L 15 RF 26/16

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 RF 26/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Kostenbeschluss
Leitsätze
1. Ist die vom Antragsteller gemachte Streckenangabe nicht nur geringfügig höher als die Entfernung, wie sie sich bei Zuhilfenahme der Routenplaner im Internet ergibt, und ist ein behaupteter Umweg nicht als objektiv erforderlich nachgewiesen, ist dem Fahrtkostenersatz grundsätzlich die dem Routenplaner zu entnehmende Streckenlänge zur schnellsten Route ohne einen Toleranzaufschlag zugrunde zu legen.
2. Bloße Behauptungen ins Blaue hinein erzeugen keinen weiteren Ermittlungsbedarf.
3. Eine Verzinsung ist dem JVEG fremd.
Die Entschädigung wegen des Erscheinens des Herrn A. beim Gerichtstermin am 30.10.2014 wird auf 218,50 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt aus abgetretenem Recht eine Entschädigung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) wegen der Teilnahme des Herrn A. an einem Gerichtstermin.

In dem am Bayer. Landessozialgericht (LSG) unter dem Aktenzeichen L 1 RS 1/12 geführten Berufungsverfahren des Herrn A. (im Folgenden: Zedent) fand am 30.10.2014 eine mündliche Verhandlung statt, an der der Zedent teilnahm. Das persönliche Erscheinen des Zedenten wurde nachträglich angeordnet.

Mit einem auf den 19.10.2014 datierten und beim LSG am 31.10.2014 eingegangenen Schreiben beantragte der Zedent in Vertretung seiner Mutter und jetzigen Antragstellerin eine Entschädigung für sein Erscheinen beim Gerichtstermin am 30.10.2014 in Höhe von insgesamt 512,92 EUR (Fahrtkosten: 2 × 448,2 km zu je 0,30 EUR = 268,92 EUR; Zehrgeld: 24,- EUR; Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung für 11 Stunden zu je 20,- EUR = 220,- EUR) zuzüglich Zinsen. Dem Entschädigungsantrag beigelegt war ein ebenfalls auf den 19.10.2014 datierter Vertrag, mit dem der Zedent seinen Entschädigungsanspruch an die Antragstellerin abgetreten hatte.

Die Kostenbeamtin des LSG gewährte mit Schreiben vom 01.04.2015 als Entschädigung einen Betrag von 226,50 EUR (Fahrtkosten: insgesamt 718 km zu je 0,25 EUR = 179,50 EUR; Aufwand/Zehrgeld: 12,- EUR; Entschädigung für Zeitversäumnis ("Nachteilsausgleich") für 10 Stunden zu je 3,50 EUR = 35,- EUR) und zahlte diesen an die Antragstellerin aus.

Die aus seiner Sicht unzureichende Entschädigung für den 30.10.2014 beanstandete der Zedent im eigenen Namen mit Schreiben vom 01.04.2016 und beantragte, die Entschädigung auf insgesamt 574,92 EUR zuzüglich Zinsen festzusetzen. Dieser Antrag wurde mit Beschluss des Senats vom 17.06.2016, Az.: L 15 RF 20/16, abgelehnt, da der Zedent infolge der Abtretung an die Antragstellerin keinen Anspruch mehr auf Entschädigung wegen des Gerichtstermins am 30.10.2014 habe.

Gegen diesen Beschluss hat sich der Zedent mit Schreiben vom 11.07.2016 mittels einer Gegenvorstellung (Az.: L 15 RF 24/16) und einer Anhörungsrüge (Az.: L 15 RF 25/16) gewandt und gleichzeitig im Namen und mit Unterschrift auch der Antragstellerin begehrt, die Entschädigung für den Gerichtstermin am 30.10.2014 in der beantragten Höhe festzusetzen. Für die angefallenen Kosten hat sich der Zedent als Zeuge angeboten.

Auf gerichtliche Nachfrage vom 21.07.2016 u.a. danach, ob der Zedent zum Zeitpunkt des Gerichtstermins "Erwerbsersatzeinkommen, z.B ... Rente wegen Erwerbsminderung, bezogen" habe - in diesem Zusammenhang hat der Senat die Antragstellerin auch darüber aufgeklärt, dass der Bezug von Erwerbsersatzeinkommen einer Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung entgegen stehe -, und entsprechende Erinnerung hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 08.11.2016 Folgendes mitgeteilt: "Der Kläger war am 30.10.2014 nicht erwerbstätig und hatte auch kein Erwerbsersatzeinkommen. Hab ihn extra nochmal gefragt." Der Zedent lebe - so die Antragstellerin - derzeit von ihrer elterlichen Unterstützung. Die angegebene Fahrtstrecke von 2 × 448,2 km entspreche der tatsächlich gefahrenen Strecke. Schon am 11.07.2013 (im Verfahren L 15 SF 86/13 B) habe - so die Antragstellerin weiter - der Zedent die gegenüber der Auskunft aus Routenplanern längere Strecke wie folgt erklärt: "Grund ist, dass es sich dabei um die über viele Jahre gewohnte Strecke handelt. Aus gesundheitlichen Gründen (panische Platzangst, weshalb ich weder Lifte noch Tunnels benutze; bin zu 100 % schwer behindert) war mir keine Streckenführung mit langen Tunneln möglich." Am 22.08.2013 habe er dies (im Verfahren L 15 SF 86/13 B) noch näher mit den auf der kürzeren Strecke befindlichen Tunnel erläutert.

Beigezogen worden sind die Akten des Bayer. LSG des zugrunde liegenden Berufungsverfahrens des Zedenten (Az.: L 1 RS 1/12) sowie der weiteren entschädigungsrechtlichen Verfahren des Zedenten (Az.: L 15 SF 86/13 B, L 15 RF 20/16, L 15 RF 24/16 und L 15 RF 25/16).

II.

Die Festsetzung der Entschädigung erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn wie hier mit Schreiben vom 11.07.2016 sinngemäß die gerichtliche Festsetzung der Entschädigung beantragt wird, weil die von der Kostenbeamtin gewährte Entschädigung als zu niedrig beanstandet wird. Der Antragstellerin steht als Zessionarin das Recht zu, die gerichtliche Festsetzung der Entschädigung gemäß § 4 JVEG zu beantragen (vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Aufl. 2014, § 2, Rdnr. 6 - m.w.N.).

Der Antragstellerin steht wegen des Erscheinens des Zedenten beim Gerichtstermin am 30.10.2014 ein abgetretener Anspruch auf Entschädigung in Höhe von 218,50 EUR zu. Ein weitergehender Entschädigungsanspruch besteht nicht.

1. Prüfungsumfang im Verfahren der gerichtlichen Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG

Die gerichtliche Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG stellt keine Überprüfung der vom Kostenbeamten vorgenommenen Ermittlung der Entschädigung oder Vergütung dar, sondern ist eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung. Bei der Festsetzung durch den Kostenbeamten handelt es sich um eine lediglich vorläufige Regelung, die durch den Antrag auf gerichtliche Festsetzung hinfällig wird (vgl. Bundesgerichtshof - BGH -, Entscheidung vom 05.11.1968, Az.: RiZ (R) 4/68). Damit wird eine vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungsweg sowohl bei den Einzelpositionen als auch im Gesamtergebnis gegenstandslos. Das Gericht hat daher eine vollumfassende Prüfung des Entschädigungs- oder Vergütungsanspruchs vorzunehmen, ohne auf Einwände gegen die im Verwaltungsweg erfolgte Festsetzung beschränkt zu sein. Die vom Gericht festgesetzte Entschädigung oder Vergütung kann deshalb auch niedriger ausfallen, als sie zuvor vom Kostenbeamten festgesetzt worden ist; das Verbot der reformatio in peius gilt nicht (h.M., vgl. z.B. Beschluss des Senats vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12; Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a.a.O., § 4, Rdnr. 12 - m.w.N.).

2. Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung

Eine Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung gemäß § 21 JVEG ist nicht zu gewähren.

2.1. Allgemeine Vorgaben

§ 21 JVEG in der seit dem Inkrafttreten des 2. KostRMoG am 01.08.2013 geltenden Fassung lautet wie folgt:

"Zeugen, die einen eigenen Haushalt für mehrere Personen führen, erhalten eine Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung von 14 Euro je Stunde, wenn sie nicht erwerbstätig sind oder wenn sie teilzeitbeschäftigt sind und außerhalb ihrer vereinbarten regelmäßigen täglichen Arbeitszeit herangezogen werden. Zeugen, die ein Erwerbsersatzeinkommen beziehen, stehen erwerbstätigen Zeugen gleich ..."

Gegenüber der bis zum 31.07.2013 gültigen Fassung hat der Gesetzgeber mit § 21 Satz 2 JVEG eine Neuregelung - keine Klarstellung (vgl. Beschluss des Senats vom 26.11.2013, Az.: L 15 SF 208/13) - dahingehend eingeführt, dass der Bezug von Erwerbsersatzeinkommen einer Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung entgegen steht.

Was unter Erwerbsersatzeinkommen zu verstehen ist, hat der Gesetzgeber wie folgt zu § 21 Satz 2 JVEG erläutert (vgl. die Gesetzesbegründung zum 2. KostRMoG, Bundestags-Drucksache 17/11471 (neu), S. 325):

"Die Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung gemäß § 21 JVEG führt in der bisherigen Praxis zu unterschiedlichen Anwendungen bei Personen, die ein Erwerbsersatzeinkommen bzw. Lohnersatzleistungen beziehen (z. B. Rente oder Arbeitslosengeld, Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II).

Der überwiegende Teil der Rechtsprechung geht davon aus, dass diese Leistungen die Erwerbstätigkeit ersetzen und daher eine Berücksichtigung von Haushaltsführungsentschädigung nicht in Betracht kommt ( ...).

Zur Klarstellung soll § 21 JVEG entsprechend ergänzt werden."

2.2. Prüfung im vorliegenden Fall

Würde von den von der Antragstellerin im Schreiben vom 08.11.2016 gemachten Angaben ("Der Kläger war am 30.10.2014 nicht erwerbstätig und hatte auch kein Erwerbsersatzeinkommen. Hab ihn extra nochmal gefragt.") ausgegangen, würde eine Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung in Betracht kommen. Diese Auskunft der Antragstellerin entspricht jedoch nicht den Tatsachen; sie ist unrichtig.

Den Unterlagen des Berufungsverfahrens des Zedenten - dort Schreiben der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 27.11.2014 - ist zu entnehmen, dass der Zedent seit 2010 Rente wegen Erwerbsminderung bezieht und im Oktober 2014 eine Rente mit einem "Rentenzahlbetrag in Höhe von 899,33 EUR" erhalten hat. Die Angaben der Antragstellerin und auch die entsprechenden Angaben des Zedenten sowohl in bereits erledigten Verfahren nach dem JVEG als auch in dem dem Entschädigungsanspruch zugrunde liegenden Berufungsverfahren sind daher nachweislich wahrheitswidrig. Auf die falschen Angaben im Rentenverfahren hat den Zedenten im Übrigen bereits das Gericht der Hauptsache mit Schreiben vom 14.01.2015 hingewiesen und strafrechtliche Konsequenzen in den Raum gestellt.

Sollten sich die Antragstellerin und der Zedent darüber wundern, dass im vorliegenden Verfahren keine Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung zugesprochen wird, obwohl der Zedent im Verfahren L 15 SF 86/13 B auf Vorschlag des Kostensenats eine solche vergleichsweise für einen im Jahr 2012 liegenden Entschädigungstatbestand erhalten hat, erklärt sich dies mit der zum 01.08.2013 erfolgten Rechtsänderung. Bei Entschädigungstatbeständen vor dem genannten Zeitpunkt stand der Bezug von Erwerbsersatzeinkommen oder Lohnersatzleistungen, anders als heute, einer Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluss vom 26.11.2013, Az.: L 15 SF 208/13) nicht entgegen.

3. Entschädigung für Zeitversäumnis

Es steht aber eine Entschädigung für Zeitversäumnis im Sinn des § 20 JVEG in Höhe von 35,- EUR zu.

3.1. Ob der Entschädigung für Zeitversäumnis

Eine Entschädigung für Zeitversäumnis wird - auch bei Beteiligten des sozialgerichtlichen Verfahrens - regelmäßig dann zu erbringen sein, wenn weder ein Verdienstausfall noch Nachteile bei der Haushaltsführung geltend gemacht werden können. Denn bei dieser Entschädigung für sonstige Nachteile ist es nicht erforderlich, dass dem Berechtigten geldwerte Vorteile entgehen (vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a.a.O., § 20, Rdnr. 4). Zudem besteht mit § 20 letzter Halbsatz JVEG eine widerlegbare gesetzliche Vermutung dahingehend, dass ein Nachteil erstanden ist.

Mit der Frage, wann die gesetzliche Vermutung als widerlegt zu betrachten ist, hat sich der Senat eingehend in seinem Grundsatzbeschluss vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11, auseinander gesetzt. Danach ist lediglich dann, wenn dem Antragsteller "ersichtlich" kein Nachteil entstanden ist, eine Entschädigung für Zeitversäumnis nicht zu leisten. Davon, dass ersichtlich kein Nachteil entstanden ist, ist dann auszugehen, wenn sich aus den eigenen Angaben des Antragstellers ergibt, dass er die Zeit, wenn es den Gerichtstermin nicht gegeben hätte, nicht anderweitig sinnvoll verwendet hätte, oder wenn es offensichtlich ist, dass ein Nachteil nicht eingetreten ist. Von ersterem ist dann auszugehen, wenn ein Antragsteller im Antrag nichts angibt, was auf eine Zeitversäumnis hindeutet und nicht einmal durch Ankreuzen der entsprechenden Stelle im Antragsformular zu erkennen gibt, dass ihm eine Zeitversäumnis entstanden ist (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Beschluss vom 06.11.2013, Az.: L 15 SF 191/11 B E). Ob der Nichteintritt eines Nachteils aus anderen Gründen ersichtlich, d.h. offensichtlich erkennbar ist, ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Die Anforderungen an die Prüfpflicht der Kostenbeamten sind dabei angesichts der gesetzlichen Vermutung nur sehr gering (vgl. Beschluss des Senats vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11). Denn mit der Entschädigung für Zeitversäumnis gemäß § 20 JVEG wird auch der Verlust von Freizeit entschädigt, wobei die Verwendung von Freizeit sehr vielgestaltig ist und im Belieben des Einzelnen steht. Eine Beurteilung der Wertigkeit der Freizeitgestaltung steht dem Kostenbeamten genauso wie dem Kostenrichter nicht zu.

Dadurch, dass vorliegend eine Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung geltend gemacht worden ist (, die aber nicht zugesprochen werden kann - vgl. oben Ziff. 2.), kann nicht unterstellt werden, dass der Zedent die Zeit nicht anderweitig sinnvoll verwendet hätte, sodass die nachrangig zustehende Entschädigung für Zeitversäumnis zuzusprechen ist (vgl. Beschlüsse des Senats vom 24.04.2013, Az.: L 15 SF 62/13, und vom 14.05.2014, Az.: L 15 SF 122/13; zur vergleichbaren Situation, dass Entschädigung für Verdienstausfall beantragt wird, ein Verdienstausfall aber nicht nachgewiesen ist: vgl. Beschluss des Senats vom 18.11.2013, Az.: L 15 SF 121/11 - m.w.N.).

3.2. Zu entschädigende Zeitdauer

Es ist eine Entschädigung für 10 Stunden zu gewähren.

Die Dauer der zu entschädigenden Zeit ergibt sich aus § 19 Abs. 2 JVEG. Danach ist gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 JVEG die "gesamte Dauer der Heranziehung einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten" zu berücksichtigen. Diese Regelung gilt für alle nach Zeit zu bemessenden Entschädigungstatbestände. Die Notwendigkeit der Dauer der Heranziehung ist - wie auch sonst bei der Bemessung der Entschädigung - nach objektiven Kriterien zu ermitteln (vgl. zur Fahrtstrecke: Beschluss des Senats vom 02.07.2012, Az.: L 15 SF 12/12; zu Verpflegungskosten: Beschluss des Senats vom 01.08.2012, Az.: L 15 SF 277/10; zur Begleitperson: Beschluss des Senats vom 02.11.2012, Az.: L 15 SF 82/12). Begrenzt ist die Dauer gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 JVEG auf 10 Stunden je Tag.

Im vorliegenden Fall kann eine Abwesenheitszeit des Zedenten am 30.10.2014 von über 10 Stunden als objektiv noch erforderlich betrachtet werden, wobei sich wegen der Obergrenze des § 19 Abs. 2 Satz 1 JVEG eine Auseinandersetzung mit der Frage der exakten objektiv erforderlichen Abwesenheitszeit erübrigt. Es ist daher eine Entschädigung für 10 Stunden zuzusprechen.

3.3. Ergebnis zu der Entschädigung für Zeitversäumnis

Bei einem gemäß § 20 JVEG zugrunde zu legenden Stundensatz von 3,50 EUR ergibt sich bei einer zu entschädigenden Zeitdauer von 10 Stunden eine Entschädigung für Zeitversäumnis in Höhe von 35,- EUR.

4. Fahrtkostenersatz

Es sind Fahrtkosten gemäß § 5 JVEG in Höhe von 171,50 EUR zu ersetzen.

4.1. Allgemeine Vorgaben

Der Gesetzgeber hat mit § 5 JVEG dem Zeugen bzw. Beteiligten ein Wahlrecht eröffnet, ob er mit öffentlichen Verkehrsmitteln (§ 5 Abs. 1 JVEG) oder mit dem Kraftfahrzeug (§ 5 Abs. 2 JVEG) zum gerichtlich festgesetzten Termin anreist. Der Fahrtkostenersatz folgt der getroffenen Wahl des Beförderungsmittels. Wählt der Zeuge bzw. Beteiligte die Anreise mit dem Kraftfahrzeug, werden ihm gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG pro gefahrenem Kilometer 0,25 EUR ersetzt.

Der Ermittlung des Fahrtkostenersatzes ist die objektiv erforderliche Fahrtstrecke zugrunde zu legen. Was objektiv erforderlich ist, ist unter Berücksichtigung der im gesamten Kostenrecht geltenden Kostenminimierungspflicht zu ermitteln. Dabei geht der Senat in ständiger Rechtsprechung und in großzügigerer Auslegung, als sie teilweise von anderen Gerichten zugrunde gelegt wird, davon aus, dass nicht nur die Kosten für die kürzeste Strecke (vgl. Thüringer LSG, Beschluss vom 27.09.2005, Az.: L 6 SF 408/05), sondern grundsätzlich auch die Kosten für die schnellste, obgleich längere Strecke zu ersetzen sind. Weitere Ausnahmen kommen dann in Betracht, wenn die längere Strecke durch besondere Umstände gerechtfertigt ist (z.B. Unzumutbarkeit der kürzesten bzw. schnellsten Strecke oder Umwege durch Straßensperrungen) (vgl. Beschluss des Senats vom 02.07.2012, Az.: L 15 SF 12/12). Das Vorliegen der besonderen Umstände muss in dem dafür erforderlichen Vollbeweis nachgewiesen sein.

Die Ermittlung der Streckenlänge kann unter Zuhilfenahme der im Internet jedermann zugänglichen Routenplaner vorgenommen werden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluss des Senats vom 14.05.2014, Az.: L 15 SF 122/13), da davon ausgegangen werden kann, dass, wenn nicht mit einem ähnlich planenden Navigationssystem gefahren wird, derartige Routenplaner für die Planung der Anreise verwendet werden.

Macht ein Antragsteller keine Angaben zur gefahrenen Strecke oder ist seine Streckenangabe nicht nur geringfügig höher als die Entfernung, wie sie sich bei Zuhilfenahme der Routenplaner im Internet ergibt, ohne dass die Erforderlichkeit der zusätzlichen Fahrtstrecke nachgewiesen ist, ist dem Fahrtkostenersatz grundsätzlich die dem Routenplaner zu entnehmende Streckenlänge zur schnellsten Route ohne einen Toleranzaufschlag zugrunde zu legen (vgl. Beschluss des Senats vom 21.10.2015, Az.: L 15 RF 38/15). Dies gilt jedenfalls dann, wenn nicht die kürzeste Strecke mit einem nur so geringen zeitlichen Mehraufwand verbunden ist, dass ein wirtschaftlich denkender Reisender, der die Kosten selbst tragen müsste, wegen der Mehrkosten nicht die schnellste, sondern die kürzeste Strecke wählen würde.

4.2. Prüfung im vorliegenden Fall

Dem Fahrtkostenersatz gemäß § 5 JVEG sind gefahrene Kilometer von insgesamt 686 km zugrunde zu legen mit der Konsequenz, dass Fahrtkosten in Höhe von 171,50 EUR zu ersetzen sind.

Zedent und Antragstellerin haben eine Fahrtstrecke von 2 × 448,2 km, insgesamt also 896,4 km angegeben. Diese geht weit über die Streckenangaben, wie sie sich aus Routenplanern ergeben (z.B. http://www.falk.de/routenplaner), hinaus. So wird beispielsweise vom Routenplaner von Falk für die (mit Abstand) schnellste Strecke eine Distanz von 342,9 km, insgesamt also 685,8 km angegeben.

Eine nachvollziehbare und haltbare Begründung für den behaupteten erheblichen Umweg und dessen objektive Erforderlichkeit haben Zedent und Antragstellerin nicht geliefert. Zwar haben Zedent und anschließend auch die Antragstellerin den erheblichen Umweg damit begründet, dass es sich bei dem angeblich gefahrenen Weg um die "gewohnte" Strecke gehandelt habe und der Zedent wegen einer Platz- bzw. Tunnelangst Tunnel vermeide und auch eine Beschreibung der angeblich vom Zedenten gefahrenen tunnelfreien Route vorgelegt. Der Senat kann sich aber nicht die im Vollbeweis erforderliche Überzeugung davon verschaffen, dass der vom Zedenten vorgetragene Umweg auch tatsächlich objektiv erforderlich gewesen wäre, weil ihm die vom Routenplaner angegebene schnellste Strecke nicht zumutbar gewesen wäre. Denn bei der vom Zedenten und der Antragstellerin vorgetragenen Tunnelangst handelt es sich um eine bloße Behauptung, die durch keinerlei Nachweise substantiiert worden ist. Insofern wäre aber ein weitergehender und durch ärztliche Belege gestützter Vortrag des Zedenten oder der Antragstellerin erforderlich gewesen, wie dem Zedenten auch aus dem Verfahren L 15 SF 86/13 B (vgl. dort die gerichtlichen Schreiben vom 04.11.2013 und 20.12.2013 und das anschließende, auf den "13.01.2013" datierte Schreiben des Zedenten). Ein solcher Vortrag ist aber nicht erfolgt. Allein die Tatsache, dass beim Zedenten ein Grad der Behinderung von 100 anerkannt ist, kann jedenfalls eine Tunnelangst nicht belegen.

Für den Senat hat auch kein Anlass für weitergehende, von Amts wegen vorzunehmende Ermittlungen wegen der vom Zedenten und der Antragstellerin behaupteten Tunnelangst bestanden. Denn beim Vortrag hinsichtlich einer Tunnelangst handelt es sich um eine bloße Behauptung ins Blaue hinein, die keinen weiteren Ermittlungsbedarf erzeugt (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 19.10.2011, Az.: B 13 R 33/11 R; Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 24.01.2012, Az.: 1 BvR 1819/10, und vom 21.05.2012, Az.: 1 BvR 1843/10).

Wenn der Zedent in einem ganz ähnlichen, vor dem Kostensenat geführten und bereits abgeschlossenen Verfahren (Az.: L 15 SF 86/13 B) mit am 14.01.2014 beim Bayer. LSG eingegangenen Schreiben vom "13.01.2013" vorgetragen hat, dass er über keine gültige Krankenversicherungskarte verfüge und daher keine ärztliche Bescheinigung oder Behandlungsunterlagen über die behauptete Tunnelangst vorlegen könne, begründet dies nicht eine Verpflichtung, den Behauptungen des Zedenten mittels einer von Amts wegen in Auftrag zu gebenden Begutachtung nachzugehen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Behauptung des Zedenten im Schreiben vom "13.01.2013", er könne mangels Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenversicherung keinen Arzt aufsuchen, nachweislich falsch ist. Dies hat sich erst nach Abschluss des Verfahrens L 15 SF 86/13 B herausgestellt. Denn wie dem Schreiben der gesetzlichen Rentenversicherung vom 27.11.2014 im Rahmen des Berufungsverfahrens des Zedenten zu entnehmen ist, bezieht der Zedent seit dem Jahr 2010 Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, wobei daraus Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung bei der N. Betriebskrankenkasse abgeführt werden. Der Zedent hätte daher sowohl im Zusammenhang mit dem im Jahr 2013/2014 geführten Verfahren L 15 SF 86/13 B nach dem JVEG wegen der Entschädigung für das Erscheinen beim Gerichtstermin am 25.07.2012 als auch im aktuellen Verfahren durchaus die Möglichkeit gehabt, entsprechende ärztliche Befunde vorzulegen. Wenn er stattdessen dem Senat gegenüber durch falsche Angaben suggeriert, es sei nicht krankenversichert und könne daher nicht zum Arzt gehen, um das Gericht dazu zu bringen, zur Frage des Vorliegens einer Tunnelangst eine mit erheblichen Kosten verbundene gerichtliche Begutachtung zu erwägen, weckt dies beim Senat größte Zweifel daran, dass beim Zedent eine Tunnelangst vorliegt. Vielmehr liegt es sehr nahe, dass er eine solche nur aus dem Grund behauptet, um das Gericht dazu zu veranlassen, zur Vermeidung etwaiger Gutachtenskosten vergleichsweise einen höheren Fahrkostenersatz vorzuschlagen, wie dies damals im Verfahren L 15 SF 86/13 B wegen der Täuschung des Senats durch den Zedenten auch erfolgt ist. Jedenfalls besteht im vorliegenden Verfahren wegen der jetzt nachgewiesenen falschen Angaben des Zedenten keinerlei Anlass zu irgendwelchen weiteren Ermittlungsmaßnahmen des Senats.

Dass es sich bei der vom Zedenten und der Antragstellerin angegebenen Strecke, die erheblich länger als die schnellste Strecke ist, möglicherweise um die für den Zedenten "über viele Jahre gewohnte Strecke" gehandelt haben mag, ist für die Festsetzung des Fahrtkostenersatzes ohne Bedeutung. Es stellt keine vom JVEG vorgegebene Aufgabe der Staatskasse dar, dem Zedenten bzw. der Antragstellerin objektiv nicht notwendige und unwirtschaftliche Umwege bei einer Fahrt zum Gericht zu finanzieren.

Dem Fahrtkostenersatz ist, da die vom Zedenten und der Antragstellerin behauptete gefahrene Strecke die sich aus Routenplanern ergebende mit Abstand schnellste Strecke (insgesamt 685,8 km) erheblich überschreitet und für die Überschreitung keine Gründe einer objektiven Erforderlichkeit nachgewiesen sind, die sich aus dem Routenplaner ergebende Strecke, aufgerundet auf volle Kilometer, zugrunde zu legen. Bei einer Strecke von 686 km und einem Kilometersatz von 0,25 EUR ergibt sich ein zu entschädigender Betrag von 171,50 EUR.

5. Tagegeld (Zehrkosten)

Es ist eine Entschädigung für die geltend gemachten Zehrkosten in Höhe von 12,- EUR zu gewähren.

Mit der Entschädigung für Aufwand gemäß § 6 Abs. 1 JVEG (Tagegeld) sind die weiteren Kosten pauschal abgedeckt, die infolge einer längeren Abwesenheitszeit vom Wohnort oder der Arbeitsstelle entstehen. Davon umfasst sind insbesondere die Kosten für Verpflegung. Zehr- oder Verpflegungskosten sind als allgemeiner Aufwand im Sinne von § 6 Abs. 1 JVEG erstattungsfähig, wenn sie infolge des gerichtlich angesetzten Termins objektiv notwendig sind. Aus dem Verweis in § 6 Abs. 1 letzter Halbsatz JVEG auf das Tagegeld im Sinne von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 i.V.m. § 9 Abs. 4a Satz 3 Einkommenssteuergesetz (EStG) wird deutlich, wann und in welcher Höhe Verpflegungskosten in Form einer Zehrkostenpauschale als notwendiger allgemeiner Aufwand zu erstatten sind. Bei einer Abwesenheit von mehr als acht bis unter 24 Stunden am Kalendertag ist seit dem 01.01.2014 infolge der Neufassung des § 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 3 EStG ein Pauschalbetrag von 12,- EUR anzusetzen. Auf die tatsächliche Höhe der Aufwendungen kommt es nicht an.

Eine durch den Gerichtstermin am 30.10.2014 objektiv erforderliche Abwesenheit von dieser Mindestdauer ist im vorliegenden Fall gegeben.

6. Zinsen

Zinsen stehen der Antragstellerin nicht zu.

Eine Verzinsung ist, genauso wie die Erstattung von Mahnkosten, dem JVEG fremd (vgl. Beschluss des Senats vom 14.05.2014, Az.: L 15 SF 122/13). Das JVEG enthält dafür, wie schon das zuvor geltende Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZuSEG) (vgl. Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 09.01.2006, Az.: 8 W 611/05 - m.w.N.), keine Anspruchsgrundlage (vgl. Beschluss des Senats vom 12.05.2009, Az.: L 15 SF 109/09 E).

Ein Anspruch auf Verzinsung bei einer verzögerten Auszahlung, die hier ohnehin nicht vorliegt, würde auch nicht aus einer unmittelbaren oder analogen Anwendung von §§ 284 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) resultieren. Unmittelbar kommen diese Vorschriften nicht zu Anwendung, weil sie nur zivilrechtliche Schuldverhältnisse betreffen. Eine analoge Anwendung scheitert daran, dass der Entschädigung nach dem JVEG ein Über-Unterordnungsverhältnis zugrunde liegt, das einer analogen Anwendung der §§ 284 ff. BGB grundsätzlich, d.h. auch bei Geldforderungen (vgl. BGH, Urteil vom 13.07.1989, Az.: III ZR 64/88 Z), entgegen steht, zumal das JVEG auch keine analogiefähige Lücke aufweist (vgl. Beschluss des Senats vom 14.05.2014, Az.: L 15 SF 122/13; zum ZuSEG: vgl. LSG Thüringen, Beschluss vom 22.07.2002, Az.: L 6 B 53/01 SF). Nach der übereinstimmenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteile vom 13.07.1979, Az.: IV C 66.76, und vom 21.03.1986, Az.: 7 C 70/83) und des BGH (vgl. Urteil vom 01.10.1981, Az.: III ZR 13/80) gibt es keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach bei öffentlich-rechtlichen Forderungen, bei denen Spezialbestimmungen über eine Verzinsungspflicht fehlen, stets auf eine analoge Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Verzugsregeln der §§ 284 ff. BGB zurückgegriffen werden könnte.

Dass der vom Kostensenat festgesetzte Entschädigungsbetrag unter der von der Kostenbeamtin angesetzten und ausgezahlten Entschädigung liegt, steht der Festsetzung nicht entgegen; das Verbot der reformatio in peius gilt im Verfahren der gerichtlichen Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG nicht (vgl. oben Ziff. 1). Im Übrigen ist die Antragstellerin auch schon im gerichtlichem Schreiben vom 21.07.2016 darüber belehrt worden, dass sie im Fall einer gerichtlichen Entscheidung mit der Festsetzung einer niedrigeren Entschädigung, als sie die Kostenbeamtin zugesprochen habe, rechnen müsse. Gleichwohl hat sie ihren auf falsche Angaben gestützten Antrag weiter verfolgt.

Ob die Antragstellerin mit einer Rückforderung der erfolgten Überzahlung in Höhe von 8,- EUR und, genauso wie der Zedent, mit strafrechtlichen Ermittlungsmaßnahmen zu rechnen hat, bedarf keiner Klärung im Rahmen dieses Beschlusses.

Das Bayer. LSG hat über den Antrag auf gerichtliche Festsetzung der Entschädigung gemäß § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG als Einzelrichter zu entscheiden gehabt.

Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG). Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 4 Abs. 8 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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