Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 8 U 56/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 149/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
§ 80 a Abs. 1 SGB VII verstößt nicht gegen Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz, soweit die Vorschrift Rente für den nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a versicherten Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens erst bei einer Mindest-MdE von 30 v. H. vorsieht.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 15. Juli 2013 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die 1970 geborene Klägerin begehrt von der Beklagten die Anerkennung weiterer Unfallfolgen und die Gewährung einer Rente. Die Beklagte ist die Rechtsnachfolgerin der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Niedersachsen-Bremen, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat.
Die Klägerin wurde am 1. März 2008 gegen 10:40 Uhr im Rahmen ihrer Tätigkeit als selbstständige Pferdewirtin beim Verladen eines Pferdes von diesem getreten und am Kopf- sowie Brustbereich getroffen. Sie verlor das Bewusstsein und konnte sich an den Vorgang und die Ereignisse danach nicht erinnern. In dem D-Arztbericht vom 3. März 2008 werden als Erstdiagnosen ein Schädelhirntrauma I. Grades, eine große Riss-/Quetschwunde occipital, eine dislozierte NC-V-Köpfchenfraktur rechts, eine Thoraxprellung sowie eine Alveolarfortsatzfraktur 11-24 genannt. Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 19. Dezember 2008 Verletztengeld vom 1. März 2008 bis zum 20. Juni 2008 sowie die zur Behandlung der Verletzungsfolgen notwendige Heilbehandlung. Die Klägerin gab im Jahr 2010 ihren Betrieb auf. Sie ist seitdem nicht mehr erwerbstätig gewesen.
Am 11. Mai 2010 stellte die Klägerin einen Rentenantrag bei der Beklagten und gab an, dass sie bei körperlicher Anstrengung Kopfschmerzen und Schwindelgefühle bekomme. Sie sei vergesslich geworden und könne sich nicht mehr konzentrieren. Sie könne ihre Arbeit mit den Pferden und Reitschülern nicht mehr ausüben. Die Klägerin gab weiter an, dass sie keine Schmerzmittel einnehme, sondern bei ihrem Hausarzt seit 05/2008 eine Neuraltherapie absolviere. Die Beklagte zog Befundberichte der behandelnden Ärzte bei sowie die Ergebnisse einer Computertomographie (CT) vom 8. Mai 2008 und einer Magnetresonanztomographie (MRT) vom 24. November 2010, welche im Bereich des Schädels einen altersentsprechenden unauffälligen Befund zeigten. Die Beklagte ließ sodann ein nervenärztliches Gutachten der Ärzte Dr. Dr. D. und Dr. E. vom 12. Januar 2011 mit einem neuropsychologischen Zusatzgutachten der Diplom-Psychologin F. vom 13. Dezember 2010 und einem klinisch-psychologischen Zusatzgutachten der Diplom-Psychologin G. vom 13. November 2010 erstatten. Die Diplom-Psychologin F. stellte dabei gewisse Verdeutlichungstendenzen der Klägerin bezüglich der geringen Belastbarkeit und herabgesetzten Konzentrationsleistungen fest. Ein begründeter Simulationsverdacht bestünde nicht, die Äußerungen der Klägerin hätten aber teilweise im Widerspruch zur Verhaltensbeobachtung gestanden. Eine Einschränkung der visuellen Verarbeitung habe nicht nachgewiesen werden können. Der Nachweis einer exekutiven Störung gelinge eindeutig. Es hätten sich deutliche Schwierigkeiten bei einer komplexen Aufgabenstellung sowie Defizite in den korrespondierenden Aufmerksamkeitsbereichen gezeigt, so dass eine exekutive Dysfunktion nicht auszuschließen sei. Die Auffälligkeiten in der Aufmerksamkeitsprüfung ließen sich am ehesten dadurch erklären, dass die Klägerin entsprechend ihrer eigenen Erwartungen, begründet durch die subjektiv wahrgenommene erheblich herabgesetzte Konzentrationsfähigkeit und psychophysische Belastbarkeit in ihrem Alltag, deutlich verlangsamt reagiert habe. Die Diplom-Psychologin G. beschrieb bei der Klägerin eine somatoforme Störung. Die Ärzte Dr. E. und Dr. Dr. D. bewerteten die somatoforme Störung der Klägerin als nicht unfallbedingt. Sie sei auf die äußeren Lebensumstände der Klägerin mit einer hohen Leistungsorientiertheit zurückzuführen. Die bis jetzt anhaltende hausärztliche Behandlung sei nicht durch das vollständig ausgeheilte Schädel-Hirn-Trauma 1. Grades im Sinne einer Gehirnerschütterung bedingt. Nach der MRT-Diagnostik sei ein höhergradiges Schädelhirntrauma auszuschließen. Eine Kostenübernahme der Neuraltherapie könne nicht empfohlen werden. Ein Einfluss durch einen möglichen sekundären Krankheitsgewinn bei der Klägerin könne nicht ausgeschlossen werden.
Weiterhin ermittelte die Beklagte durch Einholung eines zahnärztlichen Gutachtens von Prof. Dr. Dr. H. und Dr. Dr. J. vom 13. April 2011 mit einem HNO-fachärztlichen Zusatzgutachten der Ärzte Dr. K. und Dr. L. vom 24. Juni 2011. Die Zahnärzte stellten bei der Klägerin als Unfallfolgen eine craniomandibuläre Dysfunktion und druckschmerzhafte Verhärtungen der Kaumuskulatur aufgrund der nicht optimalen Verzahnung zwischen Ober- und Unterkiefer fest. Die Klägerin könne auf Aufforderung nicht die Zähne zusammen beißen und sofort eine sichere maximale lntercuspidation finden. Die Verzahnung im Unterkiefer sei nicht Folge des Unfalls. Die Narbe im Bereich des Vestibulums und der ehemaligen Alveolarfortsatzfraktur führe nach Angaben der Klägerin zu einer Störung der Oberlippenmotorik. Die Klägerin leide darunter, dass sie nur auf der rechten Seite kauen könne und Schmerzen ausstrahlend in Richtung Kopf aus der Kaumuskulaturregion des Unterkiefers links und rechts habe. Ab dem 31. August 2008 wurde von den Zahnärzten auf mund-, kiefer- und gesichtschirurgischem Gebiet eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 20 v.H. angenommen. Die bestehende craniomandibuläre Dysfunktion sei mit einer teiladjustierbaren Schiene therapierbar. Die HNO-Ärzte Dr. K. und Dr. L. kamen zu dem Ergebnis, die von der Klägerin geklagten Beschwerden in Form von einem Schwindelgefühl bei Anstrengung, Bücken und längerer Konzentration sowie einer Geruchs- und Geschmacksminderung seien nicht auf den Unfall zurückzuführen, da keine ohrnahe Verletzung vorgelegen habe. Obwohl sich in der klinischen Gleichgewichtsprüfung eine Fallneigung nach vorne rechts bei Augenschluss gezeigt habe, hätte die kalorische Gleichgewichtsprüfung und die Videookulographie keinen Anhalt für eine peripher vestibuläre Störung gezeigt. Eine deutliche Hyposmie oder Geschmacksverlust habe in der Untersuchung nicht festgestellt werden können. Auch der Unfallhergang würde eine Hyposmie oder Hypgeusie nicht erklären. Aus HNO-ärztlicher Sicht bestehe keine Funktionseinschränkung des Hör- oder Gleichgewichtsapparates sowie des Geruchs- oder Geschmacksvermögens der Klägerin. Eine MdE sei auf HNO-ärztlichem Fachgebiet nicht festzustellen.
Mit Bescheid vom 6. Februar 2012 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 1. März 2008 als Arbeitsunfall an. Ein Anspruch auf Rente bestehe nicht, da die Erwerbsfähigkeit der Klägerin über die 26. Woche nach Eintritt des Arbeitsunfalls, also dem 31. August 2008, nicht um wenigstens 30 v. H. gemindert sei. Als gesundheitliche Beeinträchtigungen des Arbeitsunfalls vom 1. März 2008 erkannte die Beklagte eine craniomandibuläre Dysfunktion mit druckschmerzhafter Verhärtung der Kaumuskulatur und eingeschränkter Kaumöglichkeit nach Alveolarfortsatzfraktur im Bereich des Oberkiefers Regio 11-24 an. Unabhängig von dem Arbeitsunfall lägen Kopfschmerzen, kognitive Leistungseinbußen, Schwindelgefühl, subjektive Geschmacks- und Geruchsänderung und eine somatoforme Störung vor.
Den dagegen erhobenen Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juni 2012 zurück. Die Unfallfolgen der Klägerin seien vollständig erfasst worden. Die objektiv feststellbaren Befunde zeigten keine unfallbedingten funktionellen Einschränkungen, die eine anderweitige Feststellung der MdE zulassen würden. Die geklagten Kopfschmerzen, die kognitiven Leistungseinbußen, das Schwindelgefühl, die subjektive Geschmacks- und Geruchsveränderung sowie die somatoforme Störung ließen sich nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall vom 1. März 2008 zurückführen, auch nicht im Sinne einer wesentlichen Teilursache für die genannten Beschwerden. Die bloße Möglichkeit eines Zusammenhangs genüge nicht als Beweis eines Kausalzusammenhanges im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung. Hierbei gingen nicht aufklärbare Unklarheiten über die Entstehung oder die Ursache einer Gesundheitsstörung stets zu Lasten des Versicherten. Ein höhergradiges Schädelhirntrauma sei ausgeschlossen worden. Des Weiteren hätte die HNO-ärztliche Untersuchung keinen ursächlichen Zusammenhang der geklagten Schwindelgefühle oder der geklagten Geruchs- und Geschmacksstörung mit dem Versicherungsfall dokumentieren können. Es sei vielmehr von einer unfallunabhängigen somatoformen Störung bei der Klägerin auszugehen.
Am 6. Juli 2012 hat die Klägerin beim Sozialgericht Fulda (Sozialgericht) Klage erhoben und geltend gemacht, auch ihre Kopfschmerzen, die kognitiven Leistungseinbußen, das Schwindelgefühl, die subjektive Geschmacks- und Geruchsveränderung sowie die somatoforme Störung beruhten auf dem Arbeitsunfall. Bei einer solchen physikalischen Einwirkung auf den Kopf sei es nicht nachvollziehbar, wenn die Beschwerden nicht darauf zurückgeführt würden. Im Übrigen sei die Vorschrift § 80a Abs. 1 SGB VII, wonach landwirtschaftliche Unternehmer Rente erst bei einer MdE von wenigstens 30 v. H. bekämen, verfassungsrechtlich bedenklich, da hier eine Einzelfallregelung für den Berufsstand der Landwirte getroffen werde. Die Gesetzesbegründung könne nicht überzeugen. Für einen sehr kleinen Bereich der Gesamtheit der Unfallversicherten sei eine benachteiligende Regelung getroffen worden.
Das Sozialgericht hat Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte eingeholt sowie die Schwerbehinderten- und Rentenakte, das amtsärztliche Gutachten des Main-Kinzig-Kreises und das Vorerkrankungsverzeichnis der Klägerin beigezogen. Darunter befindet sich ein Bericht des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie M. vom 9. Oktober 2012 und die Patientenkartei des behandelnden Hausarztes Dr. N. Weiterhin hat das Sozialgericht Beweis erhoben durch Einholung eines neurologischen Gutachtens vom 30. März 2013 und einer ergänzenden Stellungnahme vom 29. Juni 2013 von Dr. O. Der Sachverständige hat festgestellt, als organische Unfallfolgen seien bei der Klägerin auf neurologischem Gebiet eine Gefühlsstörung im Versorgungsgebiet des 1. Trigeminusastes und eine Überempfindlichkeit im Versorgungsgebiet des 2. Trigeminusastes festzustellen. Die Gefühlsstörung sei so begrenzt, wie es organisch bedingte Gefühlsstörungen seien. Auch die Überempfindlichkeit des Gesichts im Bereich des Oberkiefers sei zwanglos als organische Unfallfolge zu erklären. Es handele sich sicher nicht um eine Trigeminusneuralgie. Die Sensibilitätsstörung bzw. die Überempfindlichkeit im Gesicht bedinge eine MdE in Höhe von 10 v.H. Hier ergeben sich Überlappungen mit dem Zahn-Mund-Kiefer-chirurgischen Fachgebiet. Das Vorliegen eines hirnorganischen Psychosyndroms könne nicht festgestellt werden. Die bei der Klägerin vorliegende somatoforme Schmerzstörung sowie die dissoziativen Zustände seien unfallunabhängig. Bei der neurologischen Untersuchung hätten sich zahlreiche Hinweise auf eine Ausgestaltung der Symptome gezeigt. Im Romberg-Stehversuch sei es zu einer völlig überraschenden Fallneigung nach vorne gekommen, so dass der Sachverständige zunächst instinktiv hinzugesprungen sei, um die Klägerin zu halten. Wenn er diese Hilfestellung unterlassen habe, habe die Klägerin einen Ausfallschritt nach vorne gemacht und sei nicht gefallen. Es handele sich um eine typische appellative Darstellung einer Gleichgewichtsstörung. Diese würde bei Ablenkung sofort nachlassen. Im Finger-Nase-Versuch habe die Klägerin ein groteskes konstantes Vorbeizeigen mit der rechten Hand auf die linke Seite gezeigt. Die Beinkraft sei von der Klägerin beidseits nicht angespannt worden und sei so gering, dass man eigentlich nicht erwarten könne, dass die Klägerin auf einem Bein hüpfen könne, was ihr jedoch gelinge. Über eine Verschlechterung ihrer Kopfschmerzen habe sie während der Begutachtung nicht geklagt und es sei auch im Verhalten nicht erkennbar gewesen, dass das Hüpfen zu einem Kopfschmerz geführt habe. Er sei nicht davon überzeugt, dass die Kopfschmerzen tatsächlich in dem beklagten Ausmaß bestünden. Eine zunehmende Verschlechterung der Kopfschmerzen zwei Jahre nach dem Unfall sei unfallbedingt nicht mehr erklärbar. Hier müssten sekundäre Mechanismen eine Rolle spielen, wie eine psychiatrische Störung oder das Streben nach einem sekundären Krankheitsgewinn. Für eine unfallbedingte psychiatrische Erkrankung fänden sich keine Brückensymptome. Nicht nur aufgrund des körperlichen und psychopathologischen Untersuchungsbefundes, sondern auch aufgrund der Anamnese sei der von der Klägerin behauptete Leidensdruck nur schwer nachvollziehbar. Durch die Unfallfolgen auf neurologischem Fachgebiet erhöhe sich die auf mund-, kiefer- und gesichtschirurgischem Fachgebiet festgestellte MdE von 20 v. H. nicht.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht hat die Beklagte im Rahmen eines von der Klägerin angenommenen Teilanerkenntnisses die Gefühlsstörung im Versorgungsgebiet des 1. Trigeminusastes, die Überempfindlichkeit im Versorgungsgebiet des 2. Trigeminusastes sowie die Überempfindlichkeit des Gesichts im Bereich des Oberkiefers der Klägerin als Unfallfolge anerkannt.
Mit Urteil vom 15. Juli 2013 hat das Sozialgericht die über das Teilanerkenntnis hinausgehende Klage der Klägerin abgewiesen und in den Gründen im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rente, da die von der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin zutreffend erfassten Schäden durch den Arbeitsunfall vom 1. März 2008 insgesamt nur eine MdE in Höhe von 20 v. H. bedingen würden. Eine Rente käme für die Klägerin als Versicherte nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a Sozialgesetzbuch Siebtes Buch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) nach § 80a Abs. 1 Satz 1 SGB VII erst ab einer MdE in Höhe von 30 v. H. in Betracht. Das Sozialgericht hat sich dabei vor allem auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. O. vom 30. März 2013 gestützt. Der Sachverständige habe die von ihm auf neurologischen Gebiet festgestellte Gefühlsstörung im Versorgungsgebiet des 1. Trigeminusastes und die Überempfindlichkeit im Versorgungsgebiet des 2. Trigeminusastes als unfallabhängig angesehen und mit einer MdE in Höhe von 10. v. H. zutreffend bewertet. Überzeugend habe er in Übereinstimmung mit den Vorgutachtern im Verwaltungsverfahren das Vorliegen eines hirnorganischen Psychosyndroms verneint und die übrigen bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen wie eine somatoforme Schmerzstörung, dissoziative Zustände sowie Kopfschmerzen als unfallunabhängig angesehen. Auch die von der Klägerin geklagten Beschwerden in Form eines Schwindelgefühls bei Anstrengung, Bücken und längerer Konzentration sowie einer Geruchs- und Geschmacksminderung seien nach dem HNO-fachärztlichen Zusatzgutachten vom 24. Juni 2011 nicht auf den Unfall zurückzuführen. Die Bewertung der craniomandibulären Dysfunktion als Unfallfolge mit einer MdE in Höhe von 20 v. H. entspreche den Erfahrungswerten. Denn eine MdE in Höhe von 30 v. H. sähen die Erfahrungswerte erst bei so gravierenden Funktionsstörungen wie einer kompletten Gesichtsnervenlähmung oder einer entstellenden Kontraktur vor. Die Einzel-MdE in Höhe von 10 v. H. auf neurologischem Gebiet führe wegen Überlappung zwischen zahnärztlichem und neurologischem Gebiet zu keiner wesentlichen Erhöhung der Gesamt-MdE. Eine Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer Rente nach einer MdE in Höhe von 20 v. H. entsprechend des klägerischen Hilfsantrags komme nach Auffassung des Gerichts auch nicht mittels einer verfassungskonformen Auslegung des § 80a Abs. 1 Satz 1 SGB VII in Betracht. Im Hinblick auf landwirtschaftliche Unternehmer wie die Klägerin sei das Gericht nicht von der Verfassungswidrigkeit der Vorschrift überzeugt. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) sei insoweit nicht festzustellen bzw. sachlich gerechtfertigt. Auf Grund der Vorschrift würden nicht wesentlich gleiche Personengruppen ungleich behandelt. Die Versicherung kraft Gesetzes in der gesetzlichen Unfallversicherung sei für Unternehmer etwas Besonderes und Außergewöhnliches. Die der landwirtschaftlichen Unfallversicherung unterliegenden Pflichtmitglieder würden sich aber bereits strukturell sowie hinsichtlich Art und Umfang ihrer Tätigkeit von anderen Unternehmern unterscheiden. Von den versicherten Arbeitnehmern, denen die Gruppe der landwirtschaftlichen Unternehmer aus sozialpolitischen und rechtssystematischen Gründen gleichgestellt sei, würden sich diese dadurch unterscheiden, dass nicht das Prinzip der Ablösung der Unternehmerhaftung greife, sondern das Prinzip der genossenschaftlichen Eigenhilfe gelte. Zu berücksichtigen sei zudem, dass dem Personenkreis der pflichtversicherten landwirtschaftlichen Unternehmer stets die Unternehmenssubstanz als wirtschaftlicher Rückhalt verbleibe.
Gegen das ihr am 24. Juli 2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 13. August 2013 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt. Bei ihr würden als weitere Diagnosen eine schwere chronische Depression auf dem Hintergrund einer ebenfalls bereits chronifizierten posttraumatischen Belastungsstörung, ein chronisches Schmerzsyndrom bei Zustand nach Schädel-Hirn-trauma, organisches Psychosyndrom, Spannungskopfschmerzen, Gleichgewichtsstörungen, unklare Ataxie sowie der Verdacht auf psychogene Anfälle (dissoziative Anfälle), "DD: Epileptische Anfälle" vorliegen, womit geklärt wäre, dass die MdE wenigstens mit 30 v. H. zu bewerten sei. Die Klägerin stützt sich dazu auf ein Gutachten der Neurologin und Psychiaterin Dr. P. für das Gesundheitsamt vom 10. März 2014 sowie eine sozialmedizinische Stellungnahme der Ärztin im Gesundheitsamt Dr. Q., die ihre medizinischen Einschätzungen im Rahmen eines Antragsverfahrens der Klägerin auf Erwerbsminderungsrente gegenüber der Landwirtschaftlichen Alterskasse abgegeben hatten. Weiterhin stützt sich die Klägerin auf einen von ihr zu diesem Verfahren eingereichten Befundbericht von Dr. P. vom 19. Mai 2016, den diese als nunmehr behandelnde Ärztin erstellt hat. Im Übrigen ist die Klägerin weiterhin der Auffassung die Vorschrift § 80a SGB VII treffe eine verfassungsrechtlich bedenkliche Einzelfallregelung für den Berufsstand der Landwirte und verstoße gegen Art. 3 GG.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 15. Juli 2013 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 6. Februar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2012 über das Teilanerkenntnis vom 15. Juli 2013 hinaus zu verurteilen als weitere Unfallfolgen anzuerkennen "eine schwere chronische Depression auf dem Hintergrund einer ebenfalls bereits chronifizierten posttraumatischen Belastungsstörung, ein chronisches Schmerzsyndrom bei Zustand nach Schädelhirntrauma, organisches Psychosyndrom, Spannungskopfschmerzen, Gleichgewichtsstörungen, unklare Ataxie sowie der Verdacht auf psychogene Anfälle (dissoziative Anfälle), Epileptische Anfälle" und ihr Rente nach einer MdE in Höhe von 30 v. H., hilfsweise 20 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und deren Richtigkeit durch die weiteren Ermittlungen im Berufungsverfahren für bestätigt.
Der Senat hat die Schwerbehindertenakte des Versorgungsamtes beigezogen und nach einem am 12. Januar 2016 durchgeführten Erörterungstermin auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein nervenärztlich-psychosomatisches Gutachten von dem Arzt für Psychotherapeutische Medizin, Psychoanalyse, Neurologie und Psychiatrie Dr. C. vom 30. April 2016 eingeholt. Der Sachverständige hat bei der Klägerin eine leichte bis mittelgradige, anhaltende depressive Störung und eine somatoforme Störung diagnostiziert. Den Zusammenhang mit dem Unfallereignis und den dazu mit deutlicher zeitlicher Verzögerung auftretenden Störungen hat er verneint, da sich keinerlei Anhaltspunkte für Brückensymptome ergeben würden. Hinsichtlich des Inhalts des Gutachtens im Einzelnen wird auf die Gerichtsakte (Band II Bl. 301 ff.) Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand sowie zum Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakten (Band I und II) sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten (Band 1 – 3) verwiesen, die zum Verfahren beigezogen waren.
Entscheidungsgründe:
Mit Einverständnis der Beteiligten konnte die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen (§§ 153 Abs. 1, 124 SGG).
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Das erstinstanzliche Urteil ist zu Recht ergangen. Die Klägerin hat über das Teilanerkenntnis der Beklagten vom 15. Juli 2013 hinaus auf Grund des anerkannten Arbeitsunfalls keinen Anspruch auf die Feststellung weiterer Unfallfolgen. Die MdE für die festgestellten Gesundheitsstörungen ist mit 20 v. H. zutreffend bewertet. Ein Anspruch auf Zahlung einer Rente besteht nicht.
Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII erhalten Versicherte Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist. Versicherte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a SGB VII, zu denen die Klägerin als selbständige Pferdewirtin gehört (hat), haben davon abweichend nach § 80a Abs. 1 Satz 1 SGB VII Anspruch auf eine Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 30 v. H. gemindert ist.
Bei der Klägerin liegen auf mund-, kiefer- und gesichtschirurgischem Gebiet und neurologischen Fachgebiet Unfallfolgen vor, die mit einer Gesamt-MdE in Höhe von 20 v. H. zu bewerten sind. Dies hat das Sozialgericht in der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung zutreffend festgestellt und sich dazu insbesondere auf das zahnärztliche Gutachten der Zahnärzte Prof. Dr. Dr. H./J. vom 13. April 2011 im Verwaltungsverfahren sowie auf das neurologische Gutachten des Sachverständigen Dr. O. vom 30. März 2013 gestützt. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat insoweit auf die überzeugenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 153 Abs. 2 SGG).
Weitere Unfallfolgen sind auch nach den Ermittlungen im Berufungsverfahren nicht festzustellen und die Erwerbsfähigkeit der Klägerin folglich auch nicht um mehr als 20 v. H. gemindert.
Gesundheitsstörungen müssen, um als Unfallfolge anerkannt zu werden, zunächst im Vollbeweis nachgewiesen sein, d.h. mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Tatsache in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (§ 128 SGG; BSGE 103, 99, 104).
Soweit die Klägerin weiterhin das Vorliegen eines organischen Psychosyndroms geltend macht und sich dabei auf die Diagnose ihrer behandelnden Ärztin Dr. P. stützt, liegt diese Störung zur Überzeugung des Senats schon nicht im Vollbeweis vor. Ein organisches Psychosyndrom kann grundsätzlich nach einem schweren Schädelhirntrauma auftreten und sich durch verschiedenartige Symptome wie Kopfschmerzen, Schwindel, Erschöpfung, Schwierigkeiten bei der Konzentration äußern (vgl. ICD-Code F07.2; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Seite 180), über die auch die Klägerin klagt. Weder der Erstschaden noch die von der Klägerin geklagten Symptome lassen hier aber eine solche Diagnose zu. Dazu stützt sich der Senat auf die überzeugenden Feststellungen des Neurologen Dr. O. sowie die interdisziplinären Feststellungen des Facharztes für Nervenheilkunde Dr. Dr. D., der Fachärztin für Psychiatrie Dr. E. und der Diplom-Psychologinnen F. und G., deren Einschätzung sich der auf Antrag der Klägerin gehörte Dr. C. angeschlossen hat. Dr. Dr. D. und Dr. E. haben unter Bezugnahme auf die vorliegende bildgebende Diagnostik nur ein vollständig ausgeheiltes Schädel-Hirn-Trauma 1. Grades im Sinne einer Gehirnerschütterung festellen können, bei dem sich vegetative Begleiterscheinungen wie Kopfschmerzen, Schwindel innerhalb kurzer Zeit zurückbilden. Unter Berücksichtigung des neuropsychologischen Befundes der Diplom-Psychologin F. führen sie die von der Klägerin aufgeführten Inkonsistenzen in Bezug auf Belastungsfähigkeit, Konzentrationsfähigkeit, Aufmerksamkeitsleistung bei fehlender Organursache der körperlichen Beschwerden auf eine zu diagnostizierende somatoforme Störung zurück, wobei – so die Ärzte – der Einfluss durch einen möglichen sekundären Krankheitsgewinn nicht ausgeschlossen werden könne. Übereinstimmend schließt Dr. O. auch nach seinem eigenen Befund das Vorliegen eines hirnorganischen Psychosyndroms aus und stellt die Hinweise auf eine Ausgestaltung der geklagten Symptome durch die Klägerin für den Senat nachvollziehbar dar, wonach sich die von der Klägerin beklagten Symptome wie Kopfschmerzen und Gleichgewichtsstörungen nicht verifizieren lassen. Dr. P. hat demgegenüber ihren Feststellungen und Diagnosen die Angaben und subjektiven Wertungen der Klägerin zugrunde gelegt, ohne diese zu hinterfragen. Sie kann daher im Hinblick auf die von ihr genannte Diagnose nicht überzeugen.
Nach dem überzeugenden HNO-ärztlichen Gutachten der Ärzte Dr. K./Dr. L. im Verwaltungsverfahren lassen sich die von der Klägerin beklagten Gleichgewichtsstörungen auch von Seiten dieses Fachgebietes nicht objektivieren, so dass der Vollbeweis dieser Gesundheitsstörung nicht erbracht ist.
Auch eine posttraumatische Belastungsstörung, die von Dr. P. in den Raum gestellt und entsprechend von der Klägerin geltend gemacht wird, liegt nicht nach dem erforderlichen Maßstab einer an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit vor. Dr. C. hat insoweit überzeugend ausgeführt, weder würden über entsprechende Symptome geklagt noch spreche der Verlauf der zumindest eingeschränkten Tätigkeit im Umgang mit den Tieren, wie er bis zur Aufgabe des Betriebes praktiziert wurde, für eine solche Diagnose.
Im Hinblick auf die von Dr. P. selbst nur als "Verdacht" aufgeführten "psychogenen Anfälle (dissoziative Anfälle), Epileptische Anfälle" hat Dr. C. ausgeführt, dies weise auf eine primärpersönliche Struktur hin; nach Auswertung der Befunde der Ärzte Dr. Dr. D./Dr. E. und der Patientenakte des Dr. N. sei eine solche vorbestehende Schadensanlage aber nicht bewiesen.
Soweit die Klägerin das Vorliegen einer Depression und eines Schmerzsyndroms geltend macht, sind diese Gesundheitsstörungen nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. C. in dessen Gutachten vom 30. April 2016 als leichte bis mittelgradige, anhaltende depressive Störung (ICD-10: F33.1) und sonstige somatoforme Schmerzstörung (Umwandlung von psychischen Konflikten in körperlich wirkende Symptome; ICD-10: F 45.8) zu klassifizieren. Zur Überzeugung des Senats ist insoweit der Vollbeweis des Vorliegens der betreffenden Gesundheitsstörungen erbracht. Diese Störungen sind indes keine Unfallfolgen und eine MdE insoweit nicht zuzuerkennen, da sie nicht im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung kausal auf den anerkannten Arbeitsunfall zurückzuführen sind.
Für die Kausalitätsfeststellung zwischen den durch ein Ereignis unmittelbar hervorgerufenen Gesundheitserstschäden und den als Unfallfolgen geltend gemachten länger andauernden Gesundheitsstörungen (haftungsausfüllende Kausalität) gilt wie für alle Kausalitätsfeststellungen im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung der gegenüber dem Vollbeweis geringere Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit bzw. hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R – juris). Die Kausalitätsfeststellungen zwischen den einzelnen Gliedern des Arbeitsunfalls basieren dabei auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Beweisrechtlich ist zudem zu beachten, dass der möglicherweise aus mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang positiv festgestellt werden muss (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, a.a.O.) und dass die Anknüpfungstatsachen der Kausalkette im Vollbeweis vorliegen müssen (BSG, Beschluss vom 23. September 1997 – 2 BU 194/97; Deppermann-Wöbbeking in: Thomann (Hrsg) Personenschäden und Unfallverletzungen, Seite 630). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, a.a.O.).
Vorliegend lassen sich die oben aufgeführten seelischen Gesundheitsschäden der Klägerin schon im naturwissenschaftlichen Sinne (1. Prüfungsstufe) nicht hinreichend wahrscheinlich auf das Unfallereignis zurückführen. Eine erhebliche, mittelgradige depressive Symptomatik ist bei der Klägerin, worauf Dr. C. zu Recht hinweist, erstmals von dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. auf Grund einer einmaligen Untersuchung zur ärztlichen Begutachtung für die Alterssicherung der Landwirte am 25. Mai 2011 (Bericht vom 9. Oktober 2012) und damit drei Jahre nach dem Unfallereignis festgestellt worden. In psychiatrischer Behandlung bei Dr. P. ist die Klägerin erst seit September 2014. Für den Senat nachvollziehbar und unter sorgfältiger Auswertung der medizinischen Vorbefunde in den Akten sowie in Übereinstimmung mit Dr. O. hat Dr. C. dargelegt, dass sich in den drei Jahren nach dem Unfall jedenfalls keine durchgehenden Brückensymptome bzw. Anknüpfungstatsachen finden lassen, auf die die von Dr. M. 2011 festgestellte Symptomatik zurückzuführen ist. Überdauernd habe die Klägerin zwar über eine Kopfschmerzsymptomatik geklagt; aus dem Jahr 2009 lägen aber auch diesbezüglich keinerlei Befunde vor, die Intervalle und Intensität der Behandlung bei dem behandelnden Hausarzt Dr. N. seien in diesem Jahr rückläufig. Auch auf Grund der Angaben der Klägerin bei der Begutachtung im Januar 2011 durch die Ärzte Dr. Dr. D./Dr. E. sei von einer Besserung der Kopfschmerzen auszugehen. Dies gelte auch für leichte Ängste der Klägerin im Umgang mit Pferden und könne auch angenommen werden für möglicherweise frühere depressive Symptome, die in der Patientenakte von Dr. N. im Juli 2008 auftauchten und mit dem milden Antidepressivum Laif behandelt worden sein. Die Behandlung sei nicht fortgeführt und eine fachpsychiatrische Behandlung nicht für erforderlich gehalten worden. Eine depressive Störung haben die Ärzte Dr. Dr. D./Dr. E. bei ihren Untersuchungen im November 2010 weder im Rahmen der von der Klägerin geltend gemachten Beschwerden noch auf der Handlungsebene feststellen können. Für den Senat folgerichtig kommt Dr. C. zu dem Ergebnis, dass ein Zusammenhang zwischen der Entwicklung der von Dr. M. erstmals beschriebenen depressiven Symptomatik im Verlauf des Jahres 2010/2011 und dem Unfallereignis nicht hergestellt werden kann. Im Übrigen stehen nach Dr. C. auch konkurrierende kausale Faktoren aus dem Privatleben der Klägerin im Raum wie die Trennung von dem langjährigen Partner. Auf diese kommt es indes nicht an, da eine Kausalbeziehung zwischen dem Unfallereignis und der depressiven Störung positiv nicht festgestellt werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, a.a.O.). Das Gleiche gilt nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. C. in Übereinstimmung mit den Feststellungen von Dr. O. für die von ihm diagnostizierte sonstige somatoforme Störung nach ICD-10 F45.8. Diese Störung ist erstmalig im Rahmen der Begutachtung bei Dr. Dr. D./Dr. E. bei der Untersuchung im November 2010 festgestellt worden, also auch mit deutlicher zeitlicher Verzögerung zu dem Unfallereignis. Brückensymptome bzw. Anknüpfungstatsachen sind nicht nachgewiesen. Nach Besserung der Kopfschmerzsymptomatik hat sich erneut und davon unabhängig die somatoforme Störung im Verlauf des Jahres 2010/2011 entwickelt. Ein Kausalzusammenhang mit dem Unfallereignis lässt sich positiv nicht feststellen.
Einen Anspruch auf Rente hat die Klägerin auch nicht unter dem von ihr geltend gemachten Gesichtspunkt, § 80a SGB VII sei verfassungswidrig, da mit dieser Regelung eine benachteiligende Einzelfallregelung für den Berufsstand der Landwirte getroffen wurde. Die Regelung verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG.
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, unter steter Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 1998 – 1 BvR 1554/89 – juris). Dem Gesetzgeber steht aber ein Gestaltungsspielraum zu und ihm ist nicht jede Differenzierung verwehrt. Ob eine gesetzliche Regelung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar ist, hängt davon ab, ob für eine durch den Gesetzgeber getroffene Differenzierung Gründe von solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können (BVerfG, Beschluss vom 6. Juli 2004 1 BvL 4/97 - juris). Entsprechendes gilt hinsichtlich der Gleichbehandlung unterschiedlicher Sachverhalte. Der Gesetzgeber kann grundsätzlich selbst diejenigen Sachverhalte auswählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinne als "gleich" ansehen will (BVerfGE 21, 12). Zu einer unterschiedlichen Behandlung ungleicher Sachverhalte ist er nur verpflichtet, wenn die tatsächliche Ungleichheit so groß ist, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht unberücksichtigt bleiben darf (vgl. BVerfGE 1, 264, 275 f.; BVerfGE 21, a.a.O.).
Die Differenzierung des Gesetzgebers zwischen Renten für den Personenkreis, der nach 56 Abs. 1 SGB VII Rente bei einer Mindest-MdE in Höhe von 20 v. H. erhält, und den landwirtschaftlichen Unternehmern, die nach § 80a Abs. 1 SGB VII i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a SGB VII Rente erst bei einer Mindest-MdE in Höhe von 30 v. H. erhalten, ist schon wegen der Unterschiede der betroffenen Personenkreise gerechtfertigt. Die Zwangsversicherung für landwirtschaftliche Unternehmer (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a SGB VII) stellt eine Ausnahme von dem unfallversicherungsrechtlichen Grundsatz dar, dass Unternehmer nicht kraft Gesetzes Unfallversicherungsschutz genießen. Der Grundgedanke für diese Versicherung ist ein ganz anderer als bei den regelmäßig zwangsversicherten Beschäftigten (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII). Während bei den Beschäftigten die Ablösung der Unternehmerhaftpflicht im Vordergrund steht, geht es bei der Unfallversicherung für die landwirtschaftlichen Unternehmer um eine genossenschaftliche, auf versicherungsrechtlicher Basis aufgebaute Eigenhilfe. Die von dem Gesetzgeber festgelegte unterschiedliche Mindest-MdE rechtfertigt sich dadurch, dass in einem solchen Selbsthilfesystem der Ausgleich immaterieller Schäden nicht im gleichen Umfang erforderlich ist wie bei der Ablösung der Unternehmerhaftpflicht. Je geringer die MdE ist, umso stärker tritt aber die Funktion des immateriellen Schadensausgleichs durch die Rente in den Vordergrund. Der Berufsstand der landwirtschaftlichen Unternehmer geht davon aus, dass bei Verletzungen, die eine MdE von weniger als 30 v. H. bedingen, kein Erwerbsschaden durch die Verletzungsfolgen eintritt (vgl. Feddern in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 80a SGB VII, Rn. 8; Ricke in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Band 2, § 80a SGB VII Rn. 2; LSG Stuttgart – L 1 U 5200/15 – juris). Im Übrigen verweist der Senat auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung, in denen unter Bezugnahme auf die Materialien zu § 80a SGB VII ausführlich und zutreffend dargelegt wird, weshalb ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht vorliegt, soweit in der Vorschrift die landwirtschaftlichen Unternehmer selbst erfasst sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die 1970 geborene Klägerin begehrt von der Beklagten die Anerkennung weiterer Unfallfolgen und die Gewährung einer Rente. Die Beklagte ist die Rechtsnachfolgerin der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Niedersachsen-Bremen, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat.
Die Klägerin wurde am 1. März 2008 gegen 10:40 Uhr im Rahmen ihrer Tätigkeit als selbstständige Pferdewirtin beim Verladen eines Pferdes von diesem getreten und am Kopf- sowie Brustbereich getroffen. Sie verlor das Bewusstsein und konnte sich an den Vorgang und die Ereignisse danach nicht erinnern. In dem D-Arztbericht vom 3. März 2008 werden als Erstdiagnosen ein Schädelhirntrauma I. Grades, eine große Riss-/Quetschwunde occipital, eine dislozierte NC-V-Köpfchenfraktur rechts, eine Thoraxprellung sowie eine Alveolarfortsatzfraktur 11-24 genannt. Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 19. Dezember 2008 Verletztengeld vom 1. März 2008 bis zum 20. Juni 2008 sowie die zur Behandlung der Verletzungsfolgen notwendige Heilbehandlung. Die Klägerin gab im Jahr 2010 ihren Betrieb auf. Sie ist seitdem nicht mehr erwerbstätig gewesen.
Am 11. Mai 2010 stellte die Klägerin einen Rentenantrag bei der Beklagten und gab an, dass sie bei körperlicher Anstrengung Kopfschmerzen und Schwindelgefühle bekomme. Sie sei vergesslich geworden und könne sich nicht mehr konzentrieren. Sie könne ihre Arbeit mit den Pferden und Reitschülern nicht mehr ausüben. Die Klägerin gab weiter an, dass sie keine Schmerzmittel einnehme, sondern bei ihrem Hausarzt seit 05/2008 eine Neuraltherapie absolviere. Die Beklagte zog Befundberichte der behandelnden Ärzte bei sowie die Ergebnisse einer Computertomographie (CT) vom 8. Mai 2008 und einer Magnetresonanztomographie (MRT) vom 24. November 2010, welche im Bereich des Schädels einen altersentsprechenden unauffälligen Befund zeigten. Die Beklagte ließ sodann ein nervenärztliches Gutachten der Ärzte Dr. Dr. D. und Dr. E. vom 12. Januar 2011 mit einem neuropsychologischen Zusatzgutachten der Diplom-Psychologin F. vom 13. Dezember 2010 und einem klinisch-psychologischen Zusatzgutachten der Diplom-Psychologin G. vom 13. November 2010 erstatten. Die Diplom-Psychologin F. stellte dabei gewisse Verdeutlichungstendenzen der Klägerin bezüglich der geringen Belastbarkeit und herabgesetzten Konzentrationsleistungen fest. Ein begründeter Simulationsverdacht bestünde nicht, die Äußerungen der Klägerin hätten aber teilweise im Widerspruch zur Verhaltensbeobachtung gestanden. Eine Einschränkung der visuellen Verarbeitung habe nicht nachgewiesen werden können. Der Nachweis einer exekutiven Störung gelinge eindeutig. Es hätten sich deutliche Schwierigkeiten bei einer komplexen Aufgabenstellung sowie Defizite in den korrespondierenden Aufmerksamkeitsbereichen gezeigt, so dass eine exekutive Dysfunktion nicht auszuschließen sei. Die Auffälligkeiten in der Aufmerksamkeitsprüfung ließen sich am ehesten dadurch erklären, dass die Klägerin entsprechend ihrer eigenen Erwartungen, begründet durch die subjektiv wahrgenommene erheblich herabgesetzte Konzentrationsfähigkeit und psychophysische Belastbarkeit in ihrem Alltag, deutlich verlangsamt reagiert habe. Die Diplom-Psychologin G. beschrieb bei der Klägerin eine somatoforme Störung. Die Ärzte Dr. E. und Dr. Dr. D. bewerteten die somatoforme Störung der Klägerin als nicht unfallbedingt. Sie sei auf die äußeren Lebensumstände der Klägerin mit einer hohen Leistungsorientiertheit zurückzuführen. Die bis jetzt anhaltende hausärztliche Behandlung sei nicht durch das vollständig ausgeheilte Schädel-Hirn-Trauma 1. Grades im Sinne einer Gehirnerschütterung bedingt. Nach der MRT-Diagnostik sei ein höhergradiges Schädelhirntrauma auszuschließen. Eine Kostenübernahme der Neuraltherapie könne nicht empfohlen werden. Ein Einfluss durch einen möglichen sekundären Krankheitsgewinn bei der Klägerin könne nicht ausgeschlossen werden.
Weiterhin ermittelte die Beklagte durch Einholung eines zahnärztlichen Gutachtens von Prof. Dr. Dr. H. und Dr. Dr. J. vom 13. April 2011 mit einem HNO-fachärztlichen Zusatzgutachten der Ärzte Dr. K. und Dr. L. vom 24. Juni 2011. Die Zahnärzte stellten bei der Klägerin als Unfallfolgen eine craniomandibuläre Dysfunktion und druckschmerzhafte Verhärtungen der Kaumuskulatur aufgrund der nicht optimalen Verzahnung zwischen Ober- und Unterkiefer fest. Die Klägerin könne auf Aufforderung nicht die Zähne zusammen beißen und sofort eine sichere maximale lntercuspidation finden. Die Verzahnung im Unterkiefer sei nicht Folge des Unfalls. Die Narbe im Bereich des Vestibulums und der ehemaligen Alveolarfortsatzfraktur führe nach Angaben der Klägerin zu einer Störung der Oberlippenmotorik. Die Klägerin leide darunter, dass sie nur auf der rechten Seite kauen könne und Schmerzen ausstrahlend in Richtung Kopf aus der Kaumuskulaturregion des Unterkiefers links und rechts habe. Ab dem 31. August 2008 wurde von den Zahnärzten auf mund-, kiefer- und gesichtschirurgischem Gebiet eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 20 v.H. angenommen. Die bestehende craniomandibuläre Dysfunktion sei mit einer teiladjustierbaren Schiene therapierbar. Die HNO-Ärzte Dr. K. und Dr. L. kamen zu dem Ergebnis, die von der Klägerin geklagten Beschwerden in Form von einem Schwindelgefühl bei Anstrengung, Bücken und längerer Konzentration sowie einer Geruchs- und Geschmacksminderung seien nicht auf den Unfall zurückzuführen, da keine ohrnahe Verletzung vorgelegen habe. Obwohl sich in der klinischen Gleichgewichtsprüfung eine Fallneigung nach vorne rechts bei Augenschluss gezeigt habe, hätte die kalorische Gleichgewichtsprüfung und die Videookulographie keinen Anhalt für eine peripher vestibuläre Störung gezeigt. Eine deutliche Hyposmie oder Geschmacksverlust habe in der Untersuchung nicht festgestellt werden können. Auch der Unfallhergang würde eine Hyposmie oder Hypgeusie nicht erklären. Aus HNO-ärztlicher Sicht bestehe keine Funktionseinschränkung des Hör- oder Gleichgewichtsapparates sowie des Geruchs- oder Geschmacksvermögens der Klägerin. Eine MdE sei auf HNO-ärztlichem Fachgebiet nicht festzustellen.
Mit Bescheid vom 6. Februar 2012 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 1. März 2008 als Arbeitsunfall an. Ein Anspruch auf Rente bestehe nicht, da die Erwerbsfähigkeit der Klägerin über die 26. Woche nach Eintritt des Arbeitsunfalls, also dem 31. August 2008, nicht um wenigstens 30 v. H. gemindert sei. Als gesundheitliche Beeinträchtigungen des Arbeitsunfalls vom 1. März 2008 erkannte die Beklagte eine craniomandibuläre Dysfunktion mit druckschmerzhafter Verhärtung der Kaumuskulatur und eingeschränkter Kaumöglichkeit nach Alveolarfortsatzfraktur im Bereich des Oberkiefers Regio 11-24 an. Unabhängig von dem Arbeitsunfall lägen Kopfschmerzen, kognitive Leistungseinbußen, Schwindelgefühl, subjektive Geschmacks- und Geruchsänderung und eine somatoforme Störung vor.
Den dagegen erhobenen Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juni 2012 zurück. Die Unfallfolgen der Klägerin seien vollständig erfasst worden. Die objektiv feststellbaren Befunde zeigten keine unfallbedingten funktionellen Einschränkungen, die eine anderweitige Feststellung der MdE zulassen würden. Die geklagten Kopfschmerzen, die kognitiven Leistungseinbußen, das Schwindelgefühl, die subjektive Geschmacks- und Geruchsveränderung sowie die somatoforme Störung ließen sich nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall vom 1. März 2008 zurückführen, auch nicht im Sinne einer wesentlichen Teilursache für die genannten Beschwerden. Die bloße Möglichkeit eines Zusammenhangs genüge nicht als Beweis eines Kausalzusammenhanges im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung. Hierbei gingen nicht aufklärbare Unklarheiten über die Entstehung oder die Ursache einer Gesundheitsstörung stets zu Lasten des Versicherten. Ein höhergradiges Schädelhirntrauma sei ausgeschlossen worden. Des Weiteren hätte die HNO-ärztliche Untersuchung keinen ursächlichen Zusammenhang der geklagten Schwindelgefühle oder der geklagten Geruchs- und Geschmacksstörung mit dem Versicherungsfall dokumentieren können. Es sei vielmehr von einer unfallunabhängigen somatoformen Störung bei der Klägerin auszugehen.
Am 6. Juli 2012 hat die Klägerin beim Sozialgericht Fulda (Sozialgericht) Klage erhoben und geltend gemacht, auch ihre Kopfschmerzen, die kognitiven Leistungseinbußen, das Schwindelgefühl, die subjektive Geschmacks- und Geruchsveränderung sowie die somatoforme Störung beruhten auf dem Arbeitsunfall. Bei einer solchen physikalischen Einwirkung auf den Kopf sei es nicht nachvollziehbar, wenn die Beschwerden nicht darauf zurückgeführt würden. Im Übrigen sei die Vorschrift § 80a Abs. 1 SGB VII, wonach landwirtschaftliche Unternehmer Rente erst bei einer MdE von wenigstens 30 v. H. bekämen, verfassungsrechtlich bedenklich, da hier eine Einzelfallregelung für den Berufsstand der Landwirte getroffen werde. Die Gesetzesbegründung könne nicht überzeugen. Für einen sehr kleinen Bereich der Gesamtheit der Unfallversicherten sei eine benachteiligende Regelung getroffen worden.
Das Sozialgericht hat Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte eingeholt sowie die Schwerbehinderten- und Rentenakte, das amtsärztliche Gutachten des Main-Kinzig-Kreises und das Vorerkrankungsverzeichnis der Klägerin beigezogen. Darunter befindet sich ein Bericht des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie M. vom 9. Oktober 2012 und die Patientenkartei des behandelnden Hausarztes Dr. N. Weiterhin hat das Sozialgericht Beweis erhoben durch Einholung eines neurologischen Gutachtens vom 30. März 2013 und einer ergänzenden Stellungnahme vom 29. Juni 2013 von Dr. O. Der Sachverständige hat festgestellt, als organische Unfallfolgen seien bei der Klägerin auf neurologischem Gebiet eine Gefühlsstörung im Versorgungsgebiet des 1. Trigeminusastes und eine Überempfindlichkeit im Versorgungsgebiet des 2. Trigeminusastes festzustellen. Die Gefühlsstörung sei so begrenzt, wie es organisch bedingte Gefühlsstörungen seien. Auch die Überempfindlichkeit des Gesichts im Bereich des Oberkiefers sei zwanglos als organische Unfallfolge zu erklären. Es handele sich sicher nicht um eine Trigeminusneuralgie. Die Sensibilitätsstörung bzw. die Überempfindlichkeit im Gesicht bedinge eine MdE in Höhe von 10 v.H. Hier ergeben sich Überlappungen mit dem Zahn-Mund-Kiefer-chirurgischen Fachgebiet. Das Vorliegen eines hirnorganischen Psychosyndroms könne nicht festgestellt werden. Die bei der Klägerin vorliegende somatoforme Schmerzstörung sowie die dissoziativen Zustände seien unfallunabhängig. Bei der neurologischen Untersuchung hätten sich zahlreiche Hinweise auf eine Ausgestaltung der Symptome gezeigt. Im Romberg-Stehversuch sei es zu einer völlig überraschenden Fallneigung nach vorne gekommen, so dass der Sachverständige zunächst instinktiv hinzugesprungen sei, um die Klägerin zu halten. Wenn er diese Hilfestellung unterlassen habe, habe die Klägerin einen Ausfallschritt nach vorne gemacht und sei nicht gefallen. Es handele sich um eine typische appellative Darstellung einer Gleichgewichtsstörung. Diese würde bei Ablenkung sofort nachlassen. Im Finger-Nase-Versuch habe die Klägerin ein groteskes konstantes Vorbeizeigen mit der rechten Hand auf die linke Seite gezeigt. Die Beinkraft sei von der Klägerin beidseits nicht angespannt worden und sei so gering, dass man eigentlich nicht erwarten könne, dass die Klägerin auf einem Bein hüpfen könne, was ihr jedoch gelinge. Über eine Verschlechterung ihrer Kopfschmerzen habe sie während der Begutachtung nicht geklagt und es sei auch im Verhalten nicht erkennbar gewesen, dass das Hüpfen zu einem Kopfschmerz geführt habe. Er sei nicht davon überzeugt, dass die Kopfschmerzen tatsächlich in dem beklagten Ausmaß bestünden. Eine zunehmende Verschlechterung der Kopfschmerzen zwei Jahre nach dem Unfall sei unfallbedingt nicht mehr erklärbar. Hier müssten sekundäre Mechanismen eine Rolle spielen, wie eine psychiatrische Störung oder das Streben nach einem sekundären Krankheitsgewinn. Für eine unfallbedingte psychiatrische Erkrankung fänden sich keine Brückensymptome. Nicht nur aufgrund des körperlichen und psychopathologischen Untersuchungsbefundes, sondern auch aufgrund der Anamnese sei der von der Klägerin behauptete Leidensdruck nur schwer nachvollziehbar. Durch die Unfallfolgen auf neurologischem Fachgebiet erhöhe sich die auf mund-, kiefer- und gesichtschirurgischem Fachgebiet festgestellte MdE von 20 v. H. nicht.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht hat die Beklagte im Rahmen eines von der Klägerin angenommenen Teilanerkenntnisses die Gefühlsstörung im Versorgungsgebiet des 1. Trigeminusastes, die Überempfindlichkeit im Versorgungsgebiet des 2. Trigeminusastes sowie die Überempfindlichkeit des Gesichts im Bereich des Oberkiefers der Klägerin als Unfallfolge anerkannt.
Mit Urteil vom 15. Juli 2013 hat das Sozialgericht die über das Teilanerkenntnis hinausgehende Klage der Klägerin abgewiesen und in den Gründen im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rente, da die von der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin zutreffend erfassten Schäden durch den Arbeitsunfall vom 1. März 2008 insgesamt nur eine MdE in Höhe von 20 v. H. bedingen würden. Eine Rente käme für die Klägerin als Versicherte nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a Sozialgesetzbuch Siebtes Buch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) nach § 80a Abs. 1 Satz 1 SGB VII erst ab einer MdE in Höhe von 30 v. H. in Betracht. Das Sozialgericht hat sich dabei vor allem auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. O. vom 30. März 2013 gestützt. Der Sachverständige habe die von ihm auf neurologischen Gebiet festgestellte Gefühlsstörung im Versorgungsgebiet des 1. Trigeminusastes und die Überempfindlichkeit im Versorgungsgebiet des 2. Trigeminusastes als unfallabhängig angesehen und mit einer MdE in Höhe von 10. v. H. zutreffend bewertet. Überzeugend habe er in Übereinstimmung mit den Vorgutachtern im Verwaltungsverfahren das Vorliegen eines hirnorganischen Psychosyndroms verneint und die übrigen bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen wie eine somatoforme Schmerzstörung, dissoziative Zustände sowie Kopfschmerzen als unfallunabhängig angesehen. Auch die von der Klägerin geklagten Beschwerden in Form eines Schwindelgefühls bei Anstrengung, Bücken und längerer Konzentration sowie einer Geruchs- und Geschmacksminderung seien nach dem HNO-fachärztlichen Zusatzgutachten vom 24. Juni 2011 nicht auf den Unfall zurückzuführen. Die Bewertung der craniomandibulären Dysfunktion als Unfallfolge mit einer MdE in Höhe von 20 v. H. entspreche den Erfahrungswerten. Denn eine MdE in Höhe von 30 v. H. sähen die Erfahrungswerte erst bei so gravierenden Funktionsstörungen wie einer kompletten Gesichtsnervenlähmung oder einer entstellenden Kontraktur vor. Die Einzel-MdE in Höhe von 10 v. H. auf neurologischem Gebiet führe wegen Überlappung zwischen zahnärztlichem und neurologischem Gebiet zu keiner wesentlichen Erhöhung der Gesamt-MdE. Eine Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer Rente nach einer MdE in Höhe von 20 v. H. entsprechend des klägerischen Hilfsantrags komme nach Auffassung des Gerichts auch nicht mittels einer verfassungskonformen Auslegung des § 80a Abs. 1 Satz 1 SGB VII in Betracht. Im Hinblick auf landwirtschaftliche Unternehmer wie die Klägerin sei das Gericht nicht von der Verfassungswidrigkeit der Vorschrift überzeugt. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) sei insoweit nicht festzustellen bzw. sachlich gerechtfertigt. Auf Grund der Vorschrift würden nicht wesentlich gleiche Personengruppen ungleich behandelt. Die Versicherung kraft Gesetzes in der gesetzlichen Unfallversicherung sei für Unternehmer etwas Besonderes und Außergewöhnliches. Die der landwirtschaftlichen Unfallversicherung unterliegenden Pflichtmitglieder würden sich aber bereits strukturell sowie hinsichtlich Art und Umfang ihrer Tätigkeit von anderen Unternehmern unterscheiden. Von den versicherten Arbeitnehmern, denen die Gruppe der landwirtschaftlichen Unternehmer aus sozialpolitischen und rechtssystematischen Gründen gleichgestellt sei, würden sich diese dadurch unterscheiden, dass nicht das Prinzip der Ablösung der Unternehmerhaftung greife, sondern das Prinzip der genossenschaftlichen Eigenhilfe gelte. Zu berücksichtigen sei zudem, dass dem Personenkreis der pflichtversicherten landwirtschaftlichen Unternehmer stets die Unternehmenssubstanz als wirtschaftlicher Rückhalt verbleibe.
Gegen das ihr am 24. Juli 2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 13. August 2013 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt. Bei ihr würden als weitere Diagnosen eine schwere chronische Depression auf dem Hintergrund einer ebenfalls bereits chronifizierten posttraumatischen Belastungsstörung, ein chronisches Schmerzsyndrom bei Zustand nach Schädel-Hirn-trauma, organisches Psychosyndrom, Spannungskopfschmerzen, Gleichgewichtsstörungen, unklare Ataxie sowie der Verdacht auf psychogene Anfälle (dissoziative Anfälle), "DD: Epileptische Anfälle" vorliegen, womit geklärt wäre, dass die MdE wenigstens mit 30 v. H. zu bewerten sei. Die Klägerin stützt sich dazu auf ein Gutachten der Neurologin und Psychiaterin Dr. P. für das Gesundheitsamt vom 10. März 2014 sowie eine sozialmedizinische Stellungnahme der Ärztin im Gesundheitsamt Dr. Q., die ihre medizinischen Einschätzungen im Rahmen eines Antragsverfahrens der Klägerin auf Erwerbsminderungsrente gegenüber der Landwirtschaftlichen Alterskasse abgegeben hatten. Weiterhin stützt sich die Klägerin auf einen von ihr zu diesem Verfahren eingereichten Befundbericht von Dr. P. vom 19. Mai 2016, den diese als nunmehr behandelnde Ärztin erstellt hat. Im Übrigen ist die Klägerin weiterhin der Auffassung die Vorschrift § 80a SGB VII treffe eine verfassungsrechtlich bedenkliche Einzelfallregelung für den Berufsstand der Landwirte und verstoße gegen Art. 3 GG.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 15. Juli 2013 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 6. Februar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2012 über das Teilanerkenntnis vom 15. Juli 2013 hinaus zu verurteilen als weitere Unfallfolgen anzuerkennen "eine schwere chronische Depression auf dem Hintergrund einer ebenfalls bereits chronifizierten posttraumatischen Belastungsstörung, ein chronisches Schmerzsyndrom bei Zustand nach Schädelhirntrauma, organisches Psychosyndrom, Spannungskopfschmerzen, Gleichgewichtsstörungen, unklare Ataxie sowie der Verdacht auf psychogene Anfälle (dissoziative Anfälle), Epileptische Anfälle" und ihr Rente nach einer MdE in Höhe von 30 v. H., hilfsweise 20 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und deren Richtigkeit durch die weiteren Ermittlungen im Berufungsverfahren für bestätigt.
Der Senat hat die Schwerbehindertenakte des Versorgungsamtes beigezogen und nach einem am 12. Januar 2016 durchgeführten Erörterungstermin auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein nervenärztlich-psychosomatisches Gutachten von dem Arzt für Psychotherapeutische Medizin, Psychoanalyse, Neurologie und Psychiatrie Dr. C. vom 30. April 2016 eingeholt. Der Sachverständige hat bei der Klägerin eine leichte bis mittelgradige, anhaltende depressive Störung und eine somatoforme Störung diagnostiziert. Den Zusammenhang mit dem Unfallereignis und den dazu mit deutlicher zeitlicher Verzögerung auftretenden Störungen hat er verneint, da sich keinerlei Anhaltspunkte für Brückensymptome ergeben würden. Hinsichtlich des Inhalts des Gutachtens im Einzelnen wird auf die Gerichtsakte (Band II Bl. 301 ff.) Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand sowie zum Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakten (Band I und II) sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten (Band 1 – 3) verwiesen, die zum Verfahren beigezogen waren.
Entscheidungsgründe:
Mit Einverständnis der Beteiligten konnte die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen (§§ 153 Abs. 1, 124 SGG).
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Das erstinstanzliche Urteil ist zu Recht ergangen. Die Klägerin hat über das Teilanerkenntnis der Beklagten vom 15. Juli 2013 hinaus auf Grund des anerkannten Arbeitsunfalls keinen Anspruch auf die Feststellung weiterer Unfallfolgen. Die MdE für die festgestellten Gesundheitsstörungen ist mit 20 v. H. zutreffend bewertet. Ein Anspruch auf Zahlung einer Rente besteht nicht.
Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII erhalten Versicherte Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist. Versicherte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a SGB VII, zu denen die Klägerin als selbständige Pferdewirtin gehört (hat), haben davon abweichend nach § 80a Abs. 1 Satz 1 SGB VII Anspruch auf eine Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 30 v. H. gemindert ist.
Bei der Klägerin liegen auf mund-, kiefer- und gesichtschirurgischem Gebiet und neurologischen Fachgebiet Unfallfolgen vor, die mit einer Gesamt-MdE in Höhe von 20 v. H. zu bewerten sind. Dies hat das Sozialgericht in der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung zutreffend festgestellt und sich dazu insbesondere auf das zahnärztliche Gutachten der Zahnärzte Prof. Dr. Dr. H./J. vom 13. April 2011 im Verwaltungsverfahren sowie auf das neurologische Gutachten des Sachverständigen Dr. O. vom 30. März 2013 gestützt. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat insoweit auf die überzeugenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 153 Abs. 2 SGG).
Weitere Unfallfolgen sind auch nach den Ermittlungen im Berufungsverfahren nicht festzustellen und die Erwerbsfähigkeit der Klägerin folglich auch nicht um mehr als 20 v. H. gemindert.
Gesundheitsstörungen müssen, um als Unfallfolge anerkannt zu werden, zunächst im Vollbeweis nachgewiesen sein, d.h. mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Tatsache in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (§ 128 SGG; BSGE 103, 99, 104).
Soweit die Klägerin weiterhin das Vorliegen eines organischen Psychosyndroms geltend macht und sich dabei auf die Diagnose ihrer behandelnden Ärztin Dr. P. stützt, liegt diese Störung zur Überzeugung des Senats schon nicht im Vollbeweis vor. Ein organisches Psychosyndrom kann grundsätzlich nach einem schweren Schädelhirntrauma auftreten und sich durch verschiedenartige Symptome wie Kopfschmerzen, Schwindel, Erschöpfung, Schwierigkeiten bei der Konzentration äußern (vgl. ICD-Code F07.2; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Seite 180), über die auch die Klägerin klagt. Weder der Erstschaden noch die von der Klägerin geklagten Symptome lassen hier aber eine solche Diagnose zu. Dazu stützt sich der Senat auf die überzeugenden Feststellungen des Neurologen Dr. O. sowie die interdisziplinären Feststellungen des Facharztes für Nervenheilkunde Dr. Dr. D., der Fachärztin für Psychiatrie Dr. E. und der Diplom-Psychologinnen F. und G., deren Einschätzung sich der auf Antrag der Klägerin gehörte Dr. C. angeschlossen hat. Dr. Dr. D. und Dr. E. haben unter Bezugnahme auf die vorliegende bildgebende Diagnostik nur ein vollständig ausgeheiltes Schädel-Hirn-Trauma 1. Grades im Sinne einer Gehirnerschütterung festellen können, bei dem sich vegetative Begleiterscheinungen wie Kopfschmerzen, Schwindel innerhalb kurzer Zeit zurückbilden. Unter Berücksichtigung des neuropsychologischen Befundes der Diplom-Psychologin F. führen sie die von der Klägerin aufgeführten Inkonsistenzen in Bezug auf Belastungsfähigkeit, Konzentrationsfähigkeit, Aufmerksamkeitsleistung bei fehlender Organursache der körperlichen Beschwerden auf eine zu diagnostizierende somatoforme Störung zurück, wobei – so die Ärzte – der Einfluss durch einen möglichen sekundären Krankheitsgewinn nicht ausgeschlossen werden könne. Übereinstimmend schließt Dr. O. auch nach seinem eigenen Befund das Vorliegen eines hirnorganischen Psychosyndroms aus und stellt die Hinweise auf eine Ausgestaltung der geklagten Symptome durch die Klägerin für den Senat nachvollziehbar dar, wonach sich die von der Klägerin beklagten Symptome wie Kopfschmerzen und Gleichgewichtsstörungen nicht verifizieren lassen. Dr. P. hat demgegenüber ihren Feststellungen und Diagnosen die Angaben und subjektiven Wertungen der Klägerin zugrunde gelegt, ohne diese zu hinterfragen. Sie kann daher im Hinblick auf die von ihr genannte Diagnose nicht überzeugen.
Nach dem überzeugenden HNO-ärztlichen Gutachten der Ärzte Dr. K./Dr. L. im Verwaltungsverfahren lassen sich die von der Klägerin beklagten Gleichgewichtsstörungen auch von Seiten dieses Fachgebietes nicht objektivieren, so dass der Vollbeweis dieser Gesundheitsstörung nicht erbracht ist.
Auch eine posttraumatische Belastungsstörung, die von Dr. P. in den Raum gestellt und entsprechend von der Klägerin geltend gemacht wird, liegt nicht nach dem erforderlichen Maßstab einer an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit vor. Dr. C. hat insoweit überzeugend ausgeführt, weder würden über entsprechende Symptome geklagt noch spreche der Verlauf der zumindest eingeschränkten Tätigkeit im Umgang mit den Tieren, wie er bis zur Aufgabe des Betriebes praktiziert wurde, für eine solche Diagnose.
Im Hinblick auf die von Dr. P. selbst nur als "Verdacht" aufgeführten "psychogenen Anfälle (dissoziative Anfälle), Epileptische Anfälle" hat Dr. C. ausgeführt, dies weise auf eine primärpersönliche Struktur hin; nach Auswertung der Befunde der Ärzte Dr. Dr. D./Dr. E. und der Patientenakte des Dr. N. sei eine solche vorbestehende Schadensanlage aber nicht bewiesen.
Soweit die Klägerin das Vorliegen einer Depression und eines Schmerzsyndroms geltend macht, sind diese Gesundheitsstörungen nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. C. in dessen Gutachten vom 30. April 2016 als leichte bis mittelgradige, anhaltende depressive Störung (ICD-10: F33.1) und sonstige somatoforme Schmerzstörung (Umwandlung von psychischen Konflikten in körperlich wirkende Symptome; ICD-10: F 45.8) zu klassifizieren. Zur Überzeugung des Senats ist insoweit der Vollbeweis des Vorliegens der betreffenden Gesundheitsstörungen erbracht. Diese Störungen sind indes keine Unfallfolgen und eine MdE insoweit nicht zuzuerkennen, da sie nicht im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung kausal auf den anerkannten Arbeitsunfall zurückzuführen sind.
Für die Kausalitätsfeststellung zwischen den durch ein Ereignis unmittelbar hervorgerufenen Gesundheitserstschäden und den als Unfallfolgen geltend gemachten länger andauernden Gesundheitsstörungen (haftungsausfüllende Kausalität) gilt wie für alle Kausalitätsfeststellungen im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung der gegenüber dem Vollbeweis geringere Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit bzw. hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R – juris). Die Kausalitätsfeststellungen zwischen den einzelnen Gliedern des Arbeitsunfalls basieren dabei auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Beweisrechtlich ist zudem zu beachten, dass der möglicherweise aus mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang positiv festgestellt werden muss (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, a.a.O.) und dass die Anknüpfungstatsachen der Kausalkette im Vollbeweis vorliegen müssen (BSG, Beschluss vom 23. September 1997 – 2 BU 194/97; Deppermann-Wöbbeking in: Thomann (Hrsg) Personenschäden und Unfallverletzungen, Seite 630). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, a.a.O.).
Vorliegend lassen sich die oben aufgeführten seelischen Gesundheitsschäden der Klägerin schon im naturwissenschaftlichen Sinne (1. Prüfungsstufe) nicht hinreichend wahrscheinlich auf das Unfallereignis zurückführen. Eine erhebliche, mittelgradige depressive Symptomatik ist bei der Klägerin, worauf Dr. C. zu Recht hinweist, erstmals von dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. auf Grund einer einmaligen Untersuchung zur ärztlichen Begutachtung für die Alterssicherung der Landwirte am 25. Mai 2011 (Bericht vom 9. Oktober 2012) und damit drei Jahre nach dem Unfallereignis festgestellt worden. In psychiatrischer Behandlung bei Dr. P. ist die Klägerin erst seit September 2014. Für den Senat nachvollziehbar und unter sorgfältiger Auswertung der medizinischen Vorbefunde in den Akten sowie in Übereinstimmung mit Dr. O. hat Dr. C. dargelegt, dass sich in den drei Jahren nach dem Unfall jedenfalls keine durchgehenden Brückensymptome bzw. Anknüpfungstatsachen finden lassen, auf die die von Dr. M. 2011 festgestellte Symptomatik zurückzuführen ist. Überdauernd habe die Klägerin zwar über eine Kopfschmerzsymptomatik geklagt; aus dem Jahr 2009 lägen aber auch diesbezüglich keinerlei Befunde vor, die Intervalle und Intensität der Behandlung bei dem behandelnden Hausarzt Dr. N. seien in diesem Jahr rückläufig. Auch auf Grund der Angaben der Klägerin bei der Begutachtung im Januar 2011 durch die Ärzte Dr. Dr. D./Dr. E. sei von einer Besserung der Kopfschmerzen auszugehen. Dies gelte auch für leichte Ängste der Klägerin im Umgang mit Pferden und könne auch angenommen werden für möglicherweise frühere depressive Symptome, die in der Patientenakte von Dr. N. im Juli 2008 auftauchten und mit dem milden Antidepressivum Laif behandelt worden sein. Die Behandlung sei nicht fortgeführt und eine fachpsychiatrische Behandlung nicht für erforderlich gehalten worden. Eine depressive Störung haben die Ärzte Dr. Dr. D./Dr. E. bei ihren Untersuchungen im November 2010 weder im Rahmen der von der Klägerin geltend gemachten Beschwerden noch auf der Handlungsebene feststellen können. Für den Senat folgerichtig kommt Dr. C. zu dem Ergebnis, dass ein Zusammenhang zwischen der Entwicklung der von Dr. M. erstmals beschriebenen depressiven Symptomatik im Verlauf des Jahres 2010/2011 und dem Unfallereignis nicht hergestellt werden kann. Im Übrigen stehen nach Dr. C. auch konkurrierende kausale Faktoren aus dem Privatleben der Klägerin im Raum wie die Trennung von dem langjährigen Partner. Auf diese kommt es indes nicht an, da eine Kausalbeziehung zwischen dem Unfallereignis und der depressiven Störung positiv nicht festgestellt werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, a.a.O.). Das Gleiche gilt nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. C. in Übereinstimmung mit den Feststellungen von Dr. O. für die von ihm diagnostizierte sonstige somatoforme Störung nach ICD-10 F45.8. Diese Störung ist erstmalig im Rahmen der Begutachtung bei Dr. Dr. D./Dr. E. bei der Untersuchung im November 2010 festgestellt worden, also auch mit deutlicher zeitlicher Verzögerung zu dem Unfallereignis. Brückensymptome bzw. Anknüpfungstatsachen sind nicht nachgewiesen. Nach Besserung der Kopfschmerzsymptomatik hat sich erneut und davon unabhängig die somatoforme Störung im Verlauf des Jahres 2010/2011 entwickelt. Ein Kausalzusammenhang mit dem Unfallereignis lässt sich positiv nicht feststellen.
Einen Anspruch auf Rente hat die Klägerin auch nicht unter dem von ihr geltend gemachten Gesichtspunkt, § 80a SGB VII sei verfassungswidrig, da mit dieser Regelung eine benachteiligende Einzelfallregelung für den Berufsstand der Landwirte getroffen wurde. Die Regelung verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG.
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, unter steter Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 1998 – 1 BvR 1554/89 – juris). Dem Gesetzgeber steht aber ein Gestaltungsspielraum zu und ihm ist nicht jede Differenzierung verwehrt. Ob eine gesetzliche Regelung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar ist, hängt davon ab, ob für eine durch den Gesetzgeber getroffene Differenzierung Gründe von solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können (BVerfG, Beschluss vom 6. Juli 2004 1 BvL 4/97 - juris). Entsprechendes gilt hinsichtlich der Gleichbehandlung unterschiedlicher Sachverhalte. Der Gesetzgeber kann grundsätzlich selbst diejenigen Sachverhalte auswählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinne als "gleich" ansehen will (BVerfGE 21, 12). Zu einer unterschiedlichen Behandlung ungleicher Sachverhalte ist er nur verpflichtet, wenn die tatsächliche Ungleichheit so groß ist, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht unberücksichtigt bleiben darf (vgl. BVerfGE 1, 264, 275 f.; BVerfGE 21, a.a.O.).
Die Differenzierung des Gesetzgebers zwischen Renten für den Personenkreis, der nach 56 Abs. 1 SGB VII Rente bei einer Mindest-MdE in Höhe von 20 v. H. erhält, und den landwirtschaftlichen Unternehmern, die nach § 80a Abs. 1 SGB VII i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a SGB VII Rente erst bei einer Mindest-MdE in Höhe von 30 v. H. erhalten, ist schon wegen der Unterschiede der betroffenen Personenkreise gerechtfertigt. Die Zwangsversicherung für landwirtschaftliche Unternehmer (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a SGB VII) stellt eine Ausnahme von dem unfallversicherungsrechtlichen Grundsatz dar, dass Unternehmer nicht kraft Gesetzes Unfallversicherungsschutz genießen. Der Grundgedanke für diese Versicherung ist ein ganz anderer als bei den regelmäßig zwangsversicherten Beschäftigten (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII). Während bei den Beschäftigten die Ablösung der Unternehmerhaftpflicht im Vordergrund steht, geht es bei der Unfallversicherung für die landwirtschaftlichen Unternehmer um eine genossenschaftliche, auf versicherungsrechtlicher Basis aufgebaute Eigenhilfe. Die von dem Gesetzgeber festgelegte unterschiedliche Mindest-MdE rechtfertigt sich dadurch, dass in einem solchen Selbsthilfesystem der Ausgleich immaterieller Schäden nicht im gleichen Umfang erforderlich ist wie bei der Ablösung der Unternehmerhaftpflicht. Je geringer die MdE ist, umso stärker tritt aber die Funktion des immateriellen Schadensausgleichs durch die Rente in den Vordergrund. Der Berufsstand der landwirtschaftlichen Unternehmer geht davon aus, dass bei Verletzungen, die eine MdE von weniger als 30 v. H. bedingen, kein Erwerbsschaden durch die Verletzungsfolgen eintritt (vgl. Feddern in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 80a SGB VII, Rn. 8; Ricke in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Band 2, § 80a SGB VII Rn. 2; LSG Stuttgart – L 1 U 5200/15 – juris). Im Übrigen verweist der Senat auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung, in denen unter Bezugnahme auf die Materialien zu § 80a SGB VII ausführlich und zutreffend dargelegt wird, weshalb ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht vorliegt, soweit in der Vorschrift die landwirtschaftlichen Unternehmer selbst erfasst sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
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