L 4 KR 2896/16 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 2506/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 2896/16 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 27. Juli 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die vorläufige Gewährung von Krankengeld für die Zeit ab dem 26. Mai 2016.

Die Klägerin ist 1971 geboren und war bei der Beklagten zuletzt seit 1. April 2009 als Arbeitslose zum Teil mit Bezug von Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) und nachgehenden Leistungsansprüchen und vom 1. Juni bis 30. September 2016 als Bezieherin von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) gesetzlich krankenversichert.

Unter dem 14. April 2016 bescheinigte Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. H. der Klägerin das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit für die Zeit vom 14. bis voraussichtlich 30. April 2016, unter dem 28. April 2016 bis voraussichtlich 13. Mai 2016, unter dem 12. Mai 2016 bis zum 31. Mai 2016 sowie unter dem 31. Mai 2016 bis voraussichtlich 28. Juni 2016. Als die Arbeitsunfähigkeit begründende Diagnosen gab er ICD-10 F41.2G (Angst und depressive Störung, gemischt), F43.1G (Posttraumatische Belastungsstörung) F45.41G (chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren) und I25.19G (atherosklerotische Herzerkrankung, nicht näher bezeichnet) an. Unter dem 29. April 2016 stellte Facharzt für Allgemeinmedizin E. das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich 9. Mai 2016, unter dem 13. Mai 2016 bis voraussichtlich 27. Mai 2016 sowie unter dem 27. Mai 2016 bis voraussichtlich 10. Juni 2016 unter Angabe der Diagnose ICD-10 M54.12G (Radikulopathie Zervikalbereich) und der zusätzlichen Angabe "Schulter-Arm-Syndrom rechts" fest.

Die Beklagte lehnte die Gewährung von Krankengeld ab 14. April 2016 mit Bescheid vom 19. Mai 2016 ab, weil ein neuer Anspruch auf Krankengeld für diese Erkrankung nicht entstanden sei. Mit der Arbeitsunfähigkeit vom 17. Juli 2014 habe die Klägerin am 27. November 2015 die Höchstbezugsdauer von Krankengeld von 78 Wochen erreicht. Ein neuer Krankengeldanspruch könne nur dann entstehen, wenn ein neuer Dreijahreszeitraum begonnen habe, bei Eintritt der erneuten Arbeitsunfähigkeit eine Versicherung mit Krankengeld bestehe und zwischen dem Ablauf des Krankengeldbezugs von 78 Wochen und dem erneuten Eintritt von Arbeitsunfähigkeit für mindestens sechs Monate keine Arbeitsunfähigkeit wegen der bisherigen Krankheit vorgelegen habe sowie eine Erwerbstätigkeit ausgeübt worden sei oder der Versicherte dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestanden habe. Es sei davon auszugehen, dass die während des vorangegangenen Krankengeldbezugs vorliegende Arbeitsunfähigkeit weiter fortbestanden habe. Die zwischenzeitliche Meldung der Klägerin bei der Agentur für Arbeit ab 28. November 2015 sei kein ausreichender Nachweis von Arbeitsfähigkeit.

Hiergegen erhob die Klägerin unter dem 31. Mai 2016 Widerspruch. Die Annahme, die Arbeitsunfähigkeit habe nach Ablauf des vorangegangenen Krankengeldbezugs fortbestanden, sei eine "kühne Behauptung". Das Rückenleiden, das bis November 2015 Arbeitsunfähigkeit verursacht habe, bedinge keine Arbeitsunfähigkeit mehr. Sie forderte die Beklagte unter Fristsetzung zum 8. Juni 2016 zur Zahlung von Krankengeld nach Ablauf des Sechswochenzeitraums der Leistungsfortzahlung auf und forderte von der Beklagten die Bestätigung, dass sie die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs beachte.

Am 1. und 21. Juni 2016 veranlasste die Beklagte eine Untersuchung der Klägerin durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Mit Schreiben vom 3. Juni 2016 teilte die Klägerin mit, zum gegenwärtigen Zeitpunkt sei eine Begutachtung durch den MDK sinnlos.

Am 22. Juni 2016 beantragte die Klägerin beim Sozialgericht Freiburg (SG) die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes und beantragte die Verpflichtung der Beklagten zur vorläufigen Zahlung von Krankengeld ab 26. Mai 2016. Im unter dem Aktenzeichen S 11 KR 2508/16 ER geführten Eilverfahren begehrte sie am selben Tag die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid der Beklagten vom 19. Mai 2016 anzuordnen bzw. festzustellen. Sie sei im Jahr 2015 wegen einer Wirbelsäulenerkrankung arbeitsunfähig gewesen. Diese Arbeitsunfähigkeit habe jedoch geendet und eine weitere Feststellung von Arbeitsunfähigkeit sei nicht erfolgt. Sie habe sich dann beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und sei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verfügbar gewesen. Seit 14. April 2016 sei wegen ihrer psychischen Situation und wegen eines ausgeprägten Schulter-Arm-Syndroms wieder Arbeitsunfähigkeit eingetreten. Nach dem Ende des Arbeitslosengeldbezuges müsse die Beklagte ab 26. Mai 2016 Krankengeld zahlen. Deren Behauptung, wegen der Wirbelsäulenerkrankung bestehe weiterhin Arbeitsunfähigkeit, sei aus der Luft gegriffen. Die Beklagte habe nicht nachgewiesen, dass zu dieser Erkrankung die nunmehr bestehenden hinzugetreten seien. Die Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit liege in der Hoheit der behandelnden Ärzte. Der MDK könne die Arbeitsunfähigkeit nur in Extremfällen anzweifeln. Die (vorgelegte) Bescheinigung des Arztes E. vom 26. Januar 2016 bestätige, dass bei ihr seit längerer Zeit nicht mehr wegen eines Wirbelsäulenbefundes Arbeitsunfähigkeit bestanden habe. Arzt E. bestätige unter dem 13. Juli 2016, dass die Wirbelsäulenerkrankung seit der Beendigung der Arbeitsunfähigkeit nicht wieder aufgetreten und therapiebedürftig geworden sei und zeitgleich zur Wirbelsäulenerkrankung eine Erkrankung der Schulter nicht bestanden habe. Sie müsse zum 1. Juli (2016) ihre Miete zahlen und könne dies nicht.

Die Beklagte trat dem Antrag entgegen. Sie legt dar, die Klägerin sei zwischen dem 17. Juli 2014 und dem 27. November 2015 unter anderem wegen Lumboischialgien, atherosklerotischer Herzkrankheit und somatoformen Schmerzstörungen arbeitsunfähig gewesen und habe Krankengeld bezogen. Die wegen dieser Erkrankungen bestehende Dreijahresfrist dauere vom 15. Januar 2013 bis 14. Januar 2016. Ein neuer Anspruch auf Krankengeld habe in der am 15. Januar 2016 beginnenden neuen Dreijahresfrist nur entstehen können, wenn zwischen dem Ablauf des vorangegangenen Krankengeldbezuges für die Dauer von mindestens sechs Monaten keine Arbeitsunfähigkeit wegen der bisherigen Krankheit bestanden habe und eine Erwerbstätigkeit ausgeübt worden sei bzw. die Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt vorgelegen habe. Der Ablauf des Krankengeldbezuges wegen des Erreichens der Höchstdauer des Anspruchs sei nicht gleichbedeutend mit dem Wiedereintritt von Arbeitsfähigkeit. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die multimorbide Klägerin ungeachtet der Atteste des Hausarztes E. nach dem vorangegangenen Krankengeldbezug wieder arbeitsfähig geworden sei. Termine zur Begutachtung durch den MDK habe die Klägerin zudem ohne plausible Gründe nicht wahrgenommen.

Mit Beschluss vom 27. Juli 2016 lehnte das SG den Antrag der Klägerin ab. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz sei als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung statthaft, in der Sache aber mangels Anordnungsanspruchs nicht begründet. Arzt E. bescheinige zwar unter dem 26. Januar 2016, dass die Klägerin "seit längerer Zeit nicht mehr wegen eines Wirbelsäulenbefundes arbeitsunfähig ist" und unter dem 13. Juli 2016, "dass mit Beendigung der Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer Wirbelsäulenerkrankung diese nicht wieder auftrat und therapiebedürftig war und gleichzeitig zur Wirbelsäulenerkrankung keine Erkrankung der Schulter bestand". Die Klägerin sei jedoch ausweislich der Verwaltungsakte der Beklagten im vorangegangenen, bis zum 27. November 2015 dauernden Zeitraum des Krankengeldbezugs nicht nur wegen Wirbelsäulenbeschwerden, sondern auch wegen einer atherosklerotischen Herzerkrankung und somatoformer Schmerzstörungen arbeitsunfähig gewesen. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Prof. Dr. H. vom 14. April 2016 führe erneut die atherosklerotische Herzerkrankung sowie die chronische Schmerzstörung als arbeitsunfähigkeitsbegründend an. Die Tatsache, dass die Klägerin im Zwischenzeitraum nach der Beendigung des Krankengeldbezuges am 27. November 2015 nicht wegen Wirbelsäulenerkrankungen arbeitsunfähig gewesen sei, bedeutet nicht, dass die anderen, im Zeitraum bis zum 27. November 2015 ebenfalls bestehenden, chronischen Erkrankungen keine Arbeitsunfähigkeit mehr bedingten. Bei der Interessenabwägung sei zwar das wirtschaftliche Interesse der Klägerin am Erhalt des Lohnersatz (bzw. Ersatz des Arbeitslosengeldes) gewährenden Krankengeldes zu berücksichtigen. Andererseits sei aber dem Umstand Rechnung zu tragen, dass sie an der gebotenen Aufklärung des Sachverhalts und der von der Beklagten nach § 275 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) eingeleiteten Begutachtung durch den MDK nicht mitgewirkt habe.

Gegen den ihr am 27. Juli 2016 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 4. August 2016 Beschwerde eingelegt. Die Beklagte habe "blind in den Raum hinein behauptet", dass wegen der Wirbelsäule weiterhin Arbeitsunfähigkeit bestanden habe. Es sei zudem unzutreffend, dass vor dem 27. November 2015 bereits wegen einer atherosklerotischen Herzerkrankung und somatoformer Schmerzstörungen Arbeitsunfähigkeit bestanden habe. Dies werde auch durch den vorgelegten Arztbrief des Prof. Dr. H. vom 3. August 2016 bestätigt.

Die Klägerin beantragt (teilweise sachgerecht gefasst),

den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 27. Juli 2016 aufzuheben und die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr für die Zeit vom 26. Mai bis 30. September 2016 Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verweist auf die Ausführungen des SG im angefochtenen Beschluss. Sie habe für die Berechnung der Blockfrist der Arbeitsunfähigkeit vom 15. Januar 2007 zugrunde gelegt. Weitere Blockfristen hätten vom 15. Januar 2010 bis 14. Januar 2013 und vom 15. Januar 2016 (gemeint wohl 2013) bis 14. Januar 2016 bestanden, in die Arbeitsunfähigkeitszeiten ab 14. Januar 2014 bis zur Aussteuerung am 27. November 2015 gefallen seien. Zudem teilt sie mit, die Klägerin habe am 21. November 2016 Untätigkeitsklage beim SG erhoben, da sie (die Beklagte) noch nicht über deren Widerspruch entschieden habe, und die Klägerin sei seit 1. Oktober 2016 nicht mehr bei ihr versichert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

1. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Klägerin ist zulässig. Sie ist insbesondere nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeschlossen. Im Hinblick auf die in der Hauptsache streitige Forderung von Krankengeld für die Zeit vom 26. Mai bis zur Beendigung der Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten am 30. September 2016 (128 Kalendertage) wäre die Berufung in der Hauptsache nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ausgeschlossen, da der Beschwerdewert EUR 750,00 überschritten ist. Denn es ist davon auszugehen, dass der kalendertäglichen Zahlbetrag des Krankengelds mehr als EUR 5,86 beträgt.

2. Der Senat hat den Antrag der Klägerin sachgerecht (123 SGG) gefasst. Nachdem die Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten zwischenzeitlich am 30. September 2016 endete, hat der Senat den Antrag bezüglich der Dauer der begehrten vorläufigen Zahlung von Krankengeld für die Zeit bis zum 30. September 2016 begrenzt, da weitergehende Ansprüche gegen die Beklagte nicht bestehen können. Es kann nicht unterstellt werden, dass die Klägerin für die Zeit ab dem 1. Oktober 2016 Krankengeld von der Beklagten begehrt, auch wenn von der anwaltlich vertretenen Klägerin zu erwarten gewesen wäre, dass sie selbst den Antrag entsprechend begrenzt.

3. Die Beschwerde der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat den Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

a) Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist Voraussetzung, dass ein dem Antragsteller zustehendes Recht oder rechtlich geschütztes Interesse vorliegen muss (Anordnungsanspruch), das ohne Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes vereitelt oder wesentlich erschwert würde, so dass dem Antragsteller schwere, unzumutbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund müssen glaubhaft gemacht sein (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Glaubhaftmachung liegt vor, wenn das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrunds überwiegend wahrscheinlich sind. Dabei dürfen sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss des Ersten Senats vom 13. April 2010 – 1 BvR 216/07 – juris, Rn. 64; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 6. August 2014 – 1 BvR 1453/12 – juris, Rn. 9).

Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen nicht isoliert nebeneinander; es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung der Art, dass die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt (vgl. Landessozialgericht [LSG] Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. November 2013 – L 15 AS 365/13 B ER – juris, Rn. 18; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. Januar 2007 – L 7 SO 5672/06 ER-B – juris, Rn. 2). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. November 2013 – L 15 AS 365/13 B ER – juris, Rn. 18; Hessisches LSG, Beschluss vom 5. Februar 2007 – L 9 AS 254/06 ER – juris, Rn. 4). Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. November 2013 – L 15 AS 365/13 B ER – juris, Rn. 18; Hessisches LSG, Beschluss vom 5. Februar 2007 – L 9 AS 254/06 ER – juris, Rn. 4).

b) Die begehrte einstweilige Anordnung ist nicht zu erlassen, weil kein Anordnungsgrund gegeben ist.

Ein Anordnungsgrund liegt nur dann vor, wenn der Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig ist; d. h. es muss eine dringliche Notlage vorliegen, die eine sofortige Entscheidung erfordert (Hessisches LSG, Beschluss vom 21. März 2006 – L 9 AS 124/05 ER – juris, Rn. 35). Eilbedürftigkeit besteht, wenn dem Betroffenen ohne die Eilentscheidung eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnte (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 – juris, Rn. 23; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27. Februar 2014 – L 2 AS 252/14 B ER – juris, Rn. 27). Die Dringlichkeit einer die Hauptsache vorwegnehmenden Eilentscheidung kann in aller Regel nur bejaht werden, wenn dem Antragsteller schlechthin unzumutbare Nachteile entstünden, wenn er auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens verwiesen würde (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. August 2006 – L 13 AS 2759/06 ER-B – juris, Rn. 4; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 26. Oktober 2006 – L 13 AS 4113/06 ER-B – juris, Rn. 4).

aa) Soweit die Klägerin Krankengeld für die Zeit vom 26. Mai bis 21. Juni 2016 begehrt, fehlt es an einem Anordnungsgrund, weil es sich ausschließlich um Leistungen für einen Zeitraum vor dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung, den sie am 22. Juni 2016 beim SG stellte, handelt. Die Regelungsanordnung dient zur Abwendung wesentlicher Nachteile mit dem Ziel, dem Betroffenen die Mittel zur Verfügung zu stellen, die zur Behebung aktueller - noch bestehender - Notlagen notwendig sind. Einen Ausgleich für Rechtsbeeinträchtigungen in der Vergangenheit herbeizuführen ist deshalb grundsätzlich nicht Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes. Eine Ausnahme ist bei einer begehrten Regelungsanordnung nur dann zu machen, wenn die Notlage noch bis in die Gegenwart fortwirkt und den Betroffenen in seiner menschenwürdigen Existenz bedroht (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 31. Juli 2014 - L 4 P 2852/14 ER-B -, m.w.N. nicht veröffentlicht). Anhaltspunkte für das Vorliegen der genannten Ausnahme sind nicht ersichtlich. Die Klägerin war bis zum Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz in der Lage, mit Hilfe ihrer Einkünfte ihren Lebensunterhalt sicherzustellen.

bb) Hinsichtlich der Zeit vom 22. Juni bis 30. September 2016 liegt ein Anordnungsgrund nicht vor, weil keine Nachteile ersichtlich sind, die die Klägerin erleiden würde, wenn sie hinsichtlich ihres Begehrens auf Gewährung von Krankengeld den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abwarten würde. Ihr Begehren, von der Beklagten Krankengeld zu erhalten, wird sich in absehbarer Zeit nicht wiederholen, denn die Klägerin ist seit 1. Oktober 2016 nicht mehr bei der Beklagten krankenversichert. Nicht wiedergutzumachende Rechtsverletzungen oder ein sonstiger irreparabler Schaden entstehen der Klägerin durch den Verweis auf das Hauptsacheverfahren nicht.

Im Übrigen ist für den Senat aber auch ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Allein der pauschale Vortrag der Klägerin, dass sie ihre Miete (zum 1. Juli 2016) - die Klägerin gab nicht einmal die Höhe der zu zahlenden Miete an - nicht mehr bezahlen könne, ist für die Geltendmachung eines Anordnungsgrundes nicht ausreichend. Die Klägerin legte - was im Rahmen einer ordnungsgemäßen Prozessführung von Klägerseite erwartet werden darf - weder ihre Einkommens- noch ihre Vermögensverhältnisse im Einzelnen dar. Insoweit unterließ es die Klägerin insbesondere, vorzutragen, dass sie Leistungen nach dem SGB II erhält. Die Beklagte legte insoweit Unterlagen vor, aus denen sich ergibt, dass die Klägerin im maßgeblichen Zeitraum ab Rechtshängigkeit des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes am 22. Juni 2016 bis 26. September 2016 Leistungen nach dem SGB II und vom 27. bis 30. September 2016 Arbeitslosengeld erhielt. Anhaltspunkte dafür, dass sie nicht in der Lage ist, ihren Lebensunterhalt durch andere Mittel als durch Krankengeld bestreiten, sind nicht ersichtlich. Wenn auch ein Anordnungsgrund nicht generell unter Verweis auf Sozialhilfe- oder Grundsicherungsleistungen verneint werden kann, stellen sie zumindest das Existenzminimum einschließlich einer Absicherung im Krankheitsfall sicher. Schwere und unzumutbare Beeinträchtigungen werden dadurch ausgeschlossen. Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, dass sie Verbindlichkeiten zu bedienen oder Bedarfe hat, die durch die Leistungen der Grundsicherung nicht ausreichend abgedeckt würden. Die begehrten Leistung ist somit nicht notwendig, um schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen abzuwenden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

5. Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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