L 4 KR 2490/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 3 KR 4200/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 2490/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 1. Juli 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Übernahme der Kosten für eine Kryokonservierung der Samenzellen des Klägers.

Der Kläger ist am 1997 geboren, ledig und bei der Beklagten krankenversichert. Er ist an einer akuten lymphatischen Leukämie (ALL) erkrankt. Am 16. April 2015 erfolgte im U.-klinikum F. die Entnahme von Ejakulat des Klägers und die anschließende Kyrokonservierung aufgrund eines am selben Tag vom Kläger und der A. L. M. GmbH geschlossenen Verwahrungsvertrages.

Mit Schreiben vom 16. April 2015, das am Folgetag bei der Beklagten einging, beantragte die Oberärztin Dr. S. von der Klinik für Frauenheilkunde des U.-klinikums F. die Übernahme der Medikamenten- und Behandlungskosten für eine derzeit beim Kläger durchgeführte Kryokonservierung von Ejakuklat. Die Kosten der Behandlung betrügen ca. EUR 450,00. Die jährlichen Kosten für die Einlagerung betrügen ca. EUR 300,00. Beim Kläger werde auf Grund seiner Erkrankung an ALL eine onkologische Therapie durchgeführt, die mit einer hohen Wahrscheinlichkeit zu einer irreversiblen Schädigung der Hoden führen werde. Es sei somit davon auszugehen, dass die therapeutische Maßnahme mit dem Zweck der Behandlung der Grundkrankheit zu einer schweren Nebenwirkung, konkret zu einem teilweisen oder kompletten Verlust der Fruchtbarkeit, führen werde. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) habe mit Urteil vom 7. November 2006 (2 C 11/06 – juris) eine Kostenerstattung für die Entnahmen, Aufbereitung und Einlagerung von Spermien im Rahmen der Behandlung eines Hodenkarzinoms bejaht. Im Rahmen dieses Urteils sei der Leitsatz formuliert worden, dass, wenn bei einer ärztlich gebotenen Operation mit hoher Wahrscheinlichkeit mit schweren und unumkehrbaren Nebenwirkungen zu rechnen sei, auch solche Maßnahmen der Heilung und Linderung von Leiden bzw. dem Ausgleich einer durch die Behandlung erworbenen körperlichen Beeinträchtigung dienten, die darauf gerichtet seien, diese Nebenwirkungen zu vermeiden oder bei Unvermeidbarkeit jedenfalls deren Folgen zu minimieren. Seien die Aufwendungen für die Operation selbst beihilfefähig, so umfasse dies auch die Nebenmaßnahmen.

Die Beklagte lehnte den Antrag gegenüber dem Kläger mit Bescheid vom 17. April 2015 ab. Eine Übernahme der Kosten für das Einfrieren und die Einlagerung menschlicher Samenzellen (Kryokonservierung) scheide aus, da diese Maßnahmen der Familienplanung diene. Durch das Einfrieren und Aufbewahren von Sperma werde weder eine Krankheit behandelt noch würden Krankheitsbeschwerden gelindert oder vor einer Verschlimmerung bewahrt.

Hiergegen erhob der Kläger am 6. Mai 2015 Widerspruch. Nicht nur eine eingetretene krankheitsbedingte Zeugungsunfähigkeit stelle eine Krankheit dar, sondern auch bereits der therapiebedingt drohende Eintritt der Zeugungsunfähigkeit. Dieser Umstand liege angesichts seiner Erkrankung bei ihm unzweifelhaft vor. Ziehe eine Krankheit in unbehandeltem oder behandeltem Zustand zwangsläufig oder mit hoher Wahrscheinlich weitere Erkrankungen nach sich, so seien medizinische Maßnahmen, die dem entgegenwirken und eine Verschlechterung des Gesamtgesundheitszustandes verhüten sollten, als Behandlung der Grundkrankheit und damit als Krankenbehandlung im Sinne von § 27 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) aufzufassen. Ihm drohe die konkrete Gefahr der Zeugungsunfähigkeit.

Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2015 zurück. Ein Anspruch auf Krankenbehandlung bestehe, wenn sie notwendig sei, entweder um eine Krankheit zu erkennen oder zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit fielen darunter, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verloren gegangen sei. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung müsse die Krankenbehandlung darauf abzielen, die Zeugungsfähigkeit ganz oder teilweise wiederherzustellen, um auf natürlichem Wege eine Schwangerschaft herbeizuführen. Für Maßnahmen, die sich als Teil einer künstlichen Befruchtung darstellten, seien demgegenüber allein die für diese Leistung geltenden gesetzlichen Regelungen maßgebend. Die künstliche Befruchtung erstrecke sich auf die Leistungen, die dem einzelnen natürlichen Zeugungsakt entsprächen und unmittelbar der Befruchtung dienten. Die operative Samengewinnung sowie die Kryokonservierung und Lagerung männlichen Samens seien Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, die unmittelbar am Körper des Ehemannes durchgeführt würden. Insoweit bestehe eine Leistungspflicht, wenn diese Maßnahmen im Rahmen einer künstlichen Befruchtung erforderlich würden und auch die übrigen, im Gesetz genannten Voraussetzungen erfüllten seien. Maßnahmen, die nicht im Hinblick auf einen konkreten bevorstehenden Befruchtungsversuch erfolgten, sondern vorsorglich, um einen späteren Versuch der künstlichen Befruchtung erst zu ermöglichen, unterlägen nicht der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung. Es sei höchstrichterlich entschieden, dass ein zur Fertilitätsprophylaxe angelegtes Kryospermadepot keine Leistungspflicht der Kasse auslöse. Das Einfrieren und die Lagerung des Samens stelle keine ärztliche Behandlung dar. Das Einfrieren allein sei nicht geeignet, eine Krankheit zu heilen, die Verschlimmerung zu verhüten oder Beschwerden zu lindern. Nur als Teil der Gesamtbehandlung könne es in dieser Weise wirken. Die Gesamtmaßnahme werde aber durch die Lagerung bestimmt; sie sei die eigentliche Leistung, weil es darum gehe, den Samen über lange Zeit funktionsfähig zu bewahren. Als unselbständige Vorbereitungsmaßnahme sei das Einfrieren des Samens keine ärztliche Behandlung. Die Lagerung des Samens stelle eine Dienstleistung dar. Dienstleistungen seien aber keine Hilfsmittel. Schließlich sei das Einfrieren und das Lagern des Samens auch kein Heilmittel. Unter Heilmittel seien nämlich nur solche Maßnahmen zu verstehen, die von außen auf den Körper einwirkten, was hier aber nicht der Fall sei. Die ärztliche Empfehlung zur Kryokonservierung habe den Charakter eines Rates zur Lebensplanung. Sie sei nicht als ärztliche Verordnung der Dauerleistung – Lagerung des Samens – zu werten. Für die Lagerung sei keinerlei ärztliche Begleitung und Überwachung erforderlich. Es fehle deshalb an jeder besonderen Ausgestaltung der Maßnahme zum Zwecke der Krankheitsbekämpfung. Die Samengewinnung, einschließlich Einfrieren und Lagern des männlichen Samens auf unbestimmte Zeit, diene nicht der Wiederherstellung der Zeugungsunfähigkeit, um auf natürlichem Wege eine Schwangerschaft herbeizuführen. Daher gehöre sie nicht zur Krankenbehandlung im Sinne des SGB V. Es handele sich vielmehr um Maßnahmen auf dem Gebiet der künstlichen Befruchtung. Eine künstliche Befruchtung sei unmittelbar und konkret jedoch nicht geplant. Die Samengewinnung einschließlich Einfrieren und Lagern des männlichen Samens werde beim Kläger vorsorglich im Hinblick auf einen späteren Versuch der künstlichen Befruchtung durchgeführt. Diese Maßnahme diene, ebenso wie die Kryokonservierung und Lagerung vorsorglich gewonnener Eizellen dazu, spätere Versuche der künstlichen Befruchtung zu ermöglichen. Insoweit scheide eine Kostenübernahme sowohl unter dem Gesichtspunkt der Krankenbehandlung als auch nach den Bestimmungen über die künstliche Befruchtung aus.

Hiergegen erhob der Kläger, zunächst vertreten durch seine Eltern, am 17. August 2015 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG). Er wiederholte sein Vorbringen aus dem Vorverfahren und trug zudem vor, dass ihm gemäß (vorgelegter) Rechnungen des U.-klinikums F. vom 20. April 2015 Kosten in Höhe von EUR 347,65 (Kyrokonservierung von Hodengewebe, Ejakultatproben und vorbereitende Maßnahmen zur Kyrokonservierung am 16. April 2015 sowie Lagerung für die Zeit vom 16. bis 30. April 2015), vom 18. Juni 2015 in Höhe von EUR 25,00 (Kryolagerung bis einschließlich Mai 2015), und vom 29. Oktober 2015 in Höhe von EUR 62,50 (Kryolagerung Juni bis August 2015) sowie (vorgelegter) Rechnung der Air Liquide Medical GmbH vom 31. August 2015 Kosten in Höhe von EUR 375,50 (Einlagerung für August 2015 bis Juli 2016) entstanden seien. Hinzu kämen Kosten in Höhe von jährlich EUR 375,50 gemäß dem vorgelegten, zwischen ihm und der A. L. M. GmbH geschlossenen Verwahrungsvertrages vom 16. April 2015.

Die Beklagte trat der Klage unter Hinweis auf den Widerspruchsbescheid entgegen.

Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 1. Juni 2016 ab. Die Kryokonservierung von Samenzellen sei nicht geeignet, eine Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Denn die (befürchtete) Zeugungsunfähigkeit des Klägers werde durch das Einfrieren und Lagern der Samenzellen nicht geheilt. Vielmehr dienten diese Maßnahmen allein dazu, den erwarteten Verlust der Zeugungsfähigkeit zu einem späteren Zeitpunkt funktionell zu ersetzen. Dies genüge nicht, um die Maßnahme der Krankenbehandlung zuzuordnen. Ein Anspruch auf Kryokonservierung von Samenzellen ergebe sich auch nicht aus § 27a Abs. 1 Satz 1 SGB V. Nach dieser Vorschrift umfassten die Leistungen der Krankenbehandlung auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft. Die in der gesetzlichen Vorschrift angesprochene Maßnahme zielten ausweislich der Überschrift des § 27a SGB V darauf, die Schwangerschaft durch eine künstliche Befruchtung auszulösen. Ausgehend vom natürlichen Zeugungsakt, der eine Schwangerschaft herbeiführe und den die künstlichen Befruchtung ersetzen solle, habe der Begriff der künstlichen Befruchtung damit nur Maßnahmen im Blick, die dem einzelnen Zeugungsakt entsprechend unmittelbar der Befruchtung dienten. Maßnahme in diesem Sinne sei daher die mindestens teilweise Substitution des singulären Zeugungsaktes. Dies treffe auf die Kryokonservierung nicht zu. Denn diese Maßnahme diene nur der Vorbereitung einer etwaigen späteren künstlichen Befruchtung, diene dieser aber nicht unmittelbar. Dem jungen ledigen Kläger, bei dem die Voraussetzungen des § 27a Abs. 1 und 3 SGB V ersichtlich noch nicht vorlägen, solle durch die Kryokonservierung der gewonnenen Samenzellen lediglich die Möglichkeit offen gehalten werden, im Fall einer eintretenden Zeugungsunfähigkeit zu gegebener Zeit, falls er dies möchte, dennoch mit Mitteln der künstlichen Befruchtung eigenen Nachwuchs zu bekommen. Angesichts dieser Zielrichtung handele es sich aber um eine dem singulären Zeugungsakt und die unmittelbar Befruchtung überschreitende medizinisch-technische Maßnahme, die von § 27a SGB V nicht umfasst sei. Das Einfrieren und Lagern männlichen Samens auf unbestimmte Zeit sei ebenso wie die Kryokonservierung und Lagerung vorsorglich gewonnener Eizellen für die Wiederholung eines Versuchs der Befruchtung keine Leistung der Krankenversicherung. Zu keinem anderen Ergebnis führe die vom Kläger angeführte Entscheidung des BVerwG. Die hier anzuwendenden Vorschriften des SGB V hätten, wie das BVerwG selbst ausgeführt habe, nach ihrem Wortlaut und systematischem Zusammenhang einen anderen Inhalt als die dort maßgeblichen beihilferechtlichen Vorschriften.

Gegen den ihm am 3. Juni 2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am Montag, 4. Juli 2016 Berufung eingelegt. Er wiederholt sein bisheriges Vorbringen. Das SG habe sich hiermit sowie mit dem Umstand, dass der vorliegend konkreten Gefahr der Zeugungsunfähigkeit durch die Kryokonservierung entgegengewirkt werde, nicht auseinandergesetzt. Der Umstand, dass die Kryokonservierung erst zusammen mit dem weiteren, derzeit noch ungewissen Ereignis der Implantation des Gewebes zur Realisierung eines erst künftig auftretenden Kinderwunsches die Wiederherstellung der Fruchtbarkeit ermöglichen solle, könne den Anspruch jedenfalls nicht hindern. Es sei nicht zumutbar gewesen, eine Entscheidung der Beklagten abzuwarten. Zwischen der Blutentnahme und der Diagnose einerseits sowie der ärztlicherseits angeratenen Kyrokonservierung andererseits hätten lediglich sechs Tage gelegen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 1. Juni 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 17. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2015 zu verurteilen, ihm die Kosten der Kryokonservierung in Höhe von bislang EUR 810,65 zu erstatten und künftig die Kosten der Kryokonservierung zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verweist auf ihren Widerspruchsbescheid sowie die aus ihrer Sicht zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Kläger, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 124 Abs. 2 SGG), ist auch im Übrigen zulässig. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung, da der Kläger eine Verurteilung zur Zahlung von mehr als EUR 750,00 begehrt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG), nämlich eine Verurteilung zur Zahlung eines Betrages von EUR 810,65 sowie zukünftig entstehender Kosten der Kyrokonservierung.

2. Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der ihm durch die Ejakulatentnahme vom 16. April 2015 und die anschließende Lagerung entstanden Kosten und keinen Anspruch auf Übernahme der für die weitere Lagerung noch entstehenden Kosten.

a) Als Rechtsgrundlage für die begehrte Kostenerstattung kommt ausschließlich § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V in Betracht. Danach sind, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, diese Kosten von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.

Auch soweit der Kläger die Erstattung von in der Zukunft entstehenden Kosten für die Lagerung seines Spermas begehrt, macht er keinen Sachleistungs-, sondern einen Kostenerstattungsanspruch geltend. Denn er ist durch den mit der A. L. M. GmbH geschlossenen Verwahrungsvertrag vom 16. April 2015 bereits selbst eine Verbindlichkeit eingegangen.

b) Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V für einen Kostenerstattungsanspruch liegen hier nicht vor.

aa) Der Kläger kann sich für sein Begehren nicht darauf berufen, dass die Beklagte die Gewährung der streitigen Leistung zu Unrecht abgelehnt habe. Ein auf die unrechtmäßige Verweigerung der Sachleistung gestützter Erstattungsanspruch scheidet nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nämlich regelmäßig aus, wenn sich der Versicherte die Leistung besorgt hat, ohne die Krankenkasse einzuschalten und ihre Entscheidung abzuwarten (BSG, Urteil vom 20. Mai 2003 – B 1 KR 9/03 R – juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 – B 1 KR 31/07 R – juris, Rn. 16; BSG, Beschluss vom 2. Juli 2015 – B 3 KR 3/15 BH – juris, Rn. 9).

So liegt der Fall hier, denn die Kläger hat die Ejakulatentnahme am 16. April 2015 durchführen lassen und bereits an diesem Tag den Vertrag über die Kyrolagerung des Ejakulats, aufgrund dessen ihm weitere Kosten entstehen, abgeschlossen, ohne dass zu diesem Zeitpunkt bereits eine ablehnende Entscheidung der Beklagten vorgelegen hätte. Vielmehr wurde ein entsprechender Leistungsantrag erst am 16. April 2015 formuliert und am Folgetag bei der Beklagten gestellt.

§ 13 Abs. 3 SGB V gewährt einen Erstattungsanspruch für den Ausnahmefall, dass eine von der Krankenkasse geschuldete notwendige Behandlung infolge eines Mangels im Leistungssystem der Krankenversicherung als Dienst- oder Sachleistung nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt werden konnte. Nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift muss zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand (rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) ein Ursachenzusammenhang bestehen.

Eine vorherige Entscheidung der Krankenkasse ist auch dann nicht entbehrlich, wenn die Ablehnung des Leistungsbegehrens – etwa auf Grund von Erfahrungen aus anderen Fällen – von vornherein feststeht (BSG, Urteil vom 20. Mai 2003 – B 1 KR 9/03 R – juris, Rn. 19 m.w.N. auch zum Folgenden; BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 – B 1 KR 31/07 R – juris, Rn. 16). Gesetzeswortlaut und -zweck lassen eine dahingehende Ausnahme nicht zu. § 13 Abs. 3 SGB V will dem Versicherten einerseits die Möglichkeit eröffnen, sich eine von der Krankenkasse geschuldete, aber als Sachleistung nicht erhältliche Behandlung selbst zu beschaffen, andererseits jedoch die Befolgung des Sachleistungsgrundsatzes dadurch absichern, dass eine Kostenerstattung nur erfolgt, wenn tatsächlich eine Versorgungslücke festgestellt wird. Diese Feststellung zu treffen, ist nicht Sache des Versicherten, sondern der Krankenkasse. Nur sie hat in der Regel einen vollständigen Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen und die vorhandenen Versorgungsstrukturen und kann mit Hilfe dieser Informationen zuverlässig beurteilen, ob die begehrte Behandlung überhaupt zu den Leistungen der Krankenversicherung gehört und wenn ja, wie sie in dem bestehenden Versorgungssystem realisiert werden kann. Eine vorherige Prüfung durch die Kasse, verbunden mit der Möglichkeit einer Beratung des Versicherten, ist somit sachgerecht; sie liegt auch im eigenen Interesse des Versicherten, weil sie ihn von dem Risiko entlastet, die Behandlungskosten gegebenenfalls selbst tragen zu müssen, wenn ein zur Erstattungspflicht führender Ausnahmetatbestand nicht vorliegt. Es ist deshalb weder unzumutbar noch bloßer Formalismus, wenn eine Kostenerstattung in der Art eines zwingenden Verfahrenserfordernisses davon abhängig gemacht wird, dass die Krankenkasse zuvor Gelegenheit hatte, über die Berechtigung der Behandlung zu befinden. Da überdies unklar ist und sich kaum abstrakt festlegen lässt, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit der Versicherte von einer als sicher zu erwartenden Ablehnung der Krankenkasse ausgehen darf, würden sich in zahlreichen Fällen schwierige Abgrenzungsprobleme ergeben, durch die die Wahrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses zwischen Sachleistung und Kostenerstattung gefährdet würde.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Kostenerstattung der nach Erlass des Bescheides vom 17. April 2015 entstandenen Kosten. Bei laufenden oder sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Leistungen wird die ablehnende Entscheidung der Krankenkasse zwar im Allgemeinen eine Zäsur sein und ist die Kostenerstattung daher nur für diejenigen Leistungen ausgeschlossen, die bis zum Zeitpunkt der Entscheidung auf eigene Rechnung beschafft wurden. Das kann allerdings nur gelten, wenn die nachträglich getroffene Entscheidung der Krankenkasse überhaupt noch geeignet war, das weitere Leistungsgeschehen zu beeinflussen. Waren mit dem eigenmächtigen Beginn der Behandlung die weiteren Schritte quasi bereits endgültig vorgezeichnet und festgelegt, fehlt bei dieser Konstellation der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der Ablehnung der Kasse und der Kostenbelastung des Versicherten auch für den Teil der Behandlung, der zeitlich nach dem ablehnenden Bescheid liegt. Das ist dann der Fall, wenn sich die Behandlung als einheitlicher Vorgang darstellt, der sich hinsichtlich der Leistungsbewilligung nicht aufspalten lässt (BSG, Urteil vom 22. März 2005 – B 1 KR 3/04 R – juris, Rn. 12). Letzteres ist hier der Fall, weil der Kläger den Vertrag über die Kyrolagerung des Ejakulats, der auch zukünftig ihn mit Kosten belastet, vor Erlass des ablehnenden Bescheides abschloss.

Auf die Frage, ob dem Kläger ein Sachleistungsanspruch hinsichtlich der Ejakulatentnahme und -lagerung zustand, kommt es vor dem geschilderten Hintergrund nicht an.

bb) Die Leistung war auch nicht unaufschiebbar im Sinne von § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Var. SGB V. Eine Leistung ist unaufschiebbar, wenn eine Leistungserbringung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs bis zu einer Entscheidung der Krankenkasse mehr besteht (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 – B 1 KR 8/06 R – juris, Rn. 23; Beschluss des Senats vom 19. Juni 2015 – L 4 KR 3035/14 – nicht veröffentlicht). Dass diese Voraussetzungen hier vorlagen, hat der Kläger nicht behauptet; es ist auch nicht ersichtlich. Die Beklagte hat bereits mit Bescheid vom 17. April 2015 und damit am Tag des Eingangs des Leistungsantrages des Klägers über diesen Antrag entschieden. Dem gesamten Vorbringen des Klägers im Verwaltungs- und im Gerichtsverfahren lässt sich nicht entnehmen, dass und aus welchen Gründen die Ejakulatentnahme am 16. April 2015 erfolgen musste. Insbesondere hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt vorgebracht, dass bereits an jenem Tag mit einer onkologischen Therapie begonnen worden wäre, die seine Zeugungsfähigkeit gefährdet hätte.

Etwas anderes gibt sich auch nicht aus dem jüngsten Vorbringen des Klägers, zwischen Blutentnahme und Diagnose einerseits und Kryokonservierung hätten nur sechs Tage gelegen, so dass es ihm zumutbar gewesen sei, die Entscheidung der Beklagten abzuwarten. Denn es ist auch unter Berücksichtigung dieses Umstandes nicht ersichtlich, warum die Ejakulatentnahme am 16. April 2015 erfolgen musste.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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