S 12 KA 59/15

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 59/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die von BSG, Urt. v. 17.07.2013 - B 6 KA 44/12 R - SozR 4-2500 § 87b Nr. 2, juris Rdnr. 29 noch offen gelassene Frage, ob die Rechte des Eintretenden aus der Eigenschaft seiner bisherigen Einzelpraxis als Aufbaupraxis dann weiter wirken könnten, wenn er - indem er sich mit anderen Einzelpraxisinhabern zusammenschließt - erst die BAG zur Entstehung bringt, ist im Sinne des Weiterwirkens als Aufbaupraxis zu beantworten. Dies gilt auch für die Einbringung eines Vertragsarztsitzes in ein MVZ, wenn kein weiterer Arzt dort im gleichen Fachgebiet tätig ist.
1. Der Bescheid vom 08.02.2010 bzgl. des Quartals II/09 und der Honorarbescheid für das Quartal II/09, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2010 werden aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin über das Regelleistungsvolumen und Honorar für das Quartal II/09 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

3. Die Beklagte hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe des Honorars und eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen für das Quartal II/09.

Die Klägerin betreibt als juristische Person ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) mit Praxissitz in A-Stadt. Das MVZ besteht seit dem 31.12.2006. Zur Gründung brachten, Facharzt für Chirurgie, der bereits zuvor als Vertragsarzt seit 01.11.1989 tätig war, und Herr Dr. C., Facharzt für Orthopädie, der erstmals zum 01.10.2006 zugelassen worden war, jeweils ihren vollen Vertragsarztsitz ein, um als angestellte Ärzte im MVZ tätig zu sein. Im Zuge einer Anstellungsnachfolge für Herrn Dr. D. waren dann Herr Dr. med. E. als Facharzt für Chirurgie seit dem 13.06.2007 mit einem Versorgungsauftrag im Umfang von 0,25 und Frau F. als Fachärztin für Chirurgie seit dem 13.06.2007 mit einem Versorgungsauftrag im Umfang von 0,75 im MVZ tätig. Herr Dr. C. blieb im MVZ bis zum 18.03.2007 im Umfang eines vollen Versorgungsauftrags tätig. Eine Nachbesetzung erfolgte nicht unmittelbar nach seinem Ausscheiden. Vom 01.07.2007 bis 30.06.2008 war Dr. G., Facharzt für Orthopädie, im Umfang eines halben Versorgungsauftrags beschäftigt. Herr Dr. H. war vom 01.07.2007 bis 31.12.2007 im Umfang eines Versorgungsauftrages mit 0,25 tätig. Es folgte dann ab 01.03.2008 Herr I. im Umfang eines Versorgungsauftrags von 0,25 und ab 01.07.2008 Herr Dr. J. im Umfang eines Versorgungsauftrags von 0,75. Der von Dr. H. inne gehaltene 0,25-Sitz war vom 01.01.2008 bis 30.06.2008 unbesetzt.

Die Beklagte setzte das Regelleistungsvolumen des MVZ für das streitbefangene Quartal mit Bescheid vom 26.02.2009 wie folgt fest:

Arzt RLV-relevante Fallzahl Fallwert in EUR Fallwertabstaffelung Altersstrukturquote Aufschlag fachgleiche BAG RLV in EUR
E. 203 23,59 1,0000 1,0269 1 4.917,59
F. 1.149 23,59 0,9354 1,0140 1 25.708,89
I. 218 21,27 1,0000 1,0246 1 4.750,93
J. 499 21,27 1,0000 1,0252 1 10.881,20
Gesamt 2.069 46.258,61

Hiergegen legte die Klägerin am 23.04.2009 Widerspruch ein. Die Klägerin trug vor, die Berechnung des Regelleistungsvolumens werde nicht ersichtlich. Die Berechnung des Fremdkassenausgleichs, der Vorwegabzug besonderer Leistungen und die Aufteilung in die haus- und fachärztliche Vergütung seien nicht nachvollziehbar. Besonderheiten des MVZ hätten keine Berücksichtigung gefunden, auch nicht die Neuregelung der fallzahlabhängigen Abstaffelung. Sie werde benachteiligt, weil bei einer fachgleichen Praxis die Versicherten-, Grund- und Konsiliarpauschale nur einmal abgerechnet werden könne. Nicht nachvollziehbar sei die Verringerung des Fallwerts zum Vorquartal, bei Chirurgen um 30 %, bei Orthopäden um 29 %.

Die Klägerin beantragte ferner eine Anpassung des Regelleistungsvolumens hinsichtlich der Fallzahl und des Fallwerts. In dieser Form bestehe das MVZ erst seit 2007, es handele sich um eine sog. Junge Praxis. Die Fallzahlzuweisung sei insb. für Herrn I. willkürlich. Der Fallwert werde bereits weitgehend durch die Grundpauschale ausgeschöpft. Das MVZ habe einen besonderen Versorgungsauftrag im Bereich der Radiologie mit Abrechnung der Nr. 34221, 34230, 34231 und 34234 EBM.

Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 08.02.2010 eine Sonderregelung für das Quartal I/09, lehnte aber eine solche für das hier streitbefangene Quartal II/09 ab. Zur Begründung erläuterte sie die einzelnen Berechnungsfaktoren des Regelleistungsvolumens und führte hinsichtlich der Ermittlung der Fallzahl für das Regelleistungsvolumen weiter aus, der Arztrechnung für das Quartal II/08 seien insgesamt 1.902 abgerechnete Fälle zu entnehmen. Abzuziehen seien 24 Fälle "sonstiger Kostenträger" und 8 Fälle, die außerhalb des Regelleistungsvolumens vergütet würden. Es ergäben sich 1.878 regelleistungsvolumenrelevante Behandlungsfälle. Die Anzahl der Arztfälle sei nach der Zahl der abgerechneten arztgruppenspezifischen Versicherten-, Grund- und Konsiliarpauschalen bemessen worden. Für Ärzte des gleichen Fachgebiets sei die Zahl der Arztfälle je Arzt mit der Zahl der entsprechenden abgerechneten Pauschalen bemessen worden. Die zugewiesene RLV-relevante Fallzahl von 2.069 Fällen im Quartal II/09 sei deshalb nicht zu beanstanden. Die Anzahl der abgerechneten Grundpauschalen der Orthopäden stimme nicht mit den zugewiesenen RLV-relevanten Fällen überein, weil die Grundpauschalen im Quartal I/08 teilweise noch von Herrn Dr. G. mit einem Zulassungsumfang von 0,5 abgerechnet worden seien und bei der Zuweisung der RLV-relevanten Fallzahlen des Quartals II/09 für Herrn Dr. J. die Erhöhung des Zulassungsumfanges auf 0,75 berücksichtigt worden sei. Eine Aussetzung der Fallwertabstaffelung sei nicht möglich, da die Voraussetzungen nach dem HVV nicht vorlägen. Der Vorstand habe beschlossen, dass er Sonderregelungen für "junge Praxen" im Einzelfall treffe. Danach könnte eine Sonderregelung nur gewährt werden, wenn der Arzt sich innerhalb von 2 Jahren vor dem Aufsatzquartal niedergelassen habe und seine Fallzahlen im Aufsatzquartal unterhalb der Fachgruppen-Fallzahlen lägen und dessen Fallzahlen im Aufsatzquartal erheblich von der aktuellen Gesamtfallzahl abwichen. Das MVZ bestehe bereits seit dem 31.12.2006. Alle seitdem durch die weiteren angestellten Ärzte besetzten neuen Arztsitze seien von entsprechenden Arztsitzen von ehemals niedergelassenen Vertragsärzten übernommen worden, so dass grundsätzlich nicht von einer "Neugründung" auszugehen sei. Darüber hinaus habe ein Vergleich der abgerechneten bzw. zu Grunde gelegten Fallzahlen für die Quartale I und II/09 ergeben, dass keine erhebliche Abweichung der aktuellen Gesamtfallzahl von Fallzahlen im Aufsatzquartal erkennbar sei. Eine Prüfung von Praxisbesonderheiten bzgl. einer Erhöhung des Fallwerts habe ergeben, dass der Fallwert für das Quartal II/09 den RLV-Fallwert für die Fachgruppe der Chirurgen um lediglich 16 % übersteige. Für die Fachgruppe der Orthopäden habe die Prüfung ergeben, dass der Fallwert den RLV-Fallwert um 15 % unterschreite.

Hiergegen legte die Klägerin am 09.03.2010 Widerspruch ein. Die Klägerin trug vor, für Herrn Dr. I. sei zwingend eine Anpassung des Regelleistungsvolumens vorzunehmen. Die Fallzahl sei zu gering. Er sei erstmals am 01.03.2008 als angestellter Arzt mit einem Versorgungsauftrag von 0,25 tätig geworden, zuvor habe er keine Zulassung gehabt. Er erfülle die Kriterien der sog. "jungen Praxis". Es könne nicht auf die Zahlen des Praxisvorgängers verwiesen werden, wenn diese unter der durchschnittlichen Fallzahl gelegen hätten, zumal durch eine angestellte Tätigkeit im MVZ eine Änderung der Praxisstruktur erfolge. Im Quartal II/08 sei die lebenslange Arztnummer noch nicht eingeführt gewesen, so dass eine exakte Zuweisung tatsächlicher Behandlungsfälle nicht möglich sei. Dr. I. müsse eine Anpassung seiner Fallzahl auf ¼ der Regelleistungsvolumen-Gruppenfallzahl von 1.144 Fällen, mithin 286 Fällen für das Quartal II/09 gewährt werden. Auch Herrn Dr. J. müssten die Fallzahlen nach dem Grundsätzen der sog. "jungen Praxis" aus den gleichen Gründen wie für Herrn Dr. I. gewährt werden. Darüber hinaus sei es völlig unverständlich, weshalb diese Grundsätze im Quartal I/09, nicht aber im Quartal II/09 anerkannt worden seien. Im Quartal II/08 sei als Orthopäde Herr Dr. G. mit einem Zulassungsumfang von 0,5 und ab 26.02.2008 zusätzlich Herr Dr. I. mit einem Zulassungsumfang von 0,25 tätig gewesen. Herr Dr. J. habe den Sitz seines Vorgängers Dr. G. mit Erhöhung auf 0,75 übernommen. Diese Erhöhung sei zu berücksichtigen, mindestens müsse ihm die Fallzahl der Fachgruppe bzw. ¾ dieser Fallzahl zugeteilt werden, was einer Fallzahl von mind. 857 Fällen entspreche. Es seien auch immer zwei Vertragsärzte mit derselben Fachgruppe in dem MVZ vereint, so dass ein Aufschlag von 10 % gewährt werden müsse. Zumindest müsse der ab dem Quartal III/09 geltende Aufschlag für fachübergreifende Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) und MVZ bereits für das Quartal II/09 Geltung finden. Die Fallwerte für die Orthopäden seien zu gering, da sie nahezu mit den Grundpauschalen bereits ausgeschöpft seien. Es liege auch ein besonderer Versorgungsauftrag im Bereich der diagnostischen Radiologie vor.

Die Beklagte setzte das Honorar der Klägerin für das streitbefangene Quartal II/09 mit Honorarbescheid wie folgt fest:

Quartal II/09
Honorarbescheid vom 11.10.2009
Honorar gesamt in EUR 67.602,25
Bruttohonorar PK + EK in EUR 68.645,22
Fallzahl PK + EK 2.139

Regelleistungsvolumen 44.060,99
Quotiertes Regelleistungsvolumen 1.379,61
Fallwertzuschläge zum Regelleistungsvolumen 9.456,71
Übrige Leistungen innerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) 346,48
Leistungen außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (AMG) 13.401,43
Regelleistungsvolumen
Obergrenze 46.258,61
Angefordert 58.073,86
Überschreitung 11.815,25

Gegen den Honorarbescheid für das Quartal II/09 legte die Klägerin am 31.12.2009 Widerspruch ein.

Die Beklagte half mit Widerspruchsbescheid vom 27.10.2010 den beiden Widersprüchen insoweit ab, als sie für Herrn E. den Fallwert um 8,71 EUR auf insgesamt 32,30 EUR erhöhte. Im Übrigen wies sie die Widersprüche als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie u. a. aus, die Aufstockung des Versorgungsauftrags für Herrn Dr. J. im Quartal II/09 habe sie bereits im Rahmen des Zuweisungsbescheides zum Regelleistungsvolumen berücksichtigt, indem die Fallzahl des Vorgängers von 319 auf 499 erhöht worden sei. Im Übrigen hielt sie an ihrer Auffassung fest, dass bei Übernahme eines Vertragsarztsitzes eine "Neugründung" im Sinne der sog. Jungen-Praxis-Regelung nicht vorliege. Abzustellen sei auch nicht auf den einzelnen angestellten Arzt, sondern auf die Fallzahl des Arztsitzes. Deshalb sei für Herrn Dr. J. die Fallzahl des MVZ-Arztsitzes des "alten" angestellten Arztes Dr. G. zu Grunde zu legen. Es seien daher auch im Quartal I/09 nicht die Grundsätze einer "Jungen Praxis" anerkannt worden. Bei Herrn I. bestehe die Besonderheit, dass er im Referenzquartal nur anteilig tätig gewesen sei. Im Sinne einer Bestwertregelung habe sie nicht dessen Fallzahl hochgerechnet, sondern anteilig die Fachgruppen-Fallzahl hinzuaddiert. Unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Fallzahl der Fallgruppe in Höhe von 1.088 und seines Zulassungsumfangs in Höhe von 0,25 ergebe sich eine Fallzahl in Höhe von 170 Fällen, in Addition seiner 36 Fälle ergebe sich insgesamt eine Fallzahlhöhe von 206 Fällen. Der Aufschlag von 10 % auf das Regelleistungsvolumen für Arztgruppen- und schwerpunktgleiche Berufsausübungsgemeinschaften solle die im ersten Halbjahr 2009 noch fehlende Generierungsmöglichkeit von Arztfallzahlen ausgleichen. Mit zwei Orthopäden und zwei Chirurgen sei das MVZ fachübergreifend und habe bereits im Jahr 2008 der Kennzeichnungspflicht unterlegen. Eine exakte Zuweisung der tatsächlichen Behandlungsfälle sei möglich gewesen. Ein Anwachsen zum Fachgruppendurchschnitt erfordere keine Sonderregelung, da jeweils die Fallzahlen des Vorjahresquartals maßgeblich seien, unabhängig von der Steigerung. Die Fallwerte seien zutreffend berechnet worden. Bei Dr. E. liege mit den Leistungen nach Nr. 02341 (Punktion II) und 02350 (Fixierender Verband) EBM im Quartal II/09 eine Praxisbesonderheit vor, da diese Leistungen zu einer Erhöhung des Honorarvolumens um 8,71 Euro pro Fall bei einem Fachgruppenfallwert von 23,59 Euro und damit um mehr als 30 % geführt hätten. Leistungen nach Nr. 33050 EBM (Sonographische Untersuchung von Gelenken) führten nur zu einer Erhöhung um 3,57 Euro und damit um weniger als 30 %. Bei Frau F. sei der Fallwert im Quartal II/09 lediglich um 11,83 % überschritten worden. Bei Herrn I. würde der Fallwert lediglich um 2,54 % überschritten. Herr Dr. J. sei im Aufsatzquartal II/08 noch nicht niedergelassen gewesen. Die Fallwertabstaffelung sei zutreffend berechnet worden.

Hiergegen hat die Klägerin am 24.11.2010 die Klage zum Az.: S 12 KA 865/10 erhoben. Die Kammer hat auf Antrag der Beteiligten das Verfahren mit Beschluss vom 28.06.2012 zum Ruhen gebracht. Das Verfahren hat die 16. Kammer von Amts wegen am 13.02.2015 unter dem Az.: S 16 KA 59/15 wieder aufgerufen und zuständigkeitshalber am 23.09.2015 an die Kammer abgegeben.

Die Klägerin ist weiterhin der Auffassung, dem MVZ sei eine Anhebung der Fallzahlen nach der Regelung für "junge Praxen" zu gewähren. Maßgeblich sei auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der Arztsitz in das MVZ eingebracht worden sei. Es müsse auch eine Steigerung auf den Durchschnittsumsatz möglich sein. Auch halte sie die Nichtgewährung des Aufschlags für das MVZ für rechtswidrig, ebenso die Ablehnung einer Fallwerterhöhung. Die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 17.07.2013 B 6 KA 44/12 R - betreffe eine andere Fallkonstellation. Nach einer Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg vom 19.02.2014 - L 7 KA 68/12 - stünden einem MVZ innerhalb der ersten drei Jahres seines Bestehens die allgemeinen Wachstumsmöglichkeiten einer Anfänger-Aufbaupraxis zu. Das MVZ sei durch die Einbringung der Arztsitze für Herrn Dr. D., Facharzt für Chirurgie, und Herrn Dr. C., Facharzt für Orthopädie, gegründet worden. Beide seien zunächst als angestellte Ärzte im MVZ tätig gewesen. Herr Dr. D. sei seinerzeit bereits 65 Jahre alt gewesen. Die Honorarumsätze seien in den letzten fünf Quartalen vor Praxisabgabe stark rückläufig gewesen, die Fallzahlen seien ebf. unterdurchschnittlich gewesen. Entsprechend stelle sich die Situation für Herrn Dr. C. dar. Dieser habe den Sitz von Herrn Dr. K. übernommen, der schwer erkrankt gewesen sei. Er habe dann seinen Sitz, ohne dass er zuvor selbst auf diesem Sitz in Einzelpraxis tätig geworden wäre, durch Verzicht und gleichzeitiger Anstellung in das MVZ eingebracht und sei dort bis zum 18.03.2007 selbst als angestellter Arzt tätig gewesen. Die Fallzahlen seien ebenfalls weit unterdurchschnittlich gewesen. Dr. C. sei im MVZ nur 2 ½ Monate bis 18.03.2007 im MVZ tätig gewesen. Sein Sitz sei nach Aufteilung durch die Ärzte Dr. G. mit 0,5, Dr. H. mit 0,25 und I. mit 0,25 nachbesetzt worden. Ab 01.07.2008 sei dann Dr. J. mit 0,75 auf den Sitz von Dr. G. mit 0,5 und den schon länger freien Sitz des Dr. H. mit 0,25 nachgefolgt. Von den 1.884 Fällen der Praxis im Aufsatzquartal II/08 seien 7 Fälle mit ausschließlich § 115b-Leistungen sowie Leistungen der Strahlentherapie abzuziehen. Die Zahl der orthopädischen und chirurgischen Grundpauschalen habe 1.889 Fälle betragen, wovon 537 Fälle auf den orthopädischen Bereich entfallen seien. Sie bestreite, dass sich ermitteln lasse, wie sich die Abrechnung der orthopädischen Grundpauschalen auf die einzelnen Behandler aufteile. Die Zweifel an der Validität der Daten ergebe sich auch an der zugewiesenen Fallzahl für Dr. J., die mit den ermittelten Daten nicht übereinstimme.

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 08.02.2010 bzgl. des Quartals II/09 und den Honorarbescheid für das Quartal II/09, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, sie über ihr Regelleistungsvolumen und ihr Honorar für das Quartal II/09 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie ist weiterhin der Auffassung, sie habe die Regelleistungsvolumina für die einzelnen Ärzte zutreffend berechnet. Ergänzend weise sie darauf hin, dass Herr Dr. E., Herr I. und Frau F. im Quartal II/09 ihr jeweiliges arztbezogenes Regelleistungsvolumen nicht ausgeschöpft hätten. Lediglich bei Dr. J. sei eine Überschreitung eingetreten. Gleichfalls ist sie weiterhin der Auffassung, dass der Klägerin der Aufschlag von 10 % nicht zustehe und auch die Fallwerte zutreffend ermittelt worden seien. Sie habe nunmehr auf Grund eines neuen Vorstandsbeschlusses die Prüfung von Praxisbesonderheiten im aktuellen Quartal und nicht anhand des Aufsatzquartals überprüft. Es ergebe sich nur eine geringfügige Änderung. Lediglich Dr. E. überschreite mit einem individuellen Fallwert von 33,27 Euro den durchschnittlichen Fachgruppenfallwert von 23,59 Euro um 41,02 %. Abweichend vom Aufsatzquartal würden die Nrn. 02341 und 02350 EBM nicht mehr abgerechnet werden. Daraus ergebe sich anders als noch im Widerspruchsbescheid keine Praxisbesonderheit mehr. Es sei jetzt aber eine Praxisbesonderheit hinsichtlich der Gelenksonographie und deren Begleitleistung (Nr. 33050, 07311 EBM) festgestellt worden. Dies führe zu einer Erhöhung des abgerechneten Honorarvolumens von 8,75 Euro pro Fall. Im Ergebnis könne daher der Fallwert um 8,75 Euro auf 32,34 Euro erhöht werden. Da im Widerspruchsbescheid bereits eine Erhöhung auf 32,30 Euro zustanden worden sei, ergebe sich durch die neue Prüfung lediglich eine Erhöhung um 0,04 Euro. Die lebenslange Arztnummer sei erst zum Quartal III/08 eingeführt worden. Die Berechnung der Fallzahl für das RLV erfolge daher anhand der Arztfälle. Bei fachungleicher BAG entspreche die Zahl der Arztfälle anhand einer Bestwertregelung der Summe der abgerechneten Grund-, Versicherten- und Konsiliarpauschalen. Sei diese höher als die Zahl der Behandlungsfälle, werde die Arztfallzahl anhand der jeweils abgerechneten Pauschalen bemessen. Andernfalls werde die Zahl der Behandlungsfälle. die über die Summe der Pauschalen hinausgehe, anhand der jeweils von den Ärzten abgerechneten Pauschalen im Verhältnis zur Anzahl der insgesamt abgerechneten Pauschalen zu den einzelnen Pauschalen hinzuaddiert. Im Aufsatzquartal II/08 habe die Klägerin 1.884 ambulant-kurative Fälle abgerechnet, die für das RLV maßgeblich sei. Die Pauschalen nach Nr. 18211 und 18212 EBM seien insgesamt 537-mal abgerechnet worden. Hiervon seien 319 Leistungen auf Dr. G. und 218 Leistungen auf Herrn I. entfallen. Nach dem EBM habe eine Kennzeichnungspflicht bestanden. Im Quartal II/09 seien Herrn I. seine eigenen Werte zugeordnet worden, da er im Quartal II/08 bereits tätig gewesen sei. Dr. J. habe die Werte von Dr. G. erhalten, die entsprechend des höheren Tätigkeitsumfangs des Dr. J. angepasst worden seien. Soweit ihm die Fallzahl von 499 anstatt 479 zuerkannt worden sei, beruhe dies auf einem Rechenfehler oder einer fehlerhaften Eintragung.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 25.01.2016 ein Teilanerkenntnis in Höhe von 0,04 EUR bzgl. des Fallwerts des Herrn Dr. E. und einer hieraus resultierenden Erhöhung des Regelleistungsvolumens um 8,34 EUR und einer Honorarnachzahlung von 7,11 EUR abgegeben, das die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 15.02.2016 angenommen hat.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 05.01.2016 erklärt, nach Anerkennung der Fallwerterhöhung um 0,04 EUR für Herrn Dr. E. habe sich dieser Streitpunkt erledigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die Klage ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.

Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid vom 08.02.2010 bzgl. des Quartals II/09 und der Honorarbescheid für das Quartal II/09, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2010 sind rechtswidrig und waren daher aufzuheben. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Neubescheidung über ihr Honorar und das Regelleistungsvolumen für das Quartal II/09 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Der Klage war daher stattzugeben.

Rechtsgrundlage für die Festsetzung von Regelleistungsvolumina und Qualitätsgebundenen Zusatzvolumina ist der ab 01.01.2009 gültige Honorarvertrag vom 13.12.2008 (im Folgenden: HVV). Auf der Grundlage der Beschlüsse des (Erweiterten) Bewertungsausschusses gemäß § 87b SGB V werden nach Abschnitt II.1 HVV arztbezogen Regelleistungsvolumina auch für die Arztgruppe der angestellten Ärzte der Klägerin ermittelt. Die Zuweisung der Regelleistungsvolumina erfolgt praxisbezogen. Dabei ergibt sich die Höhe des Regelleistungsvolumens einer Arztpraxis aus der Addition der Regelleistungsvolumina je Arzt, die in der Arztpraxis tätig sind (Arztfall). Das Regelleistungsvolumen wird aus dem Produkt des KV-bezogenen arztgruppenspezifischen Fallwertes und der RLV-Fallzahl des Arztes gemäß 2.3 im Vorjahresquartal gebildet (Abschn. II Ziff. 3.2.1 HVV). Nach Abschn. II Ziff. 3.5 HVV "Regelleistungsvolumen bei Neuzulassung und Umwandlung der Kooperationsform" wird für Ärzte, die im Aufsatzzeitraum noch nicht niedergelassen waren, das arztgruppendurchschnittliche Regelleistungsvolumen für das jeweilige Quartal zugrunde gelegt. Soweit diese Ärzte eine Praxis übernommen haben, werden stattdessen die Fallzahlen des Vorgängers zugrunde gelegt, soweit dies die für den Vertragsarzt günstigere Regelung darstellt. Diese Regelung beruht auf dem Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses gemäß § 87 Abs. 4 SGB V zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung in seiner 7. Sitzung am 27. und 28. August 2008. Nach Teil F Ziff. 3.5 "Regelleistungsvolumen bei Neuzulassung und Umwandlung der Kooperationsform" beschließen die Partner der Gesamtverträge für Neuzulassungen von Vertragsärzten und Umwandlung der Kooperationsform Anfangs- und Übergangsregelungen. Über das Verfahren der Umsetzung einigen sich die Partner der Gesamtverträge. Sofern nichts entsprechend Anderes vereinbart wurde, gilt für Ärzte, die im Aufsatzzeitraum noch nicht niedergelassen waren (Neupraxen), das arztgruppendurchschnittliche Regelleistungsvolumen für das jeweilige Quartal.

Ausgehend von diesen Regelungen hat die Beklagte der Klägerin die Regelleistungsvolumina für das strittige Quartal II/09 auf der Grundlage der Fallzahlen für das Vorjahresquartal festgesetzt. Strittig zwischen den Beteiligten ist lediglich der orthopädische Bereich. Soweit die Beklagte die Berechnung auf der Grundlage Abrechnungswerte des Dr. G. vorgenommen hat und hierbei zu einer höheren RLV-Fallzahl für Dr. J. gelangt ist, wird die Klägerin hierdurch nicht beschwert. Herr I. war bereits im Aufsatzquartal tätig. Herr Dr. J. folgte im Wesentlichen Herrn Dr. G. nach.

Die Beklagte ist auch zu nach dem HVM zu Recht von den Abrechnungswerten des Dr. G. und des Herrn I. im Aufsatzquartal II/08 ausgegangen. Die Klägerin hat aber einen Anspruch auf eine Erhöhung der Fallzahl für das Regelleistungsvolumen, da ihr im Ergebnis die Fallzahlen des aktuellen Quartals oder des Fachgruppendurchschnitts zuzuweisen sind.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bestehen zwar bei der Neuformierung einer BAG durch Austritt oder Neueintritt eines Partners die Gesellschaft bürgerlichen Rechts und die Partnerschaftsgesellschaft und gleichermaßen auch die BAG unverändert fort. Dies gilt beim Eintritt eines neuen Partners unabhängig davon, wie lange dieser schon praktiziert hat. Eine BAG kann sich nicht durch Aufnahme eines jungen Partners "verjüngen" und so die Eigenschaft als Aufbaupraxis länger als fünf Jahre - oder gar durch regelmäßige Neueintritte junger Partner fortwährend - behalten. Vielmehr müssen sich die BAG und der Neueintretende darüber im Klaren sein, dass dieser sich durch den Eintritt in die BAG in diese einbindet. Damit kann der Verlust von bestimmten Vorteilen verbunden sein, wie etwa der bisherigen Position seiner Einzelpraxis als Aufbaupraxis, wenn nämlich die BAG, in die er eintritt, keine Aufbaupraxis mehr ist. Das Bundessozialgericht lässt es u.a. dahinstehen, ob die Rechte des Eintretenden aus der Eigenschaft seiner bisherigen Einzelpraxis als Aufbaupraxis dann weiter wirken könnten, wenn er - indem er sich mit anderen Einzelpraxisinhabern zusammenschließt - erst die BAG zur Entstehung bringt. Die KV wird allerdings im ersten Jahr nach dem Eintritt eines Arztes in eine BAG das RLV für die BAG nicht allein nach deren Fallzahl im jeweiligen Vorjahresquartal berechnen dürfen, sondern eine zusätzliche Fallzahl für das neu eintretende Mitglied berücksichtigen müssen - was z.B. entweder durch eine Erhöhung der Fallzahl der BAG entsprechend dem Personenzuwachs in der BAG oder durch Hinzurechnung der vom Eintretenden zuvor erbrachten Fallzahlen erfolgen kann und was evtl. normativ-schematisch durch die KV vorgegeben oder an der Gestaltung des konkreten Falles ausgerichtet werden kann -. Eine Sonderregelung zur Berücksichtigung zusätzlich geleisteter Behandlungsfälle ist aber dann nicht erforderlich, wenn der betreffende Arzt bereits im Aufsatzquartal tätig war. Eine Sonderregelung für eine unterdurchschnittlich abrechnende Praxis lehnt das Bundessozialgericht ab. Dem Bewertungsausschuss und der KV kommt die Befugnis zu, das RLV nach der vorjährigen geringeren Fallzahl zu bemessen und somit den Wachstumsanspruch einem einjährigen Moratorium zu unterwerfen. Die Bestimmung, dass für die Bemessung des RLV die Fallzahl im Vorjahresquartal maßgebend ist, hält sich in dem beschriebenen zulässigen Rahmen (vgl. BSG, Urt. v. 17.07.2013 - B 6 KA 44/12 R - SozR 4-2500 § 87b Nr. 2, juris Rdnr. 26 ff.; das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschl. v. 29.08.2014 - 1 BvR 864/14 - die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil nicht zur Entscheidung angenommen).

Im Anschluss hieran hat die Kammer entschieden, dass der Zusammenschluss eines seit längerem zugelassenen Vertragsarztes mit einem neu niedergelassenen Facharzt gleicher Fachrichtung zu einer BAG an dessen Praxisstandort ab dem 2. Leistungsjahr zu keinen Besonderheiten bei der Zuweisung des Regelleistungsvolumens führt. Maßgeblich sind die Fallzahlen des Vorjahresquartals. Insofern sieht die Kammer keinen Unterschied zwischen dem Beitritt eines neu niedergelassenen Vertragsarztes zu einer bereits bestehenden BAG und der Neugründung einer BAG, wenn der andere Gemeinschaftspraxispartner bereits seit längerem tätig ist und die BAG am Praxisstandort dieses Partners gegründet wird und beide Ärzte gleicher Fachrichtung sind. Insofern wird die bereits bestehende Praxis nunmehr erweitert und fortgeführt, wenn auch in rechtlicher Hinsicht eine Zäsur besteht und die Einzelpraxis von der BAG als Leistungserbringer zu unterscheiden ist (vgl. SG Marburg, Gerichtsb. v. 06.02.2015 S 12 KA 137/14 - juris Rdnr. 35; siehe auch SG Marburg, Urt. v. 08.04.2015 - S 11 KA 332/12 juris; SG Marburg, Urt. v. 23.04.2015 - S 16 KA 156/13 - juris). Nicht anders verhält es sich bei dem Einbringen eines Vertragsarztsitzes in ein MVZ oder der Anstellungsnachfolge in einem MVZ. Gerade bei der Anstellungsnachfolge ist von der Kontinuität der Leistungserbringung auszugehen, da Leistungserbringer das MVZ und nicht der angestellte einzelne Arzt ist. Letztlich kommt es hierauf aber nicht an, da Ziff. 3.5 HVV und der genannte Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses auch bei Neuniederlassungen ab dem 2. Leistungsjahr von der Fallzahl im Aufsatzquartal ausgehen, was nach der genannten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht zu beanstanden ist.

Im Unterschied zu den genannten Fallkonstellationen handelt es sich aber im hier strittigen orthopädischen Bereich um eine sog. Aufbaupraxis oder junge Praxis. Dies folgt nicht aus dem Umstand der Neugründung des MVZ oder der Anstellungsnachfolge, sondern daraus, dass Herr Dr. C., dessen Sitz in das MVZ eingebracht wurde, erstmals zum 01.10.2006 zugelassen wurde und es sich in dessen Nachfolge im hier streitigen Abrechnungsquartal II/09 erst um das elfte Abrechnungsquartal handelt.

Sog. Anfängerpraxen, d.h. Praxen in der Aufbauphase, muss zumindest für einen begrenzten Zeitraum ein unbeschränktes Wachstum zugestanden werden.

Während bei etablierten Praxen das über lange Jahre hinweg relativ konstante Umsatzniveau einen zuverlässigen Indikator des von dem einzelnen Vertragszahnarzt gewünschten oder maximal erreichbaren Ausmaßes seiner Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung darstellt, ist dieser Schluss bei kleinen Praxen jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht zulässig. Er berücksichtigt insbesondere nicht hinreichend, dass zumindest in neu gegründeten Praxen in aller Regel zunächst relativ wenige Patienten behandelt werden und typischerweise erst nach einer längeren Aufbauphase ein durchschnittlicher und ggf. auch überdurchschnittlicher Umsatz erreichbar ist. Gerade bei Praxen in der Gründungsphase ist der im Bemessungszeitraum erreichte Umsatz vielfach keineswegs das Ergebnis einer bewussten Entscheidung des Praxisinhabers für einen bestimmten - von ihm angestrebten oder als unabänderlich hingenommenen - Umsatz seiner Praxis, sondern unvermeidliches Durchgangsstadium auf dem Weg zu einer gewünschten größeren Patientenzahl (vgl. BSG, Urt. v. 21.10.1998 - B 6 KA 71/97 R - SozR 3-2500 § 85 Nr. 28 = BSGE 83, 52, juris Rdnr. 24). Die Wachstumsmöglichkeit bezieht sich insb. auf die Erhöhung der Zahl der von den Vertragsärzten behandelten Fälle bzw. Patienten (vgl. BSG, Urt. v. 28.01.2009 - B 6 KA 5/08 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 45, juris Rdnr. 27). Sie sind von Fallzahlzuwachsregelungen freizustellen (vgl. BSG, Urt. v. 03.02.2010 - B 6 KA 1/09 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 50, juris Rdnr. 15). Der Zeitraum der Aufbauphase kann auf einen Zeitraum von drei, vier oder fünf Jahren bemessen werden, in dem ihnen die Steigerung ihres Honorars auf den Durchschnittsumsatz sofort möglich sein muss (vgl. BSG, Urt. v. 28.03.2007 - B 6 KA 9/06 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 32, juris Rdnr. 16; BSG, Urt. v. 03.02.2010 - B 6 KA 1/09 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 50, juris Rdnr. 15). Die Bemessung des Zeitraums der Aufbauphase erfolgt im HVV durch dessen Vertragspartner bzw. in der Satzung über die Honorarverteilung durch die KV (vgl. BSG, Urt. v. 10.12.2003 - B 6 KA 54/02 R - BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 5, juris Rdnr. 30; BSG, Urt. v. 17.07.2013 - B 6 KA 44/12 R - SozR 4-2500 § 87b Nr. 2, juris Rdnr. 23; zusammenfassend LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 05.10.2016 - L 5 KA 773/13 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris Rdnr. 30).

Insofern setzt Abschn. II Ziff. 3.5 HVV die Vorgaben des Erweiterten Bewertungsausschusses in Teil F Ziff. 3.5 nur unzureichend um. Abschn. II Ziff. 3.5 HVV trifft eine Regelung nur für das erste Niederlassungsjahr, da nur die fehlende Niederlassung im Vorjahresquartal als dem maßgeblichen Aufsatzquartal erfasst wird. Dies widerspricht dem aus dem Gleichheitsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG) und der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) bzw. dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit folgenden Differenzierungsgebot für sog. junge Praxen (vgl. BSG, Urt. v. 17.07.2013 - B 6 KA 44/12 R - SozR 4-2500 § 87b Nr. 2, juris Rdnr. 21), die einer Aufbauphase von wenigsten drei Jahren unterliegen.

Die Klägerin befand sich im orthopädischen Bereich noch in der Aufbauphase. Abzustellen ist auf den in das MVZ eingebrachten Sitz. Insofern beginnt die Aufbauphase mit dem Quartal IV/06 und war im Quartal II/09 der Mindestzeitraum von drei Jahren nicht abgeschlossen. Insofern macht es keinen Unterschied, ob der Vertragsarzt nach der Niederlassung alleine tätig ist oder den Sitz als einzigen Sitz seines Fachgebiets in eine Berufsausübungsgemeinschaft oder ein MVZ einbringt. Lediglich in dem Fall, dass in der Berufsausübungsgemeinschaft bereits das Fach des Vertragsarztes vertreten ist oder wenn sich der neu niedergelassene Vertragsarzt mit einem seit langem zugelassenen Vertragsarzt des gleichen Fachgebiets zu einer Berufsausübungsgemeinschaft zusammenschließt, ist, wie bereits ausgeführt, nicht von einer Aufbaupraxis auszugehen. Bei der Gründung einer Berufsausübungsgemeinschaft zweier unterschiedlicher Fachgebiete bzw. beim Einbringen unterschiedlicher Fachgebiete in ein MVZ kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass der Patientenstamm des bereits etablierten Arztes auch dem anderen Arzt zugutekommt. Die vom Bundessozialgericht noch offen gelassene Frage, ob die Rechte des Eintretenden aus der Eigenschaft seiner bisherigen Einzelpraxis als Aufbaupraxis dann weiter wirken könnten, wenn er - indem er sich mit anderen Einzelpraxisinhabern zusammenschließt - erst die BAG zur Entstehung bringt, ist daher im Sinne des Weiterwirkens als Aufbaupraxis zu beantworten.

Im Übrigen war nicht der Rechtsprechung des LSG Berlin-Brandenburg (Urt. v. 19.02.2014 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris Rdnr. 23 ff.) zu folgen, wonach einem MVZ innerhalb der ersten drei Jahre seines Bestehens die allgemeinen Wachstumsmöglichkeiten einer Anfänger- und Aufbaupraxis auch dann einzuräumen sind, wenn unterdurchschnittlich abrechnende Vertragsärzte ihre Vertragsarztsitze bei der Gründung eingebracht haben und kurze Zeit später durch neu angestellte Ärzte ersetzt werden. Dies beruht im Wesentlichen auf den vom LSG Berlin-Brandenburg angeführten Honorarverteilungsvertrag, der erst nach Ablauf von 12 Quartalen nach der Niederlassung vorsieht, dass sich das Regelleistungsvolumen auf der Basis der Fallzahl des Vorjahresquartals berechnet. Eine entsprechende Regelung enthält der HVV nicht. Für eine so weitgehende Regelung besteht keine Rechtsverpflichtung. Es muss lediglich für eine wenigstens dreijährige Aufbauphase, die bereits vor Gründung des MVZ beginnen kann, von fallzahlbegrenzenden Maßnahmen bis zum Fachgruppendurchschnitt abgesehen werden. Die Anstellungsnachfolge in einem MVZ ist nicht mit einer Neuniederlassung vergleichbar. Von daher war auch nicht dem LSG Baden-Württemberg (Urt. v. 05.10.2016 - L 5 KA 773/13 - a.a.O., Rdnr. 31) zu folgen, wonach es für die Einstufung von MVZ als Aufbau- bzw. Jungpraxis auf ihren Gründungszeitpunkt und nicht auf den Zeitpunkt der erstmaligen Zulassung der unter Zulassungsverzicht in das MVZ eintretenden Ärzte ankommt. Damit hätten es Vertragsärzte allein durch Gründung eines MVZ und der Einbringung ihres Sitzes bzw. ggf. ihrer Anstellung durch das MVZ in der Hand, wieder als Neupraxis zu gelten.

Die Beklagte wird daher ihren HVV durch eine weitergehende Regelung im HVV zu den sog. Aufbaupraxen ergänzen müssen.

Fehlt eine Regelung in einem HVV, so kann sie nicht durch einen Vorstandsbeschluss ersetzt werden. Die fehlende Regelung kann auch angesichts der eindeutigen Vorgabe des Erweiterten Bewertungsausschusses nicht durch einen Vorstandsbeschluss ersetzt werden, da es sich nicht um eine Einzelfallentscheidung für einen atypischen Fall handelt. Die besondere Lage einer Aufbaupraxis stellt keine unvorhersehbare Besonderheit oder unspezifische Härte dar. Vielmehr handelt es sich um "typische", immer wieder auftretende Ausnahmefälle. Die für die Honorarverteilung wesentlichen Grundsätze müssen im HVV selbst geregelt werden und dürfen nicht dem Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung im Wege von Einzelfallentscheidungen überlassen bleiben. Andernfalls würde es zu einer dem Gesetz widersprechenden Kompetenzverlagerung zum Vorstand sowie zum Unterlaufen der Einbeziehung der Krankenkassen in die Honorarverteilung kommen. Dies gilt erst recht seit der ab dem Jahre 2004 vorgeschriebenen vertraglichen Vereinbarung des HVV zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Verbänden der Krankenkassen (vgl. BSG, Urt. v. 03.02.2010 B 6 KA 1/09 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 50, juris Rdnr. 26 f.; vgl. auch zur fehlenden Regelung nach Beendigung einer Gemeinschaftspraxis SG Marburg, Urt. v. 16.11.2011 - S 12 KA 919/10 - juris Rdnr. 47, ebenso die Berufungsentscheidung, LSG Hessen, Urteil v. 27.01.2016 - L 4 KA 23/14 - Umdruck S. 16).

Ein Anspruch auf einen Aufschlag von 10 % für ein fachübergreifendes MVZ besteht nicht.

Abschnitt II Ziff. 3.2.1 Satz 3 HVV sieht für die Quartale I und II/09 einen Aufschlags i. H. v. 10 % auf das Regelleistungsvolumen nur für arztgruppen- und schwerpunktgleiche Berufsausübungsgemeinschaften und Praxen mit angestellten Ärzten derselben Arztgruppe/desselben Schwerpunkts vor. Dies entspricht den Vorgaben des Bewertungsausschusses. Arztgruppengleichheit liegt bei der Klägerin nicht vor, da bei ihr sowohl Orthopäden als auch Chirurgen und damit Fachärzte unterschiedlicher Gebiete tätig sind. Die Beklagte hat die Gründe für eine unterschiedliche Behandlung von arztgruppen- und schwerpunktgleichen einerseits und fachübergreifenden Praxen andererseits im angefochten Widerspruchsbescheid genannt. Hierauf wird verwiesen (§ 136 Abs. 3 SGG).

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Zuschlag nach Abschnitt II Ziff. 3.2.1 Satz 3 HVV auf Ziff. 1 Teil A des Beschlusses des Bewertungsausschusses zur Änderung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) sowie zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung im Jahr 2009 nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V in seiner 164. Sitzung am 17. Oktober 2008 beruht. Danach wird folgender Satz als ein dritter Absatz in den Allgemeinen Bestimmungen 5.1 aufgenommen: "In arztgruppen- und schwerpunktgleichen (Teil-) Berufsausübungsgemeinschaften oder Arztpraxen mit angestellten Ärzten derselben Arztgruppe/desselben Schwerpunktes erfolgt ein Aufschlag in Höhe von 10% auf die jeweiligen Versicherten-, Grund- oder Konsiliarpauschalen." Eine Änderung erfolgte erst ab dem Quartal III/09. Nach Ziff. 1 Teil A "Aufnahme eines weiteren Absatzes hinter Beschluss Teil F Nr. 1.2.4 zur Vorgabe von Zuschlägen für Berufsausübungsgemeinschaften und Praxen mit angestellten Ärzten:" des Beschlusses des Bewertungsausschusses nach § 87 Abs. 1 SGB V in seiner 180. Sitzung am 20. April 2009 zur Umsetzung und Weiterentwicklung der Regelungen zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung im Jahr 2009 mit Wirkung zum 01.07.2009 gilt Folgendes:
"Zur Förderung der vertragsärztlichen Versorgung in Berufsausübungsgemeinschaften wird das nach Anlage 2 Nr. 5 ermittelte praxisbezogene Regelleistungsvolumen
a) für fach- und schwerpunktgleiche Berufsausübungsgemeinschaften und Praxen mit angestellten Ärzten der gleichen Arztgruppe um 10 Prozent erhöht
b) für fach- und schwerpunktübergreifende Berufsausübungsgemeinschaften, Medizinische Versorgungszentren und Praxen mit angestellten Ärzten anderer Arztgruppen bzw. Schwerpunkte um 5 % je Arztgruppe bzw. Schwerpunkt für bzw. Schwerpunkt um 2,5 %, jedoch insgesamt höchstens um 40 % erhöht.
Diese Regelung gilt vorerst bis zum 31. Dezember 2009 ..."

Neben dem von den Sozialgerichten stets gebilligten Förderungszweck hinsichtlich kooperativer Ausübungsformen der vertragsärztlichen Tätigkeit (vgl. hierzu grundlegend BSGE 106, 49 m.w.N.) ist für die Einführung des Zuschlags maßgeblich gewesen, dass bestimmte Ordinationskomplexe und Pauschalen in einer Berufsausübungsgemeinschaft nur einmal je Behandlungsfall der gesamten Praxis abgerechnet werden können (vgl. hierzu BSG, Urt. v. 28.04.2004 - B 6 KA 19/03 R - SozR 4-2500 § 87 Nr. 5). Insoweit korrespondiert die Zuschlagsregelung in den hier maßgeblichen Beschlüssen des Bewertungsausschusses erkennbar mit den Allgemeinen Bestimmungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM 2009), wonach in arztgruppen- und schwerpunktgleichen Berufsausübungsgemeinschaften oder Arztpraxen mit angestellten Ärzten derselben Arztgruppe bzw. desselben Schwerpunkts ein Aufschlag i.H.v. 10 v.H. auf die jeweiligen Versicherten-, Grund- oder Konsiliarpauschalen erfolgt. Mit diesen sich gegenseitig ergänzenden Vorgaben des Bewertungsausschusses soll zum einen die kooperative Tätigkeit von Vertragsärzten gefördert und zum anderen der interkollegiale Aufwand bzw. die Kosten konsiliarischer Rücksprachen zwischen den ärztlichen Mitgliedern einer Berufsausübungsgemeinschaft abgegolten werden. Im Übrigen hat der Bewertungsausschuss mit der Einführung eines Zuschlags für Berufsausübungsgemeinschaften in den hier maßgeblichen Beschlüssen erkennbar an die Allgemeinen Bestimmungen über Fallpunktzahlen in den in der Zeit vom 01.07.1997 bis zum 30.06.2003 gültigen EBM-Praxisbudgets angeknüpft. Auch dort ist ein Zuschlag i.H.v. 10 v.H. für fachgleiche bzw. i.H.v. von 5 v.H. für fachübergreifende (in der damaligen Bezeichnung als) Gemeinschaftspraxen auf die Berechnung der Fallpunktzahlen vorgesehen gewesen, den die Sozialgerichte wiederum unter dem Gesichtspunkt der Förderung kooperativer Ausübungsformen der vertragsärztlichen Tätigkeit (und nicht zum Ausgleich von "Fallzählungsverlusten") als rechtmäßig angesehen haben (vgl. hierzu BSG, Beschl. vom 28.01.2004 - B 6 KA 112/03 B - juris). Nichts anderes gilt hinsichtlich der Vorgaben des Bewertungsausschusses für die in den Jahren 2005 bis 2008 gültigen RLV, in denen die Fallpunktzahl im RLV zwar nicht pauschal um einen bestimmten Prozentsatz, dafür aber konkret um 130 Punkte für arztgruppengleiche bzw. zwischen 130 und 220 Punkten für arztgruppenübergreifende Gemeinschaftspraxen zu erhöhen gewesen ist (vgl. hierzu BSG, Urt. v. 17.03.2010 B 6 KA 41/08 R - BSGE 106, 49 = SozR 4-2500 § 87 Nr. 21). Deutlich wird hieran, dass der Bewertungsausschuss seit jeher die kooperative Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit als sinnvoll angesehen und sowohl durch Vorgaben im EBM als auch zur Berechnung der RLV gefördert hat (vgl. BSG, Urt. v. 11.12.2013 - B 6 KA 4/13 R - SozR 4-2500 § 87b Nr. 5, juris Rdnr. 13; LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 13.04.2016 L 3 KA 51/13 - juris Rdnr. 34 f.).

Damit knüpft die Zuschlagsregelung insb. an den Aufschlag in Höhe von 10% auf die jeweiligen Versicherten-, Grund- oder Konsiliarpauschalen an, der seinerseits nicht zu beanstanden ist. Denn in arztgruppengleichen Berufsausübungsgemeinschaften könnten die Pauschalen nur einmal im Behandlungsfall abgerechnet werden, in arztgruppenungleichen Berufsausübungsgemeinschaften können sie jeweils von den Ärzten verschiedener Arztgruppen abgerechnet werden (vgl. LSG Hamburg, Urteil v. 25.02.2015 - L 5 KA 3/13 - juris Rdnr. 23; SG Berlin, Urt. v. 19.09.2012 - S 83 KA 399/11 - juris Rdnr. 101).

Im Übrigen erhalten ab dem Quartal III/09 auch Kooperationsformen, wie sie bei der Klägerin bestehen, eine Förderung. Für eine Anwendung dieser Regelung im hier streitbefangenen Quartal besteht keine Rechtsgrundlage und besteht auch aus den dargelegten Gründen im Hinblick auf den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit keine Notwendigkeit.

Nach allem war der Klage stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der unterliegende Teil trägt die Verfahrenskosten.
Rechtskraft
Aus
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