Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 20 SO 818/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 2174/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 6. Mai 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen einen in einem früheren Verfahren vor dem SG geschlossenen Vergleich.
Die Beklagte hat der Klägerin während der hier streitigen Zeit aufstockende Sozialhilfe (Grundsicherung) in Höhe von zuletzt 182,66 EUR (Bescheid vom 20. März 2014) gewährt, da durch ihre Witwenrente wie auch ihre eigene Altersrente ihr Bedarf nicht komplett gedeckt werden konnte. Bei der Klägerin waren in der Vergangenheit mehrfach Mietrückstände aufgelaufen, so etwa im November 2011 in Höhe von über 1.700,00 EUR (die der Beklagte übernommen hatte), im April 2012 in Höhe von 1544,28 EUR (Räumungsklage war anhängig) und erneut unter anderem im März 2015 in Höhe von 1.453,00 EUR.
In den beim Sozialgericht ursprünglich anhängigen Verfahren S 20 SO 5371/14 ER und S 20 SO 5372/14 hatten die Beteiligten darüber gestritten, ob die Beklagte zur Übernahme diverser Mietrückstände im Jahr 2014 (Räumungsklage war anhängig) bezüglich der Wohnung der Klägerin nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) verpflichtet gewesen sei.
Im Rahmen eines Termins zur Erörterung des Sachverhalts am 22. Oktober 2014 hatten die Beteiligten folgenden Vergleich geschlossen:
1. Die Antragstellerin/Klägerin tritt ihren Anspruch auf Witwenrente, derzeit 341,44 EUR (vgl. Rentenbescheid vom 1. Juli 2014), in voller Höhe sowie ihren Anspruch auf Altersruhegeld, derzeit 275,99 EUR (vgl. Rentenbescheid vom 1. Juli 2014) teilweise in Höhe von 88,84 EUR an die Antragsgegnerin/Beklagte gemäß § 398 Bürgerliches Gesetzbuch ab. Bei einer Mieterhöhung verpflichtet sich die Antragstellerin/Klägerin, eine neue Abtretungsvereinbarung mit der Antragsgegnerin/Beklagten über die entsprechend erhöhte Abtretungsforderung abzuschließen. Ein Widerruf der Abtretungserklärung kann nur mit Zustimmung der Antragsgegnerin/Beklagten erfolgen. Die Abtretung gilt ab dem Monat Dezember 2014. Die Antragsgegnerin/Beklagte setzt den Schuldner, die Deutsche Rentenversicherung Bund, hierüber in Kenntnis.
2. Die Antragsgegnerin/Beklagte verwendet die unter Ziff. 1 an sie abgetretene Forderung, um die Miete in Höhe von monatlich derzeit 430,28 EUR (548,04 EUR abzüglich eines Zuschusses in Höhe von 117,76 EUR) für die Wohnung der Klägerin in der Tannenstraße 7, 70178 Stuttgart, pünktlich gegenüber der Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (S.) ab Dezember 2014 zu begleichen. Für den Monat November 2014 überweist die Klägerin/Antragstellerin die Miete selbst an die Vermieterin.
3. Ziff. 1 und Ziff. 2 behalten Gültigkeit, solange die S. nicht von dem von ihr erwirkten Räumungsurteil Gebrauch macht und die Klägerin/Antragstellerin die streitgegenständliche Wohnung verlassen muss.
4. Die Antragsgegnerin/Beklagte wird sich im Anschluss an den heutigen Termin unverzüglich - unter Vorlage des heute geschlossenen Vergleichs, mit der S. in Verbindung setzen und um eine verbindliche Stellungnahme bitten, ob - unter Berücksichtigung der Ziff. 2 und 5 des Vergleichs - das Mietverhältnis mit der Antragsgegnerin/Klägerin über den 24. Januar 2015 hinaus fortgesetzt werden kann und aus dem Versäumnisurteil des Amtsgerichts Stuttgart, Aktenzeichen 35 C 3244/12, keine weiteren Vollstreckungsmaßnahmen gegenüber der Antragstellerin/Klägerin beabsichtigt sind.
5. Soweit die S. der Fortsetzung des Mietverhältnisses zustimmt, erklärt sich die Antragsgegnerin/Beklagte bereit, einen Betrag über 1.000,00 EUR an die S. im Hinblick auf die noch offenen Mietschulden zur Überweisung zu bringen.
6. Soweit die S. der Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zustimmt, erteilt die Antragsgegnerin/Beklagte der Antragstellerin/Klägerin einen rechtsmittelfähigen Bescheid über den Antrag auf Übernahme der Mietrückstände für die Wohnung in der S ... Der Antragstellerin/Klägerin steht es daneben weiterhin frei, bei Ablehnung bzw. bei drohendem Verlust der Wohnung einen erneuten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vor dem Sozialgericht Stuttgart zu erheben.
7. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
8. Die Beteiligten erklären die Verfahren S 20 SO 5371/14 ER sowie S 20 SO 5372/14 damit übereinstimmend für erledigt.
Das Protokoll enthält den Vermerk: "Laut vorgespielt und genehmigt". Das Protokoll wurde der Klägerin am 25. Oktober 2014 zugestellt.
Nach Zustellung des Protokolls über den im Erörterungstermin geschlossenen Vergleich wandte sich die Klägerin mit Schreiben vom 27. Oktober 2014 an das SG und erklärte unter anderem, dass sie sich nach Erhalt der Niederschrift/Vergleich gezwungen sehe, sofort zu reagieren. Sie sei mit der Niederschrift nicht einverstanden. Ihre Renten blieben ihr Eigentum und nicht Eigentum vom Sozialamt oder irgendwelchen Institutionen. Sie werde daher nichts unterschreiben. Sie sei einverstanden gewesen, dass die Sozialhilfe direkt an die S. gehe und nicht ihre ärmliche Rente. Mit Schreiben vom 4. November 2014 wies der Kammervorsitzende die Klägerin darauf hin, dass das Verfahren durch den Abschluss des Vergleiches beendet worden sei und ein Widerruf des Vergleiches bzw. eine Fortführung des Verfahrens nicht möglich sei. Im Übrigen wolle er darauf hinweisen, dass der Vergleich zu ihren Gunsten ausgestaltet worden sei. Zum einen sei hiermit ein Erhalt ihrer Wohnung in der Tannenstraße verbunden, zum andern sei für die Zukunft eine zuverlässige Mietüberweisung an die S. gewährleistet. Des Weiteren habe sich die Beklagte bereit erklärt, von den Mietschulden der Klägerin einen Betrag in Höhe von 1000,00 EUR zu übernehmen. Unberührt vom Vergleich bliebe schließlich der der Klägerin monatlich zur Verfügung stehende Geldbetrag, sie bekomme zwar weniger an Rente ausbezahlt, dafür müsse sie keine Miete mehr überweisen. Man hoffe, damit ihre Bedenken ausgeräumt zu haben. Eine Reaktion hierauf erfolgte durch die Klägerin zunächst nicht.
Erst mit Schreiben vom 30. Januar 2016 erklärte die Klägerin gegenüber dem SG, den geschlossenen Vergleich anzufechten, und beantragte zugleich eine Fortführung der Verfahren S 20 SO 5371/14 ER sowie S 20 SO 5372/14. Sie machte geltend, hierdurch in die Lage versetzt zu werden, ihre Miete in Zukunft wieder selbst an ihre Vermieterin, die S., pünktlich zu überweisen.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat ausgeführt, dass die Klägerin nicht mehr im Leistungsbezug nach dem SGB XII stehe. Zuletzt sei mit einer vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (L 5 R 2257/15 ER-B) geschlossenen Zahlungsvereinbarung vom 2. September 2015 festgelegt worden, dass die "Deutsche Rentenversicherung Bund" die Renten der Klägerin - zur Begleichung der Miete - unmittelbar an die Vermieterin (S.) überweise.
Mit Gerichtsbescheid vom 6. Mai 2016 hat das SG den Antrag der Klägerin auf Fortsetzung der Verfahren S 20 SO 5371/14 ER und S 20 SO 5372/14 abgelehnt. Das SG hat zur Begründung ausgeführt, in den Verfahren S 20 SO 5371/14 ER und S 20 SO 5372/14 sei es zu einer vergleichsweisen Beendigung des Verfahrens gekommen. So habe sich im Rahmen des gegenseitigen Nachgebens die damalige Antragsgegnerin/Beklagte bereit erklärt, zur Sicherung des Mietverhältnisses der Klägerin von den bestehenden Mietschulden einen Betrag in Höhe von 1.000,00 EUR zu übernehmen. Die Antragstellerin/Klägerin habe demgegenüber der Abtretung ihr gegenüber der Rentenversicherung Bund zustehenden Ansprüche auf Witwenrente und Altersruhegeld an die Antragsgegnerin/Beklagte zugestimmt. Aufgrund dieses Vergleiches sei der Rechtsstreit unmittelbar beendet worden. Dieser Vergleich vom 22. Oktober 2014 sei als Prozessvergleich in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. So sei die Niederschrift entsprechend den gesetzlichen Vorschriften ausgefertigt und unterschrieben worden. Die Klägerin und die damalige Terminsvertreterin der Antragsgegnerin/Beklagten hätten dem Vergleich, wie sich aus dem Protokoll, welches eine öffentliche Urkunde mit entsprechendem Beweiswert darstelle, auch ergebe (§122 Sozialgerichtsgesetz -SGG - i.V.m. § 165 Satz 1 Zivilprozessordnung -ZPO-) nach Vorlesen auch ausdrücklich zugestimmt. Eine Widerrufsmöglichkeit sei darin nicht vorgesehen. Auf Prozesshandlungen - wie die Zustimmung zu einem gerichtlichen Vergleichsvorschlag - würden die Anfechtungsgründe des BGB keine Anwendung finden. Sie könnten nur unter engen Voraussetzungen (also in extremen Ausnahmefällen) widerrufen werden, z.B. beim Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes im Sinne von § 179 SGG i.V.m. den §§ 578 ff. ZPO. Der Prozessvergleich sei auch materiell-rechtlich wirksam. Es bestünden keinerlei Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit des Prozessvergleiches - etwa nach den Bestimmungen der §§ 116 ff. BGB - oder für eine Unwirksamkeit nach § 779 Abs. 1 BGB. Gegen die Möglichkeit einer wirksamen Anfechtung des Vergleiches spreche zudem, dass die Anfechtungsfrist des § 121 Abs. 1 BGB längst abgelaufen sei. Damit habe der wirksam zustande gekommene Vergleich den gesamten Rechtsstreit beendet. Für eine "Wiederaufnahme" fehle vorliegend zudem das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, weil mit der vor dem Landessozialgericht Stuttgart unter dem Aktenzeichen L 5 R 2257/15 ER-B geschlossenen Zahlungsvereinbarung vom 2. September 2015 (Bl. 21 SG-Akte) - abweichend vom Vergleichsinhalt in den Verfahren S 20 SO 5371/14 ER und S 20 SO 5372/14 - festgelegt worden sei, dass die "Deutsche Rentenversicherung Bund" die Renten der Klägerin unmittelbar zur Begleichung der Miete an die Vermieterin (S.) überweise. Eine "Zwischenschaltung" des Sozialamts erfolge nicht mehr, weshalb der im Jahr 2014 vor dem SG geschlossene Vergleich aktuell nicht mehr vollzogen werde. Für eine "Wiederaufnahme" und gegebenenfalls Abänderung des mittlerweile überholten Vergleichs vom 22. Oktober 2014 bestehe daher kein Rechtsschutzinteresse.
Die Klägerin hat gegen den ihr mit Postzustellungsurkunde am 11. Mai 2016 zugestellten Gerichtsbescheid am 7. Juni 2016 beim SG Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung macht sie geltend, sie habe unverzüglich nachdem dieser Vergleich geschlossen worden sei, dem zuständigen Richter einen Brief geschrieben, dass sie mit dem Vergleich nicht einverstanden sei, weil sie niemals so einem Vergleich zugestimmt hätte, der ihr ihre Renten wegnehme und sie entrechte. Folglich habe sie die Frist des § 121 Abs. 1 BGB beachtet. Ferner sei sie davon ausgegangen, dass der zuständige Richter ihren Brief, der als Anfechtung nach den §§ 133, 157 BGB auszulegen sei, zu den Akten nehme, vor allem deswegen, weil sie auch eine Antwort erhalten habe und mit ihm auch telefoniert worden sei. Sie habe lediglich zugestimmt, dass Zahlungen des Sozialamts direkt an die S. überwiesen werden könnten. Folglich sei falsch übersetzt worden. Warum sei ihr egal, auf jeden Fall könne dies nicht zu ihren Lasten gehen. Es fehle ihrer Auffassung nach auch nicht am Rechtsschutzbedürfnis, da über diese oben genannte Anfechtung nicht entschieden worden sei. Vielmehr werde daraufhin weiterhin munter über ihre Renten weiterverfügt. Der Zahlungsvereinbarung vom 2. September 2016 (gemeint wohl 2015) habe sie nie zugestimmt. Diese sei über ihren Kopf hinweg ausgemacht worden.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 6. Mai 2016 aufzuheben und festzustellen, dass das einstweilige Rechtsschutzverfahren sowie die Klage unter den Aktenzeichen S 20 SO 5371/14 ER und S 20 SO 5372/14 nicht durch den Vergleich vom 22. Oktober 2014 beendet wurden und daher fortzusetzen seien.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG voll umfänglich für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten des SG (S 20 SO 818/16 sowie S 20 SO 5372/14 und S 20 SO 5371/14 ER) sowie die Senatsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1, Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und Abs. 3 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig.
II.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht den Antrag auf Fortsetzung der Verfahren S 20 SO 5371/14 ER und S 20 SO 5372/14 abgelehnt.
Zutreffend hat das SG unter Bezugnahme auf die maßgeblichen gesetzlichen Regelungen für den gerichtlichen Vergleich und zur Anfechtung von Prozesshandlungen einschließlich der entsprechenden Kommentarliteratur dargestellt und darauf verwiesen, dass kein Anfechtungsgrund gegeben ist. Vielmehr ist im Übrigen auch ein Rechtsschutzbedürfnis vor dem Hintergrund, dass die Klägerin nicht mehr im Sozialhilfebezug steht und tatsächlich auch Teile der Alters- bzw. Witwenrente der Klägerin nicht mehr an die Beklagte zur weiteren Begleichung der Wohnungsmiete überwiesen werden, überhaupt nicht mehr gegeben. Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, sie habe rechtzeitig innerhalb der maßgeblichen Frist die Anfechtung mit ihrem Schreiben vom 27. Oktober 2014 erhoben, mit dem sie sich bereits an das SG nach Erhalt der Niederschrift einschließlich des dort geschlossenen Vergleiches gewandt habe und erklärt hatte, hiermit nicht einverstanden zu sein, führt dies zu keinem für die Klägerin günstigeren Ergebnis. Es kann dahingestellt bleiben, ob insoweit tatsächlich eine Anfechtung erhoben wurde und diese auch aufrechterhalten worden war. Der Kammervorsitzende hatte auf dieses Schreiben der Klägerin am 4. November 2014 geantwortet und im Rahmen dessen ihr nochmals erklärt, welchen Zweck die vergleichsweise Regelung gehabt habe, und mit dem Bemerken abgeschlossen, er hoffe, damit die Bedenken an der weiteren Vorgehensweise ausgeräumt zu haben. Eine weitere Reaktion der Klägerin aber erfolgte hierauf in der Folge nicht mehr. Erst mit beim SG am 8. Februar 2016 eingegangenen Schreiben vom 30. Januar 2016 erklärte die Klägerin ausdrücklich, dass sie den am 22. Oktober 2014 geschlossenen Vergleich anfechte. Ergänzend hinsichtlich des Vorbringens im Berufungsverfahren sei nochmals ausdrücklich auf Folgendes hingewiesen: Die – wie bereits vom SG zutreffend dargestellt – wirksam erklärte Zustimmung zum Vergleich kann als Prozesserklärung weder frei widerrufen noch entsprechend den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften wegen Irrtums (§ 119 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -) angefochten werden (BSG, Beschluss vom 24. April 2003 - B 11 AL 33/03B m.w.N., juris; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 11. Aufl. , § 156 Rdnr. 2a). Zwar können auch Prozesshandlungen grundsätzlich im Verlauf des weiteren Verfahrens widerrufen, ergänzt, geändert oder berichtigt werden, dies gilt jedoch nur, solange der Rechtsstreit anhängig ist (Putzo, in: Thomas/Putzo, ZPO, 35. Aufl., Einleitung III, Rdnr. 21). Unwiderruflich und nicht abänderungsfähig sind darüber hinaus solche Prozesshandlungen, durch die der Prozessgegner eine Rechtsstellung erlangt oder aufgrund der er seine Rechtsstellung eingerichtet hat (Bundesfinanzhof - BFH -, BFH/NV 1992, 49; Bayerisches LSG, Urteil vom 16. Oktober 2001 - L 15 V 37/01 -, juris). Dies ist mit dem Abschluss des Vergleiches der Fall. Für die Anfechtung des Vergleichs in entsprechender Anwendung des § 123 BGB liegen keine Anhaltspunkte vor, abgesehen davon, dass auch insoweit die Anfechtung des Vergleichs ausgeschlossen wäre (vgl. BSG SozR Nr. 6 zu § 102 SGG). Insbesondere kann die Klägerin nicht geltend machen, sie habe sich bei der Abgabe der Erklärung in einem Irrtum befunden. Soweit die Klägerin nämlich behauptet, sie sei zwar einverstanden gewesen, dass die Sozialhilfe direkt an die S. gehe, nicht aber ihre "ärmlichen Renten", steht dies im klaren Widerspruch zum eindeutigen Regelungsinhalt in Ziff. 1 des Vergleiches, dem die Klägerin, nachdem er ihr nochmals vorgespielt worden war – übersetzt durch die vereidigte Dolmetscherin –, ausdrücklich zugestimmt hat.
Aus diesen Gründen ist die Berufung zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen einen in einem früheren Verfahren vor dem SG geschlossenen Vergleich.
Die Beklagte hat der Klägerin während der hier streitigen Zeit aufstockende Sozialhilfe (Grundsicherung) in Höhe von zuletzt 182,66 EUR (Bescheid vom 20. März 2014) gewährt, da durch ihre Witwenrente wie auch ihre eigene Altersrente ihr Bedarf nicht komplett gedeckt werden konnte. Bei der Klägerin waren in der Vergangenheit mehrfach Mietrückstände aufgelaufen, so etwa im November 2011 in Höhe von über 1.700,00 EUR (die der Beklagte übernommen hatte), im April 2012 in Höhe von 1544,28 EUR (Räumungsklage war anhängig) und erneut unter anderem im März 2015 in Höhe von 1.453,00 EUR.
In den beim Sozialgericht ursprünglich anhängigen Verfahren S 20 SO 5371/14 ER und S 20 SO 5372/14 hatten die Beteiligten darüber gestritten, ob die Beklagte zur Übernahme diverser Mietrückstände im Jahr 2014 (Räumungsklage war anhängig) bezüglich der Wohnung der Klägerin nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) verpflichtet gewesen sei.
Im Rahmen eines Termins zur Erörterung des Sachverhalts am 22. Oktober 2014 hatten die Beteiligten folgenden Vergleich geschlossen:
1. Die Antragstellerin/Klägerin tritt ihren Anspruch auf Witwenrente, derzeit 341,44 EUR (vgl. Rentenbescheid vom 1. Juli 2014), in voller Höhe sowie ihren Anspruch auf Altersruhegeld, derzeit 275,99 EUR (vgl. Rentenbescheid vom 1. Juli 2014) teilweise in Höhe von 88,84 EUR an die Antragsgegnerin/Beklagte gemäß § 398 Bürgerliches Gesetzbuch ab. Bei einer Mieterhöhung verpflichtet sich die Antragstellerin/Klägerin, eine neue Abtretungsvereinbarung mit der Antragsgegnerin/Beklagten über die entsprechend erhöhte Abtretungsforderung abzuschließen. Ein Widerruf der Abtretungserklärung kann nur mit Zustimmung der Antragsgegnerin/Beklagten erfolgen. Die Abtretung gilt ab dem Monat Dezember 2014. Die Antragsgegnerin/Beklagte setzt den Schuldner, die Deutsche Rentenversicherung Bund, hierüber in Kenntnis.
2. Die Antragsgegnerin/Beklagte verwendet die unter Ziff. 1 an sie abgetretene Forderung, um die Miete in Höhe von monatlich derzeit 430,28 EUR (548,04 EUR abzüglich eines Zuschusses in Höhe von 117,76 EUR) für die Wohnung der Klägerin in der Tannenstraße 7, 70178 Stuttgart, pünktlich gegenüber der Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (S.) ab Dezember 2014 zu begleichen. Für den Monat November 2014 überweist die Klägerin/Antragstellerin die Miete selbst an die Vermieterin.
3. Ziff. 1 und Ziff. 2 behalten Gültigkeit, solange die S. nicht von dem von ihr erwirkten Räumungsurteil Gebrauch macht und die Klägerin/Antragstellerin die streitgegenständliche Wohnung verlassen muss.
4. Die Antragsgegnerin/Beklagte wird sich im Anschluss an den heutigen Termin unverzüglich - unter Vorlage des heute geschlossenen Vergleichs, mit der S. in Verbindung setzen und um eine verbindliche Stellungnahme bitten, ob - unter Berücksichtigung der Ziff. 2 und 5 des Vergleichs - das Mietverhältnis mit der Antragsgegnerin/Klägerin über den 24. Januar 2015 hinaus fortgesetzt werden kann und aus dem Versäumnisurteil des Amtsgerichts Stuttgart, Aktenzeichen 35 C 3244/12, keine weiteren Vollstreckungsmaßnahmen gegenüber der Antragstellerin/Klägerin beabsichtigt sind.
5. Soweit die S. der Fortsetzung des Mietverhältnisses zustimmt, erklärt sich die Antragsgegnerin/Beklagte bereit, einen Betrag über 1.000,00 EUR an die S. im Hinblick auf die noch offenen Mietschulden zur Überweisung zu bringen.
6. Soweit die S. der Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zustimmt, erteilt die Antragsgegnerin/Beklagte der Antragstellerin/Klägerin einen rechtsmittelfähigen Bescheid über den Antrag auf Übernahme der Mietrückstände für die Wohnung in der S ... Der Antragstellerin/Klägerin steht es daneben weiterhin frei, bei Ablehnung bzw. bei drohendem Verlust der Wohnung einen erneuten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vor dem Sozialgericht Stuttgart zu erheben.
7. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
8. Die Beteiligten erklären die Verfahren S 20 SO 5371/14 ER sowie S 20 SO 5372/14 damit übereinstimmend für erledigt.
Das Protokoll enthält den Vermerk: "Laut vorgespielt und genehmigt". Das Protokoll wurde der Klägerin am 25. Oktober 2014 zugestellt.
Nach Zustellung des Protokolls über den im Erörterungstermin geschlossenen Vergleich wandte sich die Klägerin mit Schreiben vom 27. Oktober 2014 an das SG und erklärte unter anderem, dass sie sich nach Erhalt der Niederschrift/Vergleich gezwungen sehe, sofort zu reagieren. Sie sei mit der Niederschrift nicht einverstanden. Ihre Renten blieben ihr Eigentum und nicht Eigentum vom Sozialamt oder irgendwelchen Institutionen. Sie werde daher nichts unterschreiben. Sie sei einverstanden gewesen, dass die Sozialhilfe direkt an die S. gehe und nicht ihre ärmliche Rente. Mit Schreiben vom 4. November 2014 wies der Kammervorsitzende die Klägerin darauf hin, dass das Verfahren durch den Abschluss des Vergleiches beendet worden sei und ein Widerruf des Vergleiches bzw. eine Fortführung des Verfahrens nicht möglich sei. Im Übrigen wolle er darauf hinweisen, dass der Vergleich zu ihren Gunsten ausgestaltet worden sei. Zum einen sei hiermit ein Erhalt ihrer Wohnung in der Tannenstraße verbunden, zum andern sei für die Zukunft eine zuverlässige Mietüberweisung an die S. gewährleistet. Des Weiteren habe sich die Beklagte bereit erklärt, von den Mietschulden der Klägerin einen Betrag in Höhe von 1000,00 EUR zu übernehmen. Unberührt vom Vergleich bliebe schließlich der der Klägerin monatlich zur Verfügung stehende Geldbetrag, sie bekomme zwar weniger an Rente ausbezahlt, dafür müsse sie keine Miete mehr überweisen. Man hoffe, damit ihre Bedenken ausgeräumt zu haben. Eine Reaktion hierauf erfolgte durch die Klägerin zunächst nicht.
Erst mit Schreiben vom 30. Januar 2016 erklärte die Klägerin gegenüber dem SG, den geschlossenen Vergleich anzufechten, und beantragte zugleich eine Fortführung der Verfahren S 20 SO 5371/14 ER sowie S 20 SO 5372/14. Sie machte geltend, hierdurch in die Lage versetzt zu werden, ihre Miete in Zukunft wieder selbst an ihre Vermieterin, die S., pünktlich zu überweisen.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat ausgeführt, dass die Klägerin nicht mehr im Leistungsbezug nach dem SGB XII stehe. Zuletzt sei mit einer vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (L 5 R 2257/15 ER-B) geschlossenen Zahlungsvereinbarung vom 2. September 2015 festgelegt worden, dass die "Deutsche Rentenversicherung Bund" die Renten der Klägerin - zur Begleichung der Miete - unmittelbar an die Vermieterin (S.) überweise.
Mit Gerichtsbescheid vom 6. Mai 2016 hat das SG den Antrag der Klägerin auf Fortsetzung der Verfahren S 20 SO 5371/14 ER und S 20 SO 5372/14 abgelehnt. Das SG hat zur Begründung ausgeführt, in den Verfahren S 20 SO 5371/14 ER und S 20 SO 5372/14 sei es zu einer vergleichsweisen Beendigung des Verfahrens gekommen. So habe sich im Rahmen des gegenseitigen Nachgebens die damalige Antragsgegnerin/Beklagte bereit erklärt, zur Sicherung des Mietverhältnisses der Klägerin von den bestehenden Mietschulden einen Betrag in Höhe von 1.000,00 EUR zu übernehmen. Die Antragstellerin/Klägerin habe demgegenüber der Abtretung ihr gegenüber der Rentenversicherung Bund zustehenden Ansprüche auf Witwenrente und Altersruhegeld an die Antragsgegnerin/Beklagte zugestimmt. Aufgrund dieses Vergleiches sei der Rechtsstreit unmittelbar beendet worden. Dieser Vergleich vom 22. Oktober 2014 sei als Prozessvergleich in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. So sei die Niederschrift entsprechend den gesetzlichen Vorschriften ausgefertigt und unterschrieben worden. Die Klägerin und die damalige Terminsvertreterin der Antragsgegnerin/Beklagten hätten dem Vergleich, wie sich aus dem Protokoll, welches eine öffentliche Urkunde mit entsprechendem Beweiswert darstelle, auch ergebe (§122 Sozialgerichtsgesetz -SGG - i.V.m. § 165 Satz 1 Zivilprozessordnung -ZPO-) nach Vorlesen auch ausdrücklich zugestimmt. Eine Widerrufsmöglichkeit sei darin nicht vorgesehen. Auf Prozesshandlungen - wie die Zustimmung zu einem gerichtlichen Vergleichsvorschlag - würden die Anfechtungsgründe des BGB keine Anwendung finden. Sie könnten nur unter engen Voraussetzungen (also in extremen Ausnahmefällen) widerrufen werden, z.B. beim Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes im Sinne von § 179 SGG i.V.m. den §§ 578 ff. ZPO. Der Prozessvergleich sei auch materiell-rechtlich wirksam. Es bestünden keinerlei Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit des Prozessvergleiches - etwa nach den Bestimmungen der §§ 116 ff. BGB - oder für eine Unwirksamkeit nach § 779 Abs. 1 BGB. Gegen die Möglichkeit einer wirksamen Anfechtung des Vergleiches spreche zudem, dass die Anfechtungsfrist des § 121 Abs. 1 BGB längst abgelaufen sei. Damit habe der wirksam zustande gekommene Vergleich den gesamten Rechtsstreit beendet. Für eine "Wiederaufnahme" fehle vorliegend zudem das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, weil mit der vor dem Landessozialgericht Stuttgart unter dem Aktenzeichen L 5 R 2257/15 ER-B geschlossenen Zahlungsvereinbarung vom 2. September 2015 (Bl. 21 SG-Akte) - abweichend vom Vergleichsinhalt in den Verfahren S 20 SO 5371/14 ER und S 20 SO 5372/14 - festgelegt worden sei, dass die "Deutsche Rentenversicherung Bund" die Renten der Klägerin unmittelbar zur Begleichung der Miete an die Vermieterin (S.) überweise. Eine "Zwischenschaltung" des Sozialamts erfolge nicht mehr, weshalb der im Jahr 2014 vor dem SG geschlossene Vergleich aktuell nicht mehr vollzogen werde. Für eine "Wiederaufnahme" und gegebenenfalls Abänderung des mittlerweile überholten Vergleichs vom 22. Oktober 2014 bestehe daher kein Rechtsschutzinteresse.
Die Klägerin hat gegen den ihr mit Postzustellungsurkunde am 11. Mai 2016 zugestellten Gerichtsbescheid am 7. Juni 2016 beim SG Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung macht sie geltend, sie habe unverzüglich nachdem dieser Vergleich geschlossen worden sei, dem zuständigen Richter einen Brief geschrieben, dass sie mit dem Vergleich nicht einverstanden sei, weil sie niemals so einem Vergleich zugestimmt hätte, der ihr ihre Renten wegnehme und sie entrechte. Folglich habe sie die Frist des § 121 Abs. 1 BGB beachtet. Ferner sei sie davon ausgegangen, dass der zuständige Richter ihren Brief, der als Anfechtung nach den §§ 133, 157 BGB auszulegen sei, zu den Akten nehme, vor allem deswegen, weil sie auch eine Antwort erhalten habe und mit ihm auch telefoniert worden sei. Sie habe lediglich zugestimmt, dass Zahlungen des Sozialamts direkt an die S. überwiesen werden könnten. Folglich sei falsch übersetzt worden. Warum sei ihr egal, auf jeden Fall könne dies nicht zu ihren Lasten gehen. Es fehle ihrer Auffassung nach auch nicht am Rechtsschutzbedürfnis, da über diese oben genannte Anfechtung nicht entschieden worden sei. Vielmehr werde daraufhin weiterhin munter über ihre Renten weiterverfügt. Der Zahlungsvereinbarung vom 2. September 2016 (gemeint wohl 2015) habe sie nie zugestimmt. Diese sei über ihren Kopf hinweg ausgemacht worden.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 6. Mai 2016 aufzuheben und festzustellen, dass das einstweilige Rechtsschutzverfahren sowie die Klage unter den Aktenzeichen S 20 SO 5371/14 ER und S 20 SO 5372/14 nicht durch den Vergleich vom 22. Oktober 2014 beendet wurden und daher fortzusetzen seien.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG voll umfänglich für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten des SG (S 20 SO 818/16 sowie S 20 SO 5372/14 und S 20 SO 5371/14 ER) sowie die Senatsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1, Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und Abs. 3 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig.
II.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht den Antrag auf Fortsetzung der Verfahren S 20 SO 5371/14 ER und S 20 SO 5372/14 abgelehnt.
Zutreffend hat das SG unter Bezugnahme auf die maßgeblichen gesetzlichen Regelungen für den gerichtlichen Vergleich und zur Anfechtung von Prozesshandlungen einschließlich der entsprechenden Kommentarliteratur dargestellt und darauf verwiesen, dass kein Anfechtungsgrund gegeben ist. Vielmehr ist im Übrigen auch ein Rechtsschutzbedürfnis vor dem Hintergrund, dass die Klägerin nicht mehr im Sozialhilfebezug steht und tatsächlich auch Teile der Alters- bzw. Witwenrente der Klägerin nicht mehr an die Beklagte zur weiteren Begleichung der Wohnungsmiete überwiesen werden, überhaupt nicht mehr gegeben. Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, sie habe rechtzeitig innerhalb der maßgeblichen Frist die Anfechtung mit ihrem Schreiben vom 27. Oktober 2014 erhoben, mit dem sie sich bereits an das SG nach Erhalt der Niederschrift einschließlich des dort geschlossenen Vergleiches gewandt habe und erklärt hatte, hiermit nicht einverstanden zu sein, führt dies zu keinem für die Klägerin günstigeren Ergebnis. Es kann dahingestellt bleiben, ob insoweit tatsächlich eine Anfechtung erhoben wurde und diese auch aufrechterhalten worden war. Der Kammervorsitzende hatte auf dieses Schreiben der Klägerin am 4. November 2014 geantwortet und im Rahmen dessen ihr nochmals erklärt, welchen Zweck die vergleichsweise Regelung gehabt habe, und mit dem Bemerken abgeschlossen, er hoffe, damit die Bedenken an der weiteren Vorgehensweise ausgeräumt zu haben. Eine weitere Reaktion der Klägerin aber erfolgte hierauf in der Folge nicht mehr. Erst mit beim SG am 8. Februar 2016 eingegangenen Schreiben vom 30. Januar 2016 erklärte die Klägerin ausdrücklich, dass sie den am 22. Oktober 2014 geschlossenen Vergleich anfechte. Ergänzend hinsichtlich des Vorbringens im Berufungsverfahren sei nochmals ausdrücklich auf Folgendes hingewiesen: Die – wie bereits vom SG zutreffend dargestellt – wirksam erklärte Zustimmung zum Vergleich kann als Prozesserklärung weder frei widerrufen noch entsprechend den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften wegen Irrtums (§ 119 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -) angefochten werden (BSG, Beschluss vom 24. April 2003 - B 11 AL 33/03B m.w.N., juris; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 11. Aufl. , § 156 Rdnr. 2a). Zwar können auch Prozesshandlungen grundsätzlich im Verlauf des weiteren Verfahrens widerrufen, ergänzt, geändert oder berichtigt werden, dies gilt jedoch nur, solange der Rechtsstreit anhängig ist (Putzo, in: Thomas/Putzo, ZPO, 35. Aufl., Einleitung III, Rdnr. 21). Unwiderruflich und nicht abänderungsfähig sind darüber hinaus solche Prozesshandlungen, durch die der Prozessgegner eine Rechtsstellung erlangt oder aufgrund der er seine Rechtsstellung eingerichtet hat (Bundesfinanzhof - BFH -, BFH/NV 1992, 49; Bayerisches LSG, Urteil vom 16. Oktober 2001 - L 15 V 37/01 -, juris). Dies ist mit dem Abschluss des Vergleiches der Fall. Für die Anfechtung des Vergleichs in entsprechender Anwendung des § 123 BGB liegen keine Anhaltspunkte vor, abgesehen davon, dass auch insoweit die Anfechtung des Vergleichs ausgeschlossen wäre (vgl. BSG SozR Nr. 6 zu § 102 SGG). Insbesondere kann die Klägerin nicht geltend machen, sie habe sich bei der Abgabe der Erklärung in einem Irrtum befunden. Soweit die Klägerin nämlich behauptet, sie sei zwar einverstanden gewesen, dass die Sozialhilfe direkt an die S. gehe, nicht aber ihre "ärmlichen Renten", steht dies im klaren Widerspruch zum eindeutigen Regelungsinhalt in Ziff. 1 des Vergleiches, dem die Klägerin, nachdem er ihr nochmals vorgespielt worden war – übersetzt durch die vereidigte Dolmetscherin –, ausdrücklich zugestimmt hat.
Aus diesen Gründen ist die Berufung zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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