Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 162 AS 8357/16
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 2632/16 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 1. November 2016 aufgehoben. Der Klägerin wird für das Verfahren bei dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten bewilligt.
Gründe:
Die Beschwerde der Klägerin ist begründet; die erstinstanzlich erhobene isolierte Anfechtungsklage gegen den eine Eingliederungsvereinbarung (EV) ersetzenden Verwaltungsakt des Beklagten vom 11. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2016 hat hinreichende Aussicht auf Erfolg, so dass der Klägerin Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten zu bewilligen war (vgl § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - iVm §§ 114, 121 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -).
Die Rechtswidrigkeit des EV-Verwaltungsakts ergibt sich hier schon aus der Tatsache, dass der Beklagte entgegen der gesetzlichen Vorgabe ohne Ermessenserwägungen eine Geltungsdauer von zwölf Monaten angeordnet hat. Maßgebend ist insoweit die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung. Zwar verweist Satz 6 des § 15 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) in der bis 31. Juli 2016 geltenden und hier noch anwendbaren Fassung (aF) wegen des eine EV ersetzenden Verwaltungsakts allein auf "die Regelungen nach Satz 2". Es ist jedoch nicht zu erkennen, dass nach dieser Rechtslage der Grundsicherungsträger die Geltungsdauer eines ersetzenden Verwaltungsakts ohne Bindung an die Vorgabe des Satzes 3 nach freiem Ermessen festlegen können sollte. Nach § 15 Abs. 1 Satz 3 SGB II aF sollte die EV für sechs Monate geschlossen werden. Aufgrund des Verhältnisses der Regelungen in Satz 1 und 2 des § 15 Abs. 1 SGB II aF zu Satz 6 dieser Vorschrift galt dies auch für den die EV ersetzenden Verwaltungsakt. Bei der Entscheidung über die Geltungsdauer war das Ermessen des Grundsicherungsträgers danach gebunden. Für den Regelfall sah der Gesetzgeber sechs Monate als angemessen an. Die sechsmonatige Regellaufzeit entsprach dem Bewilligungszeitraum für Leistungen nach dem SGB II gemäß § 41 Abs. 1 Satz 2 SGB II aF (vgl zum Ganzen BSG, Urteil vom 14. Februar 2013 - B 14 AS 195/11 R = SozR 4-4200 § 15 Nr 2).
Der Klage kann aber auch nach den nachfolgenden Gesichtspunkten im Hinblick auf die jüngste Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG; Urteil vom 23. Juni 2016 - B 14 AS 42/15 R - juris) eine ausreichende Erfolgsaussicht nicht abgesprochen werden: Ob und mit welchen Inhalten eine EV durch Verwaltungsakt ersetzt wird, hat das Jobcenter gemäß § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II aF ("sollen die Regelungen durch Verwaltungsakt erfolgen") nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Die Ersetzungsentscheidung ist daher an den Zwecken auszurichten, die nach dem Regelungskonzept des SGB II mit der zu ersetzenden EV verfolgt werden, und es sind die Grenzen einzuhalten, die auch bei einer vertraglichen Verständigung über die Inhalte der EV zu wahren sind. Auch die Regelungen eines Eingliederungsverwaltungsakts müssen danach zunächst den Anforderungen genügen, die je für sich aus den möglichen Inhalten nach § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB II aF abzuleiten sind. Zu beachten sind zudem weiter die Maßgaben, die aus der Vertragsform der zu ersetzenden EV resultieren. Als öffentlich-rechtlicher Vertrag (so BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 - B 14 AS 30/15 R - juris) unterliegt der Abschluss einer EV den Anforderungen des § 55 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X). Muss danach die Gegenleistung, zu der sich der Vertragspartner der Behörde verpflichtet, "den gesamten Umständen nach angemessen sein und im sachlichen Zusammenhang mit der vertraglichen Leistung der Behörde stehen", so gilt nichts anderes, wenn das Jobcenter "die Regelungen" durch Verwaltungsakt zu ersetzen hat; auch in dieser Handlungsform wahrt die verbindliche und ggf die Sanktionsfolgen nach §§ 31a, 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II auslösende Konkretisierung der Eigenbemühungen der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten den durch § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB X vorgegebenen Rahmen nur, wenn ihr eine iS der Vorschrift den Umständen nach angemessene Bestimmung der "vertraglichen Leistung der Behörde", also: der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach § 15 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II, gegenübersteht. Das Jobcenter hatte danach auch bei Ersetzungsentscheidungen nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II aF eine der individuellen Bedarfslage des erwerbsfähigen Leistungsbeziehers gerecht werdende Konkretisierung der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit vorzunehmen (vgl im Einzelnen BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 - B 14 AS 42/15 R -).
Danach reicht es nicht aus, wenn der Beklagte - wie hier - lediglich darauf verweist, dass sie - wozu sie gesetzlich ohnehin verpflichtet ist - für Beratungstermine zur Verfügung steht und ggf zur Klärung der gesundheitlichen Situation ein ärztliches Gutachten einleitet. Konkrete Leistungen zur Eingliederung in Arbeit iS der angestrebten "maßgeschneiderten Ausrichtung der Eingliederungsleistungen" (vglBT-Drucks 15/1516 S 44) sind damit nicht bezeichnet, ohne dass dies von hinreichenden Ermessenserwägungen getragen wäre. Zwar mag es im Einzelfall Gründe geben, auf Eingliederungsangebote nach § 15 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II aF, die auf die individuelle Situation zugeschnitten sind, zu verzichten. Dies setzt jedoch gemäß § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II aF ("sollen" die Regelungen von Satz 2 durch Verwaltungsakt erfolgen) die Ausübung pflichtgemäßem Ermessens voraus, wofür mangels jeder Begründung der angefochtenen Entscheidungen hier nichts erkennbar ist. Auch zur Einleitung einer ärztlichen Begutachtung hätte es des Erlasses eines Eingliederungs-VA nicht bedurft. Im Ergebnis wurde dieser hier auf eine Anknüpfungsgrundlage für mögliche Sanktionsentscheidungen reduziert, was der gesetzlichen Konzeption nicht entspricht (vgl BSG aaO).
Kosten sind im PKH-Beschwerdeverfahren kraft Gesetzes nicht zu erstatten (vgl § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
Die Beschwerde der Klägerin ist begründet; die erstinstanzlich erhobene isolierte Anfechtungsklage gegen den eine Eingliederungsvereinbarung (EV) ersetzenden Verwaltungsakt des Beklagten vom 11. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2016 hat hinreichende Aussicht auf Erfolg, so dass der Klägerin Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten zu bewilligen war (vgl § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - iVm §§ 114, 121 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -).
Die Rechtswidrigkeit des EV-Verwaltungsakts ergibt sich hier schon aus der Tatsache, dass der Beklagte entgegen der gesetzlichen Vorgabe ohne Ermessenserwägungen eine Geltungsdauer von zwölf Monaten angeordnet hat. Maßgebend ist insoweit die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung. Zwar verweist Satz 6 des § 15 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) in der bis 31. Juli 2016 geltenden und hier noch anwendbaren Fassung (aF) wegen des eine EV ersetzenden Verwaltungsakts allein auf "die Regelungen nach Satz 2". Es ist jedoch nicht zu erkennen, dass nach dieser Rechtslage der Grundsicherungsträger die Geltungsdauer eines ersetzenden Verwaltungsakts ohne Bindung an die Vorgabe des Satzes 3 nach freiem Ermessen festlegen können sollte. Nach § 15 Abs. 1 Satz 3 SGB II aF sollte die EV für sechs Monate geschlossen werden. Aufgrund des Verhältnisses der Regelungen in Satz 1 und 2 des § 15 Abs. 1 SGB II aF zu Satz 6 dieser Vorschrift galt dies auch für den die EV ersetzenden Verwaltungsakt. Bei der Entscheidung über die Geltungsdauer war das Ermessen des Grundsicherungsträgers danach gebunden. Für den Regelfall sah der Gesetzgeber sechs Monate als angemessen an. Die sechsmonatige Regellaufzeit entsprach dem Bewilligungszeitraum für Leistungen nach dem SGB II gemäß § 41 Abs. 1 Satz 2 SGB II aF (vgl zum Ganzen BSG, Urteil vom 14. Februar 2013 - B 14 AS 195/11 R = SozR 4-4200 § 15 Nr 2).
Der Klage kann aber auch nach den nachfolgenden Gesichtspunkten im Hinblick auf die jüngste Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG; Urteil vom 23. Juni 2016 - B 14 AS 42/15 R - juris) eine ausreichende Erfolgsaussicht nicht abgesprochen werden: Ob und mit welchen Inhalten eine EV durch Verwaltungsakt ersetzt wird, hat das Jobcenter gemäß § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II aF ("sollen die Regelungen durch Verwaltungsakt erfolgen") nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Die Ersetzungsentscheidung ist daher an den Zwecken auszurichten, die nach dem Regelungskonzept des SGB II mit der zu ersetzenden EV verfolgt werden, und es sind die Grenzen einzuhalten, die auch bei einer vertraglichen Verständigung über die Inhalte der EV zu wahren sind. Auch die Regelungen eines Eingliederungsverwaltungsakts müssen danach zunächst den Anforderungen genügen, die je für sich aus den möglichen Inhalten nach § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB II aF abzuleiten sind. Zu beachten sind zudem weiter die Maßgaben, die aus der Vertragsform der zu ersetzenden EV resultieren. Als öffentlich-rechtlicher Vertrag (so BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 - B 14 AS 30/15 R - juris) unterliegt der Abschluss einer EV den Anforderungen des § 55 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X). Muss danach die Gegenleistung, zu der sich der Vertragspartner der Behörde verpflichtet, "den gesamten Umständen nach angemessen sein und im sachlichen Zusammenhang mit der vertraglichen Leistung der Behörde stehen", so gilt nichts anderes, wenn das Jobcenter "die Regelungen" durch Verwaltungsakt zu ersetzen hat; auch in dieser Handlungsform wahrt die verbindliche und ggf die Sanktionsfolgen nach §§ 31a, 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II auslösende Konkretisierung der Eigenbemühungen der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten den durch § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB X vorgegebenen Rahmen nur, wenn ihr eine iS der Vorschrift den Umständen nach angemessene Bestimmung der "vertraglichen Leistung der Behörde", also: der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach § 15 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II, gegenübersteht. Das Jobcenter hatte danach auch bei Ersetzungsentscheidungen nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II aF eine der individuellen Bedarfslage des erwerbsfähigen Leistungsbeziehers gerecht werdende Konkretisierung der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit vorzunehmen (vgl im Einzelnen BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 - B 14 AS 42/15 R -).
Danach reicht es nicht aus, wenn der Beklagte - wie hier - lediglich darauf verweist, dass sie - wozu sie gesetzlich ohnehin verpflichtet ist - für Beratungstermine zur Verfügung steht und ggf zur Klärung der gesundheitlichen Situation ein ärztliches Gutachten einleitet. Konkrete Leistungen zur Eingliederung in Arbeit iS der angestrebten "maßgeschneiderten Ausrichtung der Eingliederungsleistungen" (vglBT-Drucks 15/1516 S 44) sind damit nicht bezeichnet, ohne dass dies von hinreichenden Ermessenserwägungen getragen wäre. Zwar mag es im Einzelfall Gründe geben, auf Eingliederungsangebote nach § 15 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II aF, die auf die individuelle Situation zugeschnitten sind, zu verzichten. Dies setzt jedoch gemäß § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II aF ("sollen" die Regelungen von Satz 2 durch Verwaltungsakt erfolgen) die Ausübung pflichtgemäßem Ermessens voraus, wofür mangels jeder Begründung der angefochtenen Entscheidungen hier nichts erkennbar ist. Auch zur Einleitung einer ärztlichen Begutachtung hätte es des Erlasses eines Eingliederungs-VA nicht bedurft. Im Ergebnis wurde dieser hier auf eine Anknüpfungsgrundlage für mögliche Sanktionsentscheidungen reduziert, was der gesetzlichen Konzeption nicht entspricht (vgl BSG aaO).
Kosten sind im PKH-Beschwerdeverfahren kraft Gesetzes nicht zu erstatten (vgl § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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