L 8 SB 2227/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 18 SB 5765/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 2227/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 17.04.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) streitig.

Der 1969 geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger (Einbürgerungsurkunde der Landeshauptstadt Stuttgart vom 15.11.2005). Er beantragte am 14.04.2010 beim Landratsamt E. (LRA) wegen eins Schlafapnoe-Syndroms, multiplen Beinverletzungen nach einem Unfall am 11.01.2008 sowie einer Legasthenie erstmals die Feststellung des GdB ab Antragstellung.

Das LRA nahm medizinische Befundunterlagen zu den Akten (Berichte Klinikum E. vom 27.11.2008, 20.01.2009 und 26.06.2009, Diagnosen insbesondere: Pilon tibiale-Fraktur rechts, Calcaneusfraktur links, Spätinfektion nach Plattenosteosynthese Calcaneo links am 17.11.2008, Infektion nach Fersenbeinfraktur links, Schlafapnoe; BG U. Klinik T. vom 22.09.2009 und 09.10.2009, Diagnosen: Persistierende Fistel nach Fersenbeinfraktur und erfolgte Entfernung der Calcaneusplatte am 24.06.2009; Ärztlicher Entlassungsbericht F. Klinik Bad B. vom 29.03.2010, Diagnosen: Calcaneusfraktur links am 07.11.2008, mehrfache Operationen wegen chronischer Fistelung zuletzt am 24.06.2009, Pilon tibiale-Fraktur rechts am 07.11.2008, Adipositas und Schlafapnoe-Syndrom). In der zu den medizinischen Unterlagen eingeholten gutachtlichen Stellungnahme des ärztlichen Dienstes vom 17.05.2010 schlug Dr. N. wegen einer Gebrauchseinschränkung des linken Fußes und des rechten Beines sowie Wirbelsäulenverformung (GdB 20), einem Schlafapnoe-Syndrom (GdB 20) sowie einer Lernbehinderung (GdB 10) den Gesamt-GdB mit 30 vor. Mit Bescheid vom 02.06.2010 stellte das LRA beim Kläger den GdB mit 30 sowie eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit im Sinne des § 33b Einkommensteuergesetz jeweils seit dem 14.04.2010 fest.

Hiergegen legte der Kläger am 07.06.2010 Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 09.08.2010 wies das Regierungspräsidium Stuttgart - Landesversorgungsamt - den Widerspruch zurück.

Am 14.09.2010 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Er machte geltend, wegen der am 07.11.2008 erlittenen Verletzungen könne er täglich höchstens 1,5 Stunden auf sein. Danach begännen Schmerzen und er könne nicht mehr laufen, habe keine Freunde mehr und könne nichts mehr unternehmen. Seit dem Unfall sei er arbeitsunfähig. Der Kläger legte das Attest des Arztes für Chirurgie und Unfallmedizin, Sportmedizin L. vom 10.05.2010 vor.

Das SG hörte den Facharzt L. schriftlich als sachverständigen Zeugen an, der unter dem 15.02.2011 den Behandlungsverlauf, die Diagnosen und die Befunde mitteilte, die Gebrauchsbeeinträchtigung beider Füße auf 33 % einschätzte und medizinische Befundunterlagen vorlegte. Anschließend holte das SG (von Amts wegen) das unfallchirurgisch-orthopädische Gutachten des Dr. D. vom 28.10.2011 ein. Dr. D. diagnostizierte auf seinem Fachgebiet eine beginnende Arthrose im Sprungbein rechts ohne funktionelle Auswirkungen (kein GdB) sowie eine in leichter Vergrößerung des Axialwinkels und leichter Verminderung des Tubergelenkwinkels knöchern konsolidierte ehemalige Fersenbeinfraktur links mit Arthrose im linken unteren Sprunggelenk, eine um die Hälfte reduzierte Beweglichkeit im linken unteren Sprunggelenk, eine fehlende Überstreckbarkeit im linken oberen Sprunggelenk, eine Weichteilschwellung im Bereich der linksseitigen Sprunggelenke und der Fußwurzel sowie eine Belastungsminderung der linken unteren Extremität (GdB 30). Unter Einbeziehung eines Schlafapnoe-Syndroms (GdB 20) sowie einer Lernbehinderung (GdB 10) schätzte Dr. D. den Gesamt-GdB auf 40 seit dem 14.04.2010 ein.

Der Beklagte unterbreitete dem Kläger - unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 02.01.2012, der wegen einer Funktionsbehinderung des linken Sprunggelenkes (GdB 30), einem Schlafapnoe-Syndrom (GdB 20) sowie einer Lernbehinderung (GdB 10) den Gesamt-GdB mit 40 ab 14.04.2010 vorschlug - ein Vergleichsangebot dahin, den GdB mit 40 ab 14.04.2010 festzustellen (Schriftsätze vom 04.01.2012 und 20.04.2012), das der Kläger nicht annahm (Schriftsätze vom 16.01.2012 und 12.04.2012). Der Kläger legte die Berichte der Klinik C. G. vom 08.06.2004 sowie des Dr. R. vom 04.04.2012 und 04.07.2012 vor.

Mit Gerichtsbescheid vom 17.04.2013 verurteilte das SG den Beklagten, beim Kläger einen GdB von 40 seit 14.04.2010 festzustellen. Im Übrigen wies das SG die Klage ab. Es führte zur Begründung aus, die Funktionsbeeinträchtigungen der Beine bedinge einen GdB von 30, das Schlafapnoe-Syndrom einen GdB von 20 und Funktionsbeeinträchtigungen aufgrund der Lernbehinderung (Legasthenie) einen GdB von 10. Hieraus ergäbe sich ein Gesamt-GdB von 40.

Mit Ausführungsbescheid vom 28.05.2013 stellte das LRA beim Kläger den GdB mit 40 seit dem 14.04.2010 fest. Ein hiergegen vom Kläger eingelegter Widerspruch wurde vom Landesversorgungsamt mit Widerspruchsbescheid vom 23.01.2015 zurückgewiesen.

Gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 25.04.2013 zugestellten Gerichtsbescheid vom 17.04.2013 richtet sich die vom Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten am 24.05.2013 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegte Berufung. Zur Begründung hat er auf das vorgelegte ärztliche Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin und Frauenheilkunde Dr. Schn. vom 17.05.2013 Bezug genommen.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 17.04.2013 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 02.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.08.2010 in der Fassung des Ausführungsbescheids vom 28.05.2013 und des Widerspruchsbescheids vom 23.01.2015 zu verurteilen, den Grad der Behinderung mit mindestens 60 seit dem 14.04.2010 festzustellen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hat zur Begründung unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. Re. vom 22.04.2014 vorgetragen, die objektive Befundlage rechtfertige keinen höheren GdB als vorgenommen.

Der Senat hat den Facharzt L. sowie den Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. R. schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Facharzt L. teilte in seiner Aussage vom 09.01.2014 den weiteren Behandlungsverlauf mit und verneinte eine wesentliche Änderung des Gesundheitszustandes des Klägers. Dr. R. teilte in seiner Aussage vom 30.01.2014 - unter Vorlage von Befundberichten insbesondere vom 27.01.2014 - die Diagnosen und Funktionsbeeinträchtigungen sowie die Befunde mit und schätzte auf orthopädisch-unfallchirurgischem Gebiet den GdB auf ca. 60 ein.

Der Rechtsstreit ist durch den Berichterstatter mit den Beteiligten in der nichtöffentlichen Sitzung am 28.11.2014 erörtert worden. Auf Antrag der Beteiligten ist das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden. Hierzu wird auf die Niederschrift vom 28.11.2014 Bezug genommen.

Am 28.04.2015 hat der Kläger das ruhende Verfahren unter Vorlage des Befundberichtes der Klinik C. G. , Prof. Dr. S. , vom 02.04.2015 (Diagnosen: Schweres obstruktives Schlafapnoe-Syndrom mit Adipositas Hyperventilation) wieder angerufen.

Der Beklagte ist unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Arztes D. vom 16.11.2015 der Berufung weiter entgegengetreten (Schriftsatz vom 19.11.2015).

Anschließend hat der Senat den Facharzt L. , Dr. R. sowie Prof. Dr. S. schriftlich als sachverständigen Zeugen angehört. Dr. R. hat in seiner Aussage vom 17.12.2015 unter Vorlage von Befundberichten mitgeteilt, die letzte ambulante Untersuchung habe am 27.01.2014 stattgefunden. Der Eintritt einer Veränderung des Gesundheitszustandes könne nicht beurteilt werden. Prof. Dr. S. hat in seiner Aussage vom 19.01.2016 den Behandlungsverlauf, die Befunde und die Diagnosen mitgeteilt und wegen eines obstruktiven Schlafapnoe-Syndroms/Adipositas-Hyperventilation den GdB mit 20 bewertet. Der Facharzt L. hat in seiner Aussage vom 07.02.2016 den Behandlungsverlauf mitgeteilt und - bis zum 18.09.2014 - eine wesentliche Veränderung des Gesundheitszustandes verneint.

Der Kläger hat den Bericht des Dr. R. vom 31.05.2016 vorgelegt (Schriftsatz vom 19.06.2016), in der Dr. R. wegen Einschränkungen auf orthopädisch-unfallchirurgischem Fachgebiet die MdE auf ca. 20 % eingeschätzt hat, und entsprechend einer Anregung des Dr. R. im Bericht vom 31.05.2016 die Einholung eines erneuten Gutachtens beantragt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf einen Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 02.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.08.2010 in der Fassung des Ausführungsbescheids vom 28.05.2013 und des Widerspruchsbescheids vom 23.01.2015 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Feststellung des GdB mit mindestens 60 seit dem 14.04.2010 nicht zu.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids die für die Entscheidung des Rechtsstreits maßgeblichen Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze vollständig und zutreffend dargestellt. Das SG hat weiter zutreffend begründet, dass die Funktionsbeeinträchtigungen der Beine einen GdB von 30, das Schlafapnoe-Syndrom einen GdB von 20 und Funktionsbeeinträchtigungen aufgrund der Lernbehinderung (Legasthenie) einen GdB von 10 bedingten. Hieraus ergäbe sich ein Gesamt-GdB von 40. Der Senat gelangt nach eigener Prüfung zum selben Ergebnis. Er nimmt zur Begründung seiner eigenen Entscheidung auf die Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids in vollem Umfang Bezug, auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen verweist (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend und im Hinblick auf das Berufungsverfahren bleibt auszuführen:

Die vom Facharzt L. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 15.02.2011 beschriebenen Komplikationen im Heilungsverlauf der Unfallverletzungen vom November 2008 (Wundheilungsstörungen, Dehiszenz, Infektion und Fistelbildung), konnten nach den Angaben des Facharztes L. bis zum 14.04.2010 erfolgreich behandelt werden. Dem entsprechen auch die sonst zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen. Auch Dr. D. hat bei der Begutachtung des Klägers (ambulante Untersuchung am 30.09.2011) nach seinen Befundbeschreibungen im Gutachten vom 28.10.2011 im Bereich des äußeren linksseitigen Fersenbeins sowie im inneren körperfernen rechten Unterschenkel abgeheilte reizlose Narben ohne Fistel festgestellt, weshalb wegen der Komplikationen im Heilungsverlauf für die Beine eine Erhöhung des GdB auf über 30 im streitigen Zeitraum seit 14.04.2010 nicht gerechtfertigt ist.

Nach den von Dr. D. in seinem Gutachten vom 28.10.2011 beschriebenen Befunden bestehen hinsichtlich des rechten oberen und unteren Sprunggelenks keine funktionelle Einschränkungen, die nach den vom SG im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend dargestellten rechtlichen Bewertungsvorgaben der VG die Feststellung eines GdB von wenigstens 10 rechtfertigen, wie das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend begründet hat. Hinsichtlich des linken oberen und unteren Sprunggelenks bestehen Bewegungseinschränkungen und eine deutlich eingeschränkte Belastungsfähigkeit der linken unteren Extremität, die nach den VG die Feststellung eines GdB von 30 rechtfertigt, wie das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid ebenfalls zutreffend begründet hat. Dem entsprechen auch die Bewertungen von Dr. D. im Gutachten vom 28.10.2011 sowie im Wesentlichen auch des Facharztes L. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 15.02.2011, der von einer Gebrauchsbeeinträchtigung von 33 % ausgeht. Dass beim Kläger hinsichtlich der unteren Extremitäten seit der Begutachtung durch Dr. D. eine relevante dauerhafte Verschlimmerung eingetreten ist, die die Feststellung eines höheren Einzel-GdB als 30 rechtfertigt, kann nicht festgestellt werden. Eine solche Verschlimmerung lässt sich insbesondere der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von Dr. R. vom 30.01.2014 sowie den nach der Begutachtung durch Dr. D. zu den Akten gelangten Befundberichten des Dr. R. vom 04.04.2012, 04.07.2012, 27.01.2014 und 31.05.2016 nicht entnehmen. Vielmehr wird in der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 30.01.2014 und in den genannten Befundberichten eine - im Vergleich zu den Befundbeschreibungen im Gutachten von Dr. D. - jeweils eine verbesserte Beweglichkeit des linken oberen Sprunggelenkes (Beugen/Strecken links 65-0-0° bzw. einmalig 65-10-0°) beschrieben. Dass eine Hypästhesie am Fußrücken sowie eine - nicht näher beschriebene - Bewegungseinschränkung des Großzehengrundgelenks links, die nach den VG Teil B 18.14 noch keinen GdB von 10 rechtfertigt, zusätzliche Funktionsbehinderungen hervorrufen, die nunmehr für die linke untere Extremität des Klägers einen GdB von 40 rechtfertigen, ist nicht festzustellen und wird im Übrigen vom Kläger auch nicht substantiiert geltend gemacht. Eine bedeutsame Befundänderung hinsichtlich der rechten unteren Extremität des Klägers beschreibt Dr. R. in seinen schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen nicht und lässt sich auch seinen Befundberichten nicht entnehmen. Soweit Dr. R. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 30.01.2014 und im Befundbericht vom 31.05.2016 eine Bewegungseinschränkung des rechten oberen Sprunggelenks (Beugen/Strecken 65-0-0°) beschreibt, rechtfertigt diese Bewegungseinschränkung nach den VG Teil B 18.14 noch keinen GdB von 10. Auch sonst lassen sich den genannten Befundberichten des Dr. R. im Vergleich zum Gutachten des Dr. D. keine Verschlimmerungen entnehmen, die hinsichtlich der unteren Extremität des Klägers einen Einzel-GdB von 40 rechtfertigt. Dem entsprechen auch die Einschätzungen des Dr. R. , der in seinem Befundbericht vom 04.04.2012 von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit aufgrund des Unfallereignisses vom November 2008 von ca. 30 % bzw. im Befundbericht vom 31.05.2016 von 20 % ausgeht, was gegen eine - nach dem Befundbericht des Dr. R. vom 04.04.2012 von ihm erwartete - Verschlimmerung der beim Kläger auf orthopädisch-unfallchirurgischem Fachgebiet bestehenden Behinderungen seit der Begutachtung durch Dr. D. spricht. Gegen eine Verschlimmerung spricht auch, dass der Kläger, anders als bei der Begutachtung durch Dr. D. , insbesondere nach dem Befundbericht des Dr. R. vom 31.05.2016 keine Gehhilfen (Unterarm-Gehstock links) oder orthopädische Zurichtungen oder Einlagen - mehr - verwendet. Die von Dr. R. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage sowie in den genannten Befundberichten beschriebenen degenerativen Veränderungen rechtfertigen nach den VG Teil B 18.1 noch keinen GdB. Dies gilt auch für die Tatsache, dass sich der Kläger mehreren Operationen am linken Bein hat unterziehen müssen. Der abweichenden GdB-Bewertung von Dr. R. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 30.01.2014 (GdB 40) kann nicht gefolgt werden. Dr. R. stützt seine GdB-Bewertung auf - beginnende - arthrotische Veränderungen des oberen und unteren Sprunggelenke, einen Fersensporn und eine Einschränkung der Gehstrecke, die nach den GdB-Bewertungsvorgaben der VG einen Einzel-GdB von 40 nicht plausibel machen.

Auf unfallchirurgisch-orthopädischem Fachgebiet bestehen beim Kläger sonst keine Funktionsbehinderungen, die die Feststellung eines GdB von über 10 rechtfertigt. Nach dem Gutachten von Dr. D. vom 28.10.2011 bestehen beim Kläger hinsichtlich der oberen Extremitäten (Schulter-, Ellenbogen-, Hand- und Fingergelenken) sowie der Hüft- und Kniegelenke keine Bewegungseinschränkungen oder krankhafte Veränderungen, die die Annahme eines GdB rechtfertigen, wovon auch Dr. D. in seinem Gutachten ausgeht. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Wirbelsäule des Klägers, die nach den im Gutachten des Dr. D. beschriebenen Befunden keine GdB-relevante Funktionsbehinderung aufweist. Dass nach der Begutachtung durch Dr. D. eine dauerhafte Verschlimmerung eingetreten ist, die die Annahme eines Einzel-GdB von über 10 rechtfertigt, kann insbesondere nach den schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen des Dr. R. vom 30.01.2014 und 17.12.2015 sowie seinen Befundberichten nicht festgestellt werden. Soweit Dr. R. in der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 30.01.2014 eine Bewegungseinschränkung der linken Schulter (Abduktion aktiv 90°, passiv 160°, Anteversion aktiv 95°, passiv 170°) beschreibt, rechtfertigt dies, entgegen der Ansicht des Dr. R. , noch nicht die Feststellung eines Einzel-GdB von 20, worauf auch Dr. Re. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 22.04.2014 zutreffend hinweist, die der Senat als sachverständiges Parteivorbringen verwertet und der er sich anschließt. Nach der Befundbeschreibung von Dr. R. besteht eine nahezu freie passive Beweglichkeit des linken Schultergelenkes. Zudem ist die Bewegungseinschränkung der linken Schulter einer Therapie zugänglich, wie sich dem von Dr. R. vorgelegten Befundbericht vom 27.01.2014 entnehmen lässt, weshalb hinsichtlich der im Januar 2014 beschriebenen Einschränkung der Beweglichkeit der linken Schulter noch nicht von einer dauerhaften Funktionsstörung ausgegangen werden kann, die der Bewertung des GdB zugrunde gelegt werden könnte (vgl. VG Teil A 2f). Dem Befundbericht des Dr. R. vom 31.05.2016 lässt sich die in der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 30.01.2014 beschriebene Bewegungseinschränkung der linken Schulter auch nicht mehr entnehmen. Vielmehr wird lediglich eine Einschränkung der Beweglichkeit der linken Schulter und Arm (bei Nacht-und Ruheschmerz) beschrieben. Weiter hat der Kläger in der Beschreibung der Anamnese im Befundbericht vom 31.05.2016 über eine Funktionseinschränkung des linken Schultergelenkes nicht geklagt. Ein höherer Einzel-GdB als allenfalls 10 für eine Funktionsbehinderung des linken Schultergelenkes ist danach nicht gerechtfertigt. Der davon abweichenden Ansicht des Dr. R. folgt der Senat deshalb nicht, zumal Dr. R. in seinem Befundbericht vom 31.05.2016 hinsichtlich einer Funktionsbehinderung des linken Schultergelenkes einen Einzel-GdB von 20 nicht mehr angenommen, sondern lediglich hinsichtlich der Funktionsstörungen der oberen und unteren Sprunggelenke und einer Einschränkung der Gehstrecke die MdE auf 20 % geschätzt hat. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Hüftgelenke. GdB-relevante Funktionsbehinderungen der Hüftgelenke lassen sich den genannten Befundberichten ebenfalls nicht entnehmen.

Dass beim Kläger auf unfallchirurgisch-orthopädischem Fachgebiet seit der Begutachtung durch Dr. D. eine zu berücksichtigende Verschlimmerung eingetreten ist, die die Annahme eines höheren GdB rechtfertigt, findet nach dem Ausgeführten in den zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen somit keine Stütze. Auch Dr. R. und der Facharzt L. haben in ihren schriftlichen Zeugenaussagen vom 12.12.2015 bzw. 07.02.2016 eine Verschlimmerung nicht angeben können. Der Senat sieht sich deshalb auch nicht veranlasst, dem auf das Anraten des Dr. R. im Befundbericht vom 31.05.2016 gestützten Antrag des Klägers - unter orthopädisch-unfallchirurgischen Gesichtspunkten - ein weiteren Gutachtens von Amts wegen einzuholen, nachzukommen. Der Antrag des Klägers zielt auf Nachforschungen des Sachverhaltes "ins Blaue hinein", die durch die Amtsermittlungspflicht nicht geboten sind (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urteil vom 03.04.2003 - B 13 RJ 39/02 R, SozR 4-1300 § 31 Nr. 1; BSG Urteil vom 05.04. 2001, SozR 3-2600 § 43 Nr. 25; BSG, Urteil vom 07.05.1998 - B 11 AL 81/97 R -, juris).

Das Schlafapnoe-Syndrom des Klägers ist nach den VG Teil B 8.7 mit einem Einzel-GdB von 20 angemessen und ausreichend bewertet, wie das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend begründet hat. Soweit der Kläger in der nicht-öffentlichen Sitzung am 28.11.2014 geltend gemacht hat, wegen seiner Schlafstellung ein CPAP nicht benutzen zu können, was nach den VG einen Einzel-GdB von 50 rechtfertigen könnte, trifft dies nicht zu. Nach der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von Prof. Dr. S. vom 19.01.2016 bestehen beim Kläger ein therapiebedürftiges schweres obstruktives Schlafapnoe-Syndrom sowie eine Adipositas-Hyperventilation, wie eine Untersuchung im Schlaflabor ergeben hat. Die schlafbezogene Atemstörung ist nach der Aussage von Prof. Dr. S. mit einer jede Nacht anzuwendenden apparativen Therapie (BiPAP-Therapie, Anwendung mit Nasal-Maske) gut zu behandeln. Nach der Aussage von Prof. Dr. S. bestehen bei Therapieanwendung Funktionsbeeinträchtigungen nicht, weshalb das Schlafapnoe-Syndrom mit Adipositas-Hyperventilation lediglich zu einer leichten Behinderung führt, die nach der Bewertung von Prof. Dr. S. mit einem GdB von 20 zu bewerten ist. Dieser Bewertung schließt sich der Senat an. Die Bewertung von Prof. Dr. S. entspricht den rechtlichen Bewertungsvorgaben der VG. Dass eine nasale Überdruckbeatmung des Schlafapnoe-Syndroms nicht durchführbar ist, kann nach der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage des Prof. Dr. S. nicht festgestellt werden.

Dass die vom Beklagten mit einem Einzel-GdB von 10 berücksichtigte Lernbehinderung (Legasthenie) unangemessen niedrig bewertet ist, ist auch nach den im Berufungsverfahren zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen sowie die Angaben der schriftlich als sachverständige Zeugen gehörten Ärzte nicht festzustellen.

Sonstige mit einem Einzel-GdB zu berücksichtigende Gesundheitsstörungen sind beim Kläger nicht festzustellen und werden im Übrigen vom Kläger auch nicht (substantiiert) geltend gemacht.

Hiervon ausgehend ist der Gesamt-GdB mit 40 zutreffend bewertet. Die Bemessung des Gesamt-GdB erfolgt nach § 69 Abs. 3 SGB IX. Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. A Nr. 3 VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der AHP bzw. der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt.

Danach ist der Gesamt-GdB mit 40 zu bilden. Durch die mit einem Einzel-GdB von 30 zu berücksichtigende Funktionsbehinderungen des linken Sprunggelenkes wird der Gesamt-GdB durch das mit einem Einzel-GdB von 20 zu berücksichtigende Schlafapnoe-Syndrom auf 40 erhöht. Die mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewertenden weiteren Gesundheitsstörungen des Klägers (Lernbehinderung, Funktionsbehinderung des linken Schultergelenks) erhöhen den Gesamt-GdB nicht. Der abweichenden Ansicht von Dr. R. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 30.01.2014, mit der er seinen Befundbericht vom 27.01.2014 vorgelegt hat und den der Klägerbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat noch einmal zu den Akten gereicht hat, und in denen er auf - orthopädisch-unfallchirurgischem Fachgebiet - von einem GdB von 60 ausgeht, kann nicht gefolgt werden. Er legt seiner GdB-Bewertung hinsichtlich der unteren Extremität (GdB 40), der Bewegungseinschränkung des Großzehengrundgelenks (GdB 10) sowie einer Bewegungseinschränkung der linken Schulter (GdB 20) GdB-Ansätze zu Grunde, die nach den VG nicht gerechtfertigt sind, wie oben ausgeführt wurde, weshalb seine GdB-Bewertung den Senat nicht überzeugt, zumal er im Befundbericht vom 27.01.2014 auch davon ausgeht, dass eine MdE von 50 % beim Kläger anerkannt sei, was der Senat aber nicht feststellen konnte und der Kläger in der mündlichen Verhandlung auch nicht bestätigt hat. Das Vorbringen des Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung, der Kläger benötige zur Bewältigung seiner Lebenssituation einen GdB von 60, ist für die Feststellung des GdB nicht von Belang und kann deshalb nicht GdB-erhöhend Berücksichtigung finden.

Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der Sachverhalt ist durch die von der Beklagten sowie vom Senat im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen und die zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen vollständig aufgeklärt und vermitteln dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Gesichtspunkte, durch die sich der Senat zu weiteren Ermittlungen gedrängt fühlen müsste, hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht aufgezeigt. Dem Antrag des Klägers auf Einholung eines weiteren Gutachtens war, wie bereits oben ausgeführt, nicht nachzukommen.

Die Berufung des Klägers war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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