L 9 U 3644/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 3554/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 3644/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14. Juli 2015 abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten streitig ist die Gewährung einer Verletztenrente.

Die 1972 geborene Klägerin erlitt als Augenoptikergehilfin am 24.06.2011 einen Unfall, als sie auf dem Nachhauseweg von der Arbeit gegen 18:40 Uhr ca. 4 m vor ihrem Beschäftigungsbetrieb auf abschüssigem Gelände umknickte und auf den rechten Ellenbogen/Oberarm stürzte. Im H-Arzt-Bericht des Dr. S. wird unter dem 27.06.2011 als Erstversorgung eine geschlossene Reposition bei Ellenbogenluxation rechts und Radiusköpfchenfraktur rechts mitgeteilt. Eine Computertomographie (CT) des rechten Ellenbogengelenkes vom 28.06.2011 zeigte eine Radiusköpfchentrümmerfraktur mit multiplen Aussprengungen nach cubital und dorsal sowie eine kleine schalenförmige Aussprengung aus dem Capitulum bei intakter ulnarer Seite.

Am 29.06.2011 erfolgte im V.-Krankenhaus eine operative Radiusköpfchenresektion und Implantation einer Radiusköpfchenprothese sowie eine Refixation des ulnaren Seitenbandes zur Stabilisierung des Ellenbogengelenks (Krankheitsbericht des Chefarztes Dr. R. vom 29.06.2011). Der stationäre Aufenthalt dauerte bis zum 13.07.2011. Während Dr. R. zunächst von einer Arbeitsunfähigkeit von sechs Wochen ausging, wurde der Klägerin in der Folgezeit mehrfach fortbestehende Arbeitsunfähigkeit bescheinigt, zuletzt bis zum 01.01.2012. In der Zeit vom 06.08.2011 bis 31.12.2011 bezog die Klägerin Verletztengeld.

Im Ersten Rentengutachten vom 24.10.2012 beschrieb der Chirurg Dr. W. als wesentliche Unfallfolgen: Schmerzhaftes Belastungsdefizit rechtes Ellenbogengelenk, endgradige konzentrische Bewegungseinschränkung rechtes Ellenbogengelenk, beschriebene radiologische Veränderungen am rechten Ellenbogengelenk nach Radiusköpfchen-Resektion und Implantation einer Radiusköpfchen-Prothese sowie Bandrekonstruktionen, beschriebene Narben im Bereich rechter Oberarm/Ellenbogengelenk sowie glaubhaft geschilderte subjektive Beschwerden. Die Klägerin sei voll arbeitsfähig, die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage ab dem 01.01.2012 voraussichtlich dauerhaft 20 vom Hundert (v. H.). Die Streckung/Beugung des Ellenbogengelenks wurde mit 0-10-135° gegenüber links mit 5-0-150° angegeben.

Mit Bescheid vom 20.11.2012 anerkannte die Beklagte das Ereignis vom 24.06.2011 als Arbeitsunfall mit den Unfallfolgen endgradige Bewegungseinschränkung im Ellenbogengelenk mit belastungsabhängigen Schmerzen und Narben im Bereich des Ellenbogengelenks und Oberarms nach Speichenköpfchentrümmerbruch mit Implantation einer Speichenköpfchenprothese, ellenseitiger Bandverletzung und Ellenbogengelenksverrenkung. Nicht als Unfallfolge anerkannt wurde ein 2006 festgestellter körperferner Speichenbruch rechts nach Privatunfall. Aufgrund der Unfallfolgen gewährte die Beklagte mit dem Bescheid eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um 20 v. H. als Gesamtvergütung für die Zeit vom 01.01.2012 bis 31.12.2012 in Höhe von insgesamt 2472,97 EUR und führte aus, über den 31.12.2012 hinaus bestehe voraussichtlich kein Anspruch auf Rente.

Am 17.12.2012 beantragte die Klägerin die Rentenfortzahlung gemäß § 75 Abs. 1 Satz Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII). Im daraufhin eingeholten Rentengutachten vom 17.01.2013 nahm der Orthopäde Dr. C. für die Zeit ab 31.12.2012 bis auf Weiteres eine MdE um 10 v. H. an und führte dazu aus, zwar habe sich die Beweglichkeit des rechten Ellenbogengelenks gegenüber den im Vorgutachten dokumentierten Funktionswerten verschlechtert (0-20-120° rechts gegenüber 10-0-140° links). Dies sei auf die im Röntgenverlauf zu beobachtende Entwicklung von Kapsel-Band-Verkalkungen und die beginnende Humero-Ulnararthrose zurückzuführen, welche wahrscheinlich fortschreiten würden. Grundlage der Einschätzung einer unfallbedingten MdE sei nach der stattgehabten Verletzung der eingetretene Funktionsverlust, welcher nach Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit (8. Aufl. 2010, Seite 530) erst ab einer Bewegungseinschränkung von 0-30-90° mit einer MdE von 20 v. H. bewertet werden könne. Das Streckdefizit im rechten Ellenbogen sei bei der Klägerin zwar noch geringer, allerdings seien auch der arthroalloplastische Ersatz des Speichenköpfchens und die endgradige verminderte Unterarmdrehbeweglichkeit sowie die Kraftminderung der rechten Hand zu berücksichtigen, wodurch sich eine unfallbedingte MdE um 10 v. H. rechtfertigen lasse.

Mit Bescheid vom 12.03.2013 lehnte die Beklagte unter Hinweis auf das Gutachten von Dr. C. die Bewilligung einer Verletztenrente nach Ablauf des Gesamtvergütungszeitraumes (bis 31.12.2012) ab.

Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, nach der von Dr. C. festgestellten Verschlechterung der Unfallfolgen sei eine Einstellung der Verletztenrente für sie nicht nachvollziehbar.

Im Nachschaubericht des Dr. R. vom 26.06.2013 berichtete dieser über von der Klägerin angegebene persistierende Schmerzen im rechten Ellenbogen. Die Beweglichkeit in Extension/Flexion betrage 60-0-80°. Beim Durchbewegen des rechten Ellenbogens sei eine Krepitation wahrzunehmen. Es wurde eine Überweisung zum Neurologen ausgestellt.

Aufgrund der dortigen Untersuchung berichtete die Neurologin Dr. K. unter dem 26.06.2013, die Klägerin sei im psychopathologischen Befund altersentsprechend, wach, in allen Qualitäten voll orientiert, gewesen, im Kontakt freundlich und zugewandt, im Affekt ausgeglichen ohne Anhalt für formale oder inhaltliche Denkstörungen. Es bestünden seit der Radiusköpfchenfraktur Bewegungseinschränkungen und belastungsabhängige Schmerzen am Ellenbogen mit deutlicher Betonung der ulnaren Seite. Typische Beschwerden für eine Reizung des Nervus ulnaris (vom Ellenbogen nach distal ausstrahlende elektrisierende Missempfindungen, sensible Störungen Digiti IV und V) seien nicht geschildert worden. Bei unauffälligem neurologischen Befund fänden sich auch in der elektroneurographischen Untersuchung keine Anhaltspunkte für eine Schädigung des Nervus ulnaris durch den Unfall. Auch ein Karpaltunnelsyndrom liege nicht vor, Hinweise auf ein CRPS (komplexes regionales Schmerzsyndrom) fehlten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.09.2013 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück mit der Begründung, zwar habe sich die Beweglichkeit im rechten Ellenbogengelenk verschlechtert, jedoch begründe die in diesem Bereich vorhandene Bewegungs- und Funktionseinschränkung keine MdE um 20 v. H. Das Streckdefizit im rechten Ellenbogengelenk sei derzeit noch gering und die Unterarmdrehbeweglichkeit sei lediglich endgradig eingeschränkt.

Am 14.10.2013 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben mit der Begründung, Dr. W. sei in seinem ersten Gutachten von einer dauerhaft vorliegenden MdE um 20 v. H. ausgegangen. Demnach könne bei einer weiteren Verschlechterung der Unfallfolgen die Rente nicht entzogen werden. Zudem sei auch nicht die von Dr. C. festgestellte seelische Erkrankung der Klägerin berücksichtigt worden. Bei der Klägerin liege eine massive psychische Belastung mit Krankheitswert vor, wozu weitere Aufklärung erforderlich sei.

Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt. Der Neurologe und Psychiater Dr. K. hat am 18.02.2014 berichtet, dass die Klägerin sich bereits vor dem Unfallereignis vom 24.06.2011 in seiner ambulanten Behandlung befunden habe. Die Diagnosen vor und nach dem Unfall und der Befund hätten sich durch den Unfall nicht verändert. Möglicherweise liege der Schwerpunkt der Leiden auf orthopädischem Fachgebiet. Die Frage nach Unfallfolgen könne er von psychiatrischer Seite aus nicht beantworten. Dr. R. hat unter dem 24.02.2014 ausgeführt, als wesentliche Unfallfolgen lägen noch Bewegungseinschränkungen im rechten Ellenbogengelenk vor, die nur noch eine MdE um 10 v. H. bedingten. Der Hausarzt Dr. H. hat unter dem 19.03.2014 auf die behandelnden Fachärzte verwiesen, da er keine Therapie zu dem Unfall durchgeführt habe. Die behandelnde Psychotherapeutin C. R. hat unter dem 08.05.2014 ausgeführt, als Unfallfolgen lägen Bewegungseinschränkungen und Folgeschäden vor, welche sich auf die Alltagsgestaltung der Klägerin negativ auswirkten. Als Unfallfolge bestehe auch eine rezidivierende depressive Störung. Depressive Phasen könnten durch verschiedene Umstände ausgelöst werden. Im folgenden Falle trügen die Unfallfolgen wesentlich zu einer Verschlechterung bei. Zwar könne sie die orthopädische Problematik nicht beurteilen, jedoch sei aus psychotherapeutischer Sicht eine Beschäftigung in einer beruflichen Tätigkeit nur noch halbschichtig möglich. Der Facharzt für Orthopädie Dr. S. hat unter dem 17.02.2014 mitgeteilt, der Zustand des rechten Ellenbogens sei seit Anfang 2012 etwa gleich bleibend, aber mit Schwankungen in der Schmerzsymptomatik, belastungsabhängig. Bei einer Untersuchung am 22.01.2014 habe die Beweglichkeit des rechten Ellenbogengelenks bei 0-15-120° gelegen.

Die Klägerin hat sodann die Einholung eines Gutachtens zu den unfallbedingten psychischen Beeinträchtigungen beantragt. Das SG hat daraufhin auf Antrag und Kostenrisiko der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den Neurologen Dr. P. mit der Gutachtenserstellung beauftragt. Dieser hat unter dem 22.04.2015 als Unfallfolgen eine mittelgradige depressive Episode (ICD 10: F 32.1), ein chronisches Schmerzsyndrom nach Radiusköpfchen-Trümmerfraktur rechts (ICD 10: F 45.40) sowie eine axonale sensible Ulnaris-Läsion in Remission als Unfallfolgen festgestellt. Bezüglich der depressiven Episode liege zwar eine Schadensanlage vor. Bereits vor dem Unfallereignis sei es zu rezidivierenden depressiven Episoden bis hin zu einem Suizidversuch gekommen, die jeweils zu medikamentöser Behandlung, stationären Klinikaufenthalten und der Notwendigkeit anhaltender psychotherapeutischer Behandlung geführt hätten. Das Unfallereignis und die darauf folgende Einschränkung der Autonomie und Selbstständigkeit (mit der Möglichkeit des Verdiensts der eigenen Lebensgrundlage) habe zu einer erneuten Erschütterung geführt. Darauf sei eine der Entwicklungslinie psychischer Vulnerabilität folgende depressive Reaktion der Klägerin mit Rückzugsverhalten, Selbstwertminderung, Resignation und Zukunftsängsten erfolgt. Es ließen sich weder in den biographischen Angaben noch aktenkundig konkurrierende Faktoren für das Wiederauftreten der depressiven Episode - die derzeit weiterhin anhaltend sei - in einem anderen Ursachenzusammenhang als dem Unfall finden. Die Klägerin werde multimodal behandelt und zwar medikamentös sowie durch psychiatrische Gespräche und Psychotherapie. Funktionale Einschränkungen bestünden durch ein schmerzhaftes Belastungsdefizit des rechten Ellenbogengelenks, eine Bewegungseinschränkung sowie eine Feinmotorikstörung. Durch das chronische Schmerzsyndrom werde die auf unfallchirurgischem Fachgebiet bereits bestehende Bewegungseinschränkung verstärkend zusätzlich eingeschränkt. Nach der Gutachtensliteratur (H.) bestehe bei der Konstellation der Klägerin eine MdE um 20 v.H. Die Abweichung von dem Gutachter C. ergebe sich daraus, dass dieser die weiteren Einschränkungen durch das Schmerzsyndrom und die psychischen Probleme nicht beachtet habe. Er gehe davon aus, dass die MdE durchgehend um 20 v.H. gemindert gewesen sei, da sich eine Verbesserung den Akten nicht entnehmen lasse.

Mit Urteil vom 14.07.2015 hat das SG unter Klageabweisung im Übrigen die Beklagte verurteilt, der Klägerin aufgrund der Folgen des Unfalls vom 24.06.2011 eine Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. ab dem 01.03.2015 zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, die ursprünglich von dem D-Arzt Dr. W. angenommene MdE um 20 v.H., welche auch die Beklagte ihrer vorübergehenden Leistungsbewilligung zugrunde gelegt hatte, sei zutreffend ermittelt worden. Dies sei auch von dem beratenden Chirurgen Dr. T. in seiner kurzen Stellungnahme vom 06.11.2012 bestätigt worden, der die Gesamtvergütung bis zum 31.12.2012 mit der Begründung vorgeschlagen habe, dass doch eine Anpassung und Gewöhnung zu akzeptieren sei. Dr. W. habe demgegenüber am 12.11.2012 erneut die Auffassung vertreten, dass diese MdE voraussichtlich auf Dauer bestehe. Hiervon ausgehend bedürfe es einer besonderen Rechtfertigung, wenn trotz einer auch von dem Gutachter Dr. C. festgestellten Verschlechterung und zu erwartender weiterer Verschlechterung aufgrund der einsetzenden Humero-Ulnararthrose eine MdE um 10 v.H. nunmehr als angemessen anzusehen sein solle.

Zwar sei keine Bindung an die frühere MdE-Beurteilung eingetreten, da vorliegend keine Rentenentziehung vorliege, sondern nach § 62 Abs. 1 Satz 2 SGB VII i.V.m. § 75 SGB VII die MdE unabhängig von der früheren Beurteilung zu bemessen sei. Allerdings überzeuge die Einschätzung der MdE auf chirurgischem Fachgebiet um 10 v.H. durch Dr. C. nur teilweise. Dr. C. verweise auf die eingeschränkte Streckung/Beugung des Ellenbogengelenks mit den Werten 0-20-120° und darauf, dass nach der Gutachtensliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O. S. 530) erst ab den Werten 0-30-120° mit einer MdE um 10 v.H. zu rechnen sei. Allerdings sei auch von Dr. C. eine verminderte Unterarmdrehung rechts von 70-0-70° gegenüber links von 90-0-90° und eine relevante Kraftminderung mitgeteilt worden, die zusätzlich zu beachten seien. Der behandelnde Orthopäde Dr. S. habe zudem in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 17.02.2014 auf einen Druckschmerz im verunfallten Bereich und auf eine tastbare Krepitation hingewiesen, womit ebenfalls Beschwerden angeführt würden, welche nicht in der als allgemeine Entscheidungshilfe heranzuziehenden genannten MdE-Tabelle berücksichtigt würden. Außerdem sei dem schlüssigen und überzeugenden Gutachten des Dr. P. zu folgen, der nachvollziehbar dargelegt habe, dass unter Berücksichtigung weiterer Unfallfolgen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet - hier insbesondere aufgrund des von Dr. C. nicht erwähnten Schmerzsyndroms und einer Störung der Feinmotorik - weitere funktionelle Einschränkungen der Beweglichkeit im von dem Unfall betroffenen Bereich vorlägen, die letztlich eine MdE um 20 v.H. und damit im rentenberechtigenden Umfang bedingten. Persistierende Schmerzen der Klägerin würden von fast allen behandelnden Ärzten durchgängig mitgeteilt. Die diesbezügliche Schmerzmitteleinnahme bestätige auch objektiv einen bestehenden Leidensdruck. Schließlich deckten sich die Ausführungen von Dr. P. auch mit den Beobachtungen von Dr. W. und den Beobachtungen der behandelnden Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin R. in der sachverständigen Zeugenaussage vom 08.05.2014.

Allerdings verweise die Beklagte zu Recht darauf, dass sich den übrigen sachverständigen Zeugenaussagen auch Hinweise entnehmen ließen, dass die MdE jedenfalls nicht durchgängig ab dem 01.01.2013 in Höhe von 20 v.H. zu bemessen sei. Diesbezügliche Zweifel würden insbesondere durch die sachverständige Zeugenaussage des Dr. K. vom 18.02.2014 gestützt, wonach dieser als behandelnder Neurologe und Psychiater vor und nach dem Unfall keine wesentliche Änderung des Gesundheitszustandes beobachtet habe. Da andererseits aber bereits Dr. C. im Jahr 2013 darauf hingewiesen habe, dass aufgrund der beginnenden Arthrose eine Zunahme der Beschwerden zu erwarten sei, gehe die Kammer im Rahmen einer Gesamtbewertung des Beweisergebnisses davon aus, dass ab dem Gutachten des Dr. P. vom 22.04.2015 die weitergehenden funktionalen Einschränkungen, nach denen eine MdE um 20 v.H. anzunehmen sei, als nachgewiesen anzusehen seien. Da es sich bei einer Arthrose um einen kontinuierlichen Prozess handele, sei hierbei vom 01.03.2015 als Zeitpunkt des ersten Nachweises ausgegangen.

Gegen das der Beklagten am 30.07.2015 zugestellte Urteil hat diese am 27.08.2015 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin haben gegen das ihnen am 28.07.2015 zugestellte Urteil am 11.09.2015 Anschlussberufung eingelegt.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Bewertung der MdE durch Dr. C. entspreche den Erfahrungssätzen der gutachterlichen Literatur und sei nicht zu beanstanden. Das von Dr. P. diagnostizierte Schmerzsyndrom, auf welches das SG sein Urteil gestützt habe, beruhe offensichtlich allein auf dessen Lokalbefund, sei aber durch weitergehende Untersuchungen nicht objektiviert worden. Auch sei der Widerspruch zwischen der Diagnose von Dr. P. und der Neurologin Dr. K., die unter dem 26.06.2013 gerade kein Schmerzsyndrom diagnostizieren konnte, nicht weiter aufgeklärt worden. Im Gegenteil habe das SG die Schmerzmitteleinnahme als durch den unfallbedingten Leidensdruck veranlasst angesehen. Nicht berücksichtigt habe das SG auch die psychische Vorgeschichte der Klägerin, die mitursächlich für die Schmerzsituation sein könne. Zudem sei die Schmerzsituation der Klägerin von den behandelnden Ärzten keineswegs als durchgängig beschrieben worden. Vielmehr sei es bei Wetterwechsel oder Belastung zu Schmerzen gekommen, diese seien aber nicht ständig und gleichmäßig stark ausgeprägt gewesen. Zudem habe Dr. P. Unfallfolgen bewertet, die nicht auf seinem Fachgebiet lägen.

Die Klägerin macht geltend, von fast allen behandelnden Ärzten seien durchgängig persistierende Schmerzen bestätigt worden, die ihre Bestätigung in der Schmerzmitteleinnahme der Klägerin fänden. Da auch diese Beschwerden durchgängig seit dem Unfall bestünden, sei die Rente abweichend vom Urteil des SG auch für den Zeitraum 01.01.2013 bis 28.02.2015 zu gewähren. Zur weiteren Begründung hat die Klägerin einen Krankheitsbericht von Dr. S. (BG Klinik L.) vom 03.03.2015 über eine ambulante Vorstellung der Klägerin vorgelegt. Dort wurden die Diagnosen Zustand nach Ellenbogenluxation rechts mit Radiuskopftrümmerfraktur, aktuell schmerzhafte Bewegungseinschränkung sowie Zustand nach Ellenbogenluxation links im Rahmen eines privaten Unfalls vom 09.11.2014 gestellt. Bei der klinischen Untersuchung war die Beweglichkeit beider Ellenbogen mit 0-10-130° eingeschränkt, D/M/S waren ohne Befund. Die Pro- und Supination waren beidseits schmerzhaft, rechts mit 70° Supination, links mit 80°, Pronation rechts 70°, links 90°. Von Dr. S. wurde die Durchführung einer Rentenbegutachtung empfohlen und ausgeführt, es werde aufgrund der derzeitigen Beschwerden und Bewegungseinschränkung eine MdE in entschädigungspflichtigem Umfang gesehen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14. Juli 2015 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen, außerdem die Anschlussberufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und diese unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14. Juli 2015 und des Bescheids vom 12. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. September 2013 zu verurteilen, der Klägerin Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 vom Hundert auch für die Zeit vom 1. Januar 2013 bis 28. Februar 2015 zu gewähren.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens bei Dr. K. und eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens bei Dr. S.

Dr. K. hat im Gutachten vom 20.01.2016 aufgrund persönlicher Untersuchung der Klägerin die Diagnosen Ellenbogenluxation (S53.10), Radiusköpfchenfraktur (S52.ll), Z. n. operativer Therapie (Z92.4), Vorhandensein eines orthopädischen Gelenkimplantates (Z96.6), Ulnarisreizung (G56.2) gestellt und hierzu ausgeführt, die genannten Veränderungen seien mit Ausnahme der Muskelreizung (sog. Tennisellenbogen) durch das Unfallereignis hervorgerufen. Hierzu hat er ausgeführt, die Beweglichkeit des Ellenbogens sei funktionell mäßig eingeschränkt, die Einwärtsdrehung der Hand unauffällig, die Auswärtsdrehung dagegen eingeschränkt. Geklagt würden Schmerzen, eine Bewegungseinschränkung und eine Kraftminderung rechts, die nachvollziehbar sei. Bei der Messung habe die Beweglichkeit bei 0-15-115° gelegen, was deutlich günstiger sei als der Wert von 0-30-120° bei Streckung/Beugung, der nach der einschlägigen Literatur eine MdE von 10 v. H. rechtfertige. Die MDE von 10 v.H. berücksichtige ein funktionell schlechteres Bewegungsausmaß. Das bedeute, dass der Wert, der zur Einstufung mit einer MdE allein berechtige, nicht erreicht werde, jedoch in Kombination mit den nachweisbaren arthrotischen Veränderungen, der einliegenden reizfreien Radiusköpfchenprothese und den Schmerzen. Eine auffällige Muskelumfangsminderung des rechten Armes als Zeichen einer anhaltenden Schonung einer Extremität zeige sich nicht, was bei einer massiven Einschränkung des Ellenbogengelenkes zu erwarten wäre. Eine Einstufung mit MdE 20 v.H. beinhalte eine funktionell deutlich schlechtere Beweglichkeit, der Mund könne nicht mit der Hand erreicht werden, auch nicht die Haare oder das Gesicht. Fasse man alle genannten aufgeführten Veränderungen zusammen, sei die Schädigung in allen Auswirkungen deutlich näher der MdE 10 als der MdE 20. Soweit Dr. P. im Lokalbefund einen Schmerz angegeben habe, der sein Maximum am Ellenbogengelenk habe, aber als zum Handgelenk ziehend angegeben wurde, handele es sich dabei um eine Ansatzreizung der Unterarmstreckerkette, auch Tennisellenbogen genannt, und stelle ein eigenes unfallunabhängiges Erkrankungsbild dar. Neurologisch zeige sich lediglich eine Sensibilitätsminderung unterhalb der Narbe des Ellenbogengelenks auf der Ulnarseite, weitere neurologische Ausfälle bestünden nicht.

Dr. S. hat bei der Klägerin auf seinem Fachgebiet ein mittelgradiges depressives Syndrom bei rezidivierender depressiver Störung (ICD 10: F 33.1), eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit emotional-instabilen Anteilen vom Borderline-Typ sowie abhängigen Anteilen (ICD 10: F 61.0) festgestellt und hierzu ausgeführt, keine dieser Gesundheitsstörungen sei mit Wahrscheinlichkeit durch das Ereignis vom 24.06.2011 verursacht oder verschlimmert worden. Der Unfall sei hierfür unter Berücksichtigung der Unfallschilderung der Klägerin nicht geeignet gewesen. Die Schilderung des Unfalls und der Umstände seien sachlich, präzise und in vollständigen Sätzen erfolgt. Es hätten keine Anhaltspunkte für eine irgendwie geartete psychovegetative Irritation bestanden, kein Zittern, keine vertiefte Atmung oder Hyperventilation, kein Schwitzen, kein Weinen und keine dissoziative Symptomatik. Der Unfall habe nicht annähernd von der Aktenlage und von der Schilderung her einen Trauma-Charakter nach dem ICD 10. Das Unfallereignis trete von der Art und Schwere her bzw. vom weiteren Verlauf der Krankengeschichte als wesentliche Ursache für die Gesundheitsstörungen gegenüber anderen Ursachen etwa Vorschädigungen im psychiatrischen Bereich zurück. Für eine Feststellung der Verschlimmerung der Depression als Unfall fehle gänzlich eine kausalrechtliche Anknüpfungstatsache, so dass eine Anerkennung im Sinne der Theorie der rechtlich wesentlichen Ursache nicht in Betracht komme. Hierzu sei zum einen auf die Art und Schwere des Unfalls zu verweisen, zum anderen sei auch zeitnah keine unfallbedingte psychische Initialsymptomatik hinreichend belegt. Ein psychischer Primärschaden im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung sei bei der Klägerin nicht nachgewiesen. Unabhängig davon bestünden zahlreiche konkurrierende Faktoren für die seelischen Beeinträchtigungen. Verwiesen sei hier auch auf die ausgeprägte psychiatrische Morbidität mit der rezidivierenden depressiven Störung und der kombinierten Persönlichkeitsstörung.

Die Klägerin hat gegen das Gutachten von Dr. S. Einwendungen vorgebracht und weitere Befundberichte von Dr. S. vom 23.08.2016 über eine ambulante Untersuchung der Klägerin vom 11.08.2016 (Ellenbogenbeweglichkeit rechts 0-10-100) sowie von Dr. K. vom 17.03.2016 (Diagnose: Beginnendes Sulcus-Ulnaris-Syndrom) vorgelegt. Der Senat hat Dr. S. hierzu ergänzend befragt, der unter dem 22.09.2016 ausgeführt hat, es ergebe sich auch unter Würdigung der neuen Befundberichte keine abweichende Beurteilung hinsichtlich der psychiatrischen und neurologischen Diagnosestellungen. Soweit Dr. K. abweichende motorische Nervenleitgeschwindigkeiten des Nervus ulnaris ermittelt habe, sei darauf hinzuweisen, dass auch dessen Messwerte im Normbereich lägen, weshalb auch Dr. K. keinen Therapiebedarf gesehen habe. Auch der Gutachter Dr. P. habe keine MdE für die Ulnaris-Schädigung vergeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Berufungsausschließungsgründe gemäß § 144 SGG liegen nicht vor. Die Berufung ist auch begründet. Die (unselbstständige) Anschlussberufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.

Die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage erhobene Klage ist gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG statthaft und auch sonst zulässig. Die Klage ist jedoch unbegründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben und der Klägerin ab dem 01.03.2015 wegen der Folgen des Unfalls vom 24.06.2011 eine Verletztenrente zugesprochen.

Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, § 7 Abs. 1 SGB VII. Nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII werden Renten an Versicherte von dem Tag an gezahlt, an dem der Anspruch auf Verletztengeld endet.

Die Klägerin bezog aufgrund des Unfalls vom 24.06.2011 in der Zeit vom 06.08.2011 bis 31.12.2011 Verletztengeld und anschließend für die Zeit bis 31.12.2012 eine vorläufige Entschädigung als Gesamtvergütung (§ 75 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Diese Bewilligungen sind nicht im Streit, die hierzu ergangenen Bescheide sind bestandskräftig geworden.

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Um das Vorliegen einer MdE beurteilen zu können, ist zunächst zu fragen, ob das aktuelle körperliche oder geistige Leistungsvermögen beeinträchtigt ist. Hierzu bilden festgestellte und eindeutig nach gängigen Diagnosesystemen konkret zu bezeichnende Krankheiten die Tatsachengrundlage, von denen ausgehend die Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Leistungsvermögens zu beurteilen ist (BSG, Urteil vom 18.01.2011, B 2 U 5/10 R (juris)). Dabei bezieht sich die Prüfung auch auf Gesundheitsstörungen, die noch nicht von dem Unfallversicherungsträger in einem Bescheid als Unfallfolgen anerkannt worden sind. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang dadurch die Arbeitsmöglichkeiten der versicherten Person auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens vermindert werden. Die Bemessung des Grades der MdE erfolgt als Tatsachenfeststellung des Gerichts, die dieses gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (BSG, Urteil vom 18.01.2011, a.a.O.). Die zur Bemessung der MdE in Rechtsprechung und Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind dabei zu beachten. Sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis (BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R (juris)). Die Einschätzung der MdE setzt voraus, dass der Arbeitsunfall beim Kläger eine Beeinträchtigung des Leistungsvermögens hervorgerufen hat. Das Bestehen einer Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens muss ausgehend von konkreten Funktionseinbußen beurteilt werden.

Gesundheitserst- und folgeschäden müssen im Beweisgrad des Vollbeweises feststehen. Hierfür ist die volle Überzeugung des Gerichts vom Vorliegen oder Nichtvorliegen von Tatsachen erforderlich. Dabei ist zwar keine absolute Gewissheit erforderlich. Ausreichend ist vielmehr eine an Gewissheit gR.ende Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 27.06.2006, B 2 U 20/04 R (juris)). Hiervon ist auszugehen, wenn die Tatsache in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage § 128 Rn. 3b). Gewisse Zweifel sind hierbei unschädlich, solange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten.

Im Gegensatz zu den Gesundheitsschäden und Beeinträchtigungen, die im Wege des Vollbeweises feststehen müssen, genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Versicherungsfall und den Gesundheitsbeeinträchtigungen der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Dieser ist erfüllt, wenn bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (BSG, Urteil vom 18.01.2011, a.a.O.). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte ableitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen somit zu Lasten des jeweiligen Klägers (BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 (juris)).

Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung. Diese setzt zunächst die Verursachung der weiteren Schädigung durch den Gesundheitserstschaden im naturwissenschaftlich-naturphilosophischen Sinne voraus. Ob die Ursache-Wirkung-Beziehung besteht, beurteilt sich nach der Bedingungstheorie. Nach ihr ist eine Bedingung dann notwendige Ursache einer Wirkung, wenn sie aus dem konkret vorliegenden Geschehensablauf nach dem jeweiligen Stand der einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse (Erfahrungssätze) nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Auf dieser ersten Stufe sind alle derartigen notwendigen Bedingungen grundsätzlich rechtlich gleichwertig (äquivalent). Alle festgestellten anderen Bedingungen, die in diesem Sinn nicht notwendig sind, dürfen hingegen bei der nachfolgenden Zurechnungsprüfung nicht berücksichtigt werden (BSG, Urteil vom 05.07.2011, a.a.O.).

Ist der Gesundheitserstschaden in diesem Sinne eine notwendige Bedingung des weiteren Gesundheitsschadens, wird dieser ihm aber nur dann zugerechnet, wenn er ihn wesentlich (ausreichend: mit-) verursacht hat. Wesentlich ist der Gesundheitserstschaden für den weiteren Gesundheitsschaden nach der in der Rechtsprechung gebräuchlichen Formel, wenn er eine besondere Beziehung zum Eintritt dieses Schadens hatte (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R (juris)).

Nach diesen Maßstäben ist der Nachweis, dass Gesundheitsschäden der Klägerin mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch das Unfallereignis in rentenberechtigendem Umfang hervorgerufen oder verschlimmert wurden, nicht geführt.

Der Senat stellt fest, dass aufgrund der beschriebenen Gesundheitserstschäden im Bereich des rechten Ellenbogengelenks und des rechten Arms bei der Klägerin unfallbedingt Gesundheitsstörungen aufgetreten und verblieben sind, die ihre Erwerbsfähigkeit mindern. Allerdings erreichen diese nicht eine MdE von (insgesamt) 20 v.H ... Der Senat folgt insoweit auf orthopädischem Fachgebiet dem Sachverständigengutachten des Dr. K. und dem urkundsbeweislich verwertbaren Gutachten des Dr. C. und auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet dem Sachverständigengutachten von Dr. S. und der Aussage des sachverständigen Zeugen Dr. K ...

Was die Funktionseinschränkungen im Bereich der Beweglichkeit des rechten Ellenbogengelenks anbelangt, hatte bereits Dr. C. im Jahr 2012 zutreffend darauf hingewiesen, dass die von ihm ermittelten Funktionswerte (0-20-120° rechts gegenüber 10-0-140° links) zwar ungünstiger sind als die von Dr. W. ermittelten (0-10-135°), gleichwohl aber keine höhere MdE als 10 v.H. zu begründen vermögen. Denn sowohl die von Dr. C. ermittelten Beweglichkeitsparameter als auch die des Sachverständigen Dr. K. (0-15-135°) genügen nach dem sozialmedizinischen Schrifttum (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit (8. Aufl. 2010, S. 530) nicht für eine rentenbegründende MdE von 20 v. H. - dies wäre erst ab einer Bewegungseinschränkung von 0-30-90° anzunehmen - und für sich betrachtet auch nicht für eine MdE von 10 v.H., welche nach der genannten Fachliteratur, die im Einklang steht mit anderen Fachpublikationen (s. etwa Schiltenwolf/Hollo, Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane, Tab. 28.30 S. 896) steht, erst ab einer Bewegungseinschränkung mit 0-30-120° anzunehmen ist. Denn das Streckdefizit im rechten Ellenbogen ist bei der Klägerin deutlich geringer, es betrug zuletzt bei Dr. K. nur 15°. Zu eine höhere MdE begründenden Bewegungseinschränkungen sind auch andere Untersuchungen nicht gelangt; so hat Dr. S. bei seiner Untersuchung im Jahr 2015 die Werte 0-15-135° ermittelt und im August 2016 die Werte 0-10-100°. Eine MdE von 10 v.H. rechtfertigt sich daher erst unter Berücksichtigung der sonstigen funktional wirksamen Gesundheitsfolgeschäden im Armbereich, worauf Dr. C. und Dr. K. zu Recht hingewiesen haben. Hiernach sind die im Röntgenverlauf zu beobachtende Entwicklung von Kapsel-Band-Verkalkungen und der beginnende Humero-Ulnararthrose auf das Unfallereignis zurückzuführen, welche nach der Auffassung von Dr. C. und Dr. K. wahrscheinlich fortschreiten werden. Ebenso zu berücksichtigen sind nach der Beurteilung der Sachverständigen der arthroalloplastische Ersatz des Speichenköpfchens, die endgradige verminderte Unterarmdrehbeweglichkeit, die Kraftminderung der rechten Hand und der Belastungsschmerz im Bereich des Ellenbogengelenks. Der Senat teilt die Auffassung von Dr. K. und Dr. C., dass sich hieraus in der Gesamtbetrachtung für den gesamten streitbefangenen Zeitraum ab 01.01.2012 eine unfallbedingte MdE von nicht mehr 10 v. H. ergibt. Eine höhere MdE rechtfertigt sich weder aus der nachgewiesenen unfallbedingten Arthrose, die bereits bei den Bewegungsparametern berücksichtigt ist noch wegen der geltend gemachten Schmerzsituation. Dr. K. und Dr. S. haben darauf hingewiesen, dass es sich insoweit um einen Lokalbefund handelt, der nicht ohne Weiteres MdE-erhöhend ist. Demgegenüber konnte ein komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS) bei der Untersuchung durch die Neurologin Dr. K. nicht festgestellt werden; ebenso konnte ein chronisches Schmerzsyndrom (ICD 10: F45.40) durch den Gutachter Dr. S. nicht festgestellt werden. Ebenso fanden Dr. K., Dr. S. und Dr. K. keine Anhaltspunkte für eine Schädigung des Nervus ulnaris und konnten auch sonstige gravierende neurologische Schädigungen ausschließen. Dr. K. hat lediglich eine geringfügige Sensibilitätsminderung im Bereich des Unterarms auf der rechten Seite festgestellt, die aber nicht von Belang für die MdE ist. Dass die tatsächlichen funktionellen Einschränkungen im Bereich des rechten Arms nicht deutlich gravierender sind als es die Messwerte nahelegen würden, wird schließlich dadurch indiziert, dass sich bei den Untersuchungen durch Dr. C. und Dr. K. keine nachweisbaren Umfangsdifferenzen in Form einer Muskelminderung im Bereich des rechten Armes zeigten, wie es bei einer massiven Einschränkung des Ellenbogengelenks als Zeichen einer anhaltenden Schonung der Extremität zu erwarten wäre. Mit Blick auf die erfolgten umfassenden Begutachtungen auf orthopädischem Gebiet sieht der Senat keine Veranlassung für weitere Ermittlungen.

Eine höhere MdE ergibt sich zur Überzeugung des Senats auch nicht unter Mitberücksichtigung der geltend gemachten psychischen Unfallfolgen. Voraussetzung für die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolge und die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund von ihnen ist zunächst die Feststellung der konkreten Gesundheitsstörungen, die bei dem Verletzten vorliegen und seine Erwerbsfähigkeit mindern und die aufgrund eines der üblichen Diagnosesysteme und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen erfolgen soll (BSG, Urteil vom 09.05.2006, a.a.O.). Dies sind namentlich die Diagnosesysteme ICD-10 sowie DSM V (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, Stand Mai 2013).

Insoweit hat der Sachverständige Dr. S. bei der Klägerin ein mittelgradiges depressives Syndrom bei rezidivierender depressiver Störung (ICD 10: F33.1) und eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit emotional-instabilen Anteilen vom Borderline-Typ sowie abhängigen Anteilen (ICD 10: F 61.0) festgestellt, während der erstinstanzlich tätige Sachverständige Dr. P. die Diagnosen mittelgradige depressive Episode (ICD 10: F32.1) und chronisches Schmerzsyndrom (ICD 10 F.45.40) gestellt hat.

Zur Überzeugung des Senats ist nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen, dass diese Gesundheitsschäden im neurologisch-psychiatrischen Bereich kausal auf das Unfallereignis zurückzuführen sind. Dr. S. hat darauf hingewiesen, dass ein psychischer Primärschaden im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung in Form der Verursachung oder Verschlimmerung eines psychischen Leidens bei der Klägerin nicht nachgewiesen ist. Er hat hierzu nachvollziehbar dargelegt, dass der erlittene Unfall nach Art und Schwere und der hierauf bezogenen Schilderungen der Klägerin, die sachlich und präzise waren ohne Anhaltspunkte für irgendwie geartete psychovegetative Irritation oder Zeichen einer dissoziativen Symptomatik, hierfür nicht geeignet war. Aus denselben Gründen hat Dr. S. auch nachvollziehbar ausgeschlossen, dass der Unfall ein Trauma im Sinne der Kriterien für das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) nach der im Sinne der ICD-10 F 43.1 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, Version 2013) darstellt. Unabhängig davon bestünden zahlreiche konkurrierende Faktoren für die seelischen Beeinträchtigungen.

Die Einschätzung von Dr. S., dass keine unfallbedingte psychische Initialsymptomatik hinreichend belegt sei, deckt sich mit der Aussage des sachverständigen Zeugen und Neurologen und Psychiaters Dr. K. vom 18.02.2014, der die Klägerin bereits seit 2004 und bis August 2013 wegen Depressionen ambulant behandelt hat. Danach haben sich die Diagnosen vor und nach dem Unfall und der Befund durch den Unfall nicht verändert, was ebenfalls nahelegt, dass hierdurch keine psychische Dekompensation eingetreten ist.

Nicht überzeugend mit Blick auf die Aussage des langjährig behandelnden Psychiaters und Neurologen ist demgegenüber die Aussage der Zeugin R., die - zumal ohne Benennung einer ICD-Ziffer oder einer sonstigen Klassifikation - ausgeführt hat, die Klägerin leide bereits seit ihrer Kindheit, mit auch durch diese ausgelöst, unter rezidivierenden depressiven Episoden. Diese hätten sich seit dem Unfallereignis verstärkt, was unter anderem auf die Mobilitätseinschränkungen und die sonstigen Schwierigkeiten, die sich durch die komplizierte Fraktur und den ungünstigen Heilungsverlauf ergeben hätten, zurückzuführen sei. Hierdurch ist nicht belegt, dass das Unfallereignis als solches mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentliche Ursache für das Auftreten oder die Verschlimmerung von Gesundheitsstörungen bei der Klägerin war.

Entsprechendes gilt im Ergebnis für die Ausführungen des Sachverständigen Dr. P., der zwar in den vorangegangenen depressiven Episoden der Klägerin eine Schadensanlage gesehen, gleichwohl aber allein in Ermangelung konkurrierender Faktoren das beschriebene Unfallereignis für das Wiederauftreten der depressiven Episode der Klägerin verantwortlich gemacht hat, ohne näher darauf einzugehen, ob der Unfall für sich betrachtet mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer Verschlimmerung der vorbestehenden Depression der Klägerin geführt hat, unabhängig von zu würdigenden konkurrierenden Faktoren. Die Auffassung von Dr. P. überzeugt umso weniger, als dieser das Wiederauftreten der depressiven Episode auf das "Unfallereignis und die darauf folgende Einschränkung der Autonomie und Selbstständigkeit (mit der Möglichkeit des Verdienstes der eigenen Lebensgrundlage)" zurückgeführt hat, wobei insoweit ungewürdigt bleibt, dass die Klägerin nach Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit bis März 2015 wieder in Teilzeit, zuletzt auf 450,- EUR-Basis als Augenoptikerin gearbeitet hat und die Arbeitsstelle nach ihren Angaben bei Dr. S. aufgrund einer Arbeitgeberkündigung verlor, "weil das Geschäft nicht mehr so gut gelaufen" sei, was nahelegen könnte, dass (auch) die psychischen Befindlichkeiten bis dahin der Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht entgegenstanden.

Der Senat teilt daher die Auffassung des Sachverständigen Dr. S., wonach keine der festgestellten psychischen Gesundheitsstörungen durch das Unfallereignis verursacht oder verschlimmert wurde. Es ist nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festzustellen, dass der Unfall bei der Klägerin auf psychischem Gebiet einen Gesundheitsschaden hervorgerufen oder relevant verschlechtert hat. Lässt sich aber der Nachweis von Gesundheitsstörungen, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen sind, nicht erbringen, so bedarf keiner weiteren Prüfung, ob eine konkurrierende Ursache, etwa die nachgewiesene langjährige psychiatrische Vorerkrankung, für eine Verursachung oder Verschlechterung der Gesundheitsstörungen von überragender Bedeutung war oder ob das Unfallereignis (allein) eine wesentliche Ursache im Rechtssinne darstellt. Mit Blick auf die vorliegenden Gutachten und Auskünfte auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet sah der Senat auch insoweit keine Veranlassung für weitere Ermittlungen von Amts wegen.

Insgesamt liegt daher zur Überzeugung des Gerichts bei der Klägerin im streitbefangenen Zeitraum keine unfallbedingte MdE in rentenberechtigendem Umfang vor. Die Entscheidung des SG war daher auf die Berufung der Beklagten abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen. Die unselbstständige Anschlussberufung der Klägerin war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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