L 7 SO 4512/16 ER

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 4512/16 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes festzustellen, dass ihre Klage gegen den Bescheid vom 12. Oktober 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Mai 2015 aufschiebende Wirkung hat und der genannte Bescheid nicht sofort vollziehbar ist.

Die 1936 geborene Antragstellerin, ausweislich eines der Antragsgegnerin vorgelegten - am 14. November 2003 durch die Republik K. ausgestellten - Reisepasses k. Staatsangehörigkeit, lebte in der H. in K ... Sie verfügte über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Die Antragstellerin bezog ab dem 1. Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (SGB XII). Zuletzt bewilligte ihr die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 18. Mai 2011 Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis zum 30. Juni 2012 (monatlich 681,78 EUR, ab 1. März 2011 monatlich 834,25 EUR).

Nach zwei Hausbesuchen im Februar 2011 regte die Antragsgegnerin die Einrichtung einer Betreuung an, worauf das Amtsgericht (AG) Karlsruhe ein Betreuungsverfahren einleitete (Az.: XVII 360/2011). Im Auftrag des AG Karlsruhe erstattete die Ärztin H. unter dem 5. Mai 2011 ein Gutachten, in dem diese aufgrund eines dementiellen Syndroms und Verwirrtheitszuständen von einer Geschäftsunfähigkeit der Antragstellerin i.S. des § 104 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ausging und eine Betreuung für die Aufgabenkreise Vermögensangelegenheiten, Wohnungsangelegenheiten, Bestimmung des Aufenthalts, Gesundheitsfürsorge, Postempfangsvollmacht sowie Umgang mit Ämtern und Behörden anregte. Das AG Karlsruhe lehnte mit Beschluss vom 18. September 2012 die Bestellung eines rechtlichen Betreuers ab, weil sich die Antragstellerin wieder in B.-H. aufhalte und deren Angelegenheiten durch den bevollmächtigten Sohn G. P.-M-L. (G.P.) ebenso gut wahrgenommen werden könnten (§ 1896 Abs. 2 BGB). Das Landgericht (LG) Karlsruhe wies die Beschwerde der Antragstellerin zurück (Beschluss vom 23. November 2012 - 11 T 427/12 -).

Mit Schreiben vom 30. August 2011 unterrichtete die Betreuungsbehörde der Antragsgegnerin deren Sozialamt darüber, dass die Antragstellerin - nach den Angaben ihrer Schwester - seit dem 21. Juli 2011 wieder in B.-H. wohnhaft sei. Außerdem legte die Betreuungsbehörde verschiedene Schreiben des G.P. vor, der - unter Vorlage einer unbeschränkten Vollmacht der Antragstellerin vom 1. Juni 1994 für den Privat- und Geschäftsbereich - mitgeteilt hatte, dass seine Mutter - die Antragstellerin - am 21. Juli 2011 nach B.-H. verbracht worden sei (Schreiben vom 25. Juli 2011). Als Anschrift benannte er P., P./M. (E-Mail vom 7. September 2011).

Nachdem eine telefonische Kontaktaufnahme seitens der Antragsgegnerin zur Antragstellerin in K. ohne Erfolg geblieben war, führte sie am 11. Oktober 2011 erneut einen Hausbesuch durch. Dabei stellte sie fest, dass die Rollläden der Wohnung geschlossen waren, der Briefkasten gefüllt war und niemand auf ein Klingeln reagierte (Aktenvermerk vom 12. Oktober 2011).

Mit Bescheid vom 12. Oktober 2011 hob die Beklagte ihren Bescheid vom 18. Mai 2011 für die Zeit ab 1. Oktober 2011 auf, weil sich die Antragstellerin seit 21. Juli 2011 in B.-H. aufhalte und keinen tatsächlichen Aufenthalt in K. habe. Der Bescheid wurde zunächst an die Anschrift H., K., versandt.

Bei einem weiteren Hausbesuch am 7. Dezember 2011 traf die Antragsgegnerin die Antragstellerin in K. nicht an; die Wohnung wurde seinerzeit renoviert (Aktenvermerk vom 7. Dezember 2011).

Mit E-Mail vom 27. Juni 2012 teilte der Bevollmächtigte der Antragstellerin mit, dass seine Mutter unter der ehemaligen Anschrift H. in K. gewohnt und Leistungen nach dem SGB XII bezogen habe. Den letzten Sozialhilfebescheid besitze sie nicht. Auf Bitten des Bevollmächtigten übersandte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 3. Juli 2012 die Bescheide vom 18. Mai 2011 und 21. Oktober 2011. Mit Schreiben vom 15. August 2011 (Eingang bei der Antragsgegnerin am 22. August 2011) legte die Antragstellerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 12. Oktober 2011, den sie nach ihren Angaben am 3. August 2012 erhalten habe, ein und wies darauf hin, dass die Adressierung des Bescheids vom 12. Oktober 2011 an die Anschrift H ... in K. sie gehindert habe, die Rechtsbehelfsfrist einzuhalten. Ihr Sohn habe ihre Anschrift in B.-H. der Betreuungsbehörde der Antragsgegnerin rechtzeitig mitgeteilt.

Nachdem das Sozialgericht Karlsruhe (SG) im Verfahren S 1 SO 279/15 mit Urteil vom 16. April 2015 die Antragsgegnerin verurteilt hatte, über den Widerspruch der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 12. Oktober 2011 durch Widerspruchsbescheid zu entscheiden, wies diese den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2015 als unbegründet zurück. Die Antragstellerin habe ihren gewöhnlichen Aufenthalt in K. aufgegeben, sodass keine weiteren Leistungen hätten erbracht werden dürfen.

Dagegen hat die Antragstellerin, vertreten durch G.P., am 19. Juni 2015 Klage zum SG erhoben und u.a. die Feststellung der Nichtigkeit des Bescheids vom 12. Oktober 2011 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 4. Mai 2015 begehrt (S 1 SO 1955/15). Das SG hat mit Beschluss vom 24. Juni 2015 eine Klage auf Ersatz eines materiellen und immateriellen Schadens in Höhe von 45.920,16 EUR abgetrennt. Nach Anhörung der Beteiligten (das Anhörungsschreiben ist dem Bevollmächtigten der Antragstellerin ausweislich des Rückscheins am 31. Juli 2015 ausgehändigt worden) hat es die Klage durch Gerichtsbescheid vom 27. August 2015 abgewiesen. Das SG hat diesen Gerichtsbescheid mit Einschreiben an den Bevollmächtigten der Antragstellerin versandt, der diesem - ausweislich des Rückscheins - am 4. September 2015 ausgehändigt worden ist.

Dagegen hat der Bevollmächtigte der Antragstellerin mit Fax vom 30. November 2016 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt (L 7 SO 4441/16), Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand beantragt und einstweiligen Rechtsschutz begehrt (L 7 SO 4512/16 ER). Zur Begründung hat die Antragstellerin u.a. ausgeführt, dass sowohl sie als auch ihr Bevollmächtigter ohne Verschulden gehindert gewesen seien, gegen den am 4. September 2015 zugestellten Gerichtsbescheid Berufung einzulegen, da sie unbemittelt sei und sich in chronischer pekuniärer Not befinde. Ihr Bevollmächtigter habe am 12. November 2016 einen "Gutschein" in Höhe von 100,00 EUR erhalten und sie mit diesem Geld bei ihrer Rechtsverfolgung unterstützt. Ihrem Widerspruch und ihrer Klage komme aufschiebende Wirkung zu, die die Antragsgegnerin nicht beachte. Sie - die Antragstellerin - sei am 20. Juli 2011 "Opfer einer gegen ihren Willen organisierten Verschleppung" aus K. nach M. geworden, wodurch sie soziale Sicherheit und den Anspruch auf zahlreiche soziale Rechte verloren habe. Die Antragsgegnerin habe den Kontakt zu ihr abgebrochen und das "altruistische Engagement" ihres Sohnes ausgenutzt. Seit der Einstellung der Grundsicherungsleistungen sei ihr Existenzminimum nicht mehr gewährleistet und sie sei "auf den guten Willen und die Hilfe von außen" angewiesen. Der Aufhebungsbescheid vom 12. Oktober 2011 sei ohne ihre vorherige Anhörung erlassen worden. Eine Heilung des Anhörungsmangels sei nicht erfolgt. Auch habe ihr die Antragsgegnerin keinen besonderen Vertreter i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) bestellt und das Verwaltungsverfahren ungebührlich verzögert. Im Oktober 2011 habe sie noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in K. gehabt. Das SG habe es versäumt, ihr einen besonderen Vertreter i.S. des § 72 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu bestellen, und zu Unrecht durch Gerichtsbescheid entschieden. Auch sei Präsident des SG Z. befangen. Weiterhin habe das SG ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

festzustellen, dass ihre Klage gegen den Bescheid vom 12. Oktober 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Mai 2015 aufschiebende Wirkung hat.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abzulehnen.

Die Antragsgegnerin ist der Meinung, dass die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 4. September 2015 offensichtlich unzulässig und daher der angefochtene Bescheid vom 12. Oktober 2011 bestandskräftig geworden sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten sowie des Sachverhalts wird auf die Verfahrensakten des SG und des Senats sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

Der Antrag der Antragstellerin auf einstweiligen Rechtsschutz hat keinen Erfolg.

1. Das LSG Baden-Württemberg ist zur Entscheidung über das einstweilige Rechtsschutzgesuch berufen. Nach § 86b Abs. 2 SGG ist das Gericht der Hauptsache für den Erlass einstweiliger Anordnungen zuständig. Gericht der Hauptsache in diesem Sinne ist vor der Klageerhebung das Gericht, das für die Klage zuständig wäre, danach das mit der Sache befasste Gericht (Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 11. Aufl. 2014, § 86b Rdnr. 11), also regelmäßig das Gericht des ersten Rechtszuges. Das LSG ist nach § 86b Abs. 2 Satz 3 SGG nur zuständig, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist. Vorliegend wendet sich die Antragstellerin im Berufungsverfahren L 7 SO 4441/16 betreffend den Gerichtsbescheid des SG vom 4. September 2015 gegen den Aufhebungsbescheid der Antragsgegnerin vom 12. Oktober 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Mai 2015 (§ 95 SGG) und begehrt insofern gleichzeitig einstweiligen Rechtsschutz, sodass das LSG Gericht der Hauptsache ist. Das LSG Baden-Württemberg ist auch örtlich zuständig (vgl. § 57 Abs. 3 SGG).

2. Der Antragstellerin ist für das einstweilige Rechtsschutzverfahren kein besonderer Vertreter nach § 72 Abs. 1 SGG zu bestellen. Danach kann der Vorsitzende für einen nicht prozessfähigen Beteiligten ohne gesetzlichen Vertreter bis zum Eintritt eines Vormundes, Betreuers oder Pflegers für das Verfahren einen besonderen Vertreter bestellen, dem alle Rechte, außer dem Empfang von Zahlungen, zustehen (vgl. dazu z.B. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 15. November 2012 - B 8 SO 23/11 R - juris Rdnr. 9; Beschluss vom 25. September 2014 - B 8 SO 48/14 B - juris Rdnr. 9; Beschluss vom 17. Dezember 2014 - B 8 SO 83/14 B - juris Rdnr. 8; Beschluss vom 21. September 2016 - B 8 SO 7/16 B - juris Rdnr. 5). Prozessunfähig ist eine Person, die sich nicht durch Verträge verpflichten kann (vgl. § 71 Abs. 1 SGG), also u.a. eine solche, die nicht geschäftsfähig i.S. des § 104 BGB ist, weil sie sich gem. § 104 Nr. 2 BGB in einem nicht nur vorübergehenden, die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet und deshalb nicht in der Lage ist, ihre Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen. Zwar spricht ausweislich des im Betreuungsverfahren vor dem AG Karlsruhe (XVII 360/2011) bei der Ärztin H. eingeholten Gutachtens vom 10. Mai 2011 einiges dafür, dass die Antragstellerin sich wegen eines dementiellen Syndroms mit Verwirrtheitszuständen dauerhaft in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistesfähigkeit befindet. Jedoch bedarf es vorliegend keiner Bestellung eines besonderen Vertreters nach § 72 Abs. 1 SGG, weil die Antragstellerin durch ihren Sohn G.P. aufgrund der ihm am 1. Juni 1994 erteilten Vollmacht wirksam im hiesigen gerichtlichen Verfahren vertreten wird (vgl. BSG, Beschluss vom 20. April 2016 - B 8 SO 57/14 B - juris Rdnr. 6; Bayerisches LSG, Beschluss vom 30. August 2010 - L 11 AS 455/11 B ER - juris Rdnrn. 21 ff.; Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 8. Februar 1993 - II ZR 62/92 - BGHZ 121, 263 - juris Rdnrn. 10 f; Arndt in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 72 Rdnr. 9; Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., a.a.O. § 71 Rdnr. 8e und § 72 Rdnr. 2a; Straßfeld in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 71 Rdnr. 62). Hat eine nicht prozessfähige Partei, die eine volljährige natürliche Person ist, wirksam eine andere natürliche Person schriftlich mit ihrer gerichtlichen Vertretung bevollmächtigt, so steht diese Person einem gesetzlichen Vertreter gleich, wenn die Bevollmächtigung geeignet ist, gem. § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB die Erforderlichkeit einer Betreuung entfallen zu lassen (§ 51 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO); vgl. ferner § 73 Abs. 6 Satz 7 SGG i.V.m. § 86 ZPO). Die Interessen der möglicherweise prozessunfähigen Antragstellerin können durch den noch von ihr selbst bestellten Bevollmächtigten G.P. hinreichend gewahrt werden. Der Senat ist - wie das AG Karlsruhe (Beschluss vom 18. September 2012 - XVII 360/2011 -) - der Überzeugung, dass die Bevollmächtigung des G.P. die Erforderlichkeit ihrer Betreuung i.S. des § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB entfallen lässt. Weder hat die Antragstellerin vorgetragen noch sind sonst Anhaltspunkte ersichtlich, dass sie am Tag der Vollmachtserteilung (1. Juni 1994) geschäftsunfähig gewesen sein könnte. Der Senat hat keine Zweifel an der Wirksamkeit der seitens der Antragstellerin ihrem Sohn G.P. erteilten Vollmacht. Auch eine ggf. später eingetretene Geschäftsunfähigkeit führt nicht zum Erlöschen der Vollmacht.

3. Der Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Aufhebungsbescheid der Antragsgegnerin vom 12. Oktober 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Mai 2015 ist unzulässig.

a. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist in § 86b SGG geregelt, und zwar für Anfechtungssachen in Abs. 1 a.a.O., für Vornahmesachen in Abs. 2 a.a.O. Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache ferner, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.). Nach § 86b Abs. 3 SGG sind die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 schon vor Klageerhebung zulässig.

b. Vorliegend kommt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG bzw. für den Fall, dass der Klage der Antragstellerin gegen den Aufhebungsbescheid vom 12. Oktober 2011 bereits aufschiebende Wirkung zukommt, die Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin (dazu z.B. BSG, Beschluss vom 11. Mai 1993 - 12 RK 82/92 - juris Rdnr. 9; Keller in Meyer-Ladewig u.a., a.a.O., § 86b Rdnr. 15) in Betracht. Denn das Begehren der Antragstellerin ist in der Sache darauf gerichtet, Leistungen im durch den Bescheid vom 18. Mai 2011 bewilligten Umfang für die Zeit vom 1. Oktober 2011 bis zum 30. Juni 2012 zu erhalten. Dieses Ziel ist dadurch erreichbar, dass hinsichtlich der Klage gegen den Aufhebungsbescheid vom 12. Oktober 2011 die aufschiebende Wirkung angeordnet bzw. festgestellt wird. Denn dann käme der Klage der Antragstellerin gegen den Aufhebungsbescheid vom 12. Oktober 2011 gem. § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG aufschiebende Wirkung zu mit der Folge, dass dieser vorläufig nicht vollzogen werden könnte (vgl. Keller, a.a.O., § 86a Rdnr. 4) und der Bewilligungsbescheid vom 18. Mai 2011 für die Antragsgegnerin vorläufig zunächst weithin maßgeblich wäre.

Jedoch scheidet im vorliegenden Fall die Anordnung bzw. Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Klage aus, weil der Aufhebungsbeschied vom 12. Oktober 2011 bereits bestandskräftig ist. Ein einstweiliger Rechtsschutzantrag nach § 86b Abs. 1 SGG setzt voraus, dass ein nicht bestandskräftiger Verwaltungsakt i.S. des § 31 SGB X vorliegt (z.B. Bayerisches LSG, Beschluss vom 22. November 2010 - L 16 AS 788/10 B ER - juris Rdnr. 13; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 14. Januar 2010 - L 13 AS 412/09 B ER - juris Rdnr. 34; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. September 2006 - L 18 B 813/06 AS ER - juris Rdnr. 2; Bischofs, SGb 2013, 570/572; Keller, a.a.O., § 86b Rdnr. 7; Wahrendorf in Roos/Wahrendorf, a.a.O., § 86b Rdnrn. 35, 55). Widerspruch und Anfechtungsklage sind fristgebundene Rechtsbehelfe (vgl. §§ 84, 87, 151 SGG) und können bei Fristversäumnis nicht erfolgreich sein. Nur wenn der durch den Verwaltungsakt Belastete einen nicht offensichtlich aussichtslosen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 SGG) gestellt hat, kommt einstweiliger Rechtsschutz nach § 86b Abs. 1 SGG in Betracht (Keller, a.a.O.; Bischofs, a.a.O., S. 570/573 f.).

Zwar dürfte die Antragstellerin gegen den Aufhebungsbescheid der Antragsgegnerin vom 12. Oktober 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Mai 2015 fristgerecht Widerspruch eingelegt und Anfechtungsklage zum SG erhoben haben, jedoch ist die Berufung nicht fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1 und 2 Satz 1 SGG). Gem. § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Landessozialgericht - bzw. nach § 151 Abs. 2 Satz 1 SGG bei dem Sozialgericht - einzulegen. Wenn die Zustellung des Urteils - wie hier - ins Ausland erfolgt, beträgt die Frist gem. §§ 153 Abs. 1, 87 Abs. 1 Satz 2 SGG drei Monate. Gem. § 64 Abs. 1 SGG beginnt der Lauf einer Frist grundsätzlich mit dem Tage nach der Zustellung der angefochtenen Entscheidung. Dies ist der in gesetzlicher Form zu bewirkende und zu beurkundende Akt, durch den dem Adressaten Gelegenheit zur Kenntnisnahme eines Schriftstücks verschafft wird. Zugestellt wird im sozialgerichtlichen Verfahren nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung (vgl. § 63 Abs. 2 SGG). Die Zustellung an die Antragstellerin ist ausweislich des Rückscheins am 4. September 2015 bewirkt worden (vgl. § 183 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. 32 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit (vgl. BGBl. II 1969, S. 1438 und BGBl. II 1975, S. 390), das im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Bosnien und Herzegowina weiterhin gilt (vgl. Bekanntmachung vom 16. November 1992, BGBl. 1992 II, S. 1196)), was der Bevollmächtigte der Antragstellerin ausdrücklich bestätigt hat. Mithin ist der Antragstellerin der Gerichtsbescheid des SG, der eine vollständige und ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung i.S. des § 66 Abs. 1 SGG beinhaltet hat, zur Überzeugung des Senats ordnungsgemäß am 4. September 2015 zugestellt worden. Die dreimonatige Berufungsfrist hat gem. § 64 Abs. 1 SGG am Folgetag, dem 5. September 2015 zu laufen begonnen. Sie hat gem. § 64 Abs. 2 SGG mit Ablauf des 7. Dezember 2015, einem Montag, geendet. Die Berufung ist erst am 30. November 2016, d.h. nach Ablauf der Berufungsfrist, beim LSG eingegangen. Die Berufung ist mithin - offensichtlich - verfristet eingelegt worden und daher unzulässig.

Der Antragstellerin, die sich auch das Verschulden ihres Bevollmächtigten zurechnen lassen muss (vgl. § 73 Abs. 6 Satz 7 SGG i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO), ist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Gem. § 67 Abs. 1 SGG ist jemandem, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Mithin ist nur im Fall einer unverschuldeten Fristversäumnis Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Dies setzt voraus, dass der Beteiligte diejenige Sorgfalt angewandt hat, die ein gewissenhaft Prozessführender nach den gesamten Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung vernünftigerweise zugemutet werden kann (z.B. BSG, Urteil vom 31. März 1993 - 13 RJ 9/92 - juris Rdnr. 15; Urteil vom 27. Mai 2008 - B 2 U 5/07 R - juris Rdnr. 14). So handelt ein Beteiligter nicht schuldhaft, wenn er wegen Mittellosigkeit an der Einlegung eines Rechtsbehelfs gehindert ist. Er muss jedoch in diesem Fall einen Antrag auf Prozesskostenhilfe (vgl. § 73a SGG) innerhalb der Rechtsbehelfsfrist ordnungsgemäß einreichen und alles tun, um die Entscheidung über diesen Antrag herbeizuführen (vgl. nur Keller in Meyer-Ladewig u.a., a.a.O., § 67 Rdnr. 7b und Leitherer, ebenda, § 73a Rdnr. 5d). Vorliegend hat die Antragstellerin jedoch nicht innerhalb der Rechtsbehelfsfrist Prozesskostenhilfe beantragt, sondern sich erstmals am 30. November 2016 an das LSG Baden-Württemberg gewandt und ihre Mittellosigkeit geltend gemacht. Anhaltspunkte für eine unverschuldete Fristversäumnis liegen daher nicht vor. Mithin ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

5. Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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