L 6 AS 328/16

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 35 AS 4507/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 6 AS 328/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 16.12.2015 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird auch im Berufungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger ist selbstständiger Rechtsanwalt. Sein am 00.00.2012 geborener Sohn K I lebt bei der Mutter U L. Unter dem 24.06.2014 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass beide ab dem 01.07.2014 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) erhielten. Der Kläger gehöre zu den unterhaltpflichtigen Personen, die vorbehaltlich ihrer Leistungsfähigkeit verpflichtet seien, Unterhalt zu gewähren. Nach § 33 Abs. 1 SGB II gingen die Unterhaltsansprüche einschließlich des bürgerlich-rechtlichen Auskunftsanspruchs auf den Leistungsträger über. Soweit erforderlich, werde der Kläger zur Feststellung seiner Leistungsfähigkeit um Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse aufgefordert. Auf den Bedarf des Sohnes werden seit Leistungsbeginn Kindergeld und der vom Kläger gezahlte Kindesunterhalt iHv monatlich 225 EUR angerechnet.

Durch Bescheid vom 25.07.2014 forderte der Beklagte den Kläger zur Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse gemäß § 60 SGB II, §§ 1361, 1580, 1605 BGB auf. Nach der beigefügten Anlage "Einkommen bei selbstständiger Tätigkeit" sollte der Kläger Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse machen und die Einkommensteuererklärungen der Jahre 2010 bis 2012 nebst Anlagen, die Einkommensteuerbescheide 2010 bis 2012, soweit diese erteilt seien, das Anlageverzeichnis, die Abschreibungsliste bzw. das Bestandsverzeichnis für das Anlagevermögen von 2010 bis 2012, die Aufgliederung der jeweiligen Posten der Bilanz mit Gewinn- und Verlustrechnung bzw. Einnahmen-Überschussrechnung für die Jahre 2010 bis 2012 sowie Beitragsnachweise über private Vorsorgeaufwendungen in 2012 einreichen.

Dem widersprach der Kläger mit Schreiben vom 29.07.2014 und 04.08.2014. Den Leistungsempfängern selbst sei die Auskunft bereits im familiengerichtlichen Verfahren erteilt worden, ein Anspruch auf erneute Auskunft gem. § 1605 Abs. 2 BGB bestehe nicht. Für seinen Sohn zahle er monatlich 225 EUR Unterhalt, darüber hinausgehende Leistungen an die Kindesmutter oder den Sohn erbringe er nicht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16.10.2014 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Da Leistungen nach dem SGB II erbracht würden, bestehe der öffentlich-rechtliche Auskunftsanspruch gem. § 60 SGB II gegen den Kläger. Auch könne der Leistungsträger anders als der Unterhaltsberechtigte zu jedem Zeitpunkt Auskunft über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse verlangen; die Begrenzung des § 1605 Abs. 2 BGB gelte nicht beim Auskunftsverlangen nach § 60 SGB II.

Mit seiner am 10.11.2014 bei dem Sozialgericht (SG) Duisburg erhobenen Klage hat der Kläger den angefochtenen Bescheid vom 25.07.2014 als nicht hinreichend bestimmt beanstandet. Er hat daran fest gehalten, dass ein Auskunftsanspruch angesichts des beim Familiengericht C unter dem Aktenzeichen S 36 F 84/13 über Unterhaltsansprüche geführten Verfahrens nicht bestehe. Dort habe er bereits einmal Auskunft erteilt. Der Beklagte könne die Akte anfordern und sich so die erforderlichen Informationen und Nachweise auf eine einfachere Art und Weise verschaffen. Ihm sei es nicht zu zumuten, ständig neue Auskünfte zu erteilen. Mit der Rechtsansicht des Beklagten könne ein Unterhaltspflichtiger täglich mit Auskunftsverlangen überzogen werden. Zudem sei der dem Bescheid vom 25.07.2014 beigefügte Fragebogen zu weitgehend, indem Angaben der Ehefrau bzw. entsprechende Auskünfte abgefragt würden. Es sei nicht seine Aufgabe, den unzulässigen Teil des Fragebogens herauszustreichen; eine geltungserhaltende Reduktion, die den Vorgaben des § 60 Abs. 2 SGB II genüge, sei nicht zulässig.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid vom 25.07.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.10.2014 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Kläger könne mit geringstem Aufwand die angeforderten Auskünfte über das aktuelle Einkommen oder Vermögen erteilen. Da es sich bei dem Auskunftsanspruch um einen eigenen originären Anspruch handele, brauche er - der Beklagte - sich auch nicht auf Dritte verweisen zu lassen. Zudem sei nicht sicher, dass die Unterhaltsakte alle angeforderten Unterlagen enthalte. Die Unterlagen der Jahre 2010 bis 2012 habe er angefordert, da zur Unterhaltsberechnung bei Selbstständigen auf das Durchschnittseinkommen der letzten drei Kalenderjahre abzustellen sei.

Das SG hat durch Urteil vom 16.12.2015 die Klage als unbegründet abgewiesen. Der Bescheid vom 25.07.2014 sei formell rechtmäßig. Der Beklagte habe den Kläger zuvor angehört. Der Kläger werde zu Recht auf Auskunfterteilung in Anspruch genommen. § 60 Abs. 2 SGB II regele abschließend die Einholung der zur Durchführung des SGB II benötigten Auskünfte Dritter und stelle eine praktische Umsetzung des im SGB II geltenden Nachranggrundsatzes gem. § 5 SGB II dar. Voraussetzung sei nicht, dass die Unterhaltsverpflichtung festgestellt werde; ausgeschlossen sei eine Auskunftsverpflichtung nur dann, wenn ein Unterhaltsanspruch offensichtlich nicht bestehe. Zu den Auskunftsverpflichteten zähle § 60 Abs. 2 SGB II alle diejenigen, die aufgrund familienrechtlicher Regelung zum Unterhalt verpflichtet seien Hier gehe es jedenfalls um die Unterhaltsverpflichtung des Klägers gemäß § 1601 BGB gegenüber seinem Sohn K. § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II beinhalte eine eigenständige Rechtsgrundlage für den SGB II-Leistungsträger auf Auskunft über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse gegen denjenigen, der einem Leistungsbezieher nach dem SGB II seinerseits zur Leistung verpflichtet sei. Die Sperrwirkung des § 1605 Abs. 2 BGB gelte hier nicht, § 60 Abs. 2 S. 3 SGB II verweise ausdrücklich nur auf § 1605 Abs. 1 BGB. Anders als der Unterhaltsschuldner im Sinne des BGB sei der SGB II-Leistungsträger danach berechtigt, zu jedem Zeitpunkt Auskunft zu verlangen, wenn dies erforderlich sei. Die dem Bescheid beigefügte und vom Kläger auszufüllende "Erklärung über die wirtschaftlichen Verhältnisse" verletze nicht die rechtlichen Vorgaben des § 60 Abs. 2 SGB II. Es handele sich um ein Musterformular für eine Vielzahl von Fällen. Der Kläger als Rechtsanwalt könne auch aus dessen Inhalt eindeutig und unmissverständlich erkennen, welche Person unterhaltspflichtig sei und von welcher Person welche Angaben über die wirtschaftlichen Verhältnisse angefordert würden.

Der Erforderlichkeit der verlangten Auskunft stehe schließlich nicht entgegen, dass sich der SGB II-Leistungsträger die Information auch aus anderen Quellen erschließen könne. Dem Beklagten sei es nicht zumutbar gewesen, die Akte des AG C beizuziehen und dort Angaben des Klägers, Auskünfte und Nachweise heraus zu suchen und zu entnehmen. Auch wenn die Auskunftsverpflichtung einen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung darstelle, gelte hier § 60 SGB II als gesetzliche Eingriffsgrundlage. Der Einzelne müsse Beschränkungen seines Rechts hinnehmen, die durch ein überwiegendes Allgemeininteresse gerechtfertigt seien. Bei der Überprüfung bezüglich Sozialleistungen handele es sich um einen solchen bedeutsamen Gemeinwohlbelang. Gegen die Beiziehung der Akte des AG C durch den Beklagten bestünden zudem datenschutzrechtliche Bedenken. Sollte, dem Kläger ggf. Kosten für die Beschaffung der Unterlagen entstehen, gelte dafür § 60 Abs. 2 Satz 2 SGB II iVm § 21 Abs. 3 Satz 4 SGB X , wonach auf Antrag eine Entschädigung in entsprechender Anwendung des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen in Frage käme.

Gegen das ihm am 20.01.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18.02.2016 Berufung eingelegt und wiederholt, er zahle für den Sohn K die Unterhaltsleistungen nach der Düsseldorfer Tabelle. Ein Auskunftsanspruch bestehe hier weiterhin nicht aus § 60 SGB II. Unabhängig von der Frage, ob es sich um einen originären Auskunftsanspruch des Beklagten ihm gegenüber handele, sei jedenfalls der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht gewahrt. Denn der Leistungsträger, d.h. der Beklagte, verfüge bereits über die gewünschten Informationen oder könne sich diese doch auf einfache Weise beschaffen. Mit Blick auf das Verfahren beim AG C sei es dem Beklagten ohne Weiteres möglich (gewesen), die entsprechende Auskünfte dort - notfalls im Rahmen der Amtshilfe - einzuholen. Auch der Umfang der jetzt vom Beklagten angeforderten Belege einschließlich Nachweisen aus den vergangenen zwei bzw. drei Jahren verdeutliche, dass es ihm unzumutbar sein könne, in außerordentlich zeitaufwendiger und umfangreicher Arbeit die entsprechenden Belege zweimal zusammenzustellen. Er habe jedenfalls im Rahmen des Auskunftsverfahrens beim AG C ausführlich Auskunft erteilt. Der angefochtene Bescheid sei zudem formell unwirksam. Der vom Beklagten verwandte Fragebogen gehe in dieser Fallkonstellation zu weit und beziehe Personen ein, die offenkundig nicht unterhaltspflichtig sein könnten. Der Vordruck richte sich auch in Spalte 2 an "Ehegatte/Lebensgefährte", dies sei mit den rechtlichen Vorgaben des § 60 Abs. 2 SGB II nicht vereinbar. Der Bescheid sei angesichts des unzulässigen Auskunftsbegehrens im beigefügten Fragebogen rechtswidrig, es gebe hier keine geltungserhaltende Reduktion. Zudem könne es unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht sein, dass ein Dritter in erster Linie und der eigentliche Leistungsempfänger überhaupt nicht auf Auskunfterteilung und Mitwirkung in Anspruch genommen werde. Es obliege vielmehr dem Leistungsempfänger, die für die Berechnung eventueller Rückforderungsansprüche erforderlichen Auskünfte vollständig vorzutragen und zu belegen. Die Inanspruchnahme Dritter, also jener, die keine Leistungen bezögen, müsse bei Eingriffen wie hier die "ultima ratio" sein. Sonst würde nachhaltig in ein verfassungsrechtlich geschütztes Rechtsgut Dritter eingegriffen. Durch die Doppelbelastung des Unterhaltsverpflichteten würde jedoch § 1605 Abs. 2 BGB nachhaltig unterlaufen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 16.12.2015 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 28.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.10.2014 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er bezieht sich auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides und des angefochtenen Urteils.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vorliegende Gerichtsakte und den Aktenvorgang des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 28.07.2014, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 16.10.2014, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Der Beklagte hat den Kläger zu Recht auf Auskunft über dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie auf Vorlage von Belegen darüber in Anspruch genommen. Die Verpflichtung des Klägers zur Auskunftserteilung folgt aus § 60 Abs. 2 S. 1 SGB II. Danach ist derjenige, der jemanden, der Leistungen nach dem SGB II beantragt hat oder bezieht, zu Leistungen verpflichtet ist, die geeignet sind, Leistungen auszuschließen oder zu mindern, verpflichtet, der Agentur für Arbeit auf Verlangen hierüber sowie über damit im Zusammenhang stehendes Einkommen und Vermögen Auskunft zu erteilen, soweit es zur Durchführung der Aufgaben nach diesem Buch erforderlich ist.

Auskunftsberechtigt ist der Beklagte als der für den Sohn und Mutter dessen zuständige Träger. Über den Wortlaut der Vorschrift hinaus kann nicht nur die Agentur für Arbeit, sondern können als Ergebnis einer erweiternden Auslegung alle zuständigen SGB II - Leistungsträger Auskunft verlangen; denn es ist nicht erkennbar, dass und warum die Mitwirkungspflicht des Dritten je nach Trägerschaft unterschiedlich ausgestaltet sein sollte bei identischer Aufgabenerfüllung der Träger (vgl. Blüggel in:Eicher SGB II, 3. Aufl., § 60 Rn 9).

Adressat des Auskunftsverlangens ist ungeachtet der Frage, ob auch die Kindesmutter einen Unterhaltsanspruch gegen den Kläger hat, zulässigerweise der Kläger jedenfalls als nichtehelicher Vater des Kindes K, der vom Beklagten seit dem 01.07.2014 Leistungen nach dem SGB II erhält. Zu den Auskunftspflichtigen nach § 60 Abs. 2 S. 1 Var. 1 SGB II gehören alle, die aufgrund familienrechtlicher Bestimmungen unterhaltspflichtig sind oder sein können (vgl. LSG NRW Urteil vom 29.01.2007 - L 1 AS 12/06 - juris Rn. 16; Sächsisches LSG, Urteil vom 13.02.2014 - L 7 AS 34/10 - juris Rn. 23; Stachnow-Meyerhoff in: juris PK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 60 , Rn. 47 ). Die Unterhaltspflicht folgt hier aus § 1601 BGB. Der Unterhaltsanspruch ist nicht von vorneherein offensichtlich nicht gegeben. Der Kläger zahlt (Mindest-)Unterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle; ob er mehr zu zahlen verpflichtet ist, ist offensichtlich Gegenstand des mehrjährigen Rechtsstreits beim AG C. Dass der Beklagte seinem Sohn tatsächlich Leistungen seit dem 01.07.2014 erbringt, wird vom Kläger nach anfänglich anderer Ausrichtung seines prozessualen Verhaltens nun nicht mehr in Abrede gestellt, wäre aber auch unerheblich, da die Vorschrift in ihrem Anwendungsbereich auch geschuldete, aber noch nicht erbrachte Leistungen erfasst. Bewilligungsbescheide für die Zeiträume ab Juli 2014 hat der Beklagte in Kopie vorgelegt.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist das Auskunftsverlangen inhaltlich hinreichend bestimmt iSv § 33 Abs. 1 SGB X. Aus dem Auskunftsersuchen ergibt sich die Person des Auskunftsverpflichteten, es enthält die Tatsachen, auf die sich das Auskunftsverlangen erstreckt sowie die Bedeutung dieser Tatsachen für die beantragte oder bereits gewährte Leistung (vgl. Stachnow-Meyerhoff, a.a.O. Rn. 34, 85). Für den Kläger ist damit ohne weiteres klar und erkennbar, was der Beklagte zu regeln bezweckte (vgl. dazu BSG Urteil vom 30. 08. 2001 - B 4 RA 114/00 R - SozR 3-2600 § 149 Nr. 6 = juris Rn. 25; BSG Urteil vom 28.03. 2013 - B 4 RA 59/12 R - SozR 4-1300 § 45 Nr. 13 = juris jeweils Rn. 16; BSG Urteil vom 10.09. 2013 - B 4 RA 89/12 R - SozR 4-4200 § 11 Nr. 62 = juris jeweils Rn. 15), so dass er sein Verhalten danach ausrichten konnte (vgl. BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 30/09 R - SozR SGB 2010, 84 = juris Rn. 16).

Angesichts dieser eindeutigen Bestimmung des Adressaten/Auskunftpflichtigen ist es - worauf schon das SG auch in der Begründung zutreffend abgestellt hatte - unerheblich, dass der Fragebogen einen Frageteil an eine etwaige Ehefrau oder Partnerin des Klägers enthält, die zur Auskunft nicht verpflichtet ist. Dieser Fehler in der Umsetzung des Auskunftsverlangens hat keine Rückwirkung auf die Beurteilung der im Bescheid getroffenen Regelung.

Die erfragten Tatsachen waren/sind für die Entscheidung über den Leistungsanspruch des Sohnes durch den Beklagten auch erforderlich (Meyerhoff a.a.O. Rz. 30). Diese als Grund für die Einschränkung des informationellen Selbstbestimmungsrechts maßgebliche Voraussetzung ist erfüllt, da die Zahlung von Unterhalt als Einkommen zu berücksichtigen ist, aber auch die alleinige Verpflichtung über § 33 SGB II die Handhabe bietet, den Anspruch gegen Kläger durch den Beklagten geltend zu machen.

Die im Einzelnen erfragten Tatsachen sind deshalb von Bedeutung und sachgerecht, weil sie den Unterhaltsanspruch der Höhe nach beeinflussen. Bei Selbstständigen kommt Informationen aus zurückliegenden Wirtschafts- und Steuerjahren einschließlich Einkommensteuererklärungen und -bescheiden für Zeiten vor Geburt und Leistungsbeginn unterhaltsrechtliche Bedeutung iSd §§ 1601 ,1603, 1605 BGB zu (vgl. bereits Bundesgerichtshof - BGH - Urteil vom 13.03.1983 - IVb ZR 374/81, juris). Konkret ist bei den Nachweisen für die Einkünfte aus selbstständiger Erwerbstätigkeit regelmäßig von diversen steuerrechtlichen Zusammenstellungen (Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen, Einkommensteuererklärungen und -bescheiden) auszugehen (vgl. Staudinger BGB § 1603, Rn 40 ff). Für Freiberufler wie Architekten, Ärzte oder hier einen Rechtsanwalt, welche keine Bücher führen, kommt als Beleg eine vom Steuerberater aufgestellte Einnahmen-Überschußrechnung gem. § 4 Abs. 3 EStG in Betracht (KG NJW 1981, 2471; s. auch Staudinger a.a.O. Rn 39 f). Für den Umfang des Nachweises der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit ist nach allgemeiner Meinung in Literatur und Rechtsprechung auch von einem Durchschnittseinkommen aus einem längeren Zeitraum, meist drei Jahre, gegebenenfalls länger, auszugehen (BGH NJW 1982, 1642 = FamRZ 1982, 680; NJW 1982, 1645 = FamRZ 1982, 151; NJW 1983, 1554 = FamRZ 1983, 680; NJW 1985, 909 = FamRZ 1985, 357). Das Durchschnittseinkommen der letzten drei Jahre ist sogar bei nebenberuflichen Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit zugrundezulegen (OLG Hamm FamRZ 1999, 1014 ). Die vom Beklagten gegenüber dem Kläger im Juli 2014 verlangten Auskünfte und Belege sowie umfangreichen, auch älteren Nachweise, namentlich hier "die Einkommensteuererklärungen der Jahre 2010 bis 2012 nebst Anlagen, die Einkommensteuerbescheide 2010 bis 2012, soweit diese erteilt seien, das Anlageverzeichnis bzw. Abschreibungsliste bzw. Bestandsverzeichnis für das Anlagevermögen von 2010 bis 2012, die Aufgliederung der jeweiligen Posten der Bilanz mit Gewinn- und Verlustrechnung bzw. Einnahmen-Überschussrechnung für die Jahre 2010 bis 2012 sowie Beitragsnachweise über private Vorsorgeaufwendungen in 2012" werden allesamt von der auch zivilrechtlich bestehenden Auskunftspflicht selbstständig Erwerbstätiger umfasst, die in § 1605 Abs. 1 BGB auch geregelt ist und für die § 60 Abs. 2 SGB II herangezogen wird.

Neben der Auskunft kann der Beklagte als Leistungsträger im Rahmen unterhaltsrechtlicher Beziehungen auch die Vorlage von Belegen fordern (vgl. § 60 Abs. 2 Satz 3 SGB II i.V.m. § 1605 Abs. 1 Satz 2 BGB; s. BSG Urteil vom 24.02.2011 - B 14 AS 87/09 R-juris Rn 19).

Ob der Auskunftsanspruch gegenüber einem Dritten - wie der Kläger meint - unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit davon abhängig ist, dass der Antragsteller seinerseits seinen Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen ist, kann offen bleiben. Die Antragsteller (Sohn und Mutter) können nicht die erforderlichen Angaben machen, da sie selbst nicht über die notwendigen Kenntnisse verfügen. Zum Einen ist das familiengerichtliche Verfahren über die Höhe der Unterhaltsansprüche noch nicht abgeschlossen. Zum Anderen beantworten sich die Fragen - so der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung - nicht durch sein Vorbringen im familiengerichtlichen Verfahren und die dort beigebrachten Unterlagen. Auch die Beiziehung der Akte ist vor diesem Hintergrund für den Beklagten kein einfacherer Weg, um die Informationen zu erhalten, da sie jedenfalls weder die Einkommensteuerklärungen nebst Anlagen für die Jahre 2010 bis 2012 noch Gewinn- und Verlustrechnungen oder ein Anlagenverzeichnis enthält.

Schließlich ist die Auswertung der familiengerichtlichen Akte durch den Beklagten - ungeachtet der schon von dem Beklagten aufgezeigten datenschutzrechtlichen Problematik - auch deshalb kein milderes Mittel, weil nicht unberücksichtigt bleiben kann, dass der ersparte Aufwand auf Seiten des Klägers durch den Mehraufwand auf Seiten des Beklagten (über-)kompensiert würde (vgl. auch Stachnow-Meyerhoff a.a.O. Rn. 42). Im Übrigen widerspräche dies dem Anspruch auf Auskunfterteilung gegen etwaige unterhaltspflichtige Dritte, der dem Beklagten nach § 60 Abs. 2 SGB II als selbstständiges Mittel hoheitlicher Eingriffsverwaltung zur Verfügung gestellt wird (vgl. dazu auch Bülow, NZF 2016, 49 - 54, (52,53) ) mwN).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 3 SGG iVm § 154 Abs. 1 VwGO. Weder der Kläger noch der Beklagte sind nach § 183 SGG von den Gerichtskosten befreit (BSG Urteil vom 24.02.2011 - B 14 AS 87/09 R-juris Rn 25).

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG).

Die Streitwertfestsetzung für das Berufungsverfahren folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 SGG iVm § 52 Abs. 1 und Abs. 2, § 47, § 63 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Mangels genügender Anhaltspunkte für den Wert des Auskunftsverlangens war auch im Berufungsrechtszug - wie beim SG - der Auffangstreitwert von 5.000 Euro gemäß § 52 Abs. 2 GKG zugrunde zu legen.
Rechtskraft
Aus
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