Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 7 SO 4219/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 4193/16 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 15. November 2016 aufgehoben. Der Antragsgegner wird verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig ab 28. Oktober 2016 bis zum Eintritt der Bestandskraft des Bescheides vom 27. Oktober 2016 - längstens bis zum 31. Januar 2017 - Leistungen der Sozialhilfe für Oktober 2016 in Höhe von 107,00 EUR und sodann (November 2016 bis Januar 2017) in Höhe von monatlich 829,00 EUR zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt 3/5 der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin in beiden Rechtszügen.
Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren ab 21. November 2016 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt W., F., beigeordnet.
Gründe:
Die nach §§ 172, 173 Sozialgerichtgesetz (SGG) zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache teilweise Erfolg und führt zur Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Freiburg (SG) vom 15. November 2016 sowie zur Verpflichtung des Antragsgegner zur Gewährung von Leistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (SGB XII) für die Zeit vom 28. Oktober 2016 bis zum 31. Januar 2016.
1. Gegenstand des am 28. Oktober 2016 beim SG anhängig gemachten einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ist in der Sache das Begehren der Antragstellerin auf vorläufige Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt (HLU) nach dem SGB XII für die Zeit ab Anbringung des einstweiligen Rechtsschutzgesuchs (28. Oktober 2016) bis zum 31. März 2017, nachdem der Antragsgegner ihren entsprechenden Leistungsantrag vom 6. Oktober 2016 durch Bescheid vom 27. Oktober 2016, freilich angefochten durch Widerspruch der Antragstellerin, abgelehnt hatte. Das SG hat das einstweilige Rechtsschutzgesuch mit dem angefochtenen Beschluss vom 15. November 2016 abgelehnt. Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 15. November 2016 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegten Beschwerde. Sie hat mit ihrer Beschwerde teilweise Erfolg.
2. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist in § 86b SGG geregelt, und zwar für Anfechtungssachen in Abs. 1 a.a.O., für Vornahmesachen in Abs. 2 a.a.O. Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache ferner, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.). Nach § 86b Abs. 4 SGG sind die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 schon vor Klageerhebung zulässig.
Hinsichtlich der begehrten vorläufigen Leistungsgewährung kommt allein der Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG in Betracht. Der Erlass einer Regelungsanordnung gem. § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG setzt zunächst die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs voraus. Die Begründetheit des Antrags wiederum hängt vom Vorliegen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund ab (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 26. Januar 2016 - L 7 AS 41/16 ER-B - juris Rdnr. 11 - und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164). Eine einstweilige Anordnung darf nur erlassen werden, wenn beide Voraussetzungen gegeben sind. Dabei betrifft der Anordnungsanspruch die Frage der Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs, während der Anordnungsgrund nur bei Eilbedürftigkeit zu bejahen ist. Die Anordnungsvoraussetzungen, nämlich der prospektive Hauptsacheerfolg (Anordnungsanspruch) und die Dringlichkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund), sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)), wobei im Fall der Bestandskraft eines Bescheides an den Anordnungsgrund besonders strenge Anforderungen zu stellen sind und dieser nur bei einer massiven Beeinträchtigung der sozialen und wirtschaftlichen Existenz vorliegen kann (Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 11. Aufl. 2014, § 86b Rdnr. 29c). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Beschlüsse vom 26. Januar 2016 a.a.O. und vom 17. August 2005 a.a.O.).
3. Der Senat vermag im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend zu entscheiden, ob und ggf. in welcher Höhe der Antragstellerin ein Anspruch auf Leistungen nach Maßgabe des § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII zusteht.
a. Nach derzeitigem Stand spricht viel dafür, dass die Antragstellerin nicht nach § 21 Satz 1 SGB XII von Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII ausgeschlossen ist (vgl. dazu Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 3. Dezember 2015 - B 4 AS 44/15 R - juris Rdnrn. 40 ff.; Urteil vom 20. Januar 2016 - B 14 AS 35/15 R - juris Rdnrn. 35 f.). Zwar dürfte die Antragstellerin zum Kreis der Leistungsberechtigten i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) gehören. Sie ist 1955 geboren (vgl. §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1., 7a SGB II), erwerbsfähig (§§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 8 SGB II; vgl. ferner BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 - B 4 AS 54/12 R - BSGE 113, 60 - juris Rdnrn. 14 ff.) und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II), nämlich in K., wo sie sich seit 31. Oktober 2013 - Einreise in die Bundesrepublik Deutschland - tatsächlich und auf Dauer aufhält. Schließlich hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht, dass sie über kein eigenes zu berücksichtigendes Einkommen (§§ 11 ff. SGB II; vgl. ferner § 82 SGB XII) und zu berücksichtigendes Vermögen (§ 12 SGB II; vgl. § 90 SGB XII) verfügt, sie mithin hilfebedürftig i.S. des § 9 Abs. 1 SGB II (vgl. ferner § 19 Abs. 1 SGB XII) ist. Dies entnimmt der Senat ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 15. November 2016, wonach sie über keinerlei Einkommen und Vermögen verfüge, die von ihr zu entrichtende Miete seit September 2016 nicht mehr bezahlen könne, derzeit kein Krankenversicherungsschutz bestehe und sie durch die Unterstützung der Kirche und der Caritas überlebt habe. Den eingereichten Kontoauszügen für die Zeit vom 31. August 2016 bis zum 17. November 2016 ist zu entnehmen, dass ihrem Girokonto keine Einnahmen zugeflossen sind. Der Vermieter H.-W. hat bestätigt, dass die Antragstellerin im Oktober und November 2016 keine Miete entrichtet hat. Nach ihren Angaben gegenüber dem Antragsgegner hat sie keinerlei Einkommen und keine Vermögenswerte (vgl. Sozialhilfeformantrag vom 13. Oktober 2016).
Allerdings spricht nach derzeitigem Stand sehr viel dafür, dass ein Anspruch der Antragstellerin auf Leistungen nach dem SGB II nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen ist. Danach sind vom grundsätzlich anspruchsberechtigten Personenkreis diejenigen Ausländer ausgeschlossen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt (vgl. dazu BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015, a.a.O. Rdnrn. 21 ff.; Urteil vom 20. Januar 2016, a.a.O. Rdnrn. 23 ff.). Denn sie dürfte nicht über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung i.S.d. Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) oder ein anderes materielles Aufenthaltsrecht verfügen, nachdem sie nach ihren Angaben lediglich von 3. November 2015 bis zum 31. März 2016 eine Beschäftigung ausgeübt hat und seitdem ohne Arbeit ist. Ob sie im Hinblick auf schulische und berufliche Qualifikation und Ausbildung, Berufserfahrung, deutsche Sprachkenntnisse etc. ab 1. Oktober 2016 eine realistische Chance auf Erlangung eines Arbeitsplatzes hat (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU), wird der Antragsgegner ggf. im Rahmen des Hauptsacheverfahrens zu prüfen haben. Die nachwirkende Freizügigkeitsberechtigung bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit war bereits vor Anbringung des einstweiligen Rechtsschutzgesuchs beendet (§ 2 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU). Die Antragstellerin verfügt ferner nicht über einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel (vgl. § 4 FreizügG/EU) und auch über kein Daueraufenthaltsrecht (vgl. § 4a FreizügG/EU). Dies wird der Antragsgegner ggf. im Rahmen des Widerspruchsverfahrens mit Hilfe der Antragstellerin zu verifizieren haben.
Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II stellt sich auch als europarechts- und verfassungskonform dar (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015, a.a.O. Rdnr. 35; Urteil vom 20. Januar 2016, a.a.O. Rdnrn. 31 f. m.w.N.; vgl. ferner Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Nichtannahmebeschluss vom 4. Oktober 2016 - 1 BvR 2778/13 - juris).
Der Senat hat deshalb von einer Beiladung der Kommunalen Arbeitsförderung O. - Jobcenter - (§ 75 Abs. 2 und 5 SGG) abgesehen, zumal dieses Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab 1. September 2016 mit Bescheid vom 29. August 2016, der - soweit ersichtlich - bestandskräftig geworden ist, abgelehnt hat, weil die Antragstellerin sich seit 1. September 2016 allein zur Arbeitsuche aufhalte.
b. In Betracht kommt deshalb nach der jüngsten, nunmehr ständigen Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 3. Dezember 2015 a.a.O.; Urteil vom 20. Januar 2016 a.a.O. - juris Rdnr. 33 ff.), welcher der Senat jedenfalls im einstweiligen Rechtsschutzverfahren folgt (vgl. Beschlüsse vom 12. Oktober 2016 - L 7 SO 3374/16 ER-B - (n.v.); vom 13. September 2016 - L 7 SO 2914/16 ER-B (n.v.); vom 8. September 2016 - L 7 SO 3051/16 ER-B - (n.v.); vom 24. August 2016 - L 7 AS 2113/16 ER-B - (n.v.); vom 9. Juni 2016 - L 7 SO 1512/16 ER-B -; vom 12. Mai 2016 - L 7 SO 1150/16 ER-B - jeweils juris), allein ein Anspruch auf HLU nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII. Danach kann Sozialhilfe gewährt werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. Das Ermessen des Sozialhilfeträgers ist nach der Rechtsprechung des BSG aus verfassungsrechtlichen Gründen dem Grunde und der Höhe nach hinsichtlich der Hilfe zum Lebensunterhalt auf Null reduziert, wenn sich das Aufenthaltsrecht des Ausländers verfestigt hat, regelmäßig ab einem sechsmonatigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Hinsichtlich der Verfestigung des Aufenthaltsrechts nach einer Aufenthaltsdauer von sechs Monaten orientiert sich das BSG an der zeitlich begrenzten Freizügigkeitsberechtigung zur Arbeitsuche (§ 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU). Danach endet die Freizügigkeitsberechtigung zum Zwecke der Arbeitsuche nach dem Ablauf von sechs Monaten, wenn nicht weiterhin eine begründete Aussicht auf die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit besteht. Die Regelung des § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU enthält mit der allgemein geltenden zeitlichen Begrenzung - "für bis zu sechs Monate" - eine Typisierung. Für diese typisierte Dauer einer Arbeitsuche von sechs Monaten nach der Einreise liegt - nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung beider für das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständiger Senate des BSG - eine Aufenthaltsverfestigung noch nicht vor, weil hinter der zeitlichen Begrenzung die Erwartung steht, es handele sich um einen angemessenen Zeitraum, die Erfolgsaussichten einer Arbeitsuche in einem anderen Mitgliedsstaat ohne Aufenthaltsverfestigung zu prüfen. Nach Ablauf einer Aufenthaltsdauer von sechs Monaten geht das BSG typisierend von einer Aufenthaltsverfestigung aus. Nur unter besonderen tatsächlichen Umständen ist es nach dieser Rechtsprechung zulässig, ausnahmsweise von einer Ermessensreduzierung trotz des Zeitablaufs abzusehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Ausländerbehörde bereits konkrete Schritte zur Beendigung des Aufenthalts eingeleitet hat. Es ist weiterhin der Auffassung, dass der Rechtsanspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt im Sozialhilferecht weder nach dem Grund der Einreise noch nach Berechtigung oder Dauer des Aufenthalts fragt und es bei der Leistungsgewährung nach dem SGB XII in erster Linie auf die Tatsache einer gegenwärtigen Hilfebedürftigkeit ankommt. Der Umstand, dass es in Fällen wie dem vorliegenden an einer materiellen Freizügigkeitsberechtigung oder einem anderen materiellen Aufenthaltsrecht fehlt, rechtfertigt es nach der Rechtsprechung des BSG im Hinblick auf den durch ein Vollzugsdefizit des Ausländerrechts nach Ablauf von regelmäßig sechs Monaten faktisch verfestigten tatsächlichen Aufenthalt des Unionsbürgers im Inland und unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht, die Entscheidung über die Gewährung existenzsichernder Leistungen dem Grunde und der Höhe nach in das Ermessen des Sozialhilfeträgers zu stellen. Nur unter besonderen tatsächlichen Umständen ist es nach dieser Rechtsprechung zulässig, ausnahmsweise von einer Ermessensreduzierung trotz des Zeitablaufs abzusehen. Derartige Umstände können insbesondere vorliegen, wenn die tatsächlichen Lebensumstände des Unionsbürgers darauf schließen lassen, dass er nicht auf Dauer im Inland verweilen wird. Gleiches gilt, wenn die Ausländerbehörde bereits konkrete Schritte zur Beendigung des Aufenthalts eingeleitet hat.
Die Einwendungen des SG gegen die zitierte Rechtsprechung des BSG sind jedenfalls im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht geeignet, einen Anordnungsanspruch der Antragstellerin zu verneinen und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen (so z.B. auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. September 2016 - L 25 AS 1938/16 B ER - juris Rdnr. 19; Beschluss vom 8. September 2016 - L 15 SO 211/16 B ER - juris Rdnr. 9; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 1. August 2016 - L 19 AS 1437/16 B ER - juris Rdnr. 17). Die Antragstellerin hält sich seit Ende Oktober 2013, mithin seit mehr als drei Jahren, in der Bundesrepublik Deutschland durchgehend in K. auf. Dass von Seiten der Ausländerbehörde konkrete Schritte zur Beendigung ihres Aufenthalts eingeleitet worden sind, hat weder einer der Beteiligten vorgetragen noch ist dies aus den beigezogenen Verwaltungsakten des Antragsgegners ersichtlich. Zu den konkreten tatsächlichen Lebens- und Aufenthaltsverhältnissen der Antragstellerin seit ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland hat der Antragsgegner bisher keinerlei Ermittlungen angestellt. Vielmehr bleibt es dem Hauptsacheverfahren - vorliegend dem Widerspruchsverfahren - vorbehalten, die komplexe Sach- und Rechtslage abschließend zu prüfen und dabei insbesondere - ggf. mit Hilfe der Antragstellerin - ihren aufenthaltsrechtlichen Status im Einzelnen und ihre tatsächlichen Lebens- und Aufenthaltsverhältnisse seit der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland zu ermitteln.
Bei der nun anzustellenden Folgenabwägung sind grundrechtliche Belange der Antragstellerin mit in die Abwägung einzubeziehen. Zu beachten ist, dass die begehrten Leistungen der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens dienen, was bereits nach dem Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland Pflicht des Staates ist (Art. 1 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 GG; BVerfG, NVwZ 2005, 927). Auf Seiten des Sozialhilfeträgers ist das Interesse zu beachten, dass nun gewährte Leistungen angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin voraussichtlich nicht erstattet werden können, wenn sich im Hauptsacheverfahren herausstellen sollte, dass ein Anspruch tatsächlich nicht bestanden hat. Der Antragstellerin ihrerseits würden für einen nicht absehbaren Zeitraum die Leistungen vorenthalten, die sie zur Aufrechterhaltung ihres Existenzminimums und damit für ein der Menschenwürde entsprechendes Leben benötigt. Sie kann dabei nicht auf mildtätige Sachleistungen caritativer Organisationen verwiesen werden. Die damit verbundenen Einschränkungen während des Zeitraumes ohne existenzsichernde Leistungen sind auch im Falle einer Nachzahlung bei Erfolg in der Hauptsache nicht mehr zu beseitigen. In Abwägung dieser Interessen erscheint es dem Senat angemessen, dass der Antragstellerin Sozialhilfeleistungen in Höhe des für sie maßgeblichen Regelsatzes (404,00 EUR) sowie der von ihr für ihre Unterkunft zu entrichtenden Kosten (425,00 EUR), mithin insgesamt 829,00 EUR, gewährt werden. Ob und ggf. in welcher Höhe die Antragstellerin Beiträge zu einer Krankenversicherung zu entrichten hat (vgl. § 32 SGB XII) oder ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die Erbringung von Hilfen bei Krankheit (§ 48 SGB XII) vorliegen, hat die Antragstellerin weder vorgetragen, geschweige denn glaubhaft gemacht. Die Klärung, ob und in welcher Höhe entsprechende Bedarfe zu berücksichtigen sind, bleibt daher dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Weiterhin begrenzt der Senat die Verpflichtung des Antragsgegners zur Leistungserbringung auf den Zeitraum längstens bis zum 31. Januar 2017, da die Bundesregierung am 13. Oktober 2016 den Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II und in der Sozialhilfe nach dem SGB XII beschlossen hat (BRat-Drs. 587/16), der Bundesrat beabsichtigt, gegen diesen Gesetzentwurf keine Einwendungen zu erheben (BRat-Drs. 587/16) und am 25. November 2016 der Ausschuss für Soziales und Arbeit des Deutschen Bundestages die Sachverständigenanhörung durchgeführt hat (Ausschussdrucksache 18[11]851). Nach diesem Gesetzentwurf ist u.a. beabsichtigt, Ausländer, die kein Aufenthaltsrecht haben oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, von Leistungen nach § 23 Abs. 1 SGB XII auszuschließen und ihnen lediglich bis zur Ausreise, maximal für einen Monat, nur eingeschränkte Hilfen (Überbrückungsleistungen) zu gewähren.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und berücksichtigt das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen.
5. Der Antragstellerin ist für das Beschwerdeverfahren gemäß § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 114, 115, 121 Abs. 2 ZPO Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung zu bewilligen und Rechtsanwalt W. beizuordnen, da sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, die Rechtsverfolgung Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
6. Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Der Antragsgegner trägt 3/5 der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin in beiden Rechtszügen.
Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren ab 21. November 2016 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt W., F., beigeordnet.
Gründe:
Die nach §§ 172, 173 Sozialgerichtgesetz (SGG) zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache teilweise Erfolg und führt zur Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Freiburg (SG) vom 15. November 2016 sowie zur Verpflichtung des Antragsgegner zur Gewährung von Leistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (SGB XII) für die Zeit vom 28. Oktober 2016 bis zum 31. Januar 2016.
1. Gegenstand des am 28. Oktober 2016 beim SG anhängig gemachten einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ist in der Sache das Begehren der Antragstellerin auf vorläufige Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt (HLU) nach dem SGB XII für die Zeit ab Anbringung des einstweiligen Rechtsschutzgesuchs (28. Oktober 2016) bis zum 31. März 2017, nachdem der Antragsgegner ihren entsprechenden Leistungsantrag vom 6. Oktober 2016 durch Bescheid vom 27. Oktober 2016, freilich angefochten durch Widerspruch der Antragstellerin, abgelehnt hatte. Das SG hat das einstweilige Rechtsschutzgesuch mit dem angefochtenen Beschluss vom 15. November 2016 abgelehnt. Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 15. November 2016 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegten Beschwerde. Sie hat mit ihrer Beschwerde teilweise Erfolg.
2. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist in § 86b SGG geregelt, und zwar für Anfechtungssachen in Abs. 1 a.a.O., für Vornahmesachen in Abs. 2 a.a.O. Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache ferner, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.). Nach § 86b Abs. 4 SGG sind die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 schon vor Klageerhebung zulässig.
Hinsichtlich der begehrten vorläufigen Leistungsgewährung kommt allein der Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG in Betracht. Der Erlass einer Regelungsanordnung gem. § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG setzt zunächst die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs voraus. Die Begründetheit des Antrags wiederum hängt vom Vorliegen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund ab (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 26. Januar 2016 - L 7 AS 41/16 ER-B - juris Rdnr. 11 - und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164). Eine einstweilige Anordnung darf nur erlassen werden, wenn beide Voraussetzungen gegeben sind. Dabei betrifft der Anordnungsanspruch die Frage der Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs, während der Anordnungsgrund nur bei Eilbedürftigkeit zu bejahen ist. Die Anordnungsvoraussetzungen, nämlich der prospektive Hauptsacheerfolg (Anordnungsanspruch) und die Dringlichkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund), sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)), wobei im Fall der Bestandskraft eines Bescheides an den Anordnungsgrund besonders strenge Anforderungen zu stellen sind und dieser nur bei einer massiven Beeinträchtigung der sozialen und wirtschaftlichen Existenz vorliegen kann (Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 11. Aufl. 2014, § 86b Rdnr. 29c). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Beschlüsse vom 26. Januar 2016 a.a.O. und vom 17. August 2005 a.a.O.).
3. Der Senat vermag im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend zu entscheiden, ob und ggf. in welcher Höhe der Antragstellerin ein Anspruch auf Leistungen nach Maßgabe des § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII zusteht.
a. Nach derzeitigem Stand spricht viel dafür, dass die Antragstellerin nicht nach § 21 Satz 1 SGB XII von Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII ausgeschlossen ist (vgl. dazu Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 3. Dezember 2015 - B 4 AS 44/15 R - juris Rdnrn. 40 ff.; Urteil vom 20. Januar 2016 - B 14 AS 35/15 R - juris Rdnrn. 35 f.). Zwar dürfte die Antragstellerin zum Kreis der Leistungsberechtigten i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) gehören. Sie ist 1955 geboren (vgl. §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1., 7a SGB II), erwerbsfähig (§§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 8 SGB II; vgl. ferner BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 - B 4 AS 54/12 R - BSGE 113, 60 - juris Rdnrn. 14 ff.) und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II), nämlich in K., wo sie sich seit 31. Oktober 2013 - Einreise in die Bundesrepublik Deutschland - tatsächlich und auf Dauer aufhält. Schließlich hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht, dass sie über kein eigenes zu berücksichtigendes Einkommen (§§ 11 ff. SGB II; vgl. ferner § 82 SGB XII) und zu berücksichtigendes Vermögen (§ 12 SGB II; vgl. § 90 SGB XII) verfügt, sie mithin hilfebedürftig i.S. des § 9 Abs. 1 SGB II (vgl. ferner § 19 Abs. 1 SGB XII) ist. Dies entnimmt der Senat ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 15. November 2016, wonach sie über keinerlei Einkommen und Vermögen verfüge, die von ihr zu entrichtende Miete seit September 2016 nicht mehr bezahlen könne, derzeit kein Krankenversicherungsschutz bestehe und sie durch die Unterstützung der Kirche und der Caritas überlebt habe. Den eingereichten Kontoauszügen für die Zeit vom 31. August 2016 bis zum 17. November 2016 ist zu entnehmen, dass ihrem Girokonto keine Einnahmen zugeflossen sind. Der Vermieter H.-W. hat bestätigt, dass die Antragstellerin im Oktober und November 2016 keine Miete entrichtet hat. Nach ihren Angaben gegenüber dem Antragsgegner hat sie keinerlei Einkommen und keine Vermögenswerte (vgl. Sozialhilfeformantrag vom 13. Oktober 2016).
Allerdings spricht nach derzeitigem Stand sehr viel dafür, dass ein Anspruch der Antragstellerin auf Leistungen nach dem SGB II nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen ist. Danach sind vom grundsätzlich anspruchsberechtigten Personenkreis diejenigen Ausländer ausgeschlossen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt (vgl. dazu BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015, a.a.O. Rdnrn. 21 ff.; Urteil vom 20. Januar 2016, a.a.O. Rdnrn. 23 ff.). Denn sie dürfte nicht über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung i.S.d. Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) oder ein anderes materielles Aufenthaltsrecht verfügen, nachdem sie nach ihren Angaben lediglich von 3. November 2015 bis zum 31. März 2016 eine Beschäftigung ausgeübt hat und seitdem ohne Arbeit ist. Ob sie im Hinblick auf schulische und berufliche Qualifikation und Ausbildung, Berufserfahrung, deutsche Sprachkenntnisse etc. ab 1. Oktober 2016 eine realistische Chance auf Erlangung eines Arbeitsplatzes hat (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU), wird der Antragsgegner ggf. im Rahmen des Hauptsacheverfahrens zu prüfen haben. Die nachwirkende Freizügigkeitsberechtigung bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit war bereits vor Anbringung des einstweiligen Rechtsschutzgesuchs beendet (§ 2 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU). Die Antragstellerin verfügt ferner nicht über einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel (vgl. § 4 FreizügG/EU) und auch über kein Daueraufenthaltsrecht (vgl. § 4a FreizügG/EU). Dies wird der Antragsgegner ggf. im Rahmen des Widerspruchsverfahrens mit Hilfe der Antragstellerin zu verifizieren haben.
Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II stellt sich auch als europarechts- und verfassungskonform dar (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015, a.a.O. Rdnr. 35; Urteil vom 20. Januar 2016, a.a.O. Rdnrn. 31 f. m.w.N.; vgl. ferner Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Nichtannahmebeschluss vom 4. Oktober 2016 - 1 BvR 2778/13 - juris).
Der Senat hat deshalb von einer Beiladung der Kommunalen Arbeitsförderung O. - Jobcenter - (§ 75 Abs. 2 und 5 SGG) abgesehen, zumal dieses Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab 1. September 2016 mit Bescheid vom 29. August 2016, der - soweit ersichtlich - bestandskräftig geworden ist, abgelehnt hat, weil die Antragstellerin sich seit 1. September 2016 allein zur Arbeitsuche aufhalte.
b. In Betracht kommt deshalb nach der jüngsten, nunmehr ständigen Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 3. Dezember 2015 a.a.O.; Urteil vom 20. Januar 2016 a.a.O. - juris Rdnr. 33 ff.), welcher der Senat jedenfalls im einstweiligen Rechtsschutzverfahren folgt (vgl. Beschlüsse vom 12. Oktober 2016 - L 7 SO 3374/16 ER-B - (n.v.); vom 13. September 2016 - L 7 SO 2914/16 ER-B (n.v.); vom 8. September 2016 - L 7 SO 3051/16 ER-B - (n.v.); vom 24. August 2016 - L 7 AS 2113/16 ER-B - (n.v.); vom 9. Juni 2016 - L 7 SO 1512/16 ER-B -; vom 12. Mai 2016 - L 7 SO 1150/16 ER-B - jeweils juris), allein ein Anspruch auf HLU nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII. Danach kann Sozialhilfe gewährt werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. Das Ermessen des Sozialhilfeträgers ist nach der Rechtsprechung des BSG aus verfassungsrechtlichen Gründen dem Grunde und der Höhe nach hinsichtlich der Hilfe zum Lebensunterhalt auf Null reduziert, wenn sich das Aufenthaltsrecht des Ausländers verfestigt hat, regelmäßig ab einem sechsmonatigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Hinsichtlich der Verfestigung des Aufenthaltsrechts nach einer Aufenthaltsdauer von sechs Monaten orientiert sich das BSG an der zeitlich begrenzten Freizügigkeitsberechtigung zur Arbeitsuche (§ 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU). Danach endet die Freizügigkeitsberechtigung zum Zwecke der Arbeitsuche nach dem Ablauf von sechs Monaten, wenn nicht weiterhin eine begründete Aussicht auf die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit besteht. Die Regelung des § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU enthält mit der allgemein geltenden zeitlichen Begrenzung - "für bis zu sechs Monate" - eine Typisierung. Für diese typisierte Dauer einer Arbeitsuche von sechs Monaten nach der Einreise liegt - nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung beider für das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständiger Senate des BSG - eine Aufenthaltsverfestigung noch nicht vor, weil hinter der zeitlichen Begrenzung die Erwartung steht, es handele sich um einen angemessenen Zeitraum, die Erfolgsaussichten einer Arbeitsuche in einem anderen Mitgliedsstaat ohne Aufenthaltsverfestigung zu prüfen. Nach Ablauf einer Aufenthaltsdauer von sechs Monaten geht das BSG typisierend von einer Aufenthaltsverfestigung aus. Nur unter besonderen tatsächlichen Umständen ist es nach dieser Rechtsprechung zulässig, ausnahmsweise von einer Ermessensreduzierung trotz des Zeitablaufs abzusehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Ausländerbehörde bereits konkrete Schritte zur Beendigung des Aufenthalts eingeleitet hat. Es ist weiterhin der Auffassung, dass der Rechtsanspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt im Sozialhilferecht weder nach dem Grund der Einreise noch nach Berechtigung oder Dauer des Aufenthalts fragt und es bei der Leistungsgewährung nach dem SGB XII in erster Linie auf die Tatsache einer gegenwärtigen Hilfebedürftigkeit ankommt. Der Umstand, dass es in Fällen wie dem vorliegenden an einer materiellen Freizügigkeitsberechtigung oder einem anderen materiellen Aufenthaltsrecht fehlt, rechtfertigt es nach der Rechtsprechung des BSG im Hinblick auf den durch ein Vollzugsdefizit des Ausländerrechts nach Ablauf von regelmäßig sechs Monaten faktisch verfestigten tatsächlichen Aufenthalt des Unionsbürgers im Inland und unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht, die Entscheidung über die Gewährung existenzsichernder Leistungen dem Grunde und der Höhe nach in das Ermessen des Sozialhilfeträgers zu stellen. Nur unter besonderen tatsächlichen Umständen ist es nach dieser Rechtsprechung zulässig, ausnahmsweise von einer Ermessensreduzierung trotz des Zeitablaufs abzusehen. Derartige Umstände können insbesondere vorliegen, wenn die tatsächlichen Lebensumstände des Unionsbürgers darauf schließen lassen, dass er nicht auf Dauer im Inland verweilen wird. Gleiches gilt, wenn die Ausländerbehörde bereits konkrete Schritte zur Beendigung des Aufenthalts eingeleitet hat.
Die Einwendungen des SG gegen die zitierte Rechtsprechung des BSG sind jedenfalls im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht geeignet, einen Anordnungsanspruch der Antragstellerin zu verneinen und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen (so z.B. auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. September 2016 - L 25 AS 1938/16 B ER - juris Rdnr. 19; Beschluss vom 8. September 2016 - L 15 SO 211/16 B ER - juris Rdnr. 9; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 1. August 2016 - L 19 AS 1437/16 B ER - juris Rdnr. 17). Die Antragstellerin hält sich seit Ende Oktober 2013, mithin seit mehr als drei Jahren, in der Bundesrepublik Deutschland durchgehend in K. auf. Dass von Seiten der Ausländerbehörde konkrete Schritte zur Beendigung ihres Aufenthalts eingeleitet worden sind, hat weder einer der Beteiligten vorgetragen noch ist dies aus den beigezogenen Verwaltungsakten des Antragsgegners ersichtlich. Zu den konkreten tatsächlichen Lebens- und Aufenthaltsverhältnissen der Antragstellerin seit ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland hat der Antragsgegner bisher keinerlei Ermittlungen angestellt. Vielmehr bleibt es dem Hauptsacheverfahren - vorliegend dem Widerspruchsverfahren - vorbehalten, die komplexe Sach- und Rechtslage abschließend zu prüfen und dabei insbesondere - ggf. mit Hilfe der Antragstellerin - ihren aufenthaltsrechtlichen Status im Einzelnen und ihre tatsächlichen Lebens- und Aufenthaltsverhältnisse seit der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland zu ermitteln.
Bei der nun anzustellenden Folgenabwägung sind grundrechtliche Belange der Antragstellerin mit in die Abwägung einzubeziehen. Zu beachten ist, dass die begehrten Leistungen der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens dienen, was bereits nach dem Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland Pflicht des Staates ist (Art. 1 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 GG; BVerfG, NVwZ 2005, 927). Auf Seiten des Sozialhilfeträgers ist das Interesse zu beachten, dass nun gewährte Leistungen angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin voraussichtlich nicht erstattet werden können, wenn sich im Hauptsacheverfahren herausstellen sollte, dass ein Anspruch tatsächlich nicht bestanden hat. Der Antragstellerin ihrerseits würden für einen nicht absehbaren Zeitraum die Leistungen vorenthalten, die sie zur Aufrechterhaltung ihres Existenzminimums und damit für ein der Menschenwürde entsprechendes Leben benötigt. Sie kann dabei nicht auf mildtätige Sachleistungen caritativer Organisationen verwiesen werden. Die damit verbundenen Einschränkungen während des Zeitraumes ohne existenzsichernde Leistungen sind auch im Falle einer Nachzahlung bei Erfolg in der Hauptsache nicht mehr zu beseitigen. In Abwägung dieser Interessen erscheint es dem Senat angemessen, dass der Antragstellerin Sozialhilfeleistungen in Höhe des für sie maßgeblichen Regelsatzes (404,00 EUR) sowie der von ihr für ihre Unterkunft zu entrichtenden Kosten (425,00 EUR), mithin insgesamt 829,00 EUR, gewährt werden. Ob und ggf. in welcher Höhe die Antragstellerin Beiträge zu einer Krankenversicherung zu entrichten hat (vgl. § 32 SGB XII) oder ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die Erbringung von Hilfen bei Krankheit (§ 48 SGB XII) vorliegen, hat die Antragstellerin weder vorgetragen, geschweige denn glaubhaft gemacht. Die Klärung, ob und in welcher Höhe entsprechende Bedarfe zu berücksichtigen sind, bleibt daher dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Weiterhin begrenzt der Senat die Verpflichtung des Antragsgegners zur Leistungserbringung auf den Zeitraum längstens bis zum 31. Januar 2017, da die Bundesregierung am 13. Oktober 2016 den Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II und in der Sozialhilfe nach dem SGB XII beschlossen hat (BRat-Drs. 587/16), der Bundesrat beabsichtigt, gegen diesen Gesetzentwurf keine Einwendungen zu erheben (BRat-Drs. 587/16) und am 25. November 2016 der Ausschuss für Soziales und Arbeit des Deutschen Bundestages die Sachverständigenanhörung durchgeführt hat (Ausschussdrucksache 18[11]851). Nach diesem Gesetzentwurf ist u.a. beabsichtigt, Ausländer, die kein Aufenthaltsrecht haben oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, von Leistungen nach § 23 Abs. 1 SGB XII auszuschließen und ihnen lediglich bis zur Ausreise, maximal für einen Monat, nur eingeschränkte Hilfen (Überbrückungsleistungen) zu gewähren.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und berücksichtigt das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen.
5. Der Antragstellerin ist für das Beschwerdeverfahren gemäß § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 114, 115, 121 Abs. 2 ZPO Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung zu bewilligen und Rechtsanwalt W. beizuordnen, da sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, die Rechtsverfolgung Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
6. Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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