L 4 KA 35/15 KL

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 35/15 KL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 42/16 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Auch für die Entscheidung über einen regionalen Zu- oder Abschlag nach § 87a Abs. 2 S. 2 SGB V gilt der Grundsatz der Vorjahresanknüpfung.
2. Im Schiedsverfahren nach § 89 Abs. 1 SGB V gilt der Amtsermittlungsgrundsatz nur in eingeschränktem Umfang.
3. Auch bei einem Vorgehen im Wege der prospektiven Schätzung genügt das Schätzungsergebnis nur dann rechtsstaatlichen Anforderungen, wenn bei der Schätzung an in der Vergangenheit liegende tatsächliche Umstände angeknüpft wird, welche zur Grundlage der Schätzung gemacht werden und die ihr Ergebnis bei rationaler Betrachtung rechtfertigen.
Ziffer 3 des Schiedsspruchs des Beklagten vom 16. Oktober 2013 wird aufgehoben, soweit darin der regionale Punktwert für das Jahr 2013 gegenüber dem Orientierungswert für das Jahr 2013 um 1,1 % erhöht worden ist und der Beklagte wird verpflichtet, über die Erhöhung des regionalen Punktwertes bis zu einem Umfang von 1,1 % unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Der Beklagte und die Beigeladene haben jeweils die Hälfte der Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klage richtet sich gegen die Entscheidung des Beklagten in dessen Schiedsspruch vom 16. Oktober 2013, den regionalen Punktwert für das Jahr 2013 gegenüber dem Orientierungswert für 2013 um 1,1 % zu erhöhen.

Mit Schreiben vom 8. Mai 2013, bei dem Beklagten am 21. Mai 2013 eingegangen, erklärte die Beigeladene das Scheitern der Vertragsverhandlungen über den Abschluss eines Honorarvertrags gemäß § 87 a SGB V für das Jahr 2013. Eine Einigung habe in den Verhandlungen am 11. Dezember 2012, 15. Januar 2013 und 30. April 2013 nicht erzielt werden können. Sie beantragte eine Festsetzung des Inhalts des Honorarvertrages durch den Beklagten.

Mit Schreiben vom 3. Juli 2013 konkretisierte die Beigeladene ihren Antrag dahingehend, dass sie einen konkreten Vertragstext beifügte und forderte, den Inhalt des Honorarvertrages entsprechend festzusetzen. U.a. verlangte sie, den regionalen Punktwert gemäß § 87a Abs. 2 Satz 2 SGB V für das Jahr 2013 um 3,084% zu erhöhen, was sie mit den regionalen Besonderheiten der Kosten- und Versorgungsstruktur der ärztlichen Praxen in Hessen im Vergleich zum Bundesdurchschnitt begründete. Hinsichtlich der Begründung im Einzelnen wird auf den Inhalt der Antragsbegründung vom 11. Juli 2013, Bl. 22 bis 26, verwiesen.

Die Kläger forderten mit Antragserwiderung vom 15. August 2013, die Anträge der Beigeladenen zurückzuweisen. Hinsichtlich des regionalen Punktwerts trugen sie vor, dieser sei in Höhe des Orientierungswerts festzusetzen, da es keine regionalen Sonderentwicklungen gebe, die einen Zuschlag rechtfertigten. Wegen der vorgebrachten Argumente wird auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 15. August 2013, Bl. 40 bis 64, Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 30. September 2013 lud der Beklagte die Beteiligten zur mündlichen Verhandlung am 16. Oktober 2013.

Mit Schriftsätzen vom 9. Oktober 2013 (Beigeladene) und 15. Oktober 2013 (Kläger) nahmen die Beteiligten zu der Frage der Erhöhung des regionalen Punktwertes weiter Stellung. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Bl. 7 und 8 des Schriftsatzes vom 9. Oktober 2013 sowie Bl. 12 bis 21 des Schriftsatzes vom 15. Oktober 2013 verwiesen.

Bezüglich des Ablaufs der mündlichen Verhandlung wird auf den Inhalt der Niederschrift vom 16. Oktober 2013 Bezug genommen.

Mit Schiedsspruch aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. Oktober 2013 beschloss der Beklagte unter Ziffer 3 des Schiedsspruchs, den regionalen Punktwert für das Jahr 2013 gegenüber dem Orientierungswert für 2013 um 1,1 % zu erhöhen; den Antrag auf weitergehende Erhöhung lehnte er ab. Die weiteren Anträge der Beigeladenen lehnte er unter Ziffer 1 und 2 des Schiedsspruchs ganz (Ziffer 1) oder teilweise (Ziffer 2) ab. Unter Ziffer 4 des Schiedsspruchs gab er den Vertragsparteien auf, auf der Grundlage der vorstehenden Festsetzungen mit dem Ziel einer Gesamteinigung über den Honorarvertrag für das Jahr 2013 zu verhandeln und dem Landesschiedsamt bis zum 8. November 2013 das Ergebnis in Form eines Einigungs-/Nichteinigungsprotokolls mitzuteilen.

Zur Begründung seiner Entscheidung unter Ziffer 3 führte er aus, den gemäß § 87a Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB V von den Vertragsparteien auf Landesebene zu vereinbarenden (regionalen) Punktwert, der zur Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen im Jahre 2013 anzuwenden sei, habe er im Vergleich zu dem des Jahres 2012 um 2% erhöht. Er sei dabei von dem im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen vom Erweiterten Bewertungsausschuss in dessen 30. Sitzung am 15./30. August 2012 gemäß § 87 Abs. 2e SGB V festgelegten bundeseinheitlichen Punktwert als Orientierungswert ausgegangen, der um 0,9% auf 3,5363 Cent erhöht worden sei. Diesen Wert habe er in Wahrnehmung des den Vertragsparteien und damit auch ihm selbst gesetzlich eingeräumten Ermessens- und Beurteilungsspielraums mit einem Zuschlag von 1,1% versehen, um hierdurch die im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen vorhandenen regionalen Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur der vertragsärztlichen Praxen angemessen Rechnung zu tragen. Damit sei er im Ergebnis weder dem Begehren der Beigeladenen, den regionalen Punktwert um 3,084% zu erhöhen, in diesem Umfang gefolgt, noch dem der Kläger, den für das gesamte Bundesgebiet geltenden Orientierungswert - ohne einen bereichsspezifischen Zuschlag - auch als regionalen Punktwert festzusetzen.

Der Erweiterte Bewertungsausschuss habe in seinen entscheidungserheblichen Gründen (S. 2 f.) zunächst festgestellt, dass der Gesetzgeber mit der Festlegung des Orientierungswertes für die Jahre 2011 und 2012 im GKV-FinG über die Angemessenheit des Orientierungswertes für diese Jahre abschließend entschieden habe und die gesetzliche Regelung somit basiswirksam sei. Demzufolge seien Kostensteigerungen bei den lnvestitions- und Betriebskosten, die Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven und allgemeine Kostendegressionseffekte dieser beiden Jahre bei der Festlegung des Orientierungswertes für das Jahr 2013 nicht nachzuholen. Bei den Anpassungsfaktoren gemäß § 87 Abs. 2 g SGB V seien demnach nur Veränderungen zu berücksichtigen, die nach dem Ende des vom Gesetzgeber abschließend geregelten Zeitraums festzustellen seien. Die auf Grund dieser Anpassungsfaktoren festzusetzende Veränderungsrate müsse daher für den Zeitraum von 2012 nach 2013 bestimmt werden. Diesen Erwägungen stimme er zu.

Er nehme ferner zur Kenntnis, dass der Bewertungsausschuss vor dem Hintergrund grundsätzlich unterschiedlicher Rechenmodelle und daraus abgeleiteter Ergebnisse von KBV (+ 1,4%) und GKV-Spitzenverband (- 0,3%) "im Wege einer Kompromissfindung" den bundesweiten Orientierungswert unter Berücksichtigung der gesetzlichen Anpassungsfaktoren bezogen auf den Bundesdurchschnitt um 0,9% erhöht und die Auffassung vertreten habe, damit - bei der von ihm gewählten retrospektiven Betrachtungsweise und bezogen auf die durchschnittlichen Verhältnisse im gesamten Bundesgebiet - die von 2010 nach 2011 gestiegenen Investitions- und Betriebskosten einschließlich des kalkulatorischen Arztlohnes ebenso wie die Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven sowie die allgemeinen Kostendegressionswerte auf Grund von Fallzahlsteigerungen berücksichtigt zu haben.

Für den von den Vertragsparteien für die spezifischen Verhältnisse in Hessen gemäß § 87a Abs. 2 Satz 2 SGB V zu vereinbarenden und nunmehr im Schiedsverfahren festzusetzenden regionalen Punktwert sei er demgegenüber von den aktuellen Werten soweit verfügbar - zur Bemessung der Anpassungsfaktoren, verbunden mit einem prospektiven Schätzverfahren und im Übrigen von einer entsprechend bewerteten Berücksichtigung älterer Werte ausgegangen und habe geprüft, ob insbesondere regionale Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur eine Modifikation des auf bundesweit geltenden Bedingungen beruhenden Orientierungswertes erforderlich mache und in welcher Höhe dies der Fall sei.

Er sei unter Würdigung der von den Beteiligten vorgetragenen Tatsachen dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Entwicklung in Hessen in dem maßgeblichen Zeitraum im Vergleich zum Bundesdurchschnitt einen Zuschlag in Höhe von 1,1% rechtfertige. Er sei in tatsächlicher Hinsicht von dem Vorbringen der Beigeladenen in ihrem Schriftsatz vom 3. Juli 2013, dort insbesondere S. 22 bis 25, ausgegangen und habe dieses unter Berücksichtigung der Einwände und des vorgetragenen Tatsachenmaterials der Klägerin in deren Schriftsätzen vom 15. August 2013, insbesondere S. 40 bis 52, und vom 15. Oktober 2013, insbesondere S. 14 bis 19, bewertet.

Folgende regionale Besonderheiten aus dem Vortrag der Beigeladenen seien dabei von ihm als Parameter bei der Entscheidung berücksichtigt worden und in die Bewertung eingeflossen:

- Absinken der Fallzahlen pro Arzt in ihrem Bezirk im Vergleich zum Anstieg im Bundesdurchschnitt mit der Folge, dass die vom Erweiterten Bewertungsausschuss bei dessen bundesweiter Betrachtung angenommenen Kostendegressionseffekte zumindest nicht in der gleichen Größenordnung in Hessen eingetreten sein dürften,
- Ermittlung einer Steigerung des Verbraucherpreisindexes von 1,9% im Jahr 2011 im Vergleich zum Vorjahr in Hessen seitens des Statistischen Landesamtes,
- Feststellung von um 2,2% über dem Bundesdurchschnitt liegenden durchschnittlichen Arbeitskosten in Hessen (bezogen allerdings auf das Jahr 2008) durch das Statistische Bundesamt,
- Erhebung des Statistischen Bundesamtes für den Wirtschaftszweig Gesundheitswesen, wonach der Bruttoverdienst des ärztlichen Praxispersonals in Hessen um 1,7% über dem Bundesdurchschnitt liege (allerdings bezogen auf das Jahr 2008),
- Feststellung eines überdurchschnittlichen Kostenniveaus der Arztpraxen in Hessen im Umfang von 1,66% im Vergleich zum Bundesdurchschnitt durch die ZIPP-Erhebung 2010 auf der Grundlage der Auswertung des ZI-Praxispanels.

Bei der Bewertung der Validität dieses tatsächlichen Vorbringens der Beigeladenen habe er sowohl die jeweilige Quelle und deren Neutralität, den Umstand teilweise zurückliegender Zeiträume der jeweiligen Erhebung mit der Folge, dass selbst bei prospektiver Bewertung ihr teilweise nur indizielle Aussagekraft zuzumessen sei, deren Repräsentativität und die zahlreichen Einwände der Kläger hiergegen in ihren Schriftsätzen und ihrem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung berücksichtigt.

Bei der gebotenen Gesamtwürdigung aller von den Beteiligten vorgetragenen Argumente und Tatsachen sei er zu dem Ergebnis gelangt, dass die regionalen Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur in Hessen im Sinne von § 87a Abs. 2 Satz 2 SGB V im maßgeblichen Zeitraum es rechtfertigten, den Orientierungswert für 2013 mit einem Zuschlag zu versehen, diesen unter Berücksichtigung aller verfügbaren Daten gemäß § 287 ZPO auf 1,1% zu schätzen und ihn - unter Zurückweisung des weitergehenden Begehrens der Beigeladenen - in dieser Höhe festzusetzen.

Die Beigeladene hat gegen den ihr am 22. Januar 2014 zugestellten Beschluss des Beklagten am 7. Februar 2014 Klage beim Landessozialgericht (Az. L 4 KA 11/14 KL) erhoben, mit der sie u.a. ihr ursprüngliches Ziel, den regionalen Punktwert für das Jahr 2013 um 3,084 % zu erhöhen, weiterverfolgt hat.

Die Kläger haben gegen den ihnen am 21. Januar 2014 zugestellten Beschluss des Beklagten am 21. Februar 2014 Klage beim Landessozialgericht (Az. L 4 KA 17/14 KL) erhoben.

Mit Beschluss vom 29. Juli 2014 hat der Senat die Klageverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Mit Schriftsatz vom 22. Januar 2015, eingegangen bei Gericht am 23. Januar 2015, hat die Beigeladene ihre Klage zurückgenommen.

Mit Schriftsatz vom 2. Juni 2015, bei Gericht eingegangen am 9. Juni 2015, haben die Kläger, unter Zurücknahme ihrer Klage im Übrigen, beantragt, den Schiedsspruch des Beklagten vom 16. Oktober 2013 insoweit aufzuheben, als darin unter Ziffer 3 festgesetzt worden sei, dass der regionale Punktwert für das Jahr 2013 gegenüber dem Orientierungswert für 2013 um 1,1 % erhöht worden sei und den Beklagten zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über die Höhe des Zuschlags neu zu entscheiden.

Mit Beschluss vom 6. August 2015 hat der Senat die Klage der Kläger abgetrennt und entschieden hat, das Verfahren unter dem nunmehrigen Aktenzeichen fortzuführen.

Die Kläger sind der Ansicht, der Schiedsspruch sei, soweit sie ihn noch angriffen, rechtswidrig.

Der Beklagte habe den ihm zukommenden Gestaltungsspielraum bei der Festsetzung des regionalen Punktwertes unter Ziffer 3. des Schiedsspruchs überschritten. Komme ein Vertrag über die vertragsärztliche Versorgung ganz oder teilweise nicht zustande, habe das Schiedsamt mit der Mehrheit seiner Mitglieder innerhalb von drei Monaten den Vertragsinhalt festzusetzen (§ 89 Abs. 1 Satz 1 SBG V). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts komme einem Landesschiedsamt bei der Festsetzung des Inhalts des Gesamtvertrages bzw. Honorarvertrages ein Gestaltungsspielraum zu, der nicht geringer sei als derjenige, den die Vertragspartner bei einer im Wege freier Verhandlung erzielten Vereinbarung hätten. So sei die gerichtliche inhaltliche Kontrolle bei der Festsetzung von Vergütungsvereinbarungen durch das Schiedsamt dementsprechend auf die Prüfung beschränkt, ob der Entscheidung zutreffend ermittelte Tatsachen zugrunde gelegt worden seien, ob das Schiedsamt die Grenzen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums eingehalten und ob es sein Gestaltungsermessen - soweit ihm ein solches zukomme - sachgerecht ausgeübt habe (so z. B. BSGE 86, 126, 135). Die Grenzen der ihm zustehenden Gestaltungsfreiheit verletze das Schiedsamt allerdings dann, wenn der Schiedsspruch gegen gesetzliche Vorgaben verstoße. Diese Grenzen seien zum Beispiel auch dann nicht eingehalten, wenn das Schiedsamt seiner Entscheidung eine bestimmte Gewichtung der maßgeblichen Kriterien für eine Vergütungsvereinbarung zugrunde lege, die mit dem Gesetz nicht in Einklang stehe und sich hieraus Auswirkungen auf die Höhe der Veränderung der Gesamtvergütung ergeben könnten (BSG a.a.O.). Bei der Festsetzung des Zuschlags auf den Orientierungswert nach § 87 Abs. 2e SGB V unter Ziffer 3. des Tenors des streitgegenständlichen Schiedsspruchs sei das beklagte Landesschiedsamt unter Zugrundelegung nicht aussagekräftiger Daten fehlerhaft davon ausgegangen, dass regionale Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur bestünden, welche den Zuschlag gemäß § 87a Abs. 2 Satz 2 SGB V rechtfertigten. Diese Festsetzung habe erhebliche Auswirkungen auf die Höhe der Gesamtvergütung. Somit habe das beklagte Landesschiedsamt den ihm im Hinblick auf die Festsetzung eines Zuschlags auf den oder einen Abschlag von dem Orientierungswert zukommenden Gestaltungsspielraum nicht eingehalten. Der Schiedsspruch verstoße daher gegen § 87a Abs. 2 Satz 2 SGB V.

Nach § 87a Abs. 2 Satz 1 SGB V vereinbarten die Gesamtvertragspartner gemeinsam und einheitlich auf der Grundlage des Orientierungswertes gemäß § 87 Abs. 2e SGB V jeweils bis zum 31. Oktober eines jeden Jahres einen Punktwert, der zur Vergütung der Vertragsleistungen im Folgejahr anzuwenden sei. Gemäß § 87a Abs. 2 Satz 2 SGB V könnten die Vertragspartner dabei einen Zuschlag auf den oder einen Abschlag von dem Orientierungswert gemäß § 87 Abs. 2e SGB V vereinbaren, um insbesondere regionale Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur zu berücksichtigen. Die Berücksichtigung regionaler Besonderheiten durch das beklagte Landesschiedsamt zur Ermittlung eines Zuschlags zum Orientierungswert sei in nicht sachgerechter Weise und damit rechtsfehlerhaft erfolgt.

In dem streitgegenständlichen Schiedsspruch führe das beklagte Landesschiedsamt zunächst richtigerweise aus, der Erweiterte Bewertungsausschuss habe festgestellt, dass der Gesetzgeber mit der Festlegung des Orientierungswertes für die Jahre 2011 und 2012 über die Angemessenheit der Höhe des Orientierungswertes abschließend entschieden habe. Insoweit seien bei den in § 87 Abs. 2g SGB V genannten Anpassungsfaktoren nur Veränderungen zu berücksichtigen, die für den Zeitraum von 2012 bis 2013 festzustellen seien. Der Beklagte erkenne damit die gemäß der Gesetzessystematik vorgegebene Vorjahresanknüpfung auch für die Entwicklung des Orientierungswertes bzw. des regionalen Punktwertes an. Anschließend allerdings begründe das beklagte Landesschiedsamt den um +1,1% gesteigerten Punktwert für Hessen damit, dass dieser Zuschlag aufgrund regionaler Besonderheiten in der Kostenstruktur, mithin einem generell höheren Kostensockel, gerechtfertigt sei und löse sich somit vom zuvor als unzweifelhaft festgestellten Vorjahresbezug. Denn es werde einerseits mit Steigerungsraten argumentiert, die sich - soweit erkennbar - auf Zeiträume vor 2012 bezögen, und andererseits mit einem angeblich überdurchschnittlichen Kostenniveau von Arztpraxen in Hessen bei den Arbeitskosten und den Bruttoverdiensten des Praxispersonals. Die Begründung des Beklagten für die Gewährung eines Zuschlags von +1,1% bestehe demnach eben nicht darin, dass die Kostenentwicklung von 2012 auf 2013 - und nur diese könne bei einem Vorjahresbezug gemeint sein - in Hessen im Vergleich zum Bund oder anderen Bundesländern überdurchschnittlich gewesen sei. Vielmehr werde ein generell höherer Kostensockel als Begründung angeführt. Die vom Beklagten als empirische Basis für den Zuschlag angeführten fünf regionalen Besonderheiten seien jedoch nicht gegeben bzw. der Beklagte sei von nicht tragfähigen Grundlagen ausgegangen.

Der Verweis auf die nicht eingetretenen Kostendegressionseffekte aufgrund einer gesunkenen Fallzahl beziehe sich - soweit erkennbar - auf den Zeitraum 2010 bis 2011 und sei insoweit für eine Kostenentwicklung der Jahre 2012 bis 2013 nicht relevant. Auch inhaltlich überzeuge der Hinweis auf nicht vorhandene Wirtschaftlichkeitsreserven nicht, denn ausweislich der entscheidungserheblichen Gründe des entsprechenden Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses aus seiner 30. Sitzung bezögen sich die Kostendegressionseffekte aufgrund von Fallzahlsteigerungen eben nicht auf die Fallzahl pro Arzt, sondern vielmehr auf die Leistungsmenge insgesamt. Im Übrigen sollten gemäß des oben genannten Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses bei der Betrachtung von Wirtschaftlichkeitsreserven auch die jährlichen Produktivitätszuwächse durch Strukturoptimierungen, andere Praxisformen usw. berücksichtigt werden. Die von dem Beklagten angeführten Fallzahlen pro Arzt berücksichtigten eben auch die Entwicklung der Arztzahlen, die im Zeitraum 2010 bis 2013 um über 6% und damit stärker angestiegen seien als die Fallzahlen, so dass sich ein Absinken der Fallzahl pro Arzt zwangläufig ergebe. Daraus aber zu schließen, dass angesichts der in Hessen flächendeckend bestehenden Überversorgung ein finanzieller Ausgleich in Form eines Punktwertzuschlages erforderlich sei, könne nicht überzeugen. Auch der Zusammenhang zwischen sinkenden Fallzahlen pro Arzt und angeblicher Erhöhung von Kosten, die mit einem Zuschlag ja ausgeglichen werden sollten, erschließe sich nicht. Zu vermuten wäre vielmehr, dass sich auch bei sinkenden Fallzahlen je Arzt die Kosten der einzelnen Praxis erst einmal nicht veränderten. Daraus folge, dass mit einem Zuschlag auf einen regionalen Punktwert aufgrund sinkender Fallzahlen das Absinken des Praxisüberschusses, ergo des Unternehmergewinns, ausgeglichen werden solle. Dies aber könne unter Beachtung des dem SGB V als wesentliches Prinzip zugrunde liegenden Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 70 Abs. 1 SGB V) nicht aus Versichertengeldern erfolgen.

Zum Verweis auf die Steigerung des Verbraucherpreisindexes in Hessen um 1,9% im Jahr 2011 - wohl bezogen auf das Vorjahr 2010 - sei zunächst festzuhalten, dass die Festlegung der Höhe des Punktwertes für diesen Bezugszeitraum abschließend durch den Erweiterten Bewertungsausschuss erfolgt sei, so dass eine zusätzliche und weitergehende Anhebung des regionalen Punktwertes unter Bezugnahme auf diesen Zeitraum nicht zulässig sei. Im Übrigen sei schon nicht nachweisbar, dass mit dieser Kennzahl die Kostenstrukturen bzw. deren Entwicklungen in Arztpraxen abgebildet werden könnten. Weiterhin sei im Vergleich zum Bundesmittel festzustellen, dass diese Steigerung zwischen 2010 und 2011 bei 2,1% und zwischen 2012 und 2013 bei 1,48% gelegen habe. Die hessischen Steigerungen lägen mit 1,9% und 1,4% unter den entsprechenden Werten für den Bund. Von einer überdurchschnittlichen Steigerung in Hessen könne also keineswegs die Rede sein. Das Gegenteil sei der Fall.

In Bezug auf die höheren Arbeitskosten und höheren Bruttoverdienste in Hessen sei ebenfalls festzuhalten, dass das Bezugsjahr der beiden Datenquellen, das mit 2008 angegeben werde, deutlich vor dem Zeitraum liege, der einer abweichenden Entscheidung des Beklagten für einen hessischen Punktwertzuschlag zugänglich sei. Auch werde ausschließlich ein höherer Kostensockel konstatiert und eben keine Entwicklung zwischen den Jahren 2012 und 2013, auf die es hier eigentlich ankomme. Außerdem sei eine Aussagekraft für das Honorarjahr 2013 schon wegen des zeitlichen Abstands von fünf Jahren nicht mehr gegeben. Hinsichtlich der angeführten Arbeitskostenstatistik sei auch die inhaltliche Aussagekraft für Arztpraxen nicht gegeben. Die empirische Basis der Arbeitskostenerhebung des Statistischen Bundesamtes umfasse sämtliche Branchen, d. h. vom produzierenden Gewerbe über Handwerksbetriebe bis zu den unterschiedlichen Dienstleistungssegmenten: Eine Repräsentativität für Arztpraxen sei erheblich anzuzweifeln und hätte vielmehr mit Detaildaten nachgewiesen werden müssen.

Auch die Erhebungen zu den Bruttoverdiensten des Praxispersonals belegten keinen höheren Kostenaufwand. Wollte man einen solchen nachweisen, so müssten eben nicht die Bruttoverdienste, sondern die gesamten Arbeitskosten (also Bruttoverdienste inkl. Arbeitgeberanteile) in Arztpraxen zugrunde gelegt werden. Die einzige Erhebung, die diesen Kosten nahe kommen könne, sei die Erhebung über die "Arbeitskosten je geleisteter Stunde" für den Wirtschaftszweig Gesundheitswesen mit der Spezifizierung auf die Betriebsgrößen bis 49 Mitarbeiter. Hier würden sowohl die Gesamtkosten als auch implizit die Produktivität berücksichtigt. Die derzeit aktuellste Erhebung sei aus dem Jahr 2012 und zeige, dass die Kosten pro Arbeitsstunde in Hessen mit 19,69 EUR unter dem Bundesmittel von 20,12 EUR lägen. Im Ergebnis zeige sich, dass - selbst wenn man die Relevanz von generell höheren Personal-/Arbeitskosten bei der Festlegung eines regionalen Punktwertes anerkennen würde - diese Daten eher dafür sprächen, dass es einen solchen höheren Kostensockel in hessischen Arztpraxen nicht gäbe.

Das beklagte Landesschiedsamt begründe seine Entscheidung auch mit einem höheren Kostenniveau, das durch das so genannte ZI-Praxis-Panel (im Folgenden: ZIPP) nachgewiesen sei. Dieses Panel fuße allerdings nicht auf einer offiziellen Statistik, sondern lediglich auf einer freiwilligen Befragung des Zentralinstituts für die Kassenärztliche Versorgung (im Folgenden: ZI). Dabei habe ein Rücklauf von weniger als 15% der angeschriebenen Auswahl niedergelassener Ärzte und Psychotherapeuten bestanden, womit in hohem Maße von einem Selektionsfehler (selection bias) in der Studie auszugehen sei. Somit spreche viel dafür, dass diejenigen Praxen, die geantwortet hätten, nicht repräsentativ für alle Praxen seien. Auch die Qualität der Angaben der teilnehmenden Ärzte sei nicht nachprüfbar, da die Daten, mit denen die Berechnungen des ZI‘s durchgeführt worden seien, weder den Klägern noch anderen Institutionen vorlägen. Das ZI sei ein Forschungsinstitut in der Rechtsform einer Stiftung bürgerlichen Rechts. Träger der Stiftung seien die Kassenärztlichen Vereinigungen sowie die Kassenärztliche Bundesvereinigung. Somit könnten die Auswertungen des Zl‘s nicht als fachlich unabhängig und neutral gewertet werden. Zielrichtung der Befragung sei es nicht gewesen, die einzelnen KV-Bezirke zu untersuchen, sondern lediglich, einen Überblick über die Kostenstruktur der Arztpraxen auf Bundesebene zu erhalten. Wie schon ausgeführt, habe an der Erhebung nur eine kleine Auswahl an Ärzten teilgenommen. Speziell bei über 10.000 Ärzten in Hessen habe das ZI lediglich 320 Teilnehmer aus Hessen verbuchen können. Wie hier verlässliche Aussagen über die Kostenstruktur eines Bundeslandes in Verhältnis zu anderen Ländern getroffen werden sollten, sei nicht nachvollziehbar. Unabhängig davon bezögen sich die Ergebnisse des Panels auf die Situation der Jahre 2006-2008. Über die bei der Festlegung des Punktwertes für das Jahr 2013 allein zu berücksichtigende aktuelle Kostensituation der Ärzteschaft in Hessen (Entwicklung 2012-2013) seien auf der Grundlage dieser Daten keine Aussagen möglich.

Aus diesen Bewertungen ergebe sich zusammenfassend, dass - selbst wenn man den Vorjahresbezug nicht beachte und einen generell höheren Kostensockel als Begründung für einen erhöhten Punktwert anerkennen würde - auf der Basis der angeführten Daten kein empirischer Nachweis für eine besondere Kostenstruktur geführt werden könne. Dies sei angesichts der großen regionalen Disparitäten in Hessen, z. B. zwischen den ländlich-peripheren Landkreisen in Mittel- und Nordhessen und den eher städtisch-verdichteten Bereichen in Südhessen, auch unmittelbar einleuchtend: Kostenstrukturen im Landkreis Waldeck-Frankenberg unterschieden sich etwa massiv von denen in Frankfurt oder Wiesbaden. Insoweit könne eine Annahme, dass das Kostenniveau im gesamten Bundesland Hessen generell überdurchschnittlich sei, auch nicht belegt werden, und zwar allein deshalb, weil die Daten dies nicht hergäben. Darüber hinaus gäben einzelne Kennzahlen eher Anlass zu der Vermutung, dass die allgemeine Kostenentwicklung im fraglichen Zeitraum 2012 bis 2013 in Hessen gegenüber dem Bundesmittel eher unterdurchschnittlich gewesen sei. Der Beklagte selbst messe den angeführten Quellen nur "indizielle Aussagekraft" zu. Hieraus ergebe sich, dass auch er sich der mangelnden - weil nicht vorhandenen - fachlichen Begründbarkeit einer besonderen Kostenstruktur in Hessen bewusst gewesen sei. Damit aber gehe auch sein Versuch fehl, mit einer Mittelung der Forderungen der Beigeladenen einerseits (+3,084%) und der Kläger andererseits (+/-0%) einen belastbaren und begründbaren Ausgleich zwischen den Vertragspartnern zu erreichen. Dies führe dazu, dass der Beklagte seine Vertragsgestaltungsfreiheit im Sinne einer auf Interessenausgleich zwischen den Parteien des Schiedsamtsverfahrens gerichteten Kompromissfindung bei der Anwendung der Regelung des § 87a Abs. 2 Satz 2 SGB V nicht sachgerecht ausgeübt habe, weil er seiner Entscheidung hinsichtlich der Berücksichtigung regionaler Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur keine hinreichend ermittelten Tatsachen zugrunde gelegt und die Grenzen des ihm zustehenden Gestaltungsermessens, gemessen am Maßstab der Sachgerechtigkeit, somit nicht eingehalten habe.

Die Kläger beantragen,
Ziffer 3 des Schiedsspruchs des Beklagten vom 16. Oktober 2013 aufzuheben, soweit darin der regionale Punktwert für das Jahr 2013 gegenüber dem Orientierungswert für 2013 um 1,1 % erhöht worden ist und den Beklagten zu verpflichten, über eine Erhöhung bis zu diesem Umfang unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, der Schiedsspruch sei rechtmäßig.

Er habe bei der von ihm gemäß § 87 a Abs. 2 Satz 2 SGB V vorgenommenen Festsetzung der Höhe des regionalen Punktwerts in Ziffer 3 des Schiedsspruchs vom 16. Oktober 2013 den ihm zukommenden Gestaltungsspielraum nicht überschritten und sei auch nicht von unzutreffenden tatsächlichen Annahmen ausgegangen.

Der Beklagte wiederholt seine Begründung des Schiedsspruchs vom 16. Oktober 2013, die Entscheidung unter Ziffer 3 betreffend, und trägt ergänzend vor, nach allgemeiner Meinung sei die Festsetzung von Vertragsinhalten durch Schiedsspruch des Landesschiedsamtes eine Form der Schlichtung und nicht der Rechtsfindung. Der Schiedsspruch habe die Rechtswirkung einer vertraglichen Vereinbarung. Was die Vertragsparteien in freier Vereinbarung hätten regeln können, werde im streitschlichtenden Schiedsverfahren durch den Schiedsspruch ersetzt (§ 89 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Das Landesschiedsamt habe entsprechend der gesetzlichen Regelung und seiner streitschlichtenden Funktion die gleiche Gestaltungsfreiheit wie die Vertragsparteien bei deren vertraglicher Einigung. Soweit nicht zwingendes höherrangiges Recht Schranken setze, bestehe in diesem Rahmen für die Vertragsparteien Vertragsfreiheit und - im gleichen Umfang - für das Landesschiedsamt Gestaltungsermessen (st. Rspr., vgl. BSG, Urteil vom 13. November 2012 - B 1 KR 27/11 R -; Urteil vom 4. März 2014 - B 1 KR 16/13 R -; s. auch Bay. LSG, Urteil vom 17. Dezember 2014 - L 12 KA 5022/14 KL -). Schiedssprüche seien ebenso wie die von ihnen ersetzten Vereinbarungen der vorrangig zum Vertragsabschluss berufenen Vertragsparteien (hier gemäß § 87 a Abs. 2 SGB V) auf Interessenausgleich angelegt und hätten Kompromisscharakter (st. Rspr., s. zuletzt BSG, Urteil vom 13. August 2014 B 6 KA 6/14 R - Rn. 36; vgl. auch Schnapp GesR 2014, 193(203)). Demgemäß unterlägen Schiedssprüche nach § 89 SGB V nach ständiger Rechtsprechung nur in eingeschränktem Umfang gerichtlicher Kontrolle. Sie seien vom Gericht inhaltlich nur daraufhin zu überprüfen, ob der vom Landesschiedsamt zugrunde gelegte Sachverhalt zutreffe, ob das Landesschiedsamt den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten habe und ob der Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis ausreichend erkennen lasse (st. Rspr.‚ zuletzt BSG, Urt. vom 13. August 2014, Rn. 36). Dabei seien keine hohen Anforderungen an die Begründung des Schiedsspruchs wegen dessen Kompromisscharakters und des intendierten Interessenausgleichs zu stellen (vgl. Bay. LSG, a.a.O).

§ 87a SGB V i. d. F. des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VStG) vom 22. Dezember 2011 (BGBI. I, 2983) erweitere die Verhandlungsspielräume der Vertragsparteien, indem die einheitlichen Vorgaben des Bewertungsausschusses nunmehr grundsätzlich nur noch empfehlenden Charakter hätten, die Höhe der zu vereinbarenden Gesamtvergütung nicht mehr durch den Anstieg der Grundlohnsumme begrenzt, sondern unter Übertragung des entsprechenden Risikos auf die Krankenkassen an die tatsächliche regionale Morbiditätsentwicklung angepasst werde und ferner regionale Besonderheiten insbesondere der regionalen Kosten- und Versorgungsstruktur in Form von Zu- oder Abschlägen vom einheitlichen Orientierungswert (§ 87 Abs. 2e SGB V) von den Vertragsparteien vereinbart werden könnten. Ziel der vom Gesetzgeber mit dem GKV-VStG vorgenommenen Modifizierung sei die Ermöglichung einer Flexibilisierung und Regionalisierung der Vergütungsvereinbarungen der Vertragsparteien auf Landesebene.

Bei der Bestimmung des regionalen Punktwertes habe er, soweit aktuelles Datenmaterial nicht vorgetragen oder verfügbar gewesen sei, ein prospektives Schätzverfahren in entsprechender Anwendung des § 287 Abs. 2 ZPO angewandt, um im Rahmen der vom Gesetzgeber auf drei Monate begrenzten Dauer des Schiedsverfahrens (§ 89 Abs. 1 Satz 1 SGB V) zu einer Entscheidung gelangen zu können.

Sämtliche Aspekte, die von den Klägern in ihrem Klagebegründungsschriftsatz (S. 6 bis 9) genannt würden und aus denen sie Argumente gegen die Angemessenheit der Festsetzung der Höhe des regionalen Punktwerts durch ihn herleiteten, habe er bei seiner Festsetzung berücksichtigt, wie in dem angegriffenen Schiedsspruch dargelegt worden sei. Er sei allerdings - durchaus in Kenntnis dessen, dass das vorgetragene Zahlenmaterial z. T. zurückliegende Zeiträume betreffe, nicht immer repräsentativ sei und deren Quellen teilweise hinsichtlich der Objektivität ihrer Erhebungen einer ausgleichenden Korrektur bedürften - bei der gebotenen, auf den maßgeblichen Zeitraum 2013 bezogenen prospektiven Bewertung bei seiner Festsetzung der Höhe des regionalen Punktwerts zu einem dem Begehren der Beigeladenen nicht vollständig entsprechendem Ergebnis gelangt. Er habe bei seiner Bewertung von dem von den Beteiligten im Schiedsverfahren vorgetragenen und ansonsten bei der mündlichen Verhandlung am 16. Oktober 2013 verfügbaren Tatsachenmaterial ausgehen und auf dieser Grundlage eine prospektive Aussage über die voraussichtliche Kostenentwicklung des Jahres 2013 lm Verhältnis zu dem des Jahres 2012 vornehmen müssen, ebenso wie dies die Vertragsparteien bei einer vertraglichen Einigung auch hätten tun müssen. Der das Schiedsverfahren prägende Beschleunigungsgrundsatz (§ 89 Abs. 1 Satz 1 SGB V) und die Prospektivität der Festsetzung (§ 87a Abs. 2 Satz 1 SGB V) ließen dabei für umfangreiche und zeitraubende Tatsachenfeststellungen durch das Landesschiedsamt keinen Raum. Selbst wenn daher seine Einschätzung bei einer - im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle allerdings ohnehin nicht zulässigen - ex-post-Betrachtung in einzelnen Punkten sich im Nachhinein als fehlerhaft erweisen sollte, ändere dies nichts an der Rechtmäßigkeit und Sachgerechtigkeit seiner Festsetzung im angegriffenen Schiedsspruch. Er habe sich mithin im Rahmen des ihm von § 87a Abs. 2 Satz 2 SGB V eingeräumten weiten Gestaltungsermessens gehalten. Hätten die Vertragsparteien sich zuvor vertraglich geeinigt, wären sie auf der Grundlage des seinerzeit verfügbaren Tatsachenmaterials mutmaßlich zu dem gleichen oder einem vergleichbaren Ergebnis gekommen.

Die Beigeladene schließt sich den Argumenten des Beklagten an und beantragt,
die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Behördenvorgänge. Sämtliche dieser Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage, die sich nunmehr nur noch gegen die Entscheidung des Beklagten in Ziffer 3 des Schiedsspruchs, den regionalen Punktwert für das Jahr 2013 gegenüber dem Orientierungswert für 2013 um 1,1 % zu erhöhen, richtet, ist zulässig.

Das Landessozialgericht war gemäß § 29 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstinstanzlich zuständig, weil eine Entscheidung eines Landesschiedsamtes im Sinne von § 89 Abs. 2 S. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) angegriffen wird.

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 i.V.m § 131 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 SGG statthaft, denn die Festsetzung des Vertragsinhalts durch ein Schiedsamt gegenüber den Vertragspartnern ist ein Verwaltungsakt. Ein Vorverfahren ist in dieser Konstellation vorab nicht durchzuführen (s. nur BSG, Urteil vom 13. August 2014 – B 6 KA 6/14 R –, juris Rn. 20 f. m.w.N.).

Die Klage ist auch begründet. Die Kläger haben einen Anspruch darauf, dass Ziffer 3 des Schiedsspruchs vom 16. Oktober 2016 aufgehoben wird, soweit der Beklagte darin den regionalen Punktwert für das Jahr 2013 gegenüber dem Orientierungswert für 2013 um 1,1 % erhöht hat, und dass der Beklagte verpflichtet wird, über diese Erhöhung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

Die formalen Voraussetzungen für eine Entscheidung des Beklagten durch Schiedsspruch lagen vor.

Gemäß § 89 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch SGB V setzt das Schiedsamt mit der Mehrheit seiner Mitglieder den Vertragsinhalt fest, wenn ein Vertrag über die vertragsärztliche Versorgung ganz oder teilweise nicht zustande kommt. Der Honorarvertrag gemäß § 87a SGB V für das Jahr 2013 ist ein Vertrag in diesem Sinne. Dieser Vertrag kam auch im Hinblick auf den hier streitigen Gegenstand nicht zustande, weil sich die Vertragsparteien – die Kläger und die Beigeladene – insoweit nicht auf seinen Inhalt einigen konnten.

Der angegriffene Schiedsspruch ist, soweit er noch Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, materiell rechtswidrig.

Nach zutreffender und ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (s. BSG, Urteil vom 13. August 2014 – B 6 KA 6/14 R –, juris Rn. 36 m.w.N.) unterliegen Schiedssprüche nach § 89 SGB V, die angefochten wurden, nur in eingeschränktem Umfang gerichtlicher Kontrolle, denn die Vertragsgestaltungsfreiheit des Schiedsamtes ist nicht geringer als diejenige der Vertragspartner bei einer im Wege freier Verhandlungen erzielten Vereinbarung. In gleicher Weise wie die Vereinbarungen, die der Schiedsspruch ersetzt, ist er auf Interessenausgleich angelegt und hat Kompromisscharakter. Hieraus folgt, dass Schiedssprüche inhaltlich nur daraufhin zu überprüfen sind, ob der vom Schiedsamt zugrunde gelegte Sachverhalt zutrifft, ob dieses den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, also insbesondere die zwingenden rechtlichen Vorgaben beachtet hat und ob der Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis ausreichend erkennen lässt.

Für die Bewertung der nach § 87a Abs. 4 Satz 3 SGB V vorgegebenen Merkmale sowie der nach § 87a Abs. 4 Satz 4 SGB V heranziehbaren weiteren relevanten Morbiditätskriterien hat das Bundessozialgericht angenommen, dass den Vertragspartnern bzw. dem an ihrer Stelle entscheidenden Schiedsamt ein besonders umfassender Gestaltungsspielraum bei der Bewertung einzuräumen ist, weil der Gesetzgeber den Vertragsparteien für diesen Bereich eine besonders hohe Flexibilität einräumen wollte. Hieraus hat es gefolgert, dass in diesem Bereich an die Begründung der Abwägungsentscheidung grundsätzlich keine besonderen Anforderungen gestellt werden dürfen. Nichtsdestotrotz hat das Gericht auch hier gefordert, dass die Gründe für das Entscheidungsergebnis wenigstens andeutungsweise erkennbar sind, was voraussetze, dass tragfähige Tatsachenfeststellungen getroffen worden seien, auf deren Grundlage die Abwägung vorgenommen werde. Anderenfalls sei eine Art 19 Abs. 4 GG entsprechende gerichtliche Überprüfung, ob das Schiedsamt seinen Beurteilungsspielraum eingehalten habe, nicht möglich (BSG, Urteil vom 13. August 2014 – B 6 KA 6/14 R –, juris Rn. 60, m.w.N.).

Dieser gerichtliche Prüfungsmaßstab gilt auch für die Überprüfung von Entscheidungen nach § 87a Abs. 2 S. 2 SGB V. Das ergibt sich hier schon daraus, dass die Festsetzung des Zuschlags im Ermessen der Vertragspartner steht ("können"), wodurch sich das zulässige Maß der gerichtlichen Kontrolle schon nach allgemeinen Grundsätzen verringert (ebenso im Ergebnis Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 27. Januar 2016 – L 12 KA 29/13 KL –, juris Rn. 50 f., 63).

Auch diesen Anforderungen wird der angegriffene Schiedsspruch aber nur teilweise gerecht.

Nicht zu beanstanden sind allerdings die allgemeinen rechtlichen Vorgaben, von denen der Beklagte bei seiner Entscheidung ausgegangen ist.

§ 87a Abs. 2 Satz 1 SGB V in der ab 1. Januar 2012 geltenden Fassung des Gesetzes vom 22. Dezember 2012 bestimmt, dass die Kassenärztliche Vereinigung und die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich auf der Grundlage des Orientierungswertes gemäß § 87 Abs. 2e SGB V jeweils bis zum 31. Oktober eines jeden Jahres einen Punktwert, der zur Vergütung der Vertragsleistungen im Folgejahr anzuwenden ist, vereinbaren. Gemäß § 87a Abs. 2 Satz 2 SGB V können die Vertragspartner dabei einen Zuschlag auf den oder einen Abschlag von dem Orientierungswert gemäß § 87 Abs. 2e SGB V festlegen, um insbesondere regionale Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur zu berücksichtigen. Die Festsetzung eines Zuschlags, wie in Ziffer 3 des Schiedsspruchs erfolgt, ist daher ausdrücklich gesetzlich vorgesehen.

Der Beklagte hat auch richtig erkannt, dass der Gesetzgeber, wie vom Erweiterten Bewertungsausschuss in den entscheidungserheblichen Gründen zu seinem Beschluss in der 30. Sitzung am 15./30. August 2012 festgestellt (s. dort S. 2), mit der Festlegung des Orientierungswertes für die Jahre 2011 und 2012 über die Angemessenheit der Höhe des Orientierungswertes abschließend entschieden hat und insoweit bei den in § 87 Abs. 2g SGB V genannten Anpassungsfaktoren nur die auf den Zeitraum von 2012 bis 2013 bezogene Veränderungen zu berücksichtigen sind. Derselbe Maßstab gilt folglich auch bei der Entscheidung über den regionalen Zuschlag oder Abschlag nach § 87a Abs. 2 S. 2 SGB V.

Genauso wenig ist gegen seinen Ansatz einzuwenden, für die Frage, ob und ggfs., in welchem Umfang für diesen Zeitraum regionale Besonderheiten in Hessen angenommen werden können, in erster Linie auf tatsächliches Vorbringen der Beteiligten - konkret also das von diesen im Schiedsverfahren eingereichte Datenmaterial - abzustellen, und zusätzliche eigene Ermittlungen insoweit grundsätzlich nicht vorzunehmen. Zwar gilt im Schiedsverfahren an sich der Amtsermittlungsgrundsatz (so schon BSG, Urteil vom 30. Oktober 1963 – 6 RKa 4/62 –, BSGE 20, 73, 79). Das Schiedsamt handelt nämlich bei seiner schiedsrichterlichen Tätigkeit funktionell als Behörde, so dass, soweit nicht anderslautende spezialgesetzliche Vorschriften eingreifen, sich seine Handlungspflichten entsprechend § 1 Sozialgesetzbuch (SGB) Zehntes Buch (X) –Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) nach den Bestimmungen dieses Gesetzes und damit eigentlich auch nach § 20 Abs. 1 SGB X richten. Anderslautende spezielle Normen, die eine Amtsermittlung ausdrücklich ausschließen – z. B. in der Verordnung über die Schiedsämter für die vertragsärztliche (vertragszahnärztliche) Versorgung (Schiedsamtsverordnung) - gibt es nicht. Der Mediationscharakter des Schiedsverfahrens sowie der enge zeitliche Rahmen von 3 Monaten, der als Entscheidungsfrist in § 89 Abs. 1 S. 1 SGB V vorgesehen ist, stehen der Annahme umfassender Amtsvermittlungspflichten jedoch entgegen. Ermittlungen von Amts wegen hat die Schiedsstelle daher nur im Ausnahmefall anzustellen; ansonsten ist sie berechtigt, ihre Entscheidung auf das Sachvorbringen der Beteiligten zu stützen (so auch Wiegand in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 89 SGB V Rn. 37, 38).

Rechtlich unbedenklich ist es schließlich auch, dass der Beklagte über das Vorliegen bzw. den Umfang von Veränderungen im Wege eines "prospektiven Schätzungsverfahrens" entschieden hat.

Klar ist, dass die Frage, ob und falls ja, in welchem Umfang - bezogen auf den Zeitraum von 2012 bis 2013 - Veränderungen anzunehmen sind, die eine Erhöhung oder Verringerung des regionalen Punktwertes gegenüber dem Orientierungswert rechtfertigen, nur durch Treffen einer Prognose beantwortet werden kann, weil bei einer bis Ende Oktober 2013 zu fällenden Entscheidung noch keine statistischen Daten für das Jahr 2013 vorliegen können. Die Notwendigkeit, prognostisch vorzugehen, ergibt sich insofern bereits aus der Natur der Sache (in diesem Sinne schon BSG, Urteil vom 10. Mai 2000, B 6 KA 20/99 R, juris, Rn. 58). Es ist weiter nichts dagegen zu sagen, die Veränderungsrate prospektiv, also vorausschauend, zu schätzen, statt sie retrospektiv, d.h. zurückblickend, aus den verfügbaren Daten abzuleiten. Auch der Erweiterte Bewertungsausschuss hat in den Entscheidungserheblichen Gründen seines Beschlusses aus der 30. Sitzung festgestellt (vgl. S. 2), dass beides – prospektive Schätzung und retrospektive Ableitung - in Betracht kommende, grundsätzlich geeignete Methoden für die Ermittlung der Anpassungsfaktoren sind.

Nichtsdestotrotz kann ein Vorgehen im Wege der prospektiven Schätzung nicht bedeuten, dass die Vertragspartner bzw. - sofern sich diese nicht einigen - das Schiedsamt bei der Festlegung von Prozentwerten völlig frei sind, also sozusagen "ins Blaue hinein entscheiden" dürfen. Vielmehr ist auch hier eine Anknüpfung an in der Vergangenheit liegende tatsächliche Umstände erforderlich, die zur Grundlage der Schätzung gemacht werden und die ihr Ergebnis bei rationaler Betrachtung rechtfertigen. Der Beklagte hat seine Entscheidung zwar auf solche Anknüpfungstatsachen gestützt. Zum einen stellen die von ihm zugrunde gelegten Tatsachen aber schon als solche, zumindest teilweise, keine hinreichend geeignete Basis für die Annahme dar, in Hessen bestünden, bezogen auf den Zeitraum von 2012 bis 2013 und verglichen mit dem Bundesdurchschnitt, abweichende Versorgungs- und Kostenstrukturen, die die Zuerkennung eines höheren Honorars notwendig machten. Zum anderen ist aus der Begründung des Schiedsspruchs selbst bei Anwendung des oben dargelegten Überprüfungsmaßstabes nicht genügend zu erkennen, wie aus den zugrunde gelegten Daten das Schätzungsergebnis gefolgert wurde.

Per se als Anknüpfungstatsache für die Zuerkennung des Zuschlags ungeeignet ist der Umstand, das sich von 2010 zu 2011 der Verbraucherpreisindex in Hessen um 1,9% gesteigert hat, weil diese Information keinerlei Hinweise darauf gibt, wie sich die hessische Steigerung zu der bundesdurchschnittlichen Steigerung des Verbraucherpreisindexes verhält. Nur eine gegenüber dem Bundesdurchschnitt stärkere Zunahme könnte nämlich ein Indiz für ein höheres Kostenniveau in Hessen darstellen, welches wiederum in der Lage wäre, ggfs. einen Zuschlag auf den Punktwert zu rechtfertigen. Zu dem Verhältnis des Steigerungsumfangs zwischen Hessen und dem Bundesdurchschnitt haben die Beteiligten vor dem Verfahren vor dem Schiedsamt freilich nichts vorgetragen, und der Beklagte hat insoweit auch keine eigenen Ermittlungen angestellt. Das Vorbringen der Kläger im Klageverfahren deutet im Übrigen gerade darauf hin, dass die hessischen Steigerungen niedriger als die Steigerungen im Bundesmittel waren. Sollte der Beklagte bei seiner erneuten Entscheidung auf die klägerseits benannten Zahlen (s. Schriftsatz vom 2. Juni 2015, S. 7) abstellen wollen, wäre zu beachten, dass der Entscheidung nur solche Daten zugrunde gelegt werden dürfen, die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Oktober 2013 bereits verfügbar waren, eine Voraussetzung, die möglicherweise nur die den Zeitraum 2010 bis 2011 betreffenden Werte erfüllen können.

Die von der Beigeladenen genannten Zahlen zu den Arbeits- und Personalkosten sind zwar ihrer Art nach grundsätzlich als tatsächliche Anknüpfungspunkte zur Bestimmung des Kostenniveaus in Hessen (verglichen mit dem bundesdurchschnittlichen Niveau) geeignet. Dies gilt auch angesichts der von Klägerseite dargelegten Einwände, die es nur gebieten, Aspekte wie die Herkunft der Daten und ihre Repräsentativität für den Bereich, um den es geht – die Kosten hessischer Arztpraxen – zur Kenntnis zu nehmen und in die Entscheidung wertend, z. B. durch unterschiedliche Gewichtung, einzustellen. Die konkret vorgelegten Zahlen, auf die der Beklagte seine Schätzung stützt, sind aber für den vorliegenden Fall letztlich doch keine taugliche Entscheidungsgrundlage, denn sie sind viel zu alt. Alle Daten betreffen das Jahr 2008 oder sogar noch frühere Zeiträume (die ZIPP-Erhebung basiert auf Daten aus den Jahren 2006 bis 2008). Aus ihnen lassen sich keinerlei sachgerechte Rückschlüsse auf die mutmaßliche Kostenentwicklung für den Zeitraum von 2012 bis 2013 in Hessen ziehen. Es ist derzeit auch nichts dafür ersichtlich, dass es im Herbst 2013 keine aktuelleren Zahlen gab, die von den Beteiligten in das Schiedsverfahren hätten eingebracht werden können. So erwähnen etwa die Kläger in ihrem Schriftsatz vom 2. Juni 2015 (S. 8) eine Erhebung über die "Arbeitskosten je geleisteter Stunde" für den Wirtschaftszweig Gesundheitswesen und Betriebsgrößen bis 49 Mitarbeiter, betreffend das Jahr 2012. Sollte diese Erhebung bereits im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 16. Oktober 2013 zugänglich gewesen sein, wäre es naheliegend, die sich aus ihr ergebenden Daten – wonach in Hessen die Kosten pro Arbeitsstunde 19,62 EUR betrugen und unter dem Bundesmittel von 20,12 EUR lagen – in die erneute Entscheidung miteinzubeziehen.

Sollte es ausnahmsweise erforderlich sein, die Prognoseentscheidung auf ältere Daten zu stützen, weil auf aktuellere Zahlen im Entscheidungszeitpunkt noch kein Zugriff bestand, dürfte es für die Vornahme einer nachvollziehbaren Schätzung regelmäßig nicht genügen, sich auf Daten aus einzelnen (Jahres-)zeiträumen zu beschränken. Vielmehr lässt sich bei einem erheblichen zeitlichen Abstand zwischen dem Zeitraum, aus dem die Anknüpfungstatsachen stammen und der Zeitspanne, auf den sich die Prognose bezieht, eine sachgerechte Prognoseentscheidung typischerweise nur treffen, wenn Daten aus mehreren Folgezeiträumen vorliegen. Bei einem solchen zeitlichen Abstand wird man nämlich lediglich, sofern in der Vergangenheit ein Zustand für eine längere Dauer gegeben war - z.B. eine generelle und dauerhaft höhere Kostenstruktur in einem bestimmten Gebiet – ein Andauern dieses Zustandes auch für den zukünftigen Zeitraum mit hinreichender Wahrscheinlichkeit annehmen können.

Der Umstand, dass sich die Fallzahl pro Arzt in Hessen im 4. Quartal 2011, verglichen mit dem 4. Quartal 2010, um 0,24 % verringert hat, sie sich im übrigen Bundesgebiet im Schnitt dagegen erhöht hat, ist zwar entgegen der Auffassung der Kläger grundsätzlich ein Aspekt, der eine regionale Besonderheit, die zur Zuerkennung eines Zuschlags berechtigt, zu begründen vermag. Denn § 87 Abs. 2g SGB V (in der aktuellen, seit dem 1. Januar 2012 geltenden Fassung) schreibt ausdrücklich vor, dass Kostendegressionseffekte bei Fallzahlsteigerungen, soweit diese nicht durch eine Abstaffelungsregelung (im Sinne von § 87 Absatz 2 Satz 3 SGB V) abgeschöpft worden sind, in die Anpassung des Orientierungswertes nach § 87 Abs. 2e SGB V miteinzufließen haben. Ausweislich des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses in der 30. Sitzung vom 15./30. August 2012 hat dieser das Vorliegen solcher Kostendegressionseffekte bei der Anpassung des bundeseinheitlichen Orientierungswertes auch konkret berücksichtigt, ist also aufgrund der ihm vorliegenden Daten offensichtlich davon ausgegangen, dass im Bundesmittel Fallzahlensteigerungen für den maßgeblichen Zeitraum anzunehmen, d.h. zu prognostizieren sind. Fehlen solche Kostendegressionseffekte in Hessen oder sind sie dort deutlich geringer als im Bundesdurchschnitt, stellt dies folglich eine Abweichung gegenüber der Situation im übrigen Bundesgebiet und damit eine regionale Besonderheit im Sinne von § 87a Abs. 2 S. 2 SGB V dar.

Der Einwand der Kläger, es handele sich insoweit nicht um ein taugliches Kriterium für die Entscheidung über einen Zuschlag, weil der Erweiterte Bewertungsausschuss sich mit dem Abstellen auf die "allgemeinen Kostendegressionseffekte aufgrund von Fallzahlsteigerungen" nicht auf die Fallzahl pro Arzt, sondern auf die durch Fallzahlsteigerungen insgesamt bewirkte Steigerung der Leistungsmenge bezogen habe, überzeugt nicht. Kostendegression bedeutet, dass die Stückkosten eines Gutes mit jeder zusätzlich produzierten Einheit dieses Gutes sinken. Bei § 87 Abs. 2g Nr. 2 SGB V sind, wie schon durch die Bezugnahme auf die Begriffe der Fallzahlsteigerung und der Abstaffelungsregelung im Wortlaut der Vorschrift deutlich wird, die Einsparungen gemeint, die für den einzelnen Arzt bzw. die einzelne Praxis dadurch entstehen, dass bei einer zunehmenden Anzahl von Patienten bei gleichbleibenden Fixkosten (Miete, Personal, etc.) die auf den einzelnen Patienten entfallenden Kosten abnehmen. Dass der Erweiterte Bewertungsausschuss seiner Entscheidung ein anderes Verständnis der Norm zugrunde gelegt haben könnte, ist nicht ersichtlich. Damit war die Fallzahl pro Arzt, anders als die Kläger annehmen, gerade doch eines der Merkmale, das in die Bemessung des Orientierungswertes eingeflossen ist.

Die Kläger können sich in diesem Zusammenhang auch nicht mit Erfolg darauf berufen, ein finanzieller Ausgleich in Form des regionalen Zuschlags sei bereits deswegen nicht zulässig, weil in Hessen eine flächendeckende Überversorgung an Ärzten bestehe. Sofern eine solche Überversorgung vorhanden ist, muss gegen diese mit den hierfür gesetzlich vorgesehenen Mitteln, also insbesondere im Rahmen der Bedarfsplanung und bei konkreten Zulassungsentscheidungen, vorgegangen werden. Um ein Kriterium, das im Rahmen des § 87 Abs. 2 g SGB V bei der Anpassung des Orientierungswertes berücksichtigt werden darf (und dementsprechend auch bei der Entscheidung über die Gewährung eines Zuschlages nach § 87a Abs. 2 S. 2 SGB V), handelt es sich dagegen nicht. Das zeigt sich schon bei der – nicht abschließenden - Aufzählung der gemäß § 87 Abs. 2 g SGB V zu beachtenden einzelnen Gesichtspunkte (Investitions- und Betriebskosten der Arztpraxen, Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven, Kostendegression bei Fallzahlsteigerungen), deren Anknüpfungspunkt allein die Kostenstrukturen der einzelnen Praxen und die dort bestehenden Ausgaben und Einsparungsmöglichkeiten sind, nicht jedoch generelle Ordnungsaspekte.

Der Schiedsspruch ist freilich auch, soweit er für die Entscheidung, den regionalen Punktwert zu erhöhen, auf das Absinken der Fallzahlen in Hessen im Vergleich zum Bundesdurchschnitt abstellt, zu beanstanden, weil sich aus seiner Begründung in keiner Weise erkennen lässt, in welchem Umfang dieses Kriterium in die Entscheidung eingeflossen ist.

Die Formulierung in dem angegriffenen Beschluss, dass als Parameter bei der Entscheidung berücksichtigt und in die Bewertung eingeflossen seien "Absinken der Fallzahlen pro Arzt in ihrem Bezirk im Vergleich zum Anstieg im Bundesdurchschnitt mit der Folge, dass die vom Erweiterten Bewertungsausschuss bei dessen bundesweiter Betrachtung angenommenen Kostendegressionseffekte zumindest nicht in der gleichen Größenordnung in Hessen eingetreten sein dürften", lässt aus sich heraus keine Rückschlüsse auf den seitens des Beklagten angenommenen Umfang der kostenmäßigen Auswirkungen des Fallzahlrückgangs zu. Die fehlende Nennung der von der Beigeladenen insoweit eingeforderten Erhöhung um 1,4 %, deutet allenfalls darauf hin, dass der Beklagte diese Auswirkungen geringer einschätzt als die Beigeladene. Selbst das kann den Ausführungen jedoch nicht hinreichend klar entnommen werden. Wenn auch wegen der bestehenden Entscheidungsspielräume nicht gefordert werden kann, dass das Schiedsamt die kostenmäßigen Auswirkungen der abgesunkenen Fallzahlen zwingend in der Form bewertet, dass es diesem Aspekt einen konkreten prozentualen Wert zuordnet, so muss sich aus seinen Darlegungen doch zumindest ansatzweise ergeben, für wie relevant es diesen Gesichtspunkt im Verhältnis zu den weiteren Parametern, auf die es seine Entscheidung stützt, hält, und wie es zu dieser Einschätzung gelangt ist. Eine solche Nachvollziehbarkeit der schiedsamtlichen Ausführungen ist an diesem Punkt nicht gegeben. Der Beklagte hat zur Begründung des Abwägungsergebnisses nur mitgeteilt: "Bei der Bewertung der Validität dieses tatsächlichen Vorbringen der Antragstellerin hat das Landesschiedsamt sowohl die jeweilige Quelle und deren Neutralität, den Umstand teilweise zurückliegender Zeiträume der jeweiligen Erhebung mit der Folge, dass selbst bei prospektiver Bewertung ihr teilweise nur indizielle Aussagekraft zuzumessen ist, deren Repräsentativität und die zahlreichen Einwände der Antragsgegner hiergegen in ihren Schriftsätzen und ihrem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung berücksichtigt." Für die Frage des im Rahmen der Abwägung angenommenen und der Entscheidung zugrunde gelegten Umfangs von Kostendegressionseffekten bei Fallzahlsteigerungen bzw. dem Fehlen solcher Effekte ergeben sich aus dieser Begründung keinerlei Erkenntnisse.

Ein solches Begründungsdefizit mag weniger schwer wiegen, wenn die Ausführungen des Beteiligten, auf die sich das Schiedsamt für seine Abwägung stützt, ihrerseits ohne weiteres nachvollziehbar sind. Daran fehlt es hier aber ebenfalls. Es ist nämlich rechnerisch nicht plausibel, wie die Beigeladene zu ihrer Auffassung, die Abnahme der Fallzahl pro Arzt in Hessen rechtfertige bereits isoliert betrachtet eine Erhöhung des Orientierungswertes um 1,4 %, gelangt ist. Der Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschuss vom 15./30. August 2012 und dessen "Entscheidungserhebliche Gründe", mit denen die Beigeladene den angenommenen Prozentsatz rechtfertigt, sind gerade nicht geeignet, das von ihr gefundene Ergebnis zu stützen.

Dazu, wie er den Umfang der Anpassung des Orientierungswertes konkret ermittelt hat, hat der Erweiterte Bewertungsausschuss in den Beschlussgründen ausgeführt (S. 2 f. der Entscheidungserheblichen Gründe):

"Kassenärztliche Bundesvereinigung und GKV-Spitzenverband haben jeweils Rechenmodelle vorgelegt, mit denen die Veränderungsrate von 2010 nach 2011 als Schätzer für die Anpassung des Orientierungswertes für das Jahr 2013 nach § 87 Abs. 2g SGB V errechnet werden kann. Für die Veränderungsrate auf Basis der Anpassungsfaktoren von 2010 nach 2011 ergibt sich im Rechenmodell der KBV ein (positiver) Veränderungsfaktor von +1,4 %. Im Rechenmodell des GKV Spitzenverbandes ergibt sich ein (negativer) Veränderungsfaktor von -0,3 %. Das Rechenmodell der KBV berücksichtigt keine Wirtschaftlichkeitsreserven und keine allgemeinen Kostendegressionseffekte aufgrund von Fallzahlsteigerungen. Das Rechenmodell des GKV-Spitzenverbandes basiert grundlegend auf einer Veränderung des Reinertrags je Leistungspunkt im Sinne eines weiteren Anpassungsfaktors gemäß der "insbesondere"-Regelung des § 87 Abs. 2g SGB V; es sieht keine Berücksichtigung eines erhöhten kalkulatorischen Arztlohnes vor.

Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Rechenmodelle und nicht nur hinsichtlich der Größenordnung, sondern bereits hinsichtlich des mathematischen Vorzeichens divergierender Rechenergebnisse von KBV und GKV-Spitzenverband hat der Erweiterte Bewertungsausschuss im Wege einer Kompromissfindung den Orientierungswert um +0,9% angepasst. Diese Anpassung berücksichtigt die gestiegenen Investitions- und Betriebskosten einschließlich des kalkulatorischen Arztlohnes von 2010 nach 2011 ebenso wie die Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven, die durch ein jährliches Produktivitätswachstum und den wachsenden Anteil von Gemeinschaftspraxen und Medizinischen Versorgungszentren bewirkt werden, sowie die allgemeinen Kostendegressionseffekte aufgrund von Fallzahlsteigerungen."

Aus diesen Darlegungen folgt, dass sich Kostendegressionseffekte wegen Fallzahlsteigerungen von vornherein nur bis zu einer Höhe von 0,5 % überhaupt auf die Höhe des bundeseinheitlichen Orientierungswertes ausgewirkt haben können (und dementsprechend in einer ersten Stufe nur bis zu diesem Umfang eine Erhöhung wegen einer Fallzahlabnahme in Hessen zu rechtfertigen in der Lage wären), weil der Erweiterte Bewertungsausschuss lediglich insoweit von dem Wert der KBV (der solche Kostendegressionseffekte gar nicht berücksichtigt hatte) nach unten abgewichen ist (Festsetzung von 0,9 % anstelle von 1,4 %). Hinzu kommt, dass der Erweiterte Bewertungsausschuss die gegenüber dem Rechenmodell der KBV vorgenommene abweichende Anpassungshöhe nicht nur mit Kostendegressionseffekten aufgrund von Fallzahlsteigerungen, sondern auch mit der Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven, die in das Berechnungsmodell der KBV ebenfalls nicht eingeflossen waren, begründet hat. Hierbei handelt es sich um zwei unterschiedliche Kriterien, die nebeneinander stehen und nicht, wie die Beigeladene es bei ihrer Argumentation tut, miteinander vermischt werden dürfen. Der Erweiterte Bewertungsausschuss hat beide Aspekte in der Begründung seiner Entscheidung auch, entsprechend den Vorgaben des § 87g SGB V, klar gegeneinander abgegrenzt. Die Kostendegressionseffekte waren insofern nur anteiliger Grund für die 0,5 %-ige Reduzierung und lassen auch nur in diesem vermindernden Umfang eine Erhöhung, sofern solche Effekte in Hessen für den maßgeblichen Zeitraum nicht anzunehmen waren, zu. Da nach dem Vorbringen der Beteiligten nichts für Abweichungen zwischen der hessischen und der bundesweiten Entwicklung im Hinblick auf die Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven (durch Produktivitätswachstum sowie die Zunahme des Anteils von Gemeinschaftspraxen und Medizinische Versorgungszentren) erkennbar ist, ist mit dem Begründungsansatz der Beigeladenen allenfalls ein Zuschlag, der deutlich unter 0,5 % liegt, rechtfertigbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1, 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Senat hielt es für sachgerecht, auch die Beigeladene zur Übernahme von Verfahrenskosten zu verpflichten, da sie einen Sachantrag gestellt und im Übrigen ein maßgebliches eigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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