ein Bewusstseinsverlust möglich und es bestehe die Gefahr eines Lungenödems.

Vorliegend hatte die Klägerin Formaldehyd, das schwerer ist als Luft, nicht nur während des Putzvorganges über kurze Distanz eingeatmet, vielmehr hat sie während ihrer Bewusstlosigkeit direkt auf dem Boden gelegen und insoweit noch direkter und konzentrierter - weil nicht durch weitere Luft verdünnte – Formaldehyd eingeatmet. Der Senat konnte insoweit mit der glaubhaften Aussage des Zeugen S. feststellen, dass die Klägerin bewusstlos war und auch vollflächig in der Formaldehydlache lag und damit unmittelbaren und ca. 10 bis 15 Minuten andauernden Hautkontakt hatte. Dazu kommt, dass sie auch noch bis tief in die Nacht hinein, wovon der Senat auf Grundlage der insoweit nachvollziehbaren Angaben des Ehemannes überzeugt ist, zwar medizinisch versorgt worden war, danach aber immer noch die vom Formaldehyd feuchte und ausdünstende Bekleidung des Unfallzeitpunkte anhatte, was zu einer noch verlängerten Exposition durch Hautkontakt über die feuchte Kleidung als auch zu – wenn auch immer geringer werdenden - inhalativer Exposition über Stunden geführt hat.

Dass Prof. Dr. St. und ihm folgend der Beratungsarzt Dr. med. Dipl.-Biol. K. die Bewusslosigkeit als Beschwerdeübertreibung für nicht glaubhaft ansehen oder zumindest nicht die Exposition gegenüber Formaldehyd als Ursache ansehen, ist für den Senat ohne Bedeutung. Denn zunächst konnte der von der Beklagten im Rahmen der Sachverhaltsermittlung nicht befragte Zeuge S. , der die Klägerin aus der Formaldehydlache geborgen hat, als beim Unfallgeschehen unmittelbar vor Ort befindlicher Zeuge die Bewusstlosigkeit der Klägerin bestätigen, wozu er die Situation nicht nur laienhaft beurteilen konnte, sondern als Anästhesiepfleger auch über den medizinischen Sachverstand verfügte, um die Situation auch medizinisch korrekt bewerten zu können. Darüber hinaus ergibt sich die Bewusstlosigkeit – entgegen den Ausführungen von Prof. Dr. St. und Dr. med. Dipl.-Biol. K. – bereits aus den unfallnahen Aufzeichnungen des BWK U ... So hat nicht nur die Unfallanzeige eine Bewusstlosigkeit dargestellt (/ 8 der Beklagtenakte), sondern auch der Entlassbericht des BWK U. vom 29.04.2010 (/ 18 der Beklagtenakte: "Dabei kam es zu Bewusstseinsverlust. Sie wurde vom Pflegepersonal aus dem OP-Bereich nicht ansprechbar aufgefunden."). Vor diesem Hintergrund hat der Senat keine Zweifel am Vorliegen von Bewusstlosigkeit; ob die Ursache der Bewusstlosigkeit eine Formaldehydvergiftung oder eine kardial bedingte Synkope in Folge der Anstrengung unter Exposition gegenüber einem stechend riechenden, farblosen Gas (wie Prof. Dr. St. und Dr. med. Dipl.-Biol. K. u.a. wegen des Übergewichtes der Klägerin vermuten) war, ist insoweit ohne Bedeutung.

Damit konnte der Senat feststellen, dass die Klägerin erheblichen und ungeschützten Hautkontakt zu Formaldehyd hatte und auch einer ungeschützten inhalativen Exposition ausgesetzt war.

Aus dem Sicherheitsdatenblatt der verwendeten "Formaldehydlösung 4 % gepuffert" (/ 8, Seite 2 ff. der Beklagtenakte) ist folgendes zu entnehmen: "2. Mögliche Gefahren: Verdacht auf krebserregende Wirkung. Sensibilisierung durch Hautkontakt möglich. 3.Zusammensetzung/Angaben zu Bestandteilen Gefährliche Inhaltsstoffe Bezeichnung nach EG-Richtlinien: CAS-Nummer EG-Nr. EG-Index-Nr. Einstufung Formaldehyd 50-00-0 200-001-8 605-001-00-5 Carc. Cat. 3; R40 T; R23/24/25 C; R34 R43 4. Erste-Hilfe-Maßnahmen Nach Einatmen: Frischluft. Arzt hinzuziehen. Nach Hautkontakt: Mit reichlich Wasser abwaschen. Kontaminierte Kleidung entfernen. Arzt hinzuziehen. 6. Maßnahmen bei unbeabsichtigter Freisetzung Personenbezogene Vorsichtsmaßnahmen: Dämpfe/Aerosole nicht einatmen. Substanzkontakt vermeiden. In geschlossenen Räumen für Frischluft sorgen. 8. Begrenzung und Überwachung der Exposition/Persönliche Schutzausrüstung EG Krebserregend C3: Beim Menschen möglicherweise krebserregend Sensibilisierung Sh Gefahr der Sensibilisierung der Haut TRGS 900 Hautresorption H (Gefahr der Hautresorption) "

Vor diesem Hintergrund konnte der Senat nicht feststellen, dass es sich bei dem von der Klägerin eingeatmeten und über die Haut aufgenommenen Formaldehyd, auch wenn es sich dabei um eine "lediglich" 4%ige Lösung gehandelt hatte, ungefährlich oder ungiftig gewesen wäre. Dr. med. Dipl.-Biol. K. leitet dies aus den fehlenden H-Hinweisen in den von ihm ausgewerteten Sicherheitsdatenblätter (dazu vgl. 143/146 der Senatsakte) ab. Bei dieser Bewertung hat er Sicherheitsdatenblätter zu willkürlich ausgewählten Formaldehydlösungen herangezogen. Das sich in der Beklagtenakte befindliche Sicherheitsdatenblatt zu der tatsächlich beim Unfall am 28.01.2010 ausgelaufenen Formaldehydlösung (vgl. / 8, Seite 2/4 der Beklagtenakte) hat er dabei außer Acht gelassen. Dort finden sich unter Ziffer 3 als Hinweis auf die Giftigkeit bzw. Gefährlichkeit folgende, auf EG-einheitlichen Grundlagen beruhende Informationen: "R40 T; R23/24/25 C; R34; 43" Diese innerhalb der EU vorgeschriebene Gefahrstoffkennzeichnung nach Richtlinie 67/548/EWG zeigt folgendes an: R 23/24/25 Giftig beim Einatmen, Verschlucken und Berührung mit der Haut. R 34 Verursacht Verätzungen. R 40 Verdacht auf krebserzeugende Wirkung R 43 Sensibilisierung durch Hautkontakt möglich. Zusatz Buchstabe T: giftig (T)

Dr. med. Dipl.-Biol. K. hat dagegen die H-Kennzeichnung zur Beurteilung der Giftigkeit bzw. Gefährlichkeit herangezogen. Diese wird im Rahmen des global harmonisierten Systems zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien (GHS) der Vereinten Nationen als weltweit einheitliches System zur Einstufung von Chemikalien sowie deren Kennzeichnung auf Verpackungen und in Sicherheitsdatenblättern verwendet. Das Europäische Parlament und der Rat haben diese beschlossen und in der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP) festgeschrieben.

Insoweit fehlen in dem dem unfallbeteiligten Gefahrstoff zugehörenden Sicherheitsdatenblatt H-Kennzeichnungen – dafür ist aber eine R-Kennzeichnung vorhanden. Aus dem vom Beratungsarzt Dr. med. Dipl.-Biol. K. vorgelegten Sicherheitsdatenblatt zu einer willkürlich ausgewählten 4%igen Formaldehydlösung (Blatt 143/144 der Senatsakte) ist folgende H-Kennzeichnung ersichtlich: "H317: Kann allergische Hautreaktionen verursachen H351: Kann vermutlich Krebs erzeugen" Dagegen ist auf demselben Sicherheitsdatenblatt bei der formgültigen R-Kennzeichnung eingetragen: "T; R 23/24/25 C; R34 Carc.Cat:3; R40 R43 Nota B, Nota D" Mit dieser R-Kategorisierung entspricht aber der Stoff demjenigen, mit dem die Klägerin des beim Unfall kontaminiert wurde. Damit konnte der Senat aufgrund der R-Klassifizierung und trotz fehlender H-Klassifizierung bzw. nur eingeschränkter Gefährlichkeit im Rahmen der H-Klassifizierung folgendes feststellen: Die beim Unfall der Klägerin ausgelaufene 4%ige Formaldehyd-Lösung ist giftig beim Einatmen, Verschlucken und Berührung mit der Haut. Sie verursacht Verätzungen. Es besteht der Verdacht auf krebserzeugende Wirkung und es ist eine Sensibilisierung durch Hautkontakt möglich. Gleiches ergibt sich auch aus den von der Feuerwehr der Stadt U. vorgelegten Sicherheitsdatenblätter (vgl. Blatt 83 ff. der Senatsakte). Danach ist die eingeatmete und über die Haut aufgenommene Formaldehydlösung aber giftig beim Einatmen und bei Hautberührung und verursacht Verätzungen; das Ausmaß der Gesundheitsgefährdung dieses Stoffes ist daher größer, als die Beklagte über den Beratungsarzt, der quasi Ungefährlichkeit postuliert, geltend macht.

Der Senat konnte bei der Klägerin vor diesem Hintergrund ein RADS i.S. eines chemisch induzierten Asthma bronchiale als Unfallfolge feststellen. Prof. Dr. Ko. hat in seinem Gutachten (/ 91 der Beklagtenakte) dessen Voraussetzungen (1. Vorbestehende respiratorische Beschwerdefreiheit, 2. Beginn der Symptome nach einmaliger, definierter Exposition, 3. Die Irritation erfolgte gegenüber einem Gas, Rauch oder Dampf mit irritativer Eigenschaften, wobei die Substanz in sehr hoher Konzentration vorhanden war, 4. Symptombeginn binnen 24 h und Persistenz für mindestens 3 Monate, 5. Symptome ähnlich Asthma bronchiale (Husten, Luftnot), 6. Atemwegsobstruktion kann vorhanden sein und fehlen, 7. Methacholinprovokation sollte positiv sein, 8. Ausschluss anderer Atemwegserkrankungen) bejaht.

Der Senat konnte insoweit feststellen, dass bei der Klägerin respiratorisch vorbestehend keine Beschwerden vorhanden waren (vgl. dazu z.B. das vorliegende Vorerkrankungsverzeichnis, / 31, Seite 2/4 der Beklagtenakte) Soweit Dr. med. Dipl.-Biol. K. (vgl. / 219, Seite 6 der Beklagtenakte) auf lungenspezifische Erkrankungen verweist – so nicht näher bezeichnete Bronchitis, Dyspnoe, akute Infekte der oberen Atemwege, nicht näher bezeichnete Allergie usw. - , handelt es sich um vorübergehende, aber auch nach seiner Auffassung erst nach dem Arbeitsunfall (vgl. dort die von ihm verwendete Abkürzung "AU" nun) aufgetretene Erkrankungen, die vorliegend für eine Vorerkrankungen nicht von Bedeutung sind. Die Symptome haben nach der einmaligen Exposition am 28.01.2010 begonnen. Die Irritation erfolgte durch Formaldehyd, das die Klägerin über längere Zeit und zumindest für 10 Minuten direkt aus kurzem Abstand eingeatmet hat. Dies stellt, auch wenn es sich um eine "bloß" 4%ige Lösung gehandelt hatte, eine ausreichende, i.S.d. Voraussetzungen der RADS sehr hohe Konzentration dar; dies hat auch Prof. Dr. Ko. bestätigt. Die Beschwerden sind innerhalb von 24 Stunden nach dem Unfall am 28.01.2010 aufgetreten und halten bis heute an; so hat die Klägerin direkt nach dem Unfall ein initiales Brennen im Bereich der oberen Atemwege (D-Arztbericht Prof. Dr. F. vom 28.01.2010, / 1 der Beklagtenakte; Entlassbericht vom 29.04.2010, / 18 der Beklagtenakte), später Husten und Dyspnoe angegeben. Die Klägerin beschreibt Husten und Luftnot bzw. Engegefühle (z.B. Arztbericht vom 02.03.2010 / 10, Seite 2 der Beklagtenakte), sodass sich der Senat davon überzeugen konnte, dass die Beschwerden denjenigen einem Asthma bronchiale entsprechen, was Prof. Dr. Ko. bestätigt hat. So wurde auch eine leichte unspezifische bronchiale Hyperreagibilität zu verschiedenen Zeitpunkten von der behandelnden Lungenärztin Dr. Ke. dokumentiert, sodass auch die geforderte Atemwegsobstruktion vorliegt; Dr. Ke. hat im Bericht vom 15.04.2011 – mithin innerhalb von drei Monaten nach der Inhalation - eine deutliche bronchiale Hyperreagibilität (/ 35, Seite 12/13 der Beklagtenakte), im Bericht vom 15.07.2011 einen grenzwertig leicht erhöhten Atemwegswiderstand in der Bodyplethysmographie (/ 48 der Beklagtenakte), im Bericht vom 22.07.2011 eine leichte obstruktive Ventilationsstörung (/ 49 der Beklagtenakte) und im Bericht vom 05.11.2011 eine leichte obstruktive Ventilationsstörung (/ 81 der Beklagtenakte) beschrieben. Dass dabei die Sauerstoffsättigung regelmäßig im Normbereich lag schließt diese Bewertung nicht aus, auch nicht, dass Dr. Ke. im Bericht vom 22.07.2011 eine zentrale Obstruktion aufgrund eines Infektes angenommen hatte. Denn insoweit konnte ein Infekt gerade nicht festgestellt werden und Dr. Ke. selbst hat ausgeführt, dass nicht auszuschließen sei, dass der Umgang mit Putzmitteln (am Arbeitsplatz) die Probleme verursacht. Damit konnte der Senat zeitweilig vorhandene Atemwegsobstruktionen feststellen. Auch war der Methacholinprovokation bei Prof. Dr. Ko. positiv. Hinweise auf alternative Ursachen konnten weder Prof. Dr. Ko. noch der Senat feststellen. Damit konnte sich der Senat der Beurteilung durch Prof. Dr. Ko. anschließen.

Vorliegend konnte der Senat mithin das Vorliegen eines reactive-airway dysfunction Syndrome (RADS), also ein chemisch irritativ induziertes Asthma bronchiale feststellen. Dieses ist hinreichend wahrscheinlich rechtlich wesentlich auf den Unfall vom 28.01.2010 zurückzuführen. Denn es gibt weder andere in Betracht kommende Ursachen, noch Vor- bzw. Nacherkrankungen, die diese Gesundheitsstörung erklären könnten. Auch zeigt die R-Klassifizierung, dass der inhalierte und über die Haut aufgenommene Stoff giftig ist beim Einatmen und bei der Aufnahme über die Haut. Darüber hinaus hatte auch direkt nach dem Unfall eine sich durch initiales Brennen äußernde Verätzung der Atemwege diagnostiziert werden können (vgl. Diagnose im Entlassbericht vom 29.04.2010, / 18 der Beklagtenakte). Vor diesem Hintergrund konnte der Senat erkennen, dass das Unfallgeschehen bei der Klägerin hinreichen wahrscheinlich und rechtlich wesentlich das reactive-airway dysfunction Syndrome (RADS), also ein chemisch irritativ induziertes Asthma bronchiale verursacht hat.

Dem steht weder die Beurteilung durch Prof. Dr. St. noch die durch Dr. med. Dipl.-Biol. K. entgegen. Soweit Prof. Dr. St. in seinem Gutachten meint, es sei nicht gesichert, ob überhaupt ein Unfallereignis vorgelegen habe, da ein Primärschaden nicht bestanden habe, denn Reizzeichen der Atemwege oder der Augen hätten nicht vorgelegen und die Bewusstseinsstörung habe mit der Formalinexposition nichts zu tun, so kann der Senat seine fachfremde Einschätzung nicht teilen. Denn bereits aus dem Entlassbericht des BWK U. vom 29.04.2010 / 18 der Beklagtenakte) ergibt sich nicht nur eine Reizung sondern – auch für Prof. Dr. St. leicht erkennbar - eine Verätzung der Atemwege. Dass die Klägerin bewusstlos war, ergibt sich ebenfalls erkennbar aus dem Entlassbericht und auch aus der vom Senat erhobenen Zeugenaussage des Zeugen S ... Selbst wenn das Formaldehyd nicht zu einer Bewusstlosigkeit geführt hätte, so stände – was Prof. Dr. St. nicht in Betracht gezogen hat – ein Arbeitsunfall wegen einer durch das Aufwischen des Formaldehyds ausgelösten kardialen Überanstrengung zumindest zur Diskussion. Damit ist das Gutachten von Prof. Dr. St. insoweit nicht verwertbar.

Soweit Dr. med. Dipl.-Biol. K. anführt (/ 219 der Beklagtenakte), die Voraussetzungen der RADS in Form von - Exposition gegenüber einem Stoffe mit irritativer Eigenschaften, wobei die Substanz in hoher Konzentration, - Beginn der Symptome nach einer einmalig definierten Exposition, - ein Symptombeginn ventilatorischer Beeinträchtigungen binnen 24 Stunden und Persistenz von mindestens 3 Monaten, - Hypoxämie - diffuse beidseitige Lungenverschattungen ohne Hinweis auf kardial bedingtes Lungenödem seien nicht erfüllt, folgt ihm der Senat nicht. So konnte der Senat eine Exposition gegenüber einem Stoffe mit irritativen Eigenschaften in hoher Konzentration und den Beginn der Symptome nach einer einmalig definierten Exposition feststellen (dazu s.o.). Auch konnte der Senat einen Symptombeginn ventilatorischer Beeinträchtigungen binnen 24 Stunden und Persistenz von mindestens 3 Monaten feststellen (s.o.). Eine Hypoxämie, also ein erniedrigter Sauerstoffgehalt im arteriellen Blut, konnte der Senat zwar nicht feststellen, doch ist diese auch nicht Voraussetzung einer RADS (dazu vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O., Seite 1059/1060). Das zeigen auch die Ausführungen von Dr. med. Dipl.-Biol. K. , der zu den Voraussetzungen der RADS als Quelle und Nachweis ausführt: "(angelehnt an Schönberger, Mehrtens und Valentin, 2010), was darauf hindeutet, dass Dr. med. Dipl.-Biol. K. die Voraussetzungen der RADS abweichend von der unfallversicherungsmedizinischen Literatur eigenständig zu definieren versucht hat. Gleiches gilt hinsichtlich der von ihm angenommenen Voraussetzung einer diffusen beidseitigen Lungenverschattungen ohne Hinweis auf kardial bedingtes Lungenödem, was als Voraussetzung aber nicht in der zitierten Literatur angeführt ist. Dieses Vorgehen unter Verwendung von Zitaten aus der medizinischen Literatur, die entweder trotz fehlender Einschlägigkeit angegeben werden oder ohne erforderliche weitere Begründung für die "Anlehnung" an die Fachliteratur als Beleg angeführt sind, ist unwissenschaftlich; die vertretene Auffassung entspricht weder dem (unfallversicherungs)medizinischen Stand der Wissenschaft und Kenntnis noch handelt es sich um ein Verhalten, das einem auf objektive und neutrale Ermittlung der Voraussetzungen der Gewährung von Sozialleistungen gerichteten Verwaltungshandeln einer Behörde (dazu vgl. § 20 SGB X, §§ 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 SGB I) entspricht. Dies gilt auch für den fälschlichen, zumindest jedoch irreführenden Hinweis des Beratungsarztes auf die Gefährdungsklasse H statt R in den vorgelegten Sicherheitsdatenblätter, wie oben ausgeführt. Insoweit überzeugt auch seine dem Senat mehrfach vorgelegte Stellungnahme vom 09.05.2016 nicht.

Die Verwirklichung der sozialen Rechte– auch wenn aus ihnen Ansprüche nur insoweit geltend gemacht oder hergeleitet werden können, als deren Voraussetzungen und Inhalt durch die Vorschriften der besonderen Teile des SGB im Einzelnen bestimmt sind – ist Aufgabe der Sozialleistungsträger i.S.d. § 12 SGB I (vgl. dazu § 2 SGB I). Die Beklagte ist als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung dabei verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass jeder Berechtigte die ihm zustehende Sozialleistung in zeitgemäßer Weise, umfassend und zügig erhält (§ 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I). Es ist damit Aufgabe der Beklagten nach Maßgabe der Vorschriften des Sozialgesetzbuches – vorliegend des SGB VII - nach Eintritt von Arbeitsunfällen die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Versicherten mit allen geeigneten Mitteln wiederherzustellen und sie oder ihre Hinterbliebenen durch Geldleistungen zu entschädigen (§ 1 Nr. 2 SGB VII) und mit allen geeigneten Mitteln möglichst frühzeitig den durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern, seine Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mildern (§ 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII). Dabei handelt die Beklagte als Behörde (§ 1 Abs. 2 SGB X) und ist zur Objektivität und Neutralität verpflichtet (vgl. § 17 SGB X). Sie hat den Sachverhalt und die anzuwendende Rechtslage umfassend zu ermitteln bzw. zu untersuchen (§ 20 SGB X). Der Untersuchungsgrundsatz bezieht sich auch auf die Ermittlung der für den Versicherten günstigen Umstände (§ 20 Abs. 1 und Abs. 2 SGB X). Sie hat hierzu die nach pflichtgemäßen Ermessen geeigneten Beweismittel formlos heranzuziehen (§ 21 SGB X). Die aus dieser Verpflichtung erwachsende Aufgabe, Sachverhalte aufzuklären und – soweit eigene Sachkenntnis des Sachbearbeiters fehlt - durch technisch oder medizinisch Sachkundige zu bewerten, erschöpft sich unter der gesetzlichen Zielsetzungen nicht lediglich auf die Einholung von irgendwelchen Arztauskünften, technischen Stellungnahmen oder Gutachten. Vielmehr hat die Behörde den Sachverhalt gerade im Hinblick auf den Gegenstand des Verfahrens durch gezielte und geeignete Ermittlungen aufzuklären und anschließend zu bewerten. Zur Sachverhaltsaufklärung i.S.d. § 20 SGB X und der sich daran anschließenden Beweiserhebung gehört auch, die erhobenen Tatsachen und Umstände kritisch zu prüfen und zu würdigen. Dabei sind nicht nur Befunde, Einschätzungen und gutachterliche Äußerungen von Fremdärzten kritisch zu prüfen und zu würdigen, vielmehr bezieht sich diese Pflicht auch auf das eigene Verwaltungshandeln der Behörde, wie z.B. die eingeholten Stellungnahmen eigener besonderer Dienste (z.B. TAD bzw. Beratungsarzt). Insoweit sind auch deren Ausführungen, z.B. der eigenen Beratungsärzte, auf Schlüssigkeit, Stichhaltigkeit und Überzeugungskraft zu prüfen, bevor sie als Grundlage des Verwaltungshandelns der Behörde Eingang in die zu treffende Verwaltungsentscheidung finden, mithin verwertet werden. Diese im Verwaltungsverfahren begründete Verpflichtung gilt in zumindest demselben Umfang auch dann, wenn die Behörde als Beteiligte im gerichtlichen Verfahren durch ihre Parteistellung einen zunächst vermeintlich nicht bestehenden Sozialleistungsanspruch abwehrt. Sie hat dabei in jeder Lage des Gerichtsverfahrens die ihr nach dem Sozialgesetzbuch zukommende Verpflichtung, tatsächlich bestehenden Ansprüchen auf Sozialleistungen zur Durchsetzung zu verhelfen, zu beachten, weshalb auch die zur Vorlage im Sozialgerichtsprozess veranlassten gutachterlichen Stellungnahmen – nicht nur die vom Prozessgegner oder dem Gericht vorgelegten bzw. eingeholten, sondern auch die eigenen – kritisch auf Schlüssigkeit, Stichhaltigkeit und Überzeugungskraft zu prüfen, wenn sie in den Prozess eingeführt werden sollen. Eine solche nach Maßgabe des Gesetzes erforderliche Prüfung ist vorliegend für die im Verwaltungsverfahren veranlasste Äußerung von Prof. Dr. St. und auch die später eingeholten Stellungnahmen von Dr. med. Dipl.-Biol. K. ganz offensichtlich nicht durchgeführt worden, weshalb dieses Vorbringen der Beklagten – wie bereits zuvor ausführlich begründet – den Senat nicht überzeugt. Der Verstoß einer Behörde gegen elementare gesetzliche Verfahrensgrundsätze und Verpflichtungen im Verwaltungs- bzw. Gerichtsverfahren – erwähnt sei insoweit z.B. das unkommentierte unrichtige Mitteilen von Krankheitsvoraussetzungen unter scheinbarer Anlehnung an die herrschende unfallmedizinische Literatur und deren ungeprüfte Einführung in das Verwaltungs- und Gerichtsverfahren bzw. der Umstand, dass Prof. Dr. St. sowie die Zusatzgutachterin die schlecht Deutsch sprechende Klägerin neurologisch und psychiatrisch ohne Dolmetscher untersucht und begutachtet haben, was die Beklagte aber nicht gehindert hat, aus dem Gutachten für die Klägerin negative Schlüsse zu ziehen, ohne zu prüfen, ob diese dem Fehlen eines Dolmetschers geschuldet waren, - wirft darüber hinaus die Frage auf, ob dieses Vorbringen nicht schon im Grunde als unverwertbar zu erachten ist, worauf es vorliegend aus den zuvor ausgeführten Gründen aber nicht ankommt.

Vielmehr konnte der Senat mit Prof. Dr. Ko. feststellen, dass das reactive-airway dysfunction Syndrome (RADS), also ein chemisch irritativ induziertes Asthma bronchiale bei der Klägerin hinreichend wahrscheinlich rechtlich wesentlich auf den Unfall vom 28.01.2010 zurückzuführen ist. Insoweit schließt sich der Senat den Beurteilungen durch den Beratungsarzt Dr. T. und den zuständigen Sachbearbeiter vom 06.12.2012 (/ 153 der Beklagtenakte) an.

2. Riech-/Schmeckstörung Bei der Klägerin besteht eine Anosmie, also ein Fehlen des Geruchssinns oder der Verlust des Geruchssinns, sowie eine Dysgeusie, also Störungen des Geschmacksempfindens. Dies konnte der Senat mit dem schlüssigen Gutachten von Prof. Dr. M. feststellen. So hat Prof. Dr. M. bei der Geruchstestung eine komplette Anosmie und eine Dysgeusie feststellen können. Während die Klägerin bei seitengetrennter Geruchstestung auf beiden Seiten keinen von 11 Duft- und Duftmischstoffe, ebenfalls den Trigeminusreizstoff (Fisch) nicht erkannt hatte, hat sie von vier Grundgeschmacksqualitäten auf der rechten Zungenseite drei, links keinen erkannt. Bei Prof. Dr. St. hat sie von 12 Tests nur ein Aroma richtig gerochen und bei der Geschmackstestung keinen einzigen Geschmacksstoff richtig zugeordnet (/ 147 , Seite 5 der Beklagtenakte). Als Ursache hat Prof. Dr. M. eine Läsion im Bereich der Regio olfactoria oder eine Läsion im Bereich der cerebralen olfaktorischen Zentren als Folge der Intoxikation beschrieben. Das Nichtwahrnehmen des Trigeminusreizstoffes führt er nicht auf Aggravation oder Simulation zurück, sondern auf eine verminderte trigeminale Sensibilität.

Dem steht nicht entgegen, dass Prof. Dr. St. dieses Ergebnis bezweifelt. Soweit er ausführt, Prof. Dr. M. habe fachfremd geurteilt, weil das Leiden an einer Anosmie in das Fachgebiet der Neurologie falle, so ist das für den Senat nicht recht nachvollziehbar, als Prof. Dr. St. und der Beratungsarzt Dr. med. Dipl.-Biol. K. zur Beurteilung der Anosmie das Standardwerk von Arnold/Ganzer, Checkliste Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, 5. Auflage (dazu vgl. / 219, Seite 17 ff. der Beklagtenakte) heranziehen. Auch genügt die Behauptung, die von Prof. Dr. Ma. angewandten Tests seien falsch angewandt worden, nicht. So bedeutet eine Trefferquote von unterhalb der Ratewahrscheinlichkeit gerade nicht zwingend, dass vorsätzlich falsche Angaben gemacht wurden. Einerseits ist die Bestimmung der Ratewahrscheinlichkeit von der Testanordnung mit ausreichender Möglichkeit "falscher Richtigantworten", die eine statistische Wahrscheinlichkeit geratener Ergebnisse einzuschätzen erlaubt, abhängig und andererseits ist ein totaler Ausfall der Sinnesorgane, der den Probanden dann nur in die Lage versetzt, Negativantworten zu geben, nämlich nichts zu riechen und nichts zu schmecken, eine Fallkonstellation, die sich der Validitätsprüfung mit Ratewahrscheinlichkeit entzieht. Ein Ergebnis unterhalb der Ratewahrscheinlichkeit kann somit auch den völligen Ausfall der getesteten Körperfunktion darstellen. Darüber hinaus hat auch Prof. Dr. St. seine Testanordnung nicht offengelegt.

Der vorliegenden Beurteilung steht auch nicht entgegen, dass Prof. Dr. St. das von der Klägerin geschilderte Trainieren des Geruchssinns als "unsinnig zurückzuweisen" ansieht (/ 147, Seite 5 der Beklagtenakte = Seite 5 des Gutachtens). Denn Dr. Mü. (/ 21, Seite 2 der Beklagtenakte) im Bericht vom 04.04.2011 der Klägerin ein tägliches Trainieren des Geruchssinnes mit Sniffin-Sticks mit vier verschiedenen Düften anempfohlen hat.

Auch hat Prof. Dr. St. angegeben, dass eine Formaldehyd-Exposition durchaus in der Lage sei, zu einer Riechstörung zu führen (/ 147, Seite 9 der Beklagtenakte). Er hat jedoch eine Schädigung der Hirnnerven nicht angenommen. Jedoch hat er bei seiner Befundmitteilung, insbesondere derjenigen der Hirnnerven, lediglich angegeben, dass eine seitengleiche regelrechte Funktion der facialis- und trigeminusinnervierten Muskulatur, eine seitengleiche Gefühlswahrnehmung in den trigeminusinnervierten Hautarealen und an den caudalen (hinteren) Hirnnerven kein auffälliger Befund bestehe. Das Fehlen einer Störung eines rostalen (vorderen) Hirnnervs, zu denen der nervus olfactoris (Riechnerv) gehört, hat er aber nicht angegeben.

Insoweit kann der Senat aber aufgrund der objektiven Olfaktometrie, deren Ergebnisse Dr. Mü. im Bericht vom 04.04.2011 (/ 21 der Beklagtenakte) dargestellt hatte, zwar eine Signalanhebung der Ableitung im EEG über CZ bei der 20%igen Reizung feststellen, doch ergab die 10%ige Reizung keine Änderung des Signals. Daraus leitet der Senat ab, dass das Riechvermögen der Klägerin beeinträchtigt ist. Prof. Dr. Ma. hat um Genehmigung einer solchen objektiven Olfaktometrie gebeten (/ 196 der Beklagtenakte), was die Beklagte aber nicht zu einer weitergehenden Sachverhaltsaufklärung veranlasst hat.

Angesichts der vorliegenden Befunde, die von Prof. Dr. M. und Prof. Dr. St. im Ergebnis annähernd entsprechend erhoben wurden, konnte der Senat eine Anosmie und eine Dysgeusie feststellen. Nachdem Prof. Dr. St. selbst angegeben hatte, dass eine Formaldehydintoxikation eine solche Gesundheitsstörung hervorrufen kann und Prof. Dr. M. angegeben hatte, dass er die Verursachung durch den Unfall vom 28.01.2010 als rechtlich wesentlich hinreichend wahrscheinlich ansieht und auf andere Ursachen für die Anosmie und Dysgeusie nicht festgestellt werden konnten, konnte der Senat feststellen, dass der Unfall vom 28.01.2010 mit erheblicher Formaldehyd-Exposition, die bis hin zur Verätzung der Atemwege geführt hatte, die Anosmie und Dysgeusie hinreichend wahrscheinlich wesentlich verursacht hat. Auch wenn Dr. med. Dipl.-Biol. K. in seiner Stellungnahme vom 09.05.2016 angibt, es sei im Bericht vom 02.03.2010 (/ 10, Seite 2/4 der Beklagtenakte) über eine stationäre Aufnahme am 15.02.2010, mithin mehr als zwei Wochen nach dem Unfall vom 28.01.2010, keine Rötung oral oder Rachenhinterwand oder lingual gefunden worden, so sagt dies über den Zustand beim Unfall am 28.01.2010 nichts aus. Insoweit gibt der Bericht vom 29.04.2010 (/ 18 der Beklagtenakte) zwar keine Auskunft, doch ist ihm zumindest eine Verätzung der Atemwege zu entnehmen, weshalb eine fehlende Rötung im Rachenbereich nicht angenommen werden kann.

Damit konnte der Senat feststellen, dass bei der Klägerin eine Dysgeusie und eine Anosmie bestehen und hinreichend wahrscheinlich der Unfall vom 28.01.2010 rechtlich wesentliche Ursache dieser Gesundheitsstörungen ist. Insoweit schließt sich der Senat den Beurteilungen durch den Beratungsarzt Dr. T. und Prof. Dr. M. an.

Der Senat lässt dahinstehen, ob die nachfolgend unter Nr. 3 bis 9 abgehandelten Gesundheitsstörungen mit zulässiger Feststellungsklage als Unfallfolge geltend gemacht werden können und die Berufung bereits deshalb unbegründet ist. Eine Verwaltungsentscheidung ist hierüber nicht getroffen worden, der angefochtene Bescheid vom 07.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.03.2014 enthält hierzu keine Ausführungen. Jedenfalls ist die Berufung der Klägerin insoweit auch aus anderen Gründen unbegründet.

3. Kopfschmerzen Die von der Klägerin angegebene Kopfschmerzerkrankung, die sie vor dem Unfall vom 28.01.2010 nicht gehabt habe, lässt sich nicht hinreichend wahrscheinlich rechtlich wesentlich auf den Unfall vom 28.01.2010 zurückführen. Dr. R. (Bericht vom 20.06.2011, / 35, Seite 24/25 der Beklagtenakte) hat die im Nacken-/Hinterkopfbereich sowie bifrontal auftretenden Kopfschmerzen (so auch anamnestisch Dr. W. , / 204, Seite 11 der Beklagtenakte) ohne assoziierte Sehstörungen, bei denen es der Klägerin mehrfach schwarz vor Augen geworden sei, als Migräne und Spannungskopfschmerz mit cervikogener Komponente, bei der eine analgetikainduzierte Symptomatik nicht ausgeschlossen werden könne, beschrieben. Prof. Dr. St. , der gerade wegen der Kopfschmerzsymptomatik mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt wurde (Stellungnahme Beratungsarzt Dr. T. / 126, Seite 3 der Beklagtenakte) hat sich – obwohl er sich zu den lungenärztlichen Befunden und den Geruchs-/Geschmacksstörungen ausführlich geäußert hatte - zu den Kopfschmerzen und der Schwindelsymptomatik nicht geäußert. Er hat lediglich angegeben, dass auf neurologischem Fachgebiet keine Gesundheitsstörungen festzustellen seien. Dr. W. (/ 204, Seite 11 der Beklagtenakte) hat die Kopfschmerzen (Cephalgie) mit einem HWS-Syndrom erklärt und eine Behandlung der HWS empfohlen.

Vor diesem Hintergrund konnte der Senat nicht feststellen, dass der Unfall vom 28.01.2010 hinreichend wahrscheinlich wesentliche Ursache der angegebenen, überdauernden Kopfschmerzen ist. Zwar ist für den Senat eine zeitlich im Zusammenhang mit der Formaldehydvergiftung stehende vorübergehende Kopfschmerzerscheinung zwar naheliegend, eine solche vorübergehende Störung, die im Übrigen bereits von der Feststellung der Formaldehydvergiftung erfasst wäre, wird aber gerade nicht geltend gemacht. Der geltend gemachte überdauernde (von Prof. Dr. Ma. anamnestisch erhobene und als chronisch bezeichnete) Kopfschmerz kann aber mehr durch die von Dr. W. beschriebene HWS-Problematik und die von Dr. R. beschriebene Migräne-Problematik mit analgetikainduziertem Schmerz erklärt werden. Damit kommt dem Unfallereignis vom 28.01.2010 im Verhältnis zu anderen möglichen Ursachen weder wesentliche Bedeutung zu, noch ist eine Verursachung insoweit zwar möglich aber angesichts der anderen Erklärungsmöglichkeiten nicht hinreichend wahrscheinlich. Dass aber die Ursächlichkeit nur möglich ist, genügt für einen wesentlichen Ursachenzusammenhang nicht.

4. Schwindel Auch die von der Klägerin angegebene Schwindelsymptomatik, die sie vor dem Unfall vom 28.01.2010 nicht gehabt habe, lässt sich nicht hinreichend wahrscheinlich rechtlich wesentlich auf den Unfall vom 28.01.2010 zurückführen. Dr. H.-H. und auch Dr. Ke. (/ 81 der Beklagtenakte) haben mitgeteilt, der Klägerin sei (häufig) schwindelig. Die neurologische Behandlung der Klägerin durch Dr. R. (/ 35, Seite 24/25 der Beklagtenakte) berichtet zwar davon, der Klägerin sei mehrfach schwarz vor Augen geworden, jedoch nicht von einer Schwindelsymptomatik. Auch Prof. Dr. St. , der gerade auch wegen der Schwindelsymptomatik mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt wurde (Stellungnahme Beratungsarzt Dr. T. / 126, Seite 3 der Beklagtenakte) hat sich zu der Schwindelsymptomatik nicht geäußert. Er hat lediglich angegeben, dass auf neurologischem Fachgebiet keine Gesundheitsstörungen festzustellen seien.

Vor diesem Hintergrund konnte der Senat nicht feststellen, dass der Unfall vom 28.01.2010 hinreichend wahrscheinlich wesentliche Ursache der angegebenen überdauernden Symptomatik ist. Denn ärztlicherseits konnte schon eine solche Gesundheitsstörung nicht objektiviert werden. Fehlt es an einer objektivierten Gesundheitsstörung, so ist rechtlich ein Kausalzusammenhang mit dem Unfallereignis vom 28.01.2010 nicht möglich.

5. Depressive Erkrankung/Schlafstörungen Eine unfallabhängige depressive Erkrankung konnte der Senat bei der Klägerin nicht feststellen. Zwar hat Dr. Ke. in ihrem internistisch-lungenärztlichen Bericht vom 05.11.2011 (/ 81 der Beklagtenakte) angegeben, die Klägerin mache einen zunehmend depressiven Eindruck. Der nervenärztliche Bericht Dr. R. vom 20.06.2011 sah die Klägerin zwar freundlich zugewandt, affektiv noch ausreichend schwingungsfähig, jedoch gedrückt wirkend. Eine Depression wurde fachärztlich jedoch nicht diagnostiziert(/ 35, Seite 24/25 der Beklagtenakte). Auch hatte Allgemeinmediziner Dr. H.-H. eine depressive Erschöpfung beschrieben, ohne eine depressive Erkrankung als eigene oder fremde Diagnose anzugeben (Berichte vom 11.07.2013 und 08.11.2013). Das Gutachten von Prof. Dr. St. (/ 147 der Beklagtenakte), das er unter Berücksichtigung eines neuropsychologischen Zusatzgutachtens von Dipl.-Psych. B. (/ 148 der Beklagtenakte) erstellt hat, führt keine depressive Erkrankung an.

Insoweit konnte der Senat nicht feststellen, dass der Unfall vom 28.01.2010 hinreichend wahrscheinlich wesentliche Ursache der angegebenen -fraglichen- depressiven Symptomatik ist. Konnte ärztlicherseits schon eine solche Gesundheitsstörung nicht objektiviert werden, ist rechtlich ein Kausalzusammenhang mit dem Unfallereignis vom 28.01.2010 nicht möglich. Gleiches gilt für die angegebenen Schlafstörungen

6. Zahnschmerzen Ärztliche Befunde, die die angegebenen Zahnschmerzen objektivieren und auch in einen Zusammenhang mit dem Unfallereignis vom 28.01.2010 bringen, konnte der Senat nicht feststellen. Zwar hat Dr. H.-H. die Zahnschmerzen angegeben, doch fehlen insoweit die Zahnschmerzen objektivierende Befunde.

Der Senat konnte mithin nicht feststellen, dass der Unfall vom 28.01.2010 hinreichend wahrscheinlich wesentliche Ursache der angegebenen Zahnschmerzen ist. Konnte ärztlicherseits schon eine solche Gesundheitsstörung nicht objektiviert werden, ist rechtlich ein Kausalzusammenhang mit dem Unfallereignis vom 28.01.2010 nicht möglich.

7. Sehstörung Eine Sehstörung, die hinreichend wahrscheinlich wesentlich auf den Unfall vom 28.01.2010 zurückzuführen ist, konnte der Senat nicht feststellen. Zwar hat Dr. J. , Neurologe und Psychiater, in seinen Berichten aus den Jahren 2012 und 2013 (/ 204, Seite 4, 5 und 9 der Beklagtenakte) bei der Klägerin eine okuläre Myasthenie, also eine Muskelschwäche der Augenlider, angegeben – im Jahr 2011 hatte Dr. R. (/ 35, Seite 24 der Beklagtenakte) noch eine unauffällige Okulomotorik berichtet - und Dr. H.-H. (Schreiben vom 11.07.2013 (/ 204 der Beklagtenakte) darüber hinaus eine Sehstörung mitgeteilt. Diese Sehstörung dürfte die im Bericht von Dr. Ke. vom 20.01.2013 (/ 160 der Beklagtenakte) anamnestisch angegebenen Sehstörungen (die Klägerin sehe fast nur noch schwarz und weiß) und nach dem Bericht von Dr. J. vom 06.02.2013 die in der Augenklinik festgestellte konzentrische Gesichtsfeldeinschränkung bei ansonsten auf augenärztlichem Gebiet unauffälligem Befund sein. Insoweit hat Dr. J. über eine unauffällige MRT-Untersuchung des Kopfes berichtet; auch Prof. Dr. St. konnte bei seiner Begutachtung insoweit eine neurologische Schädigung nicht feststellen. Dem Gutachter Prof. Dr. Ko. hat sie eine Weitsichtigkeit berichtet. Dagegen hat sie in der Rehabilitation im März 2012 (/ 113 der Beklagtenakte) keine Beschwerden der Augen berichtet; solche konnten auch nicht festgestellt werden. Soweit der Senat vor diesem Hintergrund trotz der wechselvollen Symptomatik die im Gerichtsverfahren behaupteten Gesundheitsstörungen zugunsten der Klägerin als bestehend ansieht, fehlt es an einem hinreichend wahrscheinlichen Unfallzusammenhang. Allein eine zeitliche Reihung von Symptomen nach dem Unfall und anschließenden unterschiedlichen Diagnosen der Erkrankung begründet keine wesentliche Ursächlichkeit des Unfallvorganges für das Auftreten des Gesundheitsschadens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit. Eine erste Symptomatik ist ab 2012, also knapp zwei Jahre nach dem Unfall dokumentiert. Eine schicksalhafte/altersbedingte Sehstörung ist darüber hinaus ebenso naheliegend. Außerdem hat kein Arzt einen Unfallzusammenhang beschrieben. Da Prof. Dr. St. und auch Dr. J. hinsichtlich des Sehvermögens neurologische Schädigungen ausschließen konnten und ärztlicherseits – mit Ausnahme eines behaupteten zeitlichen Zusammenhangs - keine belastbaren Befunde vorliegen, die einen wesentlichen Zusammenhang nahelegen, konnte der Senat nicht annehmen, dass der Unfall vom 28.01.2010 hinreichend wahrscheinlich wesentliche Ursache der vorliegend geltend gemachten Seh-/Augenstörungen ist.

8. Hörstörung Die von der Klägerin angegebene Hörstörung konnte der Senat nicht feststellen und damit auch nicht rechtlich hinreichend wahrscheinlich wesentlich auf den Unfall vom 28.01.2010 zurückführen. Nach dem HNO-ärztlichen Gutachten von Prof. Dr. Ma. konnte die Klägerin Umgangssprache aus mehr als 6 Meter ausreichend verstehen; gleiches teilte auch das Gutachten Prof. Dr. St. mit. Im Tonaudiogramm hatte sich bei Prof. Dr. Ma. eine Normalhörigkeit gezeigt, im Sprachaudiogramm ergab sich ein beidseitiger Hörverlust von jeweils 5dB und im gewichteten Gesamtwortverstehen beidseits jeweils ein Wert von 300. Abweichendes ergibt sich auch nicht aus den Befunden der behandelnden HNO-Ärzte Dr. Mü. und Dr. W ... Damit lässt sich eine relevante Hörminderung nicht feststellen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Seite 340). Liegt keine objektivierte Hörstörung vor, konnte der Senat auch nicht annehmen, dass der Unfall vom 28.01.2010 hinreichend wahrscheinlich wesentliche Ursache ist.

9. Sonstige Beschwerden Soweit Dr. H.-H. im Schreiben vom 11.07.2013 thorakale Beschwerden, und Engegefühl beschreibt, lassen sich diese Beschwerden nicht rechtlich wesentlich auf den Unfall vom 28.01.2010 beziehen. Denn insoweit hat z.B. der Aufnahmebericht des Z. des BWK U. vom 01.05.2011 (/ 35, Seite 15 der Beklagtenakte) bei thorakalen Schmerzen eher eine BWS-Blockade als Ursache angenommen. Eine kardiale Erkrankung konnte von den behandelnden Kardiologen ausgeschlossen werden (vgl. z.B. Bericht Dr. Ha. vom 02.05.2011, / 35, Seite 22/23 der Beklagtenakte). Auch aus dem Bericht Dr. Ha. und Partner vom 16.05.2013 (/ 204, Seite 8 der Beklagtenakte) ist eine koronare Herzerkrankung nicht ersichtlich. Damit konnte der Senat auch einen rechtlich wesentlichen Zusammenhang mit dem Unfall vom 28.01.2010 nicht annehmen.

Der von Dr. H.-H. im Schreiben vom 11.07.2013 (/ 205 der Beklagtenakte) angegebene Sekundenschlaf mit unkontrollierten Stürzen und Krampfanfälle mit Stürzen ohne Vorwarnung konnte der Senat angesichts der vorliegenden ärztlichen Unterlagen nicht objektivieren. Gleiches gilt für die am ganzen Körper angegebenen Schmerzen. Damit konnte der Senat auch einen rechtlich wesentlichen Ursachenzusammenhang mit dem Unfallgeschehen nicht als hinreichend wahrscheinlich gemacht ansehen.

10. Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen, nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen und Unterlagen der Feuerwehr des BWK U. sowie der Stadt U. haben mit den Gutachten des Verwaltungsverfahrens die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der medizinische festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende Feststellung der bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsstörungen sowie des rechtlichen Zusammenhangs zwischen dem Unfallereignis vom 28.01.2010 und den bestehenden Gesundheitsstörungen.

Vor diesem Hintergrund hat die Berufung der Klägerin nur teilweise Erfolg.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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