L 4 SO 54/14 KL

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 SO 54/14 KL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Entscheidung der Schiedsstelle vom 29. April 2014 wird aufgehoben. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Entscheidung der Schiedsstelle nach § 80 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) vom 29. April 2014 über die Festsetzung der dem Beklagten für die Wohngruppe E. zustehende Maßnahmen- und Grundpauschale für den Zeitraum vom 1. April 2014 bis zum 31. Dezember 2014.

Der Beklagte betreibt u.a. die Wohngruppe E. als stationäre Einrichtung der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach §§ 67ff. SGB XII. Er ist Mitglied im P. H. e.V. Zwischen der Klägerin als Trägerin der Sozialhilfe und dem Beklagten galt seit dem 1. Juli 2003 eine Vereinbarung nach § 93 Abs. 2 Bundessozialhilfegesetz (BSHG), die eine Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung umfasste.

Die Klägerin hat im Juni 2006 mit mehreren Vereinigungen von Einrichtungsträgern (u.a. dem P. einen Landesrahmenvertrag nach § 79 Abs. 1 SGB XII (im Folgenden: LRV) geschlossen und eine Allgemeine Verfahrensvereinbarung (im Folgenden: AVV) getroffen. Gemäß der Regelung in § 1 Abs. 4 LRV ist eine Vertragskommission eingesetzt worden, zu deren Aufgaben die Vereinbarung von Rahmendaten für die Vergütungsvereinbarung, insbesondere Regelungen zur Anpassung der Vergütungen, gehört (§ 1 Abs. 5 LRV). Die Beschlüsse der Vertragskommission sind gem. § 1 Abs. 6 LRV öffentlich-rechtliche Verträge mit Bindungswirkung für alle Vertragspartner. Ziffer 4 AVV enthält Regelungen für ein Verfahren zum Abschluss von Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII zur Anpassung der Vergütung. Diese sehen vor, dass die Vertragspartner des LRV sich in der Vertragskommission rechtzeitig vor Ablauf der Laufzeit der Vereinbarungen u.a. über Art und Höhe einer Vergütungsanpassung verständigen. Die einzelnen Einrichtungsträger können anschließend bis spätestens vier Wochen nach dem Beschluss der Vertragskommission über die Vergütungsanpassung ein Angebot für eine Anpassung der Vergütungsvereinbarung machen, dieses muss dem Beschluss der Vertragskommission entsprechen. Entspricht das Angebot dem Beschluss nicht, so erhält der Träger Gelegenheit zur Korrektur. Entspricht das Angebot dem Beschluss, so leitet der Sozialhilfeträger das Unterschriftsverfahren ein. Ziffer 3 AVV enthält Regelungen über Einzelverhandlungen zwischen Einrichtungs- und Sozialhilfeträger zur Änderung von Leistungs-, Vergütungs- und/oder Prüfungsvereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII.

Zwischen der Klägerin und dem Beklagten wurde eine Vergütungsvereinbarung zuletzt im Mai 2013 für den Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis zum 31. Dezember 2013 geschlossen, diese sah eine Grundpauschale in Höhe von 15,88 Euro, einen Investitionsbetrag von 11,54 Euro und eine Maßnahmepauschale von 69,62 Euro (jeweils täglich) vor.

Mit Email vom 25. Oktober 2013 forderte die A. zu deren Mitgliedern der P. gehört, die Klägerin namens und im Auftrag der in ihr organisierten Verbände zu Verhandlungen in der Vertragskommission über eine pauschale Steigerung der Entgelte 2014 nach Ziffer 4 AVV auf.

Der P. übersandte der Klägerin mit Schreiben vom 4. November 2013 eine Aufforderung zur Einzelentgeltverhandlung betreffend den Beklagten. Zur Erläuterung führte er aus, der Beklagte habe entsprechend des Bezugs im Arbeitsvertrag auf die aktuellen Entgelttabellen der P. für 2014 eine Steigerung in den Personalkosten in Höhe von 2,95% an die Mitarbeiter zu zahlen. Hinzu komme eine Steigerung in den Sachkosten von 1,9%. Daraus ergebe sich insgesamt für das Jahr 2014 eine Steigerung von 2,7%. Dies sei die Forderung des Beklagten für die Entgelte 2014. Das Schreiben endete mit dem Satz: "Sollte die Vertragskommission pauschale Steigerungen für das Entgelt 2014 vereinbaren, die die Tariferhöhungen berücksichtigen, sind wir bereit die Einzelverhandlungen zurückzunehmen und uns der pauschalen Anpassung anschließen". Dem Schreiben war beigefügt ein "Kalkulationsblatt zur Anpassung der Vergütung" für die Einrichtung E. des Beklagten, das die derzeit geltende Vergütung aufführte und daraus unter Ansatz einer Erhöhung von 2,7% die geforderte Vergütung berechnete. Angaben zu den tatsächlich in 2014 erwarteten Kosten/Aufwendungen der Einrichtung fanden sich darauf nicht. Ferner waren beigefügt ein Kalkulationsblatt für den Investitionsbetrag sowie ein Blatt mit der Überschrift "Rahmendaten 2013 – Berechnungsverfahren", auf dem dargelegt wurde, dass sich die Sozialversicherungsbeiträge nicht, die Tariflöhne um 2,95% und die Sachkosten entsprechend der Preissteigerungsrate um 1,9% erhöht hätten. Bei einer Gewichtung der Personalkosten mit 80% und der Sachkosten mit 20% ergebe sich insgesamt eine Steigerung von 2,7%. Schließlich wurden die ab 1. Januar 2013 und die ab 1. Januar 2014 gültigen Entgelttabellen des Tarifvertrags der Länder (TV-L) sowie zwei Musterarbeitsverträge mit übersandt.

In engem zeitlichem Zusammenhang gingen bei der Klägerin weitere Verhandlungsaufforderungen des P. für andere Mitgliedsträger ein. Die Klägerin bestätigte dem P. mit Schreiben vom 18. November 2013 per Liste die bei ihr eingegangenen Aufforderungen zu Einzelverhandlungen 2014. Sie wies darauf hin, dass die Aufforderung zu Einzelverhandlungen gem. Ziffer 3.3.3 der AVV die Anwendung einer pauschalen Anpassung gemäß dem Beschluss der Vertragskommission ausschließe. Eine Reaktion des P. oder des Beklagten hierauf erfolgte nicht, in der Folgezeit wurden auch keine Einzelverhandlungen zwischen Klägerin und Beklagtem aufgenommen.

Am 7. Februar 2014 beschloss die Vertragskommission im Verfahren nach Ziffer 4 der AVV u.a. eine pauschale Erhöhung der Grund- und Maßnahmenpauschalen für die Bereiche der Hilfen nach § 67 SGB XII zum 1. Januar 2014 um 1,52%. Per Email vom 18. Februar 2014 übersandte der P. der Klägerin eine Liste, aus der sich ergab, welche Träger bzw. Einrichtungen die pauschale Anpassung entsprechend des Verfahrens nach Ziffer 4 der AVV in Anspruch nehmen wollten und welche nicht. Für die Wohngruppe E. des Beklagten war dort angegeben, dass eine pauschale Fortschreibung nicht gewünscht sei, sondern individuelle Einzelverhandlungen.

Die Klägerin teilte dem Beklagten mit Schreiben vom 20. Februar 2014 mit, dass gem. Ziffer 3.3.3 der AVV die Anwendung des Verfahrens nach Ziffer 3.1 – Einzelverhandlungen – die Anwendung des Verfahrens nach Ziffer 4 der AVV – Pauschale Anpassung – ausschließe. Vor diesem Hintergrund sei das Verfahren nach Ziffer 3 AVV zunächst bis zum Abschluss der Verhandlungen der Vertragskommission über eine pauschale Anpassung ausgesetzt worden. Da der Beklagte nunmehr erklärt habe, das Verfahren nach Ziffer 4 AVV nicht in Anspruch zu nehmen, seien Einzelverhandlungen aufzunehmen. Hierfür werde um Übersendung der in Ziffer 3 AVV genannten Unterlagen gebeten, die dem Schreiben des Beklagten vom 4. November 2013 nicht beigefügt gewesen seien. Hierzu gehörten insbesondere Unterlagen, die die Notwendigkeit der verlangten Erhöhung nachvollziehbar begründeten, insbesondere den Umfang der erbrachten Leistungen, Art und Umfang des hierfür eingesetzten Fachpersonals und die sonstigen Personal- und Sachkosten, die für die Leistungserbringung entstanden seien. Der Hinweis auf allgemeine Steigerungsraten allein genüge im Verfahren nach Ziffer 3 AVV nicht. Nach Eingang der vollständigen Unterlagen würden unverzüglich Gesprächstermine zur Einzelverhandlung angeboten.

Auf dieses Schreiben reagierte der Beklagte innerhalb der von der Klägerin gesetzten Frist bis zum 6. März 2014 nicht, woraufhin die Klägerin ihm mit Schreiben vom 7. März 2014 eine Nachfrist bis zum 12. März 2014 setzte und mitteilte, sie werde ansonsten davon ausgehen, dass der Beklagte seinen Antrag auf Einzelverhandlungen nicht mehr weiter aufrechterhalte.

In der Zwischenzeit waren vom Prozessbevollmächtigten des Beklagten hinsichtlich der Vergütungsforderungen anderer Einrichtungsträger in ähnlich gelagerten Fällen Anträge bei der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII gestellt worden.

Mit Schreiben an den Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 12. März 2014 forderte die Klägerin diesen in Bezug auf diverse von ihm vertretene Einrichtungsträger – darunter auch den Beklagten – zur Vorlage der schon zuvor erbetenen Unterlagen bis zum 14. März 2014 auf. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten antwortete hierauf mit Schreiben vom 13. März 2014, wobei im Betreff ein anderer Einrichtungsträger (nämlich die Freunde blinder und sehbehinderter K.GmbH) genannt war, das Schreiben inhaltlich aber offenbar für alle von ihm vertretenen Träger gelten sollte. Die nach Ziffer 3.2 AVV einem Erhöhungsverlangen beizufügenden Unterlagen lägen der Klägerin bereits vor. Die geplanten Änderungen – nämlich die Steigerung der Personal- und Sachkosten auf der Basis einerseits der Tarifsteigerung und andererseits der Erhöhung der Lebenshaltungskosten – seien bereits mitgeteilt worden. Ein Kalkulationsblatt sei übersandt worden. Die Notwendigkeit der Erhöhung sei mit dem Hinweis auf die Tarifsteigerung und die Erhöhung der Lebenshaltungskosten nachvollziehbar begründet worden. Hinsichtlich des Qualitätssicherungsberichts werde davon ausgegangen, dass dieser der Klägerin vorliege.

Die Klägerin antwortete mit Schreiben vom 17. März 2014 – ebenfalls unter Angabe der Freunde blinder und sehbehinderter K.GmbH im Betreff – und wies darauf hin, dass allein die tarifbedingte Personalkostensteigerung nicht zwingend zu einer höheren Vergütung führe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei ein zweistufiges Prüfungsverfahren durchzuführen: In einem ersten Schritt seien die voraussichtlichen zukünftigen Kosten der Einrichtung für die von ihr erbrachten Leistungen (Gestehungskosten) abzuschätzen und auf Plausibilität zu prüfen. Im zweiten Prüfungsschritt seien die aus den plausiblen Gestehungskosten folgenden Forderungen nach Entgelterhöhung auf ihre Angemessenheit und Wirtschaftlichkeit zu überprüfen. Hierzu sei ein externer Vergleich mit den Entgelten anderer Einrichtungen anzustellen. Das Bundessozialgericht fordere ausdrücklich, dass die voraussichtlichen Gestehungskosten plausibel und nachvollziehbar sein müssten, also die Kostenstruktur erkennen lassen und eine Beurteilung der Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit im Einzelfall zulassen müssten. Hierzu habe die Einrichtung geeignete Nachweise beizubringen, die Vorlage einer reinen Kostenkalkulation ohne weitere Angaben reiche nicht. Folglich könne der Hinweis auf eine Kostensteigerung bedingt durch Gehaltserhöhungen und die allgemeine Preissteigerung nicht ausreichen. Personalkosten seien lediglich ein Faktor der Gestehungskosten, es seien aber die gesamten Gestehungskosten plausibel und nachvollziehbar darzulegen. In dem bisher eingereichten Kalkulationsblatt des Beklagten sei die Erhöhungsforderung ausgehend von der bisherigen Vergütung allein unter Berücksichtigung von Lohnsteigerungen und der allgemeinen Preissteigerung errechnet worden. Dies genüge nicht, es bedürfe weiterer Nachweise der Kosten für die erbrachten Leistungen sowie der Kostenstruktur.

Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten äußerte sich mit Schreiben vom 25. März 2014 – wiederum unter Bezugnahme auf die Freunde blinder und sehbehinderter K.GmbH – und wies darauf hin, die Klägerin ignoriere mit ihren Anforderungen die bisherige Spruchpraxis der H. Schiedsstelle nach § 80 SGB XII. Es habe keine Änderungen von Leistungsangebot, Leistungsbeschreibung oder des vereinbarten Personals gegeben; es werde lediglich die Vergütung an die tarifliche Gehaltssteigerung angepasst. Nach der Spruchpraxis der H. Schiedsstelle sei daher die zuletzt vereinbarte Vergütungsvereinbarung als feste Größe zu sehen: Alles, was dort vereinbart worden sei, gelte zwischen den Parteien und sei für sich gesehen wirtschaftlich. Dies werde bislang auch von keiner Seite in Frage gestellt.

Mit Schreiben vom 28. März 2014 rief der Beklagte die Schiedsstelle nach § 80 SGB XII an und beantragte die Festsetzung der Vergütung für den Zeitraum vom 1. April 2014 bis zum 31. Dezember 2014 auf insgesamt 99,36 Euro pro Platz und Kalendertag. Die Maßnahmepauschale solle auf 71,50 Euro und die Grundpauschale auf 16,31 Euro festgesetzt werden, der Investitionsbeitrag auf 11,54 Euro pro Platz und Kalendertag. Zur Begründung führte der Beklagte aus: Ausgehend von der Spruchpraxis der Schiedsstelle, dass die zuletzt unterschriebene Leistungsvereinbarung Ausgangspunkt jedes Erhöhungsverfahrens sei, würden nur die hinzutretenden Kosten sowie Kostensteigerungen geltend gemacht. Hier seien die Personalkosten betroffen, die aufgrund der tariflichen Steigerung um 2,95% zu erhöhen seien. Daneben werde eine Steigerung der Sachkosten entsprechend des Steigerungssatzes des Lebenshaltungsindexes in Höhe von 1,9% geltend gemacht. Aus einer Gewichtung der Personalkosten- und Sachkostensteigerung ergebe sich ein einheitlich auf Maßnahmen- und Grundpauschale anzuwendender Steigerungsbetrag von 2,7%.

Die Schiedsstelle hat keine weiteren Ermittlungen durchgeführt. In der Sitzung der Schiedsstelle am 29. April 2014 machte die Klägerin geltend, die Verhandlungsaufforderung des Beklagten vom 4. November 2013 habe wegen der darin enthaltenen aufschiebenden Bedingung erst für das Jahr 2015 Wirkung entfalten können. Im Übrigen habe sie bisher keinerlei Unterlagen erhalten und auch keine Information, an wen sie sich insoweit wenden müsse. Während der Verhandlung ließ der Beklagte seine Forderung hinsichtlich der Erhöhung der Sachkosten fallen und beantragte eine Festsetzung der Maßnahmepauschale auf 71,26 Euro und der Grundpauschale auf 16,25 Euro.

Die Schiedsstelle setzte sodann für den Zeitraum vom 1. April 2014 bis zum 31. Dezember 2014 die Maßnahmepauschale auf 71,26 Euro und die Grundpauschale auf 16,25 Euro fest. Zur Begründung der Entscheidung führte sie aus, der Antrag des Beklagten sei zulässig, da eine Leistungsvereinbarung vorliege und die Sechswochenfrist des § 77 Abs. 1 Satz 3 SGB XII zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung und Entscheidung der Schiedsstelle verstrichen sei. Der Antrag sei auch begründet. Die Schiedsstelle mache sich die jüngere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Pflegeversicherungsrecht zu eigen, die im Grundsatz auf das Sozialhilferecht übertragbar sei. Danach seien Vergütungsverhandlungen in der Regel nach einem zweigliedrigen Verfahren durchzuführen. In einem ersten Schritt seien die voraussichtlichen Gestehungskosten abzuschätzen, anschließend sei in einem zweiten Schritt ein externer Vergleich durchzuführen. Nach diesen Maßstäben erweise sich die vom Beklagten geltend gemachte Vergütungsforderung als gerechtfertigt. Der Beklagte habe mit der Vorlage des Musterarbeitsvertrags die im Jahr 2014 zu erwartenden Steigerungen der Personalkosten plausibel dargetan. Die Anhebung um 2,95% entspreche dem Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst der Länder und bewege sich im Rahmen der normalen tariflichen Steigerung, weshalb der externe Vergleich zu keinen Einschränkungen führe. Im Interesse einer möglichst zügigen Beendigung des Schiedsverfahrens habe die Schiedsstelle bei der Festsetzung der Pauschalen auf die Vergütung für das Jahr 2013 zurückgegriffen und den Personalkostenanteil um den Steigerungsfaktor 2,95% erhöht. Den Personalkostenanteil habe sie, basierend auf der Erfahrung ihrer Mitglieder, die mit allgemeinen Erkenntnissen übereinstimme, mit 80% der Vergütung bemessen. Sofern die Klägerin eine plausible und nachvollziehbare Darlegung sämtlicher voraussichtlicher Gestehungskosten verlange, sei dies nicht berechtigt. Ausgangspunkt für die Prüfung eines Erhöhungsverlangens sei entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Bereich der häuslichen Krankenpflege und der sozialen Pflegeversicherung die letzte Vergütungsvereinbarung. Es sei grundsätzlich anzunehmen, dass die einvernehmlich vereinbarte Vergütung bisher einerseits auskömmlich gewesen sei und andererseits der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit entsprochen habe. Forderungen nach einer Vergütungserhöhung begründeten sich normalerweise aus Kostensteigerungen ab dem Ende des letzten vereinbarten Vergütungszeitraums. Nur ausnahmsweise könne eine Erhöhung aufgrund einer in den Vorjahren zu niedrig erfolgten Kalkulation geltend gemacht werden. Vorliegend habe allein der Beklagte zu Verhandlungen aufgefordert, um die im Jahr 2014 zu erwartenden Kostensteigerungen auszugleichen. Eine vollständige Überprüfung seiner Kostenstrukturen sei in einem solchen Fall nach den Regelungen im LRV und der AVV nicht vorgesehen. Der Beklagte habe schließlich auch vor Beginn der nächsten Wirtschaftsperiode, nämlich am 4. November 2013, zu Verhandlungen aufgefordert. Die Einhaltung weiterer Fristen der Ziffer 3.1 AVV (Verhandlungsaufforderung in der Regel sechs Monate vor Ablauf der Laufzeit der Vereinbarung, spätestens mit Beginn der Kündigungsfrist) sei hier ohne Belang, weil sich die Klägerin auf Verhandlungen in der Sache selbst eingelassen habe. Der Beginn der Vergütungsfestsetzung sei antragsgemäß auf den 1. April 2014 gelegt worden. Der Antrag sei am 31. März 2014 bei der Schiedsstelle eingegangen. Die Sechswochenfrist sei am 31. Januar 2014 abgelaufen. Vom Rechtlichen her sei es möglich, auch während laufender Verhandlungen über eine pauschale Anpassung Einzelverhandlungen zu führen. In seinem Aufforderungsschreiben vom 4. November 2013 habe der Beklagte zum Ausdruck gebracht, dass er die Einzelverhandlungen nicht weiter fortführen wolle, wenn die Vertragskommission eine pauschale Anpassung in seinem Sinne vereinbaren sollte. Er habe aber nicht erklärt oder sich sogar geweigert, solange überhaupt keine Einzelverhandlungen aufzunehmen; seine Verhandlungsaufforderung sei nicht unter eine Bedingung gestellt gewesen.

Die Schiedsstellenentscheidung ist der Klägerin am 1. Juli 2014 zugegangen, am 16. Juli 2014 hat sie Klage zum Landessozialgericht erhoben. Die Klägerin trägt vor, der Schiedsstellenantrag sei bereits unzulässig gewesen, da zuvor keine Verhandlungen stattgefunden hätten. Zwar habe der Beklagte unter dem 4. November 2013 zu Verhandlungen aufgefordert, tatsächlich seien solche in der gesamten Zeit bis zum Eingang des Schiedsstellenantrags aber nicht geführt worden. Dies habe daran gelegen, dass die Verhandlungsaufforderung unter der aufschiebenden Bedingung der Nichtteilnahme des Beklagten an der von der Vertragskommission vereinbarten pauschalen Fortschreibung gestanden habe. Der Beklagte habe in der Aufforderung vom 4. November 2013 seine Bereitschaft zur Zurücknahme der Einzelverhandlungen erklärt, sofern die Vertragskommission pauschale Entgeltsteigerungen unter Berücksichtigung der Tariferhöhungen vereinbaren sollte. Angesichts der Regelung in Ziffer 3.3.3 AVV, die ein Nebeneinander von Einzelverhandlungen und dem Verfahren der pauschalen Anpassung ausdrücklich ausschließe, habe diese Erklärung nur im Sinne einer aufschiebenden Bedingung verstanden werden können. Entsprechend habe sich der Beklagte auch verhalten. Er habe bis zum Beschluss der Vertragskommission weder die Aufnahme von Verhandlungen angemahnt noch nach Ablauf der Sechswochenfrist einen Schiedsstellenantrag gestellt. Erst mit Übersendung der Liste derjenigen Einrichtungen, die die pauschale Anpassung der Vertragskommission in Anspruch nehmen wollten, am 18. Februar 2014 sei klar gewesen, dass der Beklagte Einzelverhandlungen tatsächlich durchführen wolle. Folglich habe auch erst mit diesem Zeitpunkt die Sechswochenfrist beginnen können. Anschließend habe der Beklagte die Aufnahme von Verhandlungen verweigert, in dem er trotz mehrfacher Aufforderung seitens der Klägerin die nach Ziffer 3.2 AVV erforderliche nachvollziehbare Begründung der Notwendigkeit der begehrten Erhöhung nicht erbracht habe.

Die Schiedsstellenentscheidung sei auch materiell rechtswidrig. Sie verstoße gegen zwingendes Recht und dessen Auslegung durch die Rechtsprechung. Die Schiedsstelle habe die festgesetzte Vergütung nicht in dem nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts durchzuführenden zweistufigen Prüfungsverfahren ermittelt. Zu Unrecht habe sie auf die Darlegung der vollständigen voraussichtlichen Gestehungskosten verzichtet. Die Personalkosten seien nur einer von mehreren Faktoren, die die Gestehungskosten bestimmten. Im Übrigen könne nicht davon ausgegangen werden, dass Tariferhöhungen stets entsprechend gesteigerte Personalkosten auslösten, vielmehr seien die konkreten Auswirkungen darzulegen. Es lägen keine Erkenntnisse über die Struktur der Personalkosten – wie Eingruppierung, Tabellenentgelte, Urlaub, Arbeitszeit etc. – vor. Auch habe die Schiedsstelle nicht berücksichtigt, dass Tariferhöhungen nicht stets zu Vergütungserhöhungen führten. Zwar entsprächen tarifbedingte Personalkostensteigerungen grundsätzlich einer wirtschaftlichen Betriebsführung, doch müssten auch die Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit beachtet werden. Ein externer Vergleich sei daher auch bei Tarifsteigerungen durchzuführen. Zu Unrecht habe die Schiedsstelle ferner ohne weitere Ermittlungen einen Personalkostenanteil von 80% zu Grunde gelegt. Die tatsächlichen Personalkosten variierten zwischen den Leistungsträgern, je nach Art der Leistung, der Struktur und der Prozessorganisation des Trägers. Deshalb hätten hier die tatsächlichen Personalkosten ermittelt werden müssen.

Die Klägerin beantragt, die Entscheidung der Schiedsstelle vom 29. April 2014 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er verteidigt die Schiedsstellenentscheidung. Der Schiedsstellenantrag sei zulässig gewesen. Entgegen der Auffassung der Klägerin habe die Verhandlungsaufforderung vom 4. November 2013 nicht unter einer aufschiebenden Bedingung gestanden. Er habe lediglich zum Ausdruck gebracht, dass er die Einzelverhandlungen bei einem entsprechenden Beschluss der Vertragskommission nicht weiterführen wolle, sich jedoch nicht geweigert, solange Einzelverhandlungen aufzunehmen. Eine tatsächliche Aufnahme von Verhandlungen sei gesetzlich ebenso wenig gefordert wie deren "Anmahnung" oder ein Antrag bei der Schiedsstelle direkt nach Ablauf der Sechswochenfrist. Der Beschluss der Schiedsstelle stehe auch im Einklang mit dem zwingenden Recht. Die Schiedsstelle sei nur zur Entscheidung jener Punkte berufen, die in den vorangegangenen Verhandlungen streitig geblieben sind. Sachverhaltselemente, die nicht streitig seien, dürfe sie daher nicht prüfen. Dies gelte auch für Vergütungsbestimmungen, die von den Beteiligten in der Vergangenheit einvernehmlich angewandt worden seien. Es entspreche der gängigen Spruchpraxis der Schiedsstelle, dass bei einer tariflichen Personalkostensteigerung eine Plausibilität der Gestehungskosten auf der ersten Prüfungsstufe ohne eine weitere Aufschlüsselung dieser Kosten zu bejahen sei, soweit zum Zeitpunkt der Verhandlungsaufforderung die letzte Vergütungsvereinbarung noch Geltung habe und die Tarifsteigerung für die Einrichtung verbindlich sei und auch tatsächlich durchgeführt werde. Diese Spruchpraxis sei der Klägerin bekannt und von ihr während des Schiedsstellenverfahrens auch nicht in Frage gestellt worden. Die Zugrundelegung der letzten Vergütungsvereinbarung als Ausgangspunkt des Erhöhungsverlangens entspreche auch der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Die Einschätzung des Personalkostenanteils mit 80% begegne keinen Bedenken. Die Klägerin sei dem in der mündlichen Verhandlung vor der Schiedsstelle nicht entgegengetreten. Sie könne nicht im gerichtlichen Verfahren erstmals Dinge rügen, die sie durch Schweigen vor der Schiedsstelle unstreitig gestellt habe.

Der Beklagte hat zudem eine Bescheinigung seines Steuerberaters vom 27. März 2014 übersandt, in der dieser bestätigte, dass die Tariferhöhung TV-L und Pari HH 2014 (plus 2,95%) zum 1. Januar 2014 umgesetzt worden sei.

Der Senat hat am 20. Oktober 2016 einen Erörterungstermin durchgeführt. In diesem haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Hinsichtlich des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Prozessakten, die Akten der Klägerin sowie die Akten der Schiedsstelle verwiesen, die Gegenstand der Beratung des Senats waren.

Entscheidungsgründe:

I. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung, § 124 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

II. Die Klage, für die das Landessozialgericht nach § 29 Abs. 2 Nr. 1 SGG im ersten Rechtszug sachlich zuständig ist, ist als Anfechtungsklage statthaft. Die Entscheidung der Schiedsstelle stellt einen (vertragsgestaltenden) Verwaltungsakt dar, gegen den die Anfechtungsklage eröffnet ist (vgl. BSG, Urteil vom 23.7.2014 – B 8 SO 2/13 R; siehe auch die Urteile des erkennenden Senats vom 13.9.2012 – L 4 SO 60/11 KL und vom 30.10.2012 – L 4 SO 33/10 KL; zur Vorgängervorschrift in § 93b Abs. 1 BSHG vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.2.2002 – 5 C 25/01).

Die Klage ist auch im Übrigen zulässig. Sie richtet sich zu Recht gem. § 77 Abs. 1 Satz 5 SGB XII gegen den Vertragspartner, und damit gegen den Beklagten als Einrichtungsträger, nicht gegen die Schiedsstelle. Die Klagefrist, die sich nach § 87 Abs. 1 SGG bestimmt (vgl. Flint, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 4. Aufl. 2012, § 80 Rn. 29), ist eingehalten. Eines Vorverfahrens bedurfte es gem. § 77 Abs. 1 Satz 6 SGB XII nicht.

III. Die Klage ist auch begründet. Die Schiedsstellenentscheidung vom 29. April 2014 ist rechtswidrig.

Die Tätigkeit der Schiedsstelle ist in § 80 SGB XII i.V.m. § 77 Abs. 1 Satz 3 SGB XII geregelt. Danach entscheidet die Schiedsstelle, wenn eine Vereinbarung nach § 76 Abs. 2 SGB XII innerhalb von sechs Wochen nach schriftlicher Aufforderung zur Verhandlung nicht zustande gekommen ist, auf Antrag einer Partei über die Gegenstände, über die keine Einigung erreicht werden konnte.

Die Entscheidung der Schiedsstelle ist gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar. Die Schiedsstelle ist ein sachnahes, weisungsfreies Gremium, das aus Vertretern der Interessen der betroffenen Gruppen paritätisch zusammengesetzt ist. Aufgrund dieser Zusammensetzung und des speziellen Sachverstands ihrer Mitglieder soll die Schiedsstelle einen sachgerechten Ausgleich zwischen den Interessen der Vertragsparteien herbeiführen. Ihr kommt daher ein Gestaltungs- und Entscheidungsspielraum zu, der am Vereinbarungsspielraum der Vertragsparteien zu messen ist. Die Entscheidung der Schiedsstelle ist infolgedessen gerichtlich im Rahmen der normativen Vorgaben der §§ 75 ff SGB XII regelmäßig nur dahin überprüfbar, ob der Sachverhalt richtig ermittelt ist, die verfahrensrechtlichen Regelungen eingehalten sind und die Schiedsstelle bei der Abwägung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange ihren Gestaltungsspielraum nicht verkannt hat (vgl. BSG, Urteile vom 7.10.2015 – B 8 SO 1/14 R und B 8 SO 21/14 R, jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen; auch schon BVerwG, Urteil vom 1.12.1998 – 5 C 17/97). Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle sind somit die Richtigkeit und Vollständigkeit der Einschätzungsbasis, die methodische Korrektheit und Stimmigkeit der Wertung, die Einhaltung rechtsstaatlicher Verfahrensgrundsätze und die Beachtung geltenden Rechts (vgl. Jaritz/Eicher, jurisPK-SGB XII, § 77 Rn. 94).

1. Die Entscheidung der Schiedsstelle ist nicht bereits deshalb aufzuheben, weil die Schiedsstelle nicht zur Entscheidung befugt gewesen wäre.

a. Der Beklagte hat die Schiedsstelle insbesondere erst nach Ablauf der in § 77 Abs. 1 Satz 3 SGB XII vorgeschriebenen Frist von sechs Wochen nach schriftlicher Verhandlungsaufforderung angerufen.

Hier hatte der Beklagte die Klägerin mit Schreiben des P. vom 4. November 2013 zur Entgeltverhandlung für das Jahr 2014 aufgefordert. Entgegen der Auffassung der Klägerin begann die Frist von sechs Wochen bereits mit dieser Aufforderung zu laufen und nicht erst mit der Mitteilung des P. vom 18. Februar 2014, aus der hervorging, dass der Beklagte sich der Vereinbarung über die pauschale Entgeltsteigerung nicht anschließen wolle. Das Schreiben vom 4. November 2013 enthielt eindeutig eine Aufforderung zur Entgeltverhandlung, auch die Forderung des Beklagten hinsichtlich der Entgelthöhe für 2014 wurde benannt. Der Satz "Sollte die Vertragskommission pauschale Steigerungen für das Entgelt 2014 vereinbaren, die die Tariferhöhungen berücksichtigen, sind wir bereit die Einzelverhandlung zurückzunehmen und uns der pauschalen Anpassung anschließen" ist nicht so auszulegen, dass die Aufforderung zu Einzelverhandlungen unter der aufschiebenden Bedingung des Ergebnisses der Vertragskommission stehen sollte.

Dass eine solche aufschiebende Bedingung gemeint war, ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin insbesondere nicht aus der Regelung in Ziffer 3.3.3 der AVV zum LRV. Diese lautet: "Die Anwendung dieses Verfahrens schließt die Anwendung des Verfahrens nach Ziffer 4. der AVV aus. Dem steht nicht entgegen, im Ergebnis der Verhandlungen nach Ziffer 3 eine Erhöhung der Vergütung in Höhe der Anpassungsrate nach Ziffer 4 zu vereinbaren".

Zum Verständnis dieser Regelung ist die Systematik der Regelungen in der AVV über das Verfahren der pauschalen Anpassung (Ziffer 4 AVV) einerseits und das Verfahren der Einzelverhandlungen (Ziffer 3 AVV) andererseits zu betrachten:

Nach Ziffer 4 AVV soll die Vertragskommission rechtzeitig vor Ablauf der Laufzeit der Vereinbarungen eine Verständigung über Art und Höhe einer Vergütungsanpassung erreichen. Die einzelnen Einrichtungsträger haben nach Ziffer 4.1 und 4.2 AVV dann bis zu vier Wochen nach dem Beschluss der Vertragskommission das Recht, von dem Sozialhilfeträger eine diesem Beschluss entsprechende Anpassung zu verlangen, der Sozialhilfeträger muss dieser zustimmen. Eine von dem Beschluss der Vertragskommission abweichende Anpassung der Vergütung kann hingegen nur im Wege von Einzelverhandlungen, deren Verfahren sich nach Ziffer 3 AVV richtet, erreicht werden. Das Recht der Einrichtungsträger, Einzelverhandlungen zu fordern, ist dabei nicht an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Ziffer 3.1 AVV enthält lediglich eine zeitliche Vorgabe, indem er bestimmt, dass beabsichtigte Änderungen in der Regel sechs Monate vor Ablauf der Laufzeit der Vereinbarung, spätestens mit Beginn der Kündigungsfrist, dem anderen Vertragspartner schriftlich mitgeteilt werden. Damit haben die Einrichtungsträger grundsätzlich die Wahl zwischen Einzelverhandlungen und einer Anpassung entsprechend dem Beschluss der Vertragskommission.

Wenn Ziffer 3.3.3 AVV bestimmt, dass die Anwendung des Verfahrens der Einzelverhandlungen die Anwendung des Verfahrens nach Ziffer 4 ausschließe, eine Erhöhung der Vergütung entsprechend des Beschlusses der Vertragskommission als Ergebnis der Einzelverhandlung aber möglich sei, so ist das im Gesamtzusammenhang so zu verstehen, dass der Einrichtungsträger im Falle der Aufforderung zu Einzelverhandlungen – anders als sonst – keinen Anspruch mehr auf eine Anpassung entsprechend dem Beschluss der Vertragskommission hat, für eine solche Anpassung also auf die Zustimmung des Sozialhilfeträgers angewiesen ist. Daraus wird aber zugleich deutlich, dass der Ausschluss der Anwendung des Verfahrens nach Ziffer 4 im Fall von Einzelverhandlungen nicht bedeutet, dass Einzelverhandlungen nicht parallel zum Verfahren der Vertragskommission durchgeführt werden können. Wählt der Einrichtungsträger diesen Weg, so kann er nur nicht sicher sein, dass er eine Anpassung in Höhe des Beschlusses der Vertragskommission erhält.

Vor diesem Hintergrund kann die Erklärung des Beklagten, ggf. sei er bereit, die Einzelverhandlung zurückzunehmen und sich der pauschalen Anpassung anzuschließen, auch schlicht als Verweis auf Satz 2 der Ziffer 3.3.3 der AVV verstanden werden und damit als Hinweis darauf, wie ggf. das Ergebnis von Einzelverhandlungen aussehen könne. Eine aufschiebende Bedingung für die Einzelverhandlung in dem Sinne, dass diese erst nach Abschluss des Verfahrens der Vertragskommission und einer Erklärung des Beklagten hierzu beginnen sollten, lässt sich der Erklärung nicht, jedenfalls nicht eindeutig entnehmen.

b. Der Umstand, dass Klägerin und Beklagter vor Anrufung der Schiedsstelle tatsächlich noch nicht über die Vergütungshöhe verhandelt hatten, stand einer Entscheidung durch die Schiedsstelle nicht entgegen.

Den Regelungen über das Schiedsstellenverfahren liegt zwar der Gedanke zu Grunde, dass vor einer Anrufung der Schiedsstelle die Parteien selbst versuchen, in Verhandlungen eine Einigung herbeizuführen. Dies kommt insbesondere in der Formulierung des § 77 Abs. 3 Satz 3 SGB XII zum Ausdruck, wonach die Schiedsstelle (nur) über die Punkte entscheidet, über die die Parteien keine Einigung erreichen konnten. Jedoch lässt sich dem Gesetzeswortlaut nicht entnehmen, dass die tatsächliche Durchführung von Verhandlungen zwangsläufig Voraussetzung einer Schiedsstellenentscheidung ist. Nach dem Wortlaut des § 77 Abs. 1 Satz 3 SGB XII ist Voraussetzung für die Anrufung der Schiedsstelle, dass (mindestens) eine Partei schriftlich zu Verhandlungen aufgefordert hat und dass innerhalb von sechs Wochen keine Vereinbarung zustande gekommen ist. Die tatsächliche Durchführung von Verhandlungen wird hingegen nicht verlangt (vgl. hierzu auch Jaritz/Eicher, jurisPK-SGB XII, § 77 Rn. 61).

2. Die Schiedsstellenentscheidung ist jedoch in der Sache zu beanstanden. Die Schiedsstelle hat den für ihre Entscheidung relevanten Sachverhalt nicht in gebotenem Umfang ermittelt und daher auf unzureichender Tatsachengrundlage entschieden.

In der sozialgerichtlichen Rechtsprechung sind Maßstäbe für die Entscheidung der Schiedsstelle zur Prüfung eines Vergütungsverlangens vor allem für den Bereich der sozialen Pflegeversicherung und die Schiedsstelle nach § 76 SGB XI entwickelt worden. Dabei hatte das Bundessozialgericht zunächst (vgl. Urteil vom 14.12.2000 – B 3 P 19/00 R) entschieden, dass als leistungsgerechte Vergütung i.S.v. § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB XI in erster Linie der für vergleichbare Leistungen verlangte Marktpreis anzusehen ist (sog. externer Vergleich). Den Gestehungskosten hatte das Bundessozialgericht dagegen Bedeutung nur für den Fall beigemessen, dass ein üblicher Marktpreis nicht ermittelt werden kann, weil entweder eine hinreichend große Zahl von vergleichbaren Angeboten nicht vorliegt oder weil die zu vergleichenden Einrichtungen Unterschiede der Qualität nach aufweisen. Leitend dafür war die Einschätzung, dass der Gesetzgeber des Pflege-Versicherungsgesetzes (Gesetz zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014, 2797) eine Abkehr vom Selbstkostendeckungsprinzip und einen freien Wettbewerb der Einrichtungen angestrebt habe. Nachdem sich die Erwartungen an dieses Marktpreismodell nicht erfüllt hatten, insbesondere dieses eher Kosten treibend gewirkt hatte, hat das Bundessozialgericht seine Rechtsprechung jedoch modifiziert (grundlegend BSG, Urteil vom 29.01.2009 - B 3 P 7/08 R; vgl. auch Urteil vom 17.12.2009 - B 3 P 3/08 R): Zwar könne weiterhin keine Vergütung nach einem reinen Selbstkostendeckungsprinzip beansprucht werden. Doch solle nunmehr auch den Gestehungskosten bei der Vergütungsbemessung Bedeutung zukommen. Da die Vergütung jeweils vor Beginn einer Wirtschaftsperiode für einen zukünftigen Zeitraum zu vereinbaren und nachträgliche Ausgleiche nicht zulässig seien (§ 77 Abs. 1 Satz 1 SGB XII), könne es immer nur um die voraussichtlichen Gestehungskosten gehen. Die Überprüfung der geltend gemachten Kosten müsse sich dementsprechend auf eine Plausibilitätskontrolle beschränken. Die vom Einrichtungsträger verlangte Vergütung ist nach dieser neueren Rechtsprechung in einem zweistufigen Verfahren zu prüfen: Zunächst müssen die vom Träger zugrunde gelegten voraussichtlichen Gestehungskosten nachvollziehbar und plausibel sein (Plausibilitätskontrolle). Sodann ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob sie in einer angemessenen und nachprüfbaren Relation zu den Sätzen anderer Einrichtungen für vergleichbare Leistungen stehen (externer Vergleich).

Dieses zum Recht der Schiedsstellen in der gesetzlichen Pflegeversicherung entwickelte Prüfschema ist von der Rechtsprechung der Landessozialgerichte auf die Schiedsstellen nach dem SGB XII übertragen worden (vgl. z.B. das Urteil des Senats vom 13.9.2012 – L 4 SO 60/11 KL; Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 1.4.2015 – L 8 SO 87/12 KL; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 24.4.2013 – L 8 SI 18/12 KL). Das Bundessozialgericht selbst hat hierzu befunden (BSG, Urteil vom 7.10.2015 – B 8 SO 21/14 R), es sei grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn bzw. dass eine sozialhilferechtliche Schiedsstelle sich im Rahmen des ihr zustehenden Entscheidungsspielraums an der Rechtsprechung zum sog. externen Vergleich im Recht der Sozialen Pflegeversicherung orientiere. Im Hinblick auf die anders geartete Struktur des SGB XII und die geringere Normdichte, insbesondere die fehlenden ausdrücklichen Regelungen über die Mitwirkungspflichten im Schiedsstellenverfahren, bestehe indes keine Veranlassung, diese Rechtsprechung in der Form zu übertragen, dass die Schiedsstellen zu einem entsprechenden Vorgehen vollumfänglich und in jedem Fall gezwungen wären, wenn nicht anderes in den Verträgen oder Verordnungen der §§ 75 ff. SGB XII vorgeschrieben sei.

Nach Auffassung des Senats ist das genannte zweistufige Prüfschema auch im Bereich des SGB XII anzuwenden. Ein solches Vorgehen entspricht den im SGB XII niedergelegten Grundsätzen, die bei der Vergütungsvereinbarung zu beachten sind, sowie den Vorschriften im hier einschlägigen LRV und der AVV:

Nach § 75 Abs. 3 Satz 2 SGB XII müssen die Vereinbarungen den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit entsprechen. Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit verlangt eine günstige Zweck-Mittel-Relation im Sinne eines angemessenen und ausgewogenen Verhältnisses zwischen den angebotenen Leistungen und der hierfür geforderten Vergütung. Über das Sparsamkeitsgebot soll sichergestellt werden, dass unter mehreren geeigneten Mitteln nach dem Gesichtspunkt der Kostengünstigkeit auszuwählen ist. (zu den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit vgl. BSG, Urteil vom 7.10.2015 – B 8 SO 21/14 R; Sächsisches LSG, Urteil vom 1.4.2015 – L 8 SO 87/12 KL; Flint, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Auflage 2014, § 75 Rn. 24 f.; Jaritz/Eicher, jurisPK SGB XII, § 75 Rn. 102). Leistungsfähigkeit i.S.d. § 75 Abs. 3 Satz 2 SGB XII meint die Fähigkeit des Leistungserbringers, mit den vorhandenen Mitteln eine dem Bedarfsdeckungsgrundsatz entsprechende Hilfe für eine unbestimmte Vielzahl von Hilfeempfängern zu erbringen. Die Leistungsfähigkeit beinhaltet die Leistungsgerechtigkeit der Vergütung, welche wiederum verlangt, dass die Gestehungskosten bei der Vergütungsbemessung berücksichtigt werden (zu dem Grundsatz der Leistungsfähigkeit vgl. Jaritz/Eicher, jurisPK-SGB XII, § 75 Rn. 104; BVerwG, Urteil vom 1.12.1998 – 5 C 17/97; Sächsisches LSG, Urteil vom 1.4. 2015 – L 8 SO 87/12 KL).

Das zweistufige Prüfschema trägt diesen Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit Rechnung. Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verlangen es, im Sinne der ersten Stufe die tatsächlichen Gestehungskosten auf ihre Plausibilität zu überprüfen. Auch der externe Vergleich trägt diesen Grundsätzen Rechnung. Die Leistungsfähigkeit spielt auf der zweiten Stufe insoweit eine Rolle, als das hier eine Vergütungsspirale nach unten zu Lasten der Qualität der Leistungen oder auf Kosten von unter das ortsübliche Maß abgesunkenen Arbeitslöhnen verhindert werden soll. Der externe Vergleich ist im Übrigen auch ausdrücklich im SGB XII angelegt: Nach § 75 Abs. 2 Satz 3 SGB XII sind Vereinbarungen vorrangig mit Trägern abzuschließen, deren Vergütung bei vergleichbarem Inhalt, Umfang und Qualität der Leistung nicht höher ist als diejenige anderer Träger.

Im Landesrahmenvertrag kommen sowohl die Grundsätze von Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit zum Ausdruck wie auch die Erforderlichkeit eines externen Vergleichs. So heißt es in § 5 Abs. 1 LRV: "Die Vergütungen müssen angemessen und leistungsgerecht sein und es einer Einrichtung bzw. einem Dienst bei sparsamer und wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglichen, eine bedarfsgerechte Hilfe zu leisten" und in § 5 Abs. 2 LRV: "Zur Bewertung der Angemessenheit und Leistungsgerechtigkeit einer Vergütung sind Vergütungen anderer Einrichtungen bzw. Dienste mit vergleichbarem Inhalt, Umfang und Qualität der Leistung heranzuziehen".

Die Entscheidung der Schiedsstelle wird diesen Maßstäben nicht gerecht. Zwar hat die Schiedsstelle in ihrer Entscheidung ausgeführt, sie mache sich die jüngere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Pflegeversicherung zu eigen, und sodann die zwei Schritte der danach vorzunehmenden Prüfung dargelegt. Sie hat tatsächlich jedoch weder die voraussichtlichen Gestehungskosten auf ihre Plausibilität überprüft noch einen externen Vergleich angestellt.

a. Um eine Plausibilitätsprüfung der Gestehungskosten zu ermöglichen, ist zunächst erforderlich, dass diese vom Einrichtungsträger dargelegt werden. Die Gestehungskosten setzen sich aus unterschiedlichen Faktoren zusammen. Zu ihnen gehören alle Aufwendungen, die die Einrichtung für die Beschaffung und Bezahlung der zu erbringenden Leistungen hat (üblicherweise unterteilt in Personal- und Sachkosten), außerdem ist eine angemessene Vergütung des Unternehmerrisikos zu berücksichtigen (Jaritz, a.a.O. § 75 Rn. 104). Verlangt die Einrichtung eine bestimmte Vergütung, so ist dies nur nachvollziehbar, wenn sämtliche darin eingeflossene Aufwendungen dargelegt werden. Die Einhaltung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit kann nur überprüft werden, wenn die voraussichtlichen Kosten bekannt sind.

Vorliegend sind die voraussichtlichen Gestehungskosten überhaupt nicht beziffert worden. Der Beklagte hat nicht einmal die zu erwartenden Personalkosten dargelegt. In dem als Anlage zum Schreiben vom 4. November 2013 übersandten Kalkulationsblatt hat er überhaupt keine Aufwendungen/Kosten beziffert, sondern lediglich die im Vorjahr gezahlte Vergütung – aufgeteilt in Grundpauschale, Maßnahmenpauschale und Investitionsbeitrag – sowie den begehrten Erhöhungssatz (2,7%) benannt und dann die sich daraus ergebende neue Vergütung berechnet. Sind die voraussichtlichen tatsächlichen Gestehungskosten somit nicht einmal ansatzweise beziffert, geschweige denn detaillierter nach Kostenarten (Personalkosten, Sachkosten, jeweils mit Untergliederungen) dargelegt, so können diese auch nicht auf ihre Plausibilität überprüft werden.

Damit hat der Beklagte die Anforderungen des LRV hinsichtlich seiner Darlegungspflichten nicht erfüllt. Nach der AVV Ziffer 3.2 sind bei einer Aufforderung zu Verhandlungen über Änderungen der Vergütungsvereinbarung folgende Unterlagen vorzulegen: • Beschreibung der geplanten Änderungen • Aktuelles Kalkulationsblatt für Einzelverhandlungen • Nachvollziehbare Begründung der verlangten Erhöhung • Qualitätssicherungsbericht, sofern dieser noch nicht vorliegt

Der Senat brauchte nicht darüber zu entscheiden, welche Anforderungen an eine "nachvollziehbare Begründung" der Vergütungserhöhung im Einzelnen zu stellen sind, denn es fehlte bereits an einem aktuellen Kalkulationsblatt für Einzelverhandlungen. Ein Muster dieses Kalkulationsblattes enthält Anlage 3.1 zum LRV. Das Kalkulationsblatt für Einzelverhandlungen enthält neben den Stammdaten und Angaben zur bisherigen Vergütungsvereinbarung unter Punkt IV. und V. Angaben zu den voraussichtlichen Personal- und Sachkosten. Danach sind die Personalkosten des Vorjahres sowie die voraussichtlichen Personalkosten des Vereinbarungsjahres, jeweils unterteilt auf bestimmte Beschäftigtengruppen, zu beziffern. Entsprechendes gilt für die Sachkosten. Das vom Beklagten eingereichte Kalkulationsblatt entspricht dem nicht. Es handelt sich dabei vielmehr um das Kalkulationsblatt entsprechend dem Muster in Anlage 3.2 zum LRV, das für den Fall der Anwendung des Verfahrens der pauschalen Anpassung nach einem entsprechendem Beschluss der Vertragskommission (Ziffer 4 AVV) zu benutzen ist. Bei einer derartigen pauschalen Anpassung sind naturgemäß für die Kalkulation nur die bisher geltende Vergütung sowie die vereinbarte prozentuale Erhöhung anzugeben.

Soweit die Schiedsstelle es hat ausreichen lassen, dass der Beklagte die zu erwartende Kostensteigerung im Personalsektor mit dem Verweis auf die Tarifsteigerungen plausibel dargetan habe, genügt dies nicht den Anforderungen der Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Die Darlegung der voraussichtlichen tatsächlichen Gestehungskosten kann nicht durch die Darlegung der prozentualen Änderung der Personalkosten ersetzt werden. Die prozentuale Steigerung der Personalkosten mag für sich genommen den Tatsachen entsprechen. Trotzdem muss dies nicht zwangsläufig zu einer entsprechenden Steigerung der Gestehungskosten führen. Zum einen ist nicht auszuschließen, dass sich andere Bestandteile der Gestehungskosten geändert haben, z.B. die Zusammensetzung des Personals, die Eingruppierung einzelner Beschäftigter oder einzelne Posten der Sachkosten. Zum anderen beruht die bisherige Vergütung auf einer Prognose, da auch sie vor Beginn der vorherigen Wirtschaftsperiode auf Basis der voraussichtlichen Kosten ausgehandelt worden war. Entscheidend für die nächste Vereinbarung kann aber nicht eine Prognose für den bisherigen Zeitraum sein, vielmehr ist von den tatsächlichen Ausgaben im bisherigen Zeitraum auszugehen. Eine bloße prozentuale Fortschreibung der bisherigen, auf prognostischen Annahmen basierenden Vergütung würde alle Unsicherheiten, die mit der "alten" Prognose verbunden waren, weiter forttragen, was – besonders über längere Zeiträume gerechnet – durchaus zu nicht unerheblichen Abweichungen von den tatsächlichen Kosten führen kann.

Insofern geht auch der Verweis des Bevollmächtigten des Beklagten im Schreiben vom 25. März 2014, der Klägerin seien die bisherigen Gestehungskosten aus den Verhandlungen und dem letzten Abschluss bekannt, fehl. Unabhängig davon, ob das auch für die hier im Streit stehende Einrichtung der Fall ist (das Schreiben bezog sich explizit auf ein anderes Schiedsstellenverfahren mit einem anderen Einrichtungsträger) geht es gerade um die Möglichkeit zu prüfen, ob und welche Änderungen eingetreten sind bzw. ob sich die damalige Prognose hinsichtlich der Kosten realisiert hat oder nicht.

Die Schiedsstelle beruft sich in ihrer Entscheidung darauf, das Bundessozialgericht habe in seinem Urteil vom 29. Januar 2009 (B 3 P 7/08 R) geäußert, im Falle eines bestimmten Erhöhungsverlangens seien entsprechende Kostensteigerungen zu belegen. Dem zitierten Urteil ist aber keine Begrenzung der Darlegung auf die Kostensteigerung zu entnehmen. In der von der Schiedsstelle zitierten Randnummer 25 des genannten Urteils heißt es: "Die voraussichtlichen Gestehungskosten müssen plausibel und nachvollziehbar sein, also die Kostenstruktur des Pflegeheims erkennen und eine Beurteilung seiner Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit im Einzelfall zulassen (§ 85 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 1 und Satz 3 SGB XI). Deshalb hat das Pflegeheim zunächst geeignete Nachweise beizubringen; die Vorlage einer reinen Kostenkalkulation ohne weitere Angaben reicht in aller Regel nicht aus. Die Kostenkalkulation ist vielmehr hinreichend zu belegen und muss tatsächlich nachvollziehbar sein. Diesem Plausibilitätserfordernis wird etwa genügt, wenn Kostensteigerungen zB auf erhöhte Energiekosten zurückzuführen sind oder im Personalbereich auf die normale Lohnsteigerungsrate begrenzt bzw durch Veränderungen im Personalschlüssel oder bei der Fachkraftquote bedingt sind. Nicht von vornherein als unplausibel ausgeschlossen ist auch die Erhöhung von Kostenansätzen, die in den Vorjahren aufgrund fehlerhafter Kalkulation oder sogar bewusst - etwa um Marktsegmente zu erobern - zu niedrig angesetzt worden sind; im letzteren Fall besteht allerdings eine besonders substanziierte Begründungspflicht des Pflegeheims. Für eine erfolgreiche Plausibilitätsprüfung ist es indes nicht ausreichend, wenn eine erhebliche und nicht durch konkrete Fakten belegte Erhöhung der Personalkosten mit der Begründung begehrt wird, diese Beträge seien an dem durchschnittlichen tariflichen Arbeitgeberaufwand pro Vollzeitstelle orientiert, den die beklagte Schiedsstelle ohne Nachweis der konkreten Gestehungskosten regelmäßig anerkenne (zu einer solchen Begründung vgl Senatsurteil vom 29.1.2009 - B 3 P 6/08 R -, Umdruck S 3 und 12)." Das Bundessozialgericht hat die Vorlage einer reinen Kostenkalkulation ausdrücklich nicht ausreichen lassen, sondern gefordert, dass diese hinreichend zu belegen sei und tatsächlich nachvollziehbar sein müsse. Eine Begrenzung der Darlegungsnotwendigkeit auf die Steigerung findet sich nicht, vielmehr befindet das Bundessozialgericht, dass die Darlegung einer Steigerung bestimmter Kosten die voraussichtlichen Gestehungskosten und damit die geforderte Vergütungserhöhung plausibel machen kann. Ein Verzicht auf die Darlegung der Gestehungskosten selbst ist damit nicht verbunden.

Außerdem trägt das Vorgehen der Schiedsstelle auch der Systematik der Regelungen des LRV bzw. der AVV nicht hinreichend Rechnung. Die AVV unterscheidet zwischen zwei möglichen Verfahren zur Vergütungsanpassung: Es gibt das in Ziffer 4 geregelte Verfahren der pauschalen Vergütungsanpassung durch Vertragskommissionsbeschluss, dem sich die einzelnen Einrichtungsträger anschließen können, ohne weitere Nachweise zu ihren tatsächlichen Kosten vorlegen zu müssen. Sofern ein Träger eine von dem Beschluss der Vertragskommission abweichende Vergütung fordern möchte, steht ihm hierzu das Verfahren der Einzelverhandlungen nach Ziffer 3 AVV zur Verfügung. In diesem Verfahren, in dem es nicht um eine pauschale Anpassungsquote für eine Vielzahl von Einrichtungen, sondern allein um die Vergütung für die konkrete Einrichtung geht, sind dann aber Nachweise über die Kosten und die geltend gemachte Erhöhung vorzulegen, auf eine pauschale Kostensteigerung kann der Einrichtungsträger sich in diesem Verfahren nicht berufen. Den systematischen Unterschieden wird nicht hinreichend Rechnung getragen, wenn man – wie hier die Schiedsstelle – innerhalb des Verfahrens der Einzelverhandlung eine Berufung des Einrichtungsträgers auf die Steigerung einzelner Kostenpunkte ausreichen lässt und angelehnt daran eine pauschale Erhöhung der Vergütungssätze unabhängig von den tatsächlichen voraussichtlichen Gestehungskosten vornimmt.

Die Darlegungspflicht des Beklagten ist ferner auch nicht deshalb auf die zu erwartende prozentuale Steigerung der Personalkosten beschränkt, weil die Kostensätze aus der zuletzt geltenden Vergütungsvereinbarung als unstreitige Kalkulationsgrundlage zu betrachten wären. Die Schiedsstelle und ihr folgend der Beklagte argumentieren insofern damit, dass die bisherige Vergütungsvereinbarung Ausgangspunkt jedes Erhöhungsverfahrens sei. Es müsse grundsätzlich angenommen werden, dass die bisherige Vergütung den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit entspreche. Nur ausnahmsweise und mit erschwerten Begründungs- und Nachweispflichten könne die Fehlerhaftigkeit der bisherigen Vergütungsvereinbarung geltend gemacht werden. Voraussetzung hierfür sei außerdem, dass das entsprechende Änderungsbegehren innerhalb der von Ziffer 3.1 der AVV genannten Frist dem anderen Vertragspartner mitgeteilt werde. Hier habe aber nur der Beklagte zu Verhandlungen aufgefordert. Unabhängig von der Frage, ob der bisherigen Vergütungsvereinbarung tatsächliche eine Richtigkeitsvermutung zukommt und wieweit diese reicht (vgl. dazu ausführlich das Sächsische LSG, Urteil vom 1.4.2015 – L 8 SO 87/12 KL, juris Rn. 43), führen diese Überlegungen in dem hier zu entscheidenden Fall nicht zu einer Einschränkung der Darlegungspflicht des Beklagten. Die Klägerin macht hier nicht geltend, dass die bisherige Vergütungsvereinbarung unrichtig gewesen sei. Vielmehr geht es ihr darum, anhand von konkreten Zahlen und entsprechenden Unterlagen überprüfen zu können, ob die vom Beklagten geforderte Änderung gegenüber der letzten Vergütungsvereinbarung gerechtfertigt ist. Dieses Anliegen ist auch dann berechtigt und von den Regelungen der AVV gedeckt, wenn die letzte Vereinbarung keine Fehler aufweist. Zur Begründung des Änderungsverlangens reicht es aus den oben bereits genannten Gründen (mögliche Änderungen einzelner Kostenfaktoren, prognostischer Charakter der letzten Vergütungsvereinbarung) aber nicht aus, auf die Steigerung der Personalkosten um 2,95% zu verweisen.

Das vom Beklagten in seinem Schriftsatz vom 27. Februar 2015 (dort S. 10) zur Unterstützung seiner Auffassung, als Ausgangspunkt für die Prüfung eines Erhöhungsverlangens sei die letzte Vergütungsvereinbarung zugrunde zu legen, genannte Urteil des Bundessozialgerichts vom 16. Mai 2013 (B 3 P 2/12 R) enthält keine Ausführungen diesbezüglich und ist insofern unergiebig.

Die nähere Darlegung der Gestehungskosten ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Anpassungen an tarifliche Gehaltserhöhungen immer als wirtschaftlich angemessen zu werten sind (dazu BSG, Urteil vom 29.1.2009 – B 3 P 7/08 R). Dieser Aspekt kommt erst auf der zweiten Prüfstufe – dem externen Vergleich – zum Tragen, entbindet jedoch nicht von der Notwendigkeit, die tatsächlichen voraussichtlichen Gestehungskosten plausibel darzulegen.

Schließlich kann ein Verzicht auf die Darlegung der vollständigen voraussichtlichen Gestehungskosten auch nicht damit begründet werden, dass die Schiedsstelle zur Entscheidung nur über die Punkte berufen ist, die zwischen den Beteiligten streitig geblieben sind. Die Klägerin hat hier von Anfang an und auch in der Sitzung der Schiedsstelle die Vorlage weiterer Unterlagen und eine genauere Darlegung der Gestehungskosten bzw. Begründung der Änderung eingefordert. Damit hat sie das Erhöhungsverlangen des Beklagten insgesamt streitig gestellt. Liegen der Klägerin keine weiteren Unterlagen vor, anhand derer sie den Kostenansatz des Beklagten überprüfen könnte, so kann von ihr nicht erwartet werden, dass sie einzelne Punkte rügt. Auch das angenommene Verhältnis von Personal- und Sachkosten musste die Klägerin nicht gesondert rügen. Von dem Vortrag, es sei eine konkrete Begründung erforderlich, ist mit umfasst, dass die Klägerin sich gegen Schätzungen wendet. Wären die von der Klägerin geforderten Unterlagen vorgelegt worden, so wäre eine Schätzung der Anteile zudem nicht mehr nötig gewesen, da sie dann konkret berechnet hätten werden können.

b. Die Schiedsstelle hat den Sachverhalt auch insofern nicht hinreichend ermittelt, als sie das Verhältnis von Personal- zu Sachkosten geschätzt hat. Die Höhe der jeweiligen Anteile bestimmt die Auswirkungen einer Personalkostenerhöhung auf die Gesamtkosten nicht unerheblich mit. Auch diesbezüglich gilt, dass eine Schätzung der Anteile im Rahmen des von der Vertragskommission zu treffenden Beschlusses über eine pauschale Anpassung der Vergütung angemessen erscheint, nicht aber im Verfahren der Einzelverhandlung. Während im Verfahren der Vertragskommission gerade eine pauschale Steigerungsrate für alle Einrichtungen, unabhängig von den Verhältnissen der einzelnen Einrichtung, gefunden werden soll, geht es in den Einzelverhandlungen nur um die konkrete einzelne Einrichtung. Eine Schätzung erscheint hier nicht angebracht, zumal die tatsächlichen Anteile leicht feststellbar wären. Im Übrigen ist die Schätzung der Anteile von Personal- und Sachkosten nicht hinreichend begründet. Die Schiedsstelle beruft sich pauschale auf Erfahrungen ihrer Mitglieder, ohne darzulegen, worauf sich diese beziehen (insbesondere: speziell auf Einrichtungen der Hilfen nach §§ 67 ff. SGB XII oder auf Einrichtungen im Bereich des SGB XII insgesamt?). Schon wegen der Bedeutung der Höhe des Anteils an den Gesamtkosten geht auch der Hinweis der Schiedsstelle fehl, dass die Sachkosten nicht darzulegen waren, weil eine Anhebung der Sachkosten vom Beklagten zuletzt nicht mehr geltend gemacht worden sei.

c. Im Übrigen hat die Schiedsstelle auch insofern gegen die rechtlichen Vorgaben verstoßen, als sie keinerlei externen Vergleich angestellt hat. In der Schiedsstellenentscheidung heißt es hierzu lediglich, die Anhebung der Personalkosten um 2,95% entspreche dem Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst der Länder und bewege sich damit im Rahmen der normalen tariflichen Steigerung. Ein tatsächlicher Vergleich mit der Vergütung, die anderen Einrichtungen für vergleichbare Leistungen gezahlt werden, ist nicht erfolgt. Zwar hat das Bundessozialgericht befunden, dass die Einhaltung der Tarifbindung und die Zahlung ortsüblicher Gehälter im Rahmen des externen Vergleichs immer als wirtschaftlich angemessen zu werten seien (Urteil vom 29.1.2009 – B 3 P 7/08 R). Hier ist jedoch nicht einmal festgestellt worden, ob die vom Beklagten geforderte Vergütung derjenigen vergleichbarer Einrichtungen entspricht oder darüber liegt, und – wenn letzteres – ob der höhere Aufwand des Beklagten gerade auf höheren Personalkosten beruht oder auf anderen (möglicherweise nicht anzuerkennenden) Gründen.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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