L 15 RF 29/16

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 RF 29/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Kostenbeschluss
Leitsätze
1. Von einer Widerlegung des vom Gesetzgeber vermuteten Verschuldens des Sachverständigen hinsichtlich der Überschreitung des Vorschusses kann grundsätzlich nur dann ausgegangen werden, wenn der Sachverständige keine genaue Kenntnis von der Höhe des für sein Gutachten zur Verfügung stehenden Vorschusses gehabt hat.
2. Eine Kürzung der Vergütung des Hauptgutachters kommt bei einer erheblichen Überschreitung des Vorschusses durch die gesamten Kosten der Begutachtung (Haupt- und Zusatzgutachten) mangels Verschulden des Sachverständigen dann nicht in Betracht, wenn entgegen der ursprünglichen Absicht des Gerichts dieses dem Zusatzgutachter einen eigenständigen Gutachtensauftrag erteilt hat, der Zusatzgutachter daher direkt mit dem Gericht abgerechnet hat und dem Hauptgutachter nicht der konkret für sein Gutachten zur Verfügung stehende Vorschuss mitgeteilt worden ist. Denn dann waren dem Hauptgutachter die Kosten des Zusatzgutachtens nicht bekannt, sodass eine Vorschussüberschreitung durch die Gesamtkosten für ihn nicht erkennbar war.
Die Vergütung für das Gutachten vom 31.05.2016 wird auf 2.791,15 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Streitig ist die Höhe der Vergütung eines Gutachtens nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) bei einer im Raum stehenden Überschreitung des vom Gericht zuvor angeforderten Kostenvorschusses.

In dem am Bayer. Landessozialgericht (LSG) unter dem Aktenzeichen L 17 U 338/14 geführten unfallversicherungsrechtlichen Verfahren war zunächst Prof. Dr. B., Direktor der Unfallklinik M., auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nach Einzahlung eines Vorschusses von 2.500,- EUR mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt worden.

Nachdem Prof. Dr. B. mitgeteilt hatte, dass er wegen Arbeitsüberlastung nicht in der Lage sei, das Gutachten zu erstellen, und die Übernahme des Gutachtensauftrags durch den Antragsteller vorgeschlagen hatte, wobei er darauf hingewiesen hatte, dass laut Aktenlage ein neurologisch-psychiatrisches Zusatzgutachten, für das Dr. J. vorgeschlagen werde, erforderlich und bei der Erstellung von zwei Gutachten ein Kostenvorschuss in Höhe von 3.500,- EUR angebracht sei, wurde mit Einverständnis des Klägers der Antragsteller, der Facharzt für Chirurgie ist, mit der Erstellung des Gutachtens gemäß § 109 SGG beauftragt. Im Auftragsschreiben des Gerichts vom 08.07.2015 an den Antragsteller waren folgende Hinweise enthalten:

" ... werden ... Zusatzgutachten für erforderlich gehalten, so ist unverzüglich - gegebenenfalls fernmündlich - unter Darlegung der Gründe die Zustimmung des Gerichts einzuholen. Wird sie nicht erteilt, können die Mehrkosten nicht übernommen werden ... Sollten aus zwingenden Gründen die gesamten Kosten den eingezahlten Vorschuss von 1000,00 EUR übersteigen, so werden Sie gebeten, dem Gericht unverzüglich die endgültige Höhe der Kosten schriftlich mitzuteilen. In diesem Falle warten Sie bitte die Benachrichtigung des Gerichts ab, ob das Gutachten zu erstatten ist oder die Akten ohne Erledigung des Gutachtensauftrags zurückgesandt werden sollen. Mehrkosten für die weitere Bearbeitung werden nur nach Einwilligung des Gerichts übernommen."

Mit Schreiben vom 12.08.2015 bestätigte der Antragsteller den Eingang des Gutachtensauftrags und bat um Bestätigung, dass der Kostenvorschuss auf 3.500,- EUR erhöht worden sei, da hier zwei Fachgutachten zu erstellen seien.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 20.10.2015 wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass Kostenvorschüsse von insgesamt 3.500,- EUR eingegangen seien. Die Begutachtung solle möglichst bald durchgeführt werden.

Der bereits von Prof. Dr. B. als neurologisch-psychiatrischer Zusatzgutachter vorgeschlagene Dr. J. teilte dem LSG mit Schreiben vom 16.11.2015 mit, dass der Gutachtensauftrag vom 08.07.2015 an ihn zur Erstattung eines Gutachtens auf neurologischem Fachgebiet weitergereicht worden sei. Gleichzeitig wies er auf seine beruflichen Verbindungen zum Beklagten des Berufungsverfahrens hin. Er bat um Bestätigung des Gutachtensauftrags.

Die Bevollmächtigte des Klägers teilte dazu mit Schreiben vom 07.12.2015 mit, dass keine Bedenken gegen eine Begutachtung durch Dr. J. bestünden.

Dieses Schreiben hat das Gericht am 10.12.2015 an Dr. J. "zur Kenntnis" übersandt.

Am 04.05.2016 ging das an das LSG adressierte, 52-seitige nervenärztliche Gutachten des Dr. J. vom 24.04.2016 samt einer Rechnung über 1.429,73 EUR bei Gericht ein, am 16.06.2016 das 30-seitige Gutachten des Antragstellers vom 31.05.2016 mit einer Rechnung über 2.791,15 EUR. Zudem wurde zum Gutachten des Dr. J. von einem Schreibbüro eine Rechnung über 72,- EUR eingereicht.

Mit einem an den Antragsteller und den nervenärztlichen Zusatzgutachter adressierten Schreiben vom 12.07.2016 wies die Kostenbeamtin des Bayer. LSG darauf hin, dass Rechnungen in Höhe von insgesamt 4.292,88 EUR vorgelegt worden seien. Damit würde der angeforderte Vorschuss von 3.500,- erheblich überschritten, was zur Konsequenz habe, dass eine Vergütung nur in Höhe des Vorschusses erfolgen könne. Die Rechnung des Schreibbüros werde zur weiteren Verwendung zurückgegeben.

Dagegen hat sich der Antragsteller mit Schreiben vom 11.08.2016 gewandt. Abzüglich der zurückgegebenen Rechnung über Schreibgebühren verbleibe - so der Antragsteller - ein Rechnungsbetrag in Höhe von 4.222,88 EUR. Ausgehend davon, dass ab einer 20 %igen Überschreitung von einer erheblichen Überschreitung auszugehen sei, liege vorliegend eine Überschreitung dieser Grenze um genau 22,88 EUR vor. In Anbetracht der Komplexität der Begutachtung halte er diese Kürzung nicht für angebracht. Es sei im Vorfeld nicht vorhersehbar gewesen, dass eine Überschreitung um den Betrag von 22,88 EUR erfolgen werde. Er bitte um eine gerichtliche Festsetzung der Vergütung bei Berücksichtigung der Komplexität des Falls.

Bei der Vorlage des Vorgangs an den Kostensenat hat Kostenkoordinator des LSG darauf hingewiesen, dass im Gutachtensauftrag an den Antragsteller auf einen zur Verfügung stehenden Vorschuss von 1.000,- EUR hingewiesen worden sei, so dass für den Antragsteller selbst eine Vergütung nur in Höhe von 1.000,- EUR erfolgen dürfe, für den Zusatzgutachter Dr. J. jedoch eine antragsgemäße Vergütung zu erfolgen habe, da dieser keine Kenntnis über die Höhe des zur Verfügung stehenden Vorschusses gehabt habe.

II.

Die Festsetzung der Vergütung erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn wie hier der Berechtigte mit Schreiben vom 11.08.2016 die gerichtliche Festsetzung beantragt.

Die Vergütung des Antragstellers für sein Gutachten vom 31.05.2016 ist antragsgemäß auf 2.791,15 EUR festzusetzen. Eine Kürzung wegen einer erheblichen Vorschussüberschreitung gemäß § 8 a Abs. 4 JVEG kommt nicht in Betracht. Die Vergütung des Dr. J. für sein (Zusatz-)Gutachten vom 24.04.2016 ist weder Gegenstand des jetzigen Verfahrens noch ist die Dr. J. zustehende Vergütung von Bedeutung für die Festsetzung der Vergütung des Antragstellers.

1. Gegenstand des Verfahrens der gerichtlichen Festsetzung der Vergütung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG

Gegenstand des Verfahrens ist ausschließlich die Frage der Vergütung des vom Antragsteller selbst erstellten Gutachtens vom 31.05.2016, wie sie der Rechnung vom 31.05.2016 zugrunde liegt.

Nicht Gegenstand des Verfahrens ist die Vergütung für das Gutachten des Dr. B. wie sie dessen Rechnung vom 02.05.2016 und der Rechnung des Schreibbüros vom 02.05.2016 zu Grunde liegt. Denn der Gutachter Dr. J. ist nicht vom Antragsteller für ein Zusatzgutachten herangezogen worden, sondern hat einen gesonderten Gutachtensauftrag vom Gericht erhalten mit der Konsequenz, dass ihm ein eigener Vergütungsanspruch gegen das Gericht zusteht. Dies ergibt eine Auslegung des vom LSG mit dem Antragsteller und Dr. J. geführten Schriftverkehrs.

Bei der Auslegung gerichtlicher Schreiben sind die gleichen Maßstäbe zu Grunde zu legen, wie sie auch für die Auslegung von Prozesserklärungen der Beteiligten gelten (vgl. Beschlüsse des Senats vom 02.03.2016, Az.: L 15 SB 237/15 B, vom 14.03.2016, Az.: L 15 RF 2/16, vom 22.03.2016, Az.: L 15 RF 6/16, vom 10.08.2016, Az.: L 15 SF 160/16 E, und vom 11.08.2016, Az.: L 15 SF 168/16 E). Danach ist Maßstab der Auslegung der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 12.12.2013, Az.: B 4 AS 17/13), wobei der Grundsatz einer rechtsschutzgewährenden Auslegung zu berücksichtigen ist (vgl. Bundesfinanzhof, Beschluss vom 29.11.1995, Az.: X B 328/94). Verbleiben Zweifel, ist im Rahmen der Auslegung sicherzustellen, dass dem Begehren des Beteiligten nach Rechtsschutz möglichst umfassend Rechnung getragen wird (vgl. BSG, Urteil vom 01.03.2011, Az.: B 1 KR 10/10 R), um dem Grundrecht des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz auf wirksamen und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt sowie dem damit verbundenen Gebot der Effektivität des Rechtsschutzes gerecht zu werden (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 30.04.2003, Az.: 1 PBvU 1/02, und vom 03.03.2004, Az.: 1 BvR 461/03).

Bei Beachtung dieser Vorgaben kann aus der vom Berichterstatter des Berufungsverfahrens mit dem Antragsteller und unmittelbar mit Dr. J. geführten Korrespondenz nur geschlossen werden, dass Dr. J. einen eigenen Gutachtensauftrag vom Gericht erhalten hat und nicht vom Antragsteller in dessen Funktion als Hauptgutachter mit der Anfertigung eines Zusatzgutachtens beauftragt worden ist, das dann auch gegenüber dem Hauptgutachter abzurechnen und von diesem dem LSG in Rechnung zu stellen gewesen wäre. Hätte Dr. J. in der ursprünglich geplanten Form, wie sie dem Gutachtensauftrag vom 08.07.2015 an den Antragsteller zu entnehmen ist, also lediglich im Rahmen der Gutachtenserstellung durch den Antragsteller, ein Zusatzgutachten für diesen erstellen sollen, hätte der Schriftverkehr des Gerichts über den Hauptgutachter erfolgen müssen und vom Gericht nicht direkt mit Dr. J. korrespondiert werden dürfen. Daraus, dass Dr. J. mit Schreiben vom 10.12.2015 vom Gericht signalisiert worden ist, er könne sein Gutachten erstellen, und nicht dem Antragsteller mitgeteilt worden ist, dass mit der Erstellung des Zusatzgutachtens durch Dr. J. Einverständnis bestehe, ist für den Antragsteller (und Dr. J.) aus objektiver Empfängersicht der Eindruck entstanden, dass nicht der Antragsteller das Zusatzgutachten einholen solle, sondern der Zusatzgutachter direkt vom Gericht, nicht vom Antragsteller als Hauptgutachter, beauftragt worden ist. Diese unmittelbare gerichtliche Beauftragung des Dr. J. hat zur Konsequenz, dass dieser gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 JVEG einen eigenen Vergütungsanspruch gegenüber dem Gericht hat.

2. Prüfungsumfang im Verfahren der gerichtlichen Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG

Die gerichtliche Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG stellt keine Überprüfung der vom Kostenbeamten vorgenommenen Ermittlung der Entschädigung oder Vergütung dar, sondern ist eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung. Bei der Festsetzung durch den Kostenbeamten handelt es sich um eine lediglich vorläufige Regelung, die durch den Antrag auf gerichtliche Festsetzung hinfällig wird (vgl. Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.11.1968, Az.: RiZ (R) 4/68). Damit wird eine vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungsweg sowohl bei den Einzelpositionen als auch im Gesamtergebnis gegenstandslos. Das Gericht hat daher eine vollumfassende Prüfung des Entschädigungs- oder Vergütungsanspruchs vorzunehmen, ohne auf Einwände gegen die im Verwaltungsweg erfolgte Festsetzung beschränkt zu sein. Die vom Gericht festgesetzte Entschädigung oder Vergütung kann daher auch niedriger ausfallen, als sie zuvor vom Kostenbeamten festgesetzt worden ist; das Verbot der reformatio in peius gilt nicht (h.M., vgl. z.B. Beschluss des Senats vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12; Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Aufl. 2014, § 4, Rdnr. 12 - m.w.N.).

3. Einschlägige Rechtsnorm des § 8 a Abs. 4 JVEG

Mit dem 2. KostRMoG ist mit Wirkung zum 01.08.2013 die Vorschrift des § 8 a JVEG eingeführt worden, dessen hier maßgebliche Absätze 4 und 5 wie folgt lauten:

"(4) Übersteigt die Vergütung den angeforderten Auslagenvorschuss erheblich und hat der Berechtigte nicht rechtzeitig nach § 407 a Absatz 3 Satz 2 der Zivilprozessordnung auf diesen Umstand hingewiesen, erhält er die Vergütung nur in Höhe des Auslagenvorschusses.

(5) Die Absätze 3 und 4 sind nicht anzuwenden, wenn der Berechtigte die Verletzung der ihm obliegenden Hinweispflicht nicht zu vertreten hat."

§ 407 a Absatz 3 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) lautet wie folgt:

"Erwachsen voraussichtlich Kosten, die erkennbar außer Verhältnis zum Wert des Streitgegenstandes stehen oder einen angeforderten Kostenvorschuss erheblich übersteigen, so hat der Sachverständige rechtzeitig hierauf hinzuweisen."

Der Gesetzgeber hat die Neuregelung des § 8 a JVEG wie folgt begründet (vgl. die Gesetzesbegründung zum Entwurf des 2. KostRMoG - Bundestags-Drucksache 17/11471 (neu), S. 259 f.):

"Der vorgeschlagene § 8 a JVEG soll das Schicksal des Vergütungsanspruchs für Fälle der nicht ordnungsgemäßen Leistungserbringung regeln. Die vorgeschlagenen Regelungen orientieren sich an der für die Sachverständigenvergütung ausgewogenen Rechtsprechung ... und die Absätze 3 und 4 sollen diejenigen Fälle regeln, in denen der Sachverständige gegen Pflichten verstößt, die einen unmittelbaren kostenrechtlichen Bezug haben.

...

Die Absätze 3 und 4 sollen die Fälle regeln, in denen der Sachverständige pflichtwidrig gegen die Verpflichtung aus § 407 a Absatz 3 Satz 2 ZPO verstößt, indem er es unterlässt, rechtzeitig darauf hinzuweisen, dass voraussichtlich Kosten erwachsen, die erkennbar außer Verhältnis zum Wert des Streitgegenstands stehen oder einen angeforderten Kostenvorschuss erheblich übersteigen. Hat das Gericht jedoch dem Sachverständigen die Zahlung eines Kostenvorschusses in einer bestimmten Höhe ohne weitere Hinweise mitgeteilt, kann der Sachverständige unterstellen, dass das Gericht von der Verhältnismäßigkeit dieses Betrags ausgeht.

...

Der vorgeschlagene Absatz 5 soll ein Verschuldenserfordernis in den Fällen der Absätze 3 und 4 festlegen. Dadurch soll dem Berechtigten ermöglicht werden, sich auf ein mangelndes Verschulden berufen zu können, um die Rechtsfolge der Vergütungsminderung nicht eintreten zu lassen. Systematisch wird ein Verschulden generell vermutet, so dass es dem Berechtigten obliegt, mangelndes Verschulden darzulegen. Als Verschuldensmaßstab soll Vorsatz und Fahrlässigkeit genügen."

Bedenken gegen eine Anwendbarkeit des § 8 a Abs. 4 JVEG im sozialgerichtlichen Verfahren bestehen nicht (vgl. Beschluss des Senats vom 08.06.2015, Az.: L 15 SF 255/14 E).

4. Vergütung im vorliegenden Fall

Die Vergütung des Antragstellers ist antragsgemäß auf 2.791,15 EUR festzusetzen.

Vom Kläger eingezahlt und dem Antragsteller so auch mitgeteilt worden ist ein zur Verfügung stehender Vorschuss in Höhe von insgesamt 3.500,- EUR. Dem Antragsteller dürfte zwar bewusst gewesen sein, dass von diesem Vorschuss auch die Kosten des nervenärztlichen Zusatzgutachtens abgedeckt sein sollen. Da ihm aber nicht mitgeteilt worden war, ob davon nur ein bestimmter Anteil und wenn ja in welcher Höhe für sein Gutachten zur Verfügung stehe, der andere Anteil aber für das Zusatzgutachten, kann nur davon ausgegangen werden, dass als konkreter Betrag des zur Verfügung stehenden Vorschusses dem Antragsteller der Betrag von 3.500,- EUR bekannt war.

Sofern der Kostenkoordinator des LSG die Ansicht vertritt, der Antragsteller hätte davon ausgehen müssen, dass für sein Gutachten nur ein Betrag von 1.000,- EUR zur Verfügung stehe, kann der Senat dem nicht folgen. Es ist zwar richtig, dass zunächst im Gutachtensauftrag vom 08.07.2015 dem Antragsteller - irrtümlicherweise, da zu diesem Zeitpunkt bereits 3.500,- EUR als Vorschuss bei Gericht eingezahlt worden waren - mitgeteilt worden war, dass für sein Gutachten ein Betrag von (nur) 1.000,- EUR zur Verfügung stehe, wobei dieser Betrag vermutlich dadurch zu erklären ist, dass kurz zuvor ein weiterer Vorschuss in dieser Höhe angefordert worden ist. Dem Antragsteller war jedoch anschließend auf seine Nachfrage vom 12.08.2015 hin mit gerichtlichem Schreiben vom 20.10.2015 mitgeteilt worden, dass insgesamt ein Kostenvorschuss von 3.500,- EUR vorliege. Bei Auslegung aus einem objektivierten Empfängerhorizont kann dies nicht dahingehend verstanden werden, dass für den Antragsteller selbst nur 1.000,- EUR zur Verfügung stünden, für das Zusatzgutachten aber 2.500,- EUR. Hätte das Gericht dies zum Ausdruck bringen wollen, hätte eine derartige Kostenaufteilung dem Antragsteller explizit mitgeteilt werden müssen.

Eine Überschreitung dieses Vorschusses von 3.500,- EUR ist durch die vom Antragsteller geltend gemachte und in dieser Höhe auch berechtigte Vergütung von 2.791,15 EUR nicht erfolgt. Aber selbst bei Einbeziehung der weiteren Kosten für die zusätzliche Begutachtung gemäß § 109 SGG durch Dr. J. liegt keine vom Antragsteller zu vertretende Verletzung der Hinweispflicht wegen einer erheblichen Überschreitung des Kostenvorschusses vor, die zu einer Kürzung der Vergütungsforderung des Antragstellers führen würde.

4.1. Eingezahlter Vorschuss

Eingezahlt worden ist ein Vorschuss in Höhe von insgesamt 3.500,- EUR.

4.2. Erheblichkeitsgrenze für die Überschreitung des Vorschusses

Die Erheblichkeitsgrenze liegt bei 4.200,- EUR.

Eine Überschreitung des Vorschusses ist dann erheblich, wenn die Überschreitung mindestens 20 % des Vorschusses beträgt (vgl. Beschlüsse des Senats vom 08.06.2015, Az.: L 15 SF 255/14 E, und vom 06.10.2015, Az.: L 15 SF 323/14). Bei einem Vorschuss in Höhe von 3.500,- liegt die Erheblichkeitsgrenze daher bei 4.200,- EUR (3.500,- EUR x 1,2).

4.3. Ohne Berücksichtigung der Regelung des § 8 a Abs. 4 JVEG zustehende Vergütung

Die dem Antragsteller zustehende Vergütung (zum Begriff der Vergütung in diesem Zusammenhang: vgl. Beschluss des Senats vom 08.06.2015, Az.: L 15 SF 255/14 E - dort Ziff. 5.3.), wenn kein Fall des § 8 a Abs. 4 JVEG gegeben wäre, beträgt 2.791,15 EUR.

Die einem Sachverständigen zustehende Vergütung ergibt sich aus § 8 Abs. 1 JVEG, begrenzt durch das Antragsprinzip (vgl. Beschlüsse des Senats vom 26.06.2012, Az.: L 15 SF 423/09, und vom 17.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13; Thüringer LSG, Beschluss vom 27.01.2005, Az.: L 6 SF 745/04). Zur Ermittlung des objektiv erforderlichen und zu vergütenden Zeitaufwands verweist der Senat insbesondere auf seine Grundsatzbeschlüsse vom 14.05.2012, Az.: L 15 SF 276/10 B E, und vom 18.05.2012, Az.: L 15 SF 104/11.

Die nach den aufgezeigten Vorgaben dem Antragsteller zustehende Vergütung entspricht ohne jeden Zweifel dem Rechnungsbetrag vom 31.05.2016, nämlich 2.791,15 EUR; wegen der Offensichtlichkeit der Berechtigung der Höhe der Vergütungsforderung in der Rechnung des Antragstellers sieht der Senat von detaillierten Ausführungen ab.

4.4. Erreichen (bzw. Überschreiten) der Erheblichkeitsgrenze durch die dem Antragsteller objektiv zustehende Vergütung bzw. des insgesamt zu zahlende Vergütung für die Gutachten gemäß § 109 SGG

Der unter Ziff. 4.3. ermittelte Betrag der dem Antragsteller zustehenden Vergütung von 2.791,15 EUR, liegt unter der in Ziff. 4.2. bestimmten Erheblichkeitsgrenze des § 8 a Abs. 4 JVEG in Höhe von 4.200,- EUR.

Von einer Überschreitung der Erheblichkeitsgrenze ist jedoch dann auszugehen, wenn sämtliche Kosten für die gemäß § 109 SGG erfolgten Begutachtungen, also für das Gutachten des Antragstellers einerseits und für das Gutachten des Dr. J. andererseits, zusammengerechnet werden. Denn für beide Begutachtungen sind insgesamt 4.292,88 EUR in Rechnung gestellt worden, wobei auch die Vergütungsforderung des Dr. J. unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Kostensenats in vollem Umfang berechtigt ist.

Ob im Rahmen der Prüfung des § 8 a Abs. 4 JVEG eine Kürzung auf den Vorschuss schon deshalb ausgeschlossen ist, da die dem Antragsteller selbst zustehende Vergütung, also ohne die weiteren Kosten für das Zusatzgutachten des Dr. J. gemäß § 109 SGG, keine erhebliche Überschreitung des Vorschusses darstellt, oder ob wegen einer Gesamtbetrachtung an dieser Stelle noch von einer Überschreitung auszugehen ist, kann letztlich dahingestellt bleiben, da im letzteren Fall keine schuldhafte Verletzung der Hinweispflicht gegeben ist (vgl. unten Ziff. 4.6.).

4.5. Kein rechtzeitiger Hinweis des vergütungsberechtigten Sachverständigen auf die erhebliche Überschreitung des Vorschusses

Ausgehend von einer erheblichen Überschreitung wegen der insgesamt für die Gutachten gemäß § 109 SGG anfallenden Kosten hätte der Antragsteller nach den Vorgaben des § 8 a Abs. 4 JVEG das LSG spätestens zu dem Zeitpunkt informieren (und vor einem Weiterarbeiten am Gutachten die Antwort des Gerichts abwarten) müssen, als der bis dahin entstandene Vergütungsanspruch im Sinn des § 8 JVEG die Erheblichkeitsgrenze zu erreichen drohte. Dies hat er nicht getan. Der Antragsteller hat vor Vorlage des Gutachtens überhaupt nicht darauf hingewiesen, dass die insgesamt für die Begutachtungen gemäß § 109 SGG entstehenden Kosten die Erheblichkeitsgrenze erreichen oder überschreiten würden.

4.6. Fehlendes Verschulden bei der Verletzung der Hinweispflicht

Dem Antragsteller kann jedoch keine Verletzung seiner Pflicht, auf die erhebliche Überschreitung des Vorschusses rechtzeitig hinzuweisen, vorgeworfen werden.

Die gesetzliche Regelung des § 8 a Abs. 5 JVEG ist so konstruiert, dass das Verschulden (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) des Vergütungsberechtigten widerleglich vermutet wird. Von einer Widerlegung des vom Gesetzgeber vermuteten Verschuldens kann grundsätzlich nur dann ausgegangen werden, wenn der Sachverständige keine Kenntnis von der Höhe des Vorschusses gehabt hat (vgl. Beschlüsse des Senats vom 08.06.2015, Az.: L 15 SF 255/14 E, vom 06.10.2015, Az.: L 15 SF 323/14, und vom 11.11.2015, Az.: L 15 RF 43/15; Reyels, jurisPR-SozR 15/2016, Anm. 2). Schädlich ist die positive Kenntnis der konkreten Höhe des zur Verfügung stehenden Vorschusses; nicht ausreichend ist, wenn der Sachverständige nur die ungefähre Höhe des Vorschusses kennt (vgl. Beschluss des Senats vom 23.08.2016, Az.: L 15 RF 21/16).

Im vorliegenden Fall ist die gesetzliche Vermutung eines Verschuldens des Antragstellers widerlegt. Dem gerichtlichen Schreiben vom 20.10.2015 war für den Antragsteller unter Zugrundelegung eines objektivierten Empfängerhorizonts nur zu entnehmen, dass insgesamt ein Betrag von 3.500,- EUR für die Begutachtungen gemäß § 109 SGG zur Verfügung steht. Zwar war ihm bekannt, dass ein weiteres Gutachten auf nervenärztlichem Fachgebiet eingeholt wurde, das ebenfalls aus dem Vorschuss in Höhe von 3.500,- EUR zu zahlen war. In welcher konkreten Höhe ein Vorschuss für die von ihm vorzunehmende Gutachtenserstellung zur Verfügung stand, war ihm aber nicht bekannt. Auch war ihm nicht bekannt, welche Kosten für das Gutachten des Dr. J. anfielen oder bereits entstanden waren. Ihm kann auch nicht vorgeworfen werden, dass er sich nicht die Kenntnis dieser weiteren Kosten für das Zusatzgutachten des Dr. J. verschafft hat. Eine Pflicht zur Kostenkontrolle in einem umfassenden Sinn hätte der Antragsteller nur dann gehabt, wenn er selbst das Zusatzgutachten einholen hätte müssen und daher nicht nur die Möglichkeit, sondern auch Verpflichtung gehabt hätte, sich eine Übersicht über die bereits angefallenen Kosten zu verschaffen.

Ein Verschulden könnte dem Antragsteller daher im vorliegenden Fall nur dann vorgeworfen werden, wenn er mit seiner eigenen Vergütungsforderung den gesamten zur Verfügung stehenden Vorschuss in Höhe von 3.500,- EUR überschritten hätte. Eine solche Überschreitung liegt aber nicht vor.

Eine Kürzung der Vergütung gemäß § 8 a Abs. 4 JVEG kommt daher nicht in Betracht.

5. Ergänzender Hinweis des Senats über das konkrete Verfahren hinaus

Dass es im vorliegenden Verfahren trotz einer erheblichen Überschreitung des Vorschusses nicht zu einer Kürzung gemäß § 8 a Abs. 4 JVEG kommt, ist darin begründet, dass von dem ursprünglich eingeschlagenen Weg des Hauptsachesenats, ein Gutachten bei einem Hauptgutachter einzuholen, wobei der Hauptgutachter erforderlichenfalls in eigener Zuständigkeit ein Zusatzgutachten anzufordern habe, abgewichen worden ist. Wäre nicht für den Antragsteller wie auch für den Zusatzgutachter der Eindruck entstanden, letzterer habe einen eigenen Gutachtensauftrag vom Gericht erhalten, sondern hätte das Gericht dem Antragsteller als Hauptgutachter lediglich die Zustimmung dazu erteilt, dass dieser in seiner Funktion als Hauptgutachter als Arbeitsgrundlage für sein (Haupt-)Gutachten ein Zusatzgutachten in eigener Verantwortung anfordert, wären die Kosten für das Zusatzgutachten vom Hauptgutachter dem Gericht als durchlaufende Kosten in Rechnung zu stellen gewesen. In einer solchen Konstellation wäre es im Verantwortungsbereich des Hauptgutachters gelegen, dafür zu sorgen, dass das Gericht rechtzeitig über eine Überschreitung des Kostenvorschusses in Kenntnis gesetzt wird.

Da dieser Weg - wie aufgezeigt - nicht gegangen worden ist, wird im vorliegenden Hauptsacheverfahren noch eine Festsetzung der Vergütung des Dr. J. erfolgen müssen. Ob eine Vergütung der Rechnung des Schreibbüros durch das Gericht erfolgen wird, wird dabei ebenfalls zu prüfen sein. Auch wenn davon auszugehen ist, dass das Schreibbüro keinen eigenen Vergütungsanspruch hat, da es nicht im Sinn von § 1 Abs. 1 Satz 3 JVEG vom Gericht beauftragt worden ist, ist es im vorliegenden Verfahren nicht ausgeschlossen, davon auszugehen, dass das Schreibbüro die dem Gutachter Dr. J. zustehende Vergütungsforderung wegen der Schreibgebühren als abgetretenen Anspruch geltend gemacht hat.

Der Kostensenat trifft diese Entscheidung wegen der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG in voller Besetzung.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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