S 11 R 4515/15

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 11 R 4515/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Maßgeblich für einen Befreiungsanspruch von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ist, ob der Betreffende kraft gesetzlicher Anordnung oder aufgrund einer in einem formellen Gesetz enthaltenen Ermächtigung Pflichtmitglied in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung ist.
Die Prüfung dieser Voraussetzungen ist anhand der einschlägigen kammer- und versorgungsrechtlichen Normen vorzunehmen. Es muss eine für den in der jeweiligen Versorgungseinrichtung pflichtversicherten Personenkreis typische Berufstätigkeit ausgeübt werden. Dazu zählen grundsätzlich auch ärztliche Tätigkeiten außerhalb des in der Bevölkerung als klassisch wahrgenommenen Arbeitsfelds in einer Klinik oder in einer niedergelassenen Praxis, wie beispielsweise bei einem pharmazeutischen Unternehmen.
Verfehlt ist in diesem Zusammenhang die Tatbestandsvoraussetzung, dass die Approbation als Arzt bzw. Ärztin zwingend Voraussetzung für die Beschäftigung in dem Sinne sein müsse, dass die Beschäftigung nur mit Approbation ausgeführt werden könne bzw. dürfe.
Von einer ärztlichen Ausübung kann erst dann nicht mehr gesprochen werden, wenn es im Schwerpunkt der Beschäftigung um berufsfremde Tätigkeiten geht, die in keinerlei Zusammenhang mit der ärztlichen Ausbildung und medizinischen Fachkenntnissen stehen. Soweit Inhalte der ärztlichen Ausbildung überwiegend verwendet werden, ist in jedem Fall von einer ärztlichen Tätigkeit auszugehen.
Der Bescheid der Beklagten vom 12. November 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2015 wird hinsichtlich der ab dem 2. Oktober 2014 versagten Befreiung von der Versicherungspflicht aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin für ihre Beschäftigung als Fachreferentin im Bereich der Transplantationsmedizin bei der P.GmbH vom 2. Oktober 2014 bis 30. Juni 2015 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch der Klägerin auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht für eine von ihr ausgeübte Tätigkeit als Fachreferentin im Bereich der Transplantationsmedizin bei einem Pharma-Unternehmen.

Die im Jahr 1957 geborene Klägerin ist approbierte Ärztin. Sie ist seit 1. September 1993 Pflichtmitglied der Berliner Ärzteversorgung, der Beigeladenen zu 1). Seit 13. November 2000 ist sie Pflichtmitglied der Ärztekammer Berlin, der Beigeladenen zu 2).

Bereits am 24. August 1993 hatte die Klägerin bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 6 Abs. 1 des Sechsten Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) für die von ihr seit 1. September 1993 ausgeübte Tätigkeit als Ärztin im Krankenhaus der Berliner Vollzugsanstalten gestellt. Mit Bescheid vom 21. Oktober 1993 befreite die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte die Klägerin von der Versicherungspflicht zur Rentenversicherung der Angestellten.

Vom 1. März 1999 bis zum 30. Juni 2015 übte die Klägerin bei der P.GmbH eine Tätigkeit als Fachreferentin im Bereich der Transplantationsmedizin aus.

Am 2. Oktober 2014 stellte sie bei der Beklagten einen Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI für diese Tätigkeit. Die P.GmbH reichte im September 2014 ein Funktionsprofil der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit ein. Die durch die Tätigkeit der Klägerin verfolgten Ziele werden darin wie folgt beschrieben: "Ziel der Aufgabe ist die Realisierung, Sicherung und der Ausbau von Umsätzen, in Zusammenarbeit mit Klinikleitung und Regionalleitung für das Gesamtportfolio der Produkte Specialty Care; Analyse des zu betreuenden Gebietes auf Basis der zur Verfügung stehenden Umsatzdaten und Erstellung eines Businessplans für ausgewählte Zentren zur Erreichung der gesetzten Businessziele Specialty Care; Verständnis und Umsetzung der Produktstrategien zur Erreichung der gesetzten Businessziele Specialty Care, Aufbau und Fortführung von tragbaren Beziehungen zu Therapieentscheidern und Therapieanwendern der zu betreuenden Zentren." Die für die Ausübung dieser Tätigkeit erforderlichen Qualifikationen werden unter anderem wie folgt wiedergegeben: "mehrjährige erfolgreiche Verkaufstätigkeit in der Klinik, eingehende Kenntnisse der Indikationen und Produkte, eingehende praktische und theoretische Kenntnisse des Krankenhausmarktes in der Bundesrepublik Deutschland, Kenntnis der Organisation der Krankenhausstrukturen".

Die Klägerin reichte weiter einen zwischen ihr und der P.GmbH am 22. Dezember 1998 geschlossenen Anstellungsvertrag einschließlich einer hierzu am 13. Februar 2012 ergangenen Abänderung ein. Laut § 1 Ziffer b) des Anstellungsvertrags umfasst das Aufgabengebiet des Pharmaberaters den Besuch von niedergelassenen Ärzten, um sie über die Präparate der Firma zu informieren und sie vom Nutzen ihrer Anwendung zu überzeugen. Gemäß Abänderungsvertrag vom 13. Februar 2012 wird die Klägerin mit Wirkung vom 15. Februar 2012 als Spezialistin Transplantation im Bereich Specialty Care tätig werden. Wegen der übrigen in den Verträgen getroffenen Bestimmungen und Vereinbarungen wird auf die in den Verwaltungsakten befindlichen Verträge Bezug genommen.

Den Antrag der Klägerin auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12. November 2014 ab. Eine befreiungsfähige Arzttätigkeit liege nur vor, wenn die Tätigkeit objektiv zwingend die Approbation als Arzt voraussetze und gleichzeitig dem typischen, durch die Hochschulausbildung und den entsprechenden Hochschulabschluss geprägten Berufsbild und Tätigkeitsbereich des Arztes entspreche. Die Tätigkeit der Klägerin als Fachreferentin bei der P. GmbH könne nicht als berufsspezifische Beschäftigung eines Arztes angesehen werden. Es handele sich nicht um eine Tätigkeit, die nur von einem Angehörigen der Heilberufe ausgeübt werden könne, da sie eine akademische Ausbildung in einem Heilberuf nicht voraussetze. Die Tätigkeit könne auch von Personen ausgeübt werden, die über einen mittleren Schulabschluss und eine entsprechende Berufsausbildung verfügten sowie eine Aus- und Weiterbildung absolviert hätten. Bei der Beurteilung der wesentlichen Aufgaben, wie Marketing und Weiterbildung, werde deutlich, dass die Tätigkeit der Klägerin ihr Gepräge nicht aus den Inhalten beziehe, die nach dem Berufsbild des Arztes maßgeblich seien, nämlich das Leben zu erhalten, die Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen, Leiden zu lindern, Sterbenden Beistand zu leisten und an der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Gesundheit der Menschen mitzuwirken.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit am 24. November 2014 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben Widerspruch ein. Im Rahmen der Begründung ihres Widerspruchs legte sie eine erweiterte Stellenbeschreibung ihrer Tätigkeit als Fachreferentin in der Transplantationsmedizin vor. Bei dem zuvor von ihrem Arbeitgeber verfassten Stellenprofil handele es sich um ein allgemeines Muster. Zu ihren spezifischen Aufgaben gehöre es weiterhin, Fachärzte in den Kliniken und im niedergelassenen Bereich sachlich und wissenschaftlich fundiert auf dem Gebiet der Transplantationsmedizin über Wirkweise und Indikation der Präparate zu informieren und qualifiziert zu beraten. Darüber hinaus gehöre es zu ihren Aufgaben, an nationalen und internationalen Kongressen teilzunehmen und die Stände der Firma P. zu betreuen und dort als Ansprechpartnerin für fachliche Fragen zur Verfügung zu stehen. Zudem müsse sie sich über den aktuellen Stand der Wissenschaft auf dem Laufenden halten. Die Klägerin legte weiterhin eine Bescheinigung der Ärztekammer Berlin vom 15. Januar 2015 vor. Darin heißt es, dass die Klägerin aufgrund der Ausübung ihres ärztlichen Berufes Pflichtmitglied der Ärztekammer Berlin sei.

Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 18. August 2015 zurück. Bei Ärzten beurteile sich die Befreiungsfähigkeit danach, ob für die konkrete Tätigkeit die Berufsausbildung notwendige Zugangsvoraussetzung sei. Als eine zur Befreiung von der Versicherungspflicht berechtigende ärztliche Tätigkeit sei grundsätzlich die Ausübung der Heilkunde am Menschen anzusehen. Sie könne sich im Einzelfall auch auf solche Berufsfelder erstrecken, die zwar nicht unmittelbar mit der Ausübung der Heilkunde zu tun hätten, aber dennoch als ärztliche Tätigkeit anzusehen seien. Dies seien beispielsweise Tätigkeiten im medizinisch-wissenschaftlichen Bereich, bei denen die ärztliche Vorbildung bzw. die Approbation als Arzt zwingend vorausgesetzt werde. Bedenken hinsichtlich einer Befreiung bestünden insoweit bei Tätigkeiten, in denen ärztliche Fachkenntnisse lediglich mitverwendet werden könnten. Grundlage der Entscheidung über die Befreiung von der Versicherungspflicht sei weder allein das Votum der Berufskammer, eine bestimmte Tätigkeit sei als ärztlich einzustufen, noch dass der Arbeitgeber für die fragliche Tätigkeit nur approbierte Ärzte bzw. eine ausreichende Zahl approbierter Ärzte einstelle. Die hier maßgebliche Tätigkeit als Fachreferentin bei der P.GmbH sei nicht als berufsspezifisch anzusehen, weil diese Tätigkeit nicht zwingend die Approbation als Ärztin voraussetze. Dass für die Ausübung der Tätigkeit die Approbation als Ärztin unverzichtbare Voraussetzung sei bzw. dass sich für die Stelle als Fachreferentin ein objektiver Vorrang für eine Approbation als Ärztin herleiten lasse, gehe aus den hier vorliegenden Unterlagen nicht hervor. Zwar ergebe sich aus der Bescheinigung des Arbeitgebers der Klägerin vom 15. September 2014, dass sie ihre medizinischen Kenntnisse bei der Tätigkeit als Fachreferentin verwende. Ihre medizinische Qualifikation sei daher von großem Vorteil. Dies reiche aber nicht aus, um eine ärztliche Tätigkeit anzunehmen. Als Nachweis, dass für die Tätigkeit, für die die Befreiung begehrt werde, ein erfolgreich absolviertes Studium der Humanmedizin und die Approbation als Ärztin zwingend erforderlich sei, könne auch die entsprechende Stellenausschreibung oder die interne Stellenbeschreibung dienen. Daraus müsse deutlich werden, dass es sich um eine wissenschafts- und forschungsnahe Tätigkeit handele, die allein durch diese Berufsgruppe ausgeübt werden könne. Wenn und soweit es sich ergebe, dass das Stellenprofil einer Tätigkeit anders ausgestaltet sei und nicht Aufgaben umfasse, die zum typischen Berufsbild des Arztes zählten, sei auch nicht von einer berufsspezifischen Tätigkeit, die zur Befreiung führe, auszugehen. Indiz hierfür sei, wenn die Tätigkeit auch von Personen mit anderer Ausbildung ausgeübt werden könne. Nach der vorgelegten Funktionsbeschreibung des Arbeitgebers der Klägerin vom 15. September 2014 sei für die Ausübung der Tätigkeit ein Studium der Humanmedizin weder erforderlich noch gefordert. Sie sei grundsätzlich allen Personen mit mehrjähriger erfolgreicher Verkaufstätigkeit in der Klinik bzw. mit eingehenden praktischen und theoretischen Kenntnissen des Krankenhausmarktes in Deutschland zugänglich.

Am 9. September 2015 erhob die Klägerin über ihren Bevollmächtigten Klage vor dem Sozialgericht Berlin. Die Beklagte verkenne die Grundsätze, die das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 31. Oktober 2012 – Az. B 12 R 3/11 R - zu der Frage aufgestellt habe, anhand welchen Maßstabs zu ermitteln sei, ob es sich um eine berufsspezifische, befreiungsfähige Tätigkeit handele. Im Ergebnis unzutreffend werde sie mit der von ihr ausgeübten Tätigkeit nicht unter das Berufsbild einer Ärztin subsummiert. Eine ärztliche Tätigkeit sei letztlich jede solche, die die Kenntnisse, die im Studium der Humanmedizin vermittelt würden, verwerte. Sie sei mit der hier in Rede stehenden Tätigkeit im Bereich der Immunsuppression tätig und berate Fachärzte in den Kliniken und im niedergelassenen Bereich sachlich und wissenschaftlich fundiert, um eine Abstoßung der Organe nach einer Organtransplantation im Rahmen der erfolgenden Dauermedikation zu verhindern. Weiterhin gehöre es zu ihren Aufgaben, an nationalen und internationalen Kongressen teilzunehmen und die fachliche Betreuung der Stände ihrer Arbeitgeberin sicherzustellen. Über die jeweils behandelnden Ärzte berate sie jedenfalls mittelbar Patienten hinsichtlich ihrer Möglichkeiten, Erkrankungen bzw. Schädigungen vorzubeugen. Nach der Berufsordnung der Berliner Ärztekammer müssten Ärzte nicht in Praxen und Kliniken arbeiten, um ärztlich tätig zu sein.

Weiterhin beruft sich die Klägerin auf das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 6. Februar 2014, Az. L 1 KR 8/13, wonach es für die Annahme einer ärztlichen Tätigkeit nicht notwendig sei, dass die jeweils ausgeübte Funktion auch dem typischen oder gängigen Berufsbild des Arztes entspreche, schließlich auf das eine entsprechende Beschränkung ebenfalls ablehnende Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. Juli 2014, Az. L 14 R 1207/13.

Hilfsweise sei festzustellen, dass sie in Anbetracht des letztmaligen Bescheides über die Befreiung von der Rentenversicherung vom Oktober 1993 noch immer von der Versicherungspflicht befreit sei. In diesem Bescheid werde festgehalten, dass die Befreiung "grundsätzlich auf die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt" sei, wobei allerdings bei Wegfall der Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI die Beklagte die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 48 Abs. 1 Zehntes Sozialgesetzbuch (SGB X) zu widerrufen habe. Ein solcher Widerruf sei bis zum heutigen Tage nicht erfolgt.

Mit Beschluss vom 27. April 2016 hat die Kammer die Berliner Ärzteversorgung sowie die Ärztekammer Berlin zum Verfahren beigeladen, § 75 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 12. November 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie für ihre Beschäftigung als Fachreferentin im Bereich der Transplantationsmedizin bei der P.GmbH vom 1. März 1999 bis 30. Juni 2015 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien,

hilfsweise, festzustellen, dass sie bereits durch den Bescheid der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 21. Oktober 1993 auch für die von ihr vom 1. März 1999 bis zum 30. Juni 2015 ausgeübte Tätigkeit von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beigeladenen haben jeweils keinen Antrag gestellt.

Ergänzend zu ihren Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden führt die Beklagte wie folgt aus: eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 6 Absatz 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI könne nur für die Beschäftigung erfolgen, wegen der der Versicherte Pflichtmitglied der zuständigen berufsständischen Kammer und der entsprechenden berufsständischen Versorgungseinrichtung sei. Es müsse also ein innerer Zusammenhang zwischen der Tätigkeit, für die eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht begehrt werde, und dem Versicherungsschutz durch die berufsständische Versorgungseinrichtung bestehen. Ein solcher innerer Zusammenhang werde durch das Merkmal "berufsspezifisch" gewährleistet. Dessen Vorliegen beurteile sich nicht personen-, sondern tätigkeitsbezogen. Werde eine Tätigkeit ausgeübt, die auch anderen – auch nicht in einer Kammer organisierten - Berufsgruppen zugänglich sei, sei die fragliche Tätigkeit nicht geeignet, eine Pflichtmitgliedschaft in einer öffentlich-rechtlichen Versorgungseinrichtung zu begründen. Dies habe im Übrigen auch das Landessozialgericht Baden-Württemberg in einem zur Berufsgruppe der Pharmareferenten ergangenen Urteil festgestellt (Urteil vom 23. Januar 2009, Az. L 4 R 738/06). Entsprechend habe auch das Bundessozialgericht am 25. Juli 2011 eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eines Pharmaunternehmens gegen die Nachforderung von Rentenversicherungsbeiträgen für einen wissenschaftlichen Fachreferenten, der approbierter Arzt war und zuvor aufgrund einer Tätigkeit an einem Forschungsinstitut befreit worden war, als unzulässig verworfen. Die Kernaufgabe der Klägerin bestehe laut gültigem Arbeitsvertrag vom 22. Dezember 1998 in dem Besuch von niedergelassenen Ärzten, um sie über die Präparate ihres Arbeitgebers zu informieren und sie vom Nutzen ihrer Anwendung zu überzeugen. Für die Ausübung dieser Tätigkeit werde nicht nachvollziehbar dargelegt, warum die humanmedizinische Qualifikation und Approbation als Arzt objektiv unabdingbare Zugangsvoraussetzung sein solle. Diese Tätigkeit entspreche somit nicht dem in der Bundesärzteordnung niedergelegten Berufsbild von Ärzten.

Eine befreiungsfähige Arzttätigkeit sei nur zu bejahen, wenn die Tätigkeit objektiv zwingend die Approbation als Arzt voraussetze und gleichzeitig dem typischen, durch die Hochschulausbildung und den entsprechenden Hochschulabschluss geprägten Berufsbild und Tätigkeitsbereich des Arztes entspreche. Anders als im Beitragsrecht der Berufskammern sei eine berufsspezifische Tätigkeit im Sinne des § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI nicht bereits dann gegeben, wenn noch Kenntnisse und Fähigkeiten des medizinischen Studiums verwendet würden. Vielmehr müsse es sich um eine "approbationspflichtige Tätigkeit" handeln. So halte es auch die überwiegende Mehrzahl der Landessozialgerichte nicht für maßgeblich, ob nach den Kammergesetzen bzw. Satzungen der Versorgungseinrichtungen eine Tätigkeit noch eine Pflichtmitgliedschaft begründen könne (zuletzt: Bayerisches LSG, Urteil vom 8. September 2015 – L 19 R 554/11 - sowie Urteil vom 10. Juli 2014 – L 14 R 1207/13).

Die mit Bescheid vom 21. Oktober 1993 ausgesprochene Befreiung von der Rentenversicherungspflicht entfalte für die ab 1. März 1999 ausgeübte Beschäftigung bei der P.GmbH keine Wirkung. Das Bundessozialgericht habe mit seinen Entscheidungen vom 31. Oktober 2012 – B 12 R 8/10 R, B 12 R 3/11 R und B 12 R 5/10 R - klargestellt, dass ausnahmslos jede Entscheidung über die Befreiung eines Pflichtmitgliedes eines Versorgungswerkes von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nur für eine ganz konkrete Beschäftigung bei einem bestimmten Arbeitgeber oder für eine konkrete selbstständige Tätigkeit gelte. Eine einmal erteilte Befreiung von der Rentenversicherungspflicht entfalte keine Wirkung für ein späteres Beschäftigungsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber bzw. bei einer wesentlichen Änderung im Tätigkeitsfeld bei dem bisherigen Arbeitgeber, selbst wenn dabei ebenfalls eine berufsgruppenspezifische Tätigkeit ausgeübt werde.

Verwiesen werde weiterhin auf das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 8. September 2015, Az. L 19 R 554/11, wonach die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht für eine ausgeübte Beschäftigung notwendig die Pflichtmitgliedschaft in einem Versorgungswerk gerade wegen dieser Tätigkeit voraussetze.

Die Beigeladene zu 1) - die Berliner Ärzteversorgung - vertritt die Auffassung, im Falle der Klägerin lägen die Voraussetzungen einer Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI vor. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 31. Oktober 2012 – B 12 R 3/11 R - sei die Frage, ob die Klägerin wegen der konkreten Beschäftigung Pflichtmitglied einer Versorgungseinrichtung und einer berufsständischen Kammer gewesen sei, anhand der einschlägigen versorgungs- und kammerrechtlichen Normen zu prüfen. Die Beklagte habe sich jedoch nicht mit der Subsumtion der einschlägigen kammer- und versorgungsrechtlichen Normen befasst und auch Voten der zuständigen Berufskammer ignoriert. Vielmehr maße sie sich an, selbst zu definieren, wie das Berufsbild der Ärzteschaft zu verstehen sei. Diese Argumentation sei auch vor dem Hintergrund unzutreffend, dass der Bundesgesetzgeber bei dem aktuell erlassenen Gesetz zur Neuordnung der Syndikusanwälte vom 21. Dezember 2015 (BGBl. I 2015, 2017) gerade der eigenmächtigen Entscheidungskompetenz der Beklagten, wer als Syndikusanwalt von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit werden könne, Einhalt geboten und der zuständigen Rechtsanwaltskammer die Entscheidungskompetenz übertragen habe, wer als Syndikusanwalt zugelassen werden könne. Das von der Beklagten eingeführte Entscheidungskriterium der "approbationspflichtigen Tätigkeit" lasse sich weder aus dem Gesetz noch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift herleiten und genüge nicht den Anforderungen, die das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 31. Oktober 2012, Az. B 12 R 3/11 R, aufgestellt habe. Ärzte erhielten die Approbation aber unabhängig davon, ob sie anschließend eine Tätigkeit unmittelbar am Patienten ausübten oder nicht. Nach zahlreichen erstinstanzlichen sozialgerichtlichen Urteilen sei es rechtswidrig, wenn die Beklagte bei den Heilberufen nur dann eine Befreiungsfähigkeit annehme, wenn eine approbationspflichtige Tätigkeit ausgeübt werde. In diesem Sinne zu verstehen seien auch die Urteile des Landessozialgerichts Bayern vom 10. Juli 2014, Az. L 14 R 1207/13 sowie des Landessozialgerichts Hessen vom 26. April 2016, L 1 KR 347/15. Diese Urteile seien allesamt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 31. Oktober 2012 ergangen und berücksichtigten deshalb den dort vorgegebenen Prüfungsmaßstab für die Beurteilung der Befreiungsfähigkeit von der Versicherungspflicht bei der Beklagten. Aus den genannten Urteilen folge, dass über das Befreiungsrecht nicht aufgrund einer bloßen Stellenbezeichnung entschieden werden könne, sondern in jedem konkreten Einzelfall zu prüfen sei, ob die Tätigkeit ihr Gepräge durch Anwendung überwiegend ärztlichen Spezialwissens erhalte, das während des Medizinstudiums vermittelt werde. Nicht zuletzt habe das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 12. Januar 2016 – 1 BvL 6/13 - in einem obiter dictum festgestellt, dass die selbstständige Ausübung des ärztlichen Berufes nicht voraussetze, dass die Heilkunde in Form der Heilbehandlung am Menschen ausgeübt werde, sondern diese vielmehr in gleicher Weise die gutachterliche und fachlich beratende Tätigkeit des Arztes für Patienten umfasse.

Die Beigeladene zu 2) - die Ärztekammer Berlin - vertritt die Auffassung, der Begriff der ärztlichen Tätigkeit im Sinne des Berliner Kammergesetzes sei nicht mit einer approbationspflichtigen Tätigkeit im Sinne der Bundesärzteordnung (BÄO), nach der die Ausübung des ärztlichen Berufs als die Ausübung der Heilkunde unter der Berufsbezeichnung "Arzt" oder "Ärztin" definiert werde, gleichzusetzen. Gleiches gelte für die Bestimmungen der Approbationsordnung für Ärzte (ÄApprO). Die BÄO und die ÄApprO regelten das dem Bundesgesetzgeber über Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 Grundgesetz (GG) zugewiesene Berufszulassungsrecht, das aufgrund des Eingriffscharakters der Heilkundeausübung rechtlicher Grenzen bedürfe. Demgegenüber sei die Regelung der Pflichtmitgliedschaft in der Ärztekammer eine Regelung der Berufsausübung, die an die Innehabung der ärztlichen Approbation lediglich anknüpfe. Anerkannt sei, dass auch Tätigkeiten ohne Heilkundebezug, wie verwaltende Tätigkeiten eine ärztliche Tätigkeit darstellten, wenn ein Arzt sie ausübe und hierbei wegen des nicht berufsfremden Einsatzgebiets von seinen in der Ausbildung erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten profitiere. Auch die Berufsordnung der Ärztekammer Berlin stütze diesen Befund. Nach deren § 1 Abs. 2 sei es ärztliche Aufgabe, das Leben zu erhalten, die Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen, Leiden zu lindern und Sterbenden Beistand zu leisten. Ärzte nähmen ihre ärztlichen Aufgaben über die unmittelbare Sorge um die Gesundheit von Patienten darüber hinaus auch dann wahr, wenn sie mit ihren ärztlichen Fachkenntnissen an der Förderung und Erhaltung der Gesundheit des einzelnen Menschen, der Bevölkerung, der hierfür erforderlichen natürlichen und gesellschaftlichen Lebensgrundlagen oder des Gesundheitssystems mitwirkten. Auch hiernach sei eine Beschränkung ärztlicher Berufsausübung auf die Ausübung unmittelbar heilkundlicher bzw. approbationspflichtiger Tätigkeiten nicht herzuleiten.

Einer Korrektur des § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI durch die Hinzunahme des ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals "berufsgruppenspezifisch" bedürfe es nicht, wie es auch das Bundessozialgericht festgestellt habe.

Die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit als Fachreferentin Transplantationsmedizin für die Pharmafirma P. stelle eine ärztliche Tätigkeit im vorgenannten Sinne dar. Die Aufgaben von Fachreferenten in Pharmaunternehmen bestünden insbesondere darin, für die Produkte ihrer Pharmafirma zu werben, Angehörige von Heilberufen fachlich, kritisch und vollständig über Arzneimittel unter Beachtung der geltenden Rechtsvorschriften zu informieren und sie über unerwünschte Arzneimittelwirkungen und Gegenanzeigen oder sonstige Risiken bei Arzneimitteln oder über Einnahmeprobleme der Therapeutika zu informieren bzw. deren Mitteilungen dazu aufzuzeichnen und ihrer Pharmafirma zu übermitteln. Dazu gehöre die Befähigung, medizinische, pharmazeutische und biologische bzw. biochemische Zusammenhänge sowie die klinischen Grundlagen von Krankheitsbildern zu beschreiben, Krankheitsverläufe mit Pharmakotherapien zu verknüpfen, Wirkungen von Arzneimitteln und Anwendungsempfehlungen zu erläutern, Beratungsgespräche zu führen und Marketinginstrumente einzusetzen. Diese Arbeit geschehe im Austausch und in Zusammenarbeit mit Ärzten unterschiedlicher Fachgebiete. Die im Bereich der Transplantationsmedizin erforderlichen Spezialkenntnisse in unterschiedlichen ärztlichen Fachbereichen – u. a. Allgemeinmedizin, Nephrologie, Onkologie, Urologie - vereine die Klägerin in ihrer Person. Indem sie den behandelnden Ärzten dieses Wissen im Rahmen ihrer Beratungen zur Verfügung stelle, fördere sie deren Kenntnisse über die bestehenden Behandlungsmöglichkeiten, die Wirkungszusammenhänge, der Medikation und das Verständnis für die damit verbundenen Risiken für die Patienten. Dass das vorrangige Interesse ihres Arbeitgebers an einem möglichst großen Absatz der eigenen Produkte liege und die Klägerin vor diesem Hintergrund auch Produktwerbung betreibe und Verkaufsziele verfolge, stehe der Einordnung ihrer Tätigkeit als ärztliche nicht entgegen. Eine Werbestrategie, die die Regeln der ärztlichen Kunst nicht maßgeblich berücksichtigte, würde nicht nur unüberschaubare Haftungsrisiken bedeuten, sondern auch die Gefahr einer erheblichen Rufschädigung und damit sinkender Umsatzzahlen mit sich bringen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen. Die Akten lagen in der mündlichen Verhandlung und bei der Entscheidung vor.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist mit dem Hauptantrag zulässig, jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen aber – soweit ein Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht im Zeitraum vom 1. März 1999 bis 1. Oktober 2014 betroffen ist - unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 12. November 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2015 ist – soweit der Zeitraum 2. Oktober 2014 bis 30. Juni 2015 betroffen ist - rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, so dass er insoweit aufzuheben war, im Übrigen aber rechtmäßig, so dass die Klage insoweit abzuweisen war. Die Beklagte ist lediglich verpflichtet, die Klägerin für ihre Beschäftigung als Fachreferentin im Bereich der Transplantationsmedizin bei der P.GmbH vom 2. Oktober 2014 bis 30. Juni 2015 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.

Rechtsgrundlage für die begehrte Befreiung ist § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI. Hiernach werden von der Versicherungspflicht befreit Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn (lit. a) am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 01.01.1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat, (lit. b) für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und (lit. c) aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist. Weitere Voraussetzungen für die Befreiung sind in § 6 Abs. 1 Satz 2 bis 5 SGB VI enthalten. Gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 SGB VI wirkt sie vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrags an. Die Befreiung ist gemäß § 6 Abs. 5 Satz 1 SGB VI auf die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt.

Voraussetzung für eine Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI ist damit unter anderem, dass die Pflichtmitgliedschaft wegen der Beschäftigung besteht. Angesichts dieser sprachlichen Verknüpfung ist ein kausaler Zusammenhang zwischen der Beschäftigung und der Mitgliedschaft in den berufsständischen Körperschaften nötig. Mit anderen Worten ist unter Berücksichtigung von § 6 Abs. 5 Satz 1 SGB VI der Inhalt des jeweiligen konkreten Beschäftigungsverhältnisses maßgeblich und nicht etwa nur die Berufsbezeichnung, die berufliche Qualifikation oder der berufliche Status. Anknüpfungspunkt für die Beurteilung der Befreiungsfähigkeit ist also die konkret ausgeübte Tätigkeit, die angesichts der vorgenannten kausalen Verknüpfung berufsgruppenspezifisch sein muss (BSG, Urteil vom 31. Oktober 2012 – B 12 R 3/11 R, Urteil vom 3. April 2014 – B 5 RE 13/14 R). Das Vorliegen einer berufsgruppenspezifischen Tätigkeit muss damit vor dem Hintergrund des jeweils gesetzlich festgelegten Berufsbilds des Kammerberufs überprüft und bewertet werden. Es muss eine für den in der jeweiligen Versorgungseinrichtung pflichtversicherten Personenkreis typische Berufstätigkeit ausgeübt werden. Dazu zählen nach Auffassung der Kammer grundsätzlich auch ärztliche Tätigkeiten außerhalb des in der Bevölkerung als klassisch wahrgenommenen Arbeitsfelds in einer Klinik oder in einer niedergelassenen Praxis, wie beispielsweise bei einem pharmazeutischen Unternehmer i.S.v. § 4 Abs. 18 Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (AMG).

Maßgeblich für den Befreiungsanspruch ist damit zunächst, ob die Klägerin kraft gesetzlicher Anordnung oder aufgrund einer in einem formellen Gesetz enthaltenen Ermächtigung (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. August 2011 – L 3 R 142/09, Juris Rn. 19) Pflichtmitglied in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung ist. Die Prüfung dieser Voraussetzungen ist anhand der genannten gesetzlichen Grundlagen sowie der einschlägigen kammer- und versorgungsrechtlichen Normen zu prüfen (BSG, Urteil vom 3. April 2014 – B 5 RE 13/14 R -, Juris Rn. 27, Urteil vom 31. Oktober 2012 – B 12 R 3/11 R -, Juris Rn. 34; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. August 2011 – L 3 R 142/09 -, Juris Rn. 21).

Förmliches Gesetz im vorgenannten Sinne ist im Land Berlin das Berliner Kammergesetz (Gesetz über die Kammern und die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker, Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten in der Fassung vom 4. September 1978, zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. März 2013, GVBl. S. 70). § 2 Abs. 1 S. 1 des Berliner Kammergesetzes bestimmt, dass den Kammern alle Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker, psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten angehören, die im Land Berlin ihren Beruf ausüben oder, ohne bereits Kammerangehörige in einem anderen Land der Bundesrepublik Deutschland zu sein, ihren Wohnsitz haben. § 6 Abs. 2 der Satzung der Berliner Ärzteversorgung bestimmt, dass Mitglied der Versorgungseinrichtung alle Personen werden, die nach dem 31. Dezember 2005 Mitglied der Ärztekammer werden, im Zeitpunkt des Eintritts der Mitgliedschaft das 60. Lebensjahr nicht vollendet haben und nicht berufsunfähig sind. Da die beiden letztgenannten Umstände, die eine Mitgliedschaft in der Berliner Ärzteversorgung ausschließen, bei der Klägerin ersichtlich nicht vorliegen, kommt es für die Frage, ob die Tätigkeit der Klägerin für die P.GmbH eine Pflichtmitgliedschaft in der Ärztekammer Berlin und der Berliner Ärzteversorgung begründete, entscheidend darauf an, ob die Klägerin anhand einer Beurteilung der versorgungs- und kammerrechtlichen Normen des jeweiligen Landesrechts eine ärztliche Tätigkeit ausgeübt hat.

Verfehlt ist in diesem Zusammenhang freilich die von der Beklagten aufgestellte Tatbestandsvoraussetzung, dass die Approbation als Arzt bzw. Ärztin zwingend Voraussetzung für die Beschäftigung in dem Sinne sein müsse, dass die Beschäftigung nur mit Approbation ausgeführt werden könne bzw. dürfe. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten sind die bundesrechtlichen Regelungen der BÄO und der ÄApprO nicht maßgeblich. Insbesondere ist die in § 2 Abs. 5 der BÄO enthaltene Definition, wonach Ausübung des ärztlichen Berufs nur die Ausübung der Heilkunde unter der Berufsbezeichnung "Arzt" oder "Ärztin" ist, für die Frage der Kammerzugehörigkeit bzw. der Pflichtmitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung nicht zugrunde zu legen. Diese Bestimmung regelt die Frage der Berufszulassung und betrifft nicht Regelungsbereiche berufsständischer Art (LSG Hamburg, Urteil vom 24. Februar 2010, L 1 KR 42/08, Juris Rn. 27 m.w.N.). Gleiches gilt für die Bestimmungen der ÄApprO. Die BÄO und die ÄApprO sollen als Bestandteil des Gefahrenabwehrrechts insbesondere die Ausübung von ärztlicher Tätigkeit im engeren Sinne, das heißt ärztlicher Tätigkeit in einer Praxis oder in einem Krankenhaus, auf diejenigen Personen begrenzen, die nachweislich eine qualifizierte medizinische Berufsausbildung durchlaufen haben. Dies schließt aber nicht aus, dass im Bereich der hier maßgeblichen versorgungs- und kammerrechtlichen Landesgesetze ein weiteres Verständnis des Arztberufs zugrunde gelegt werden kann, da ein anderer, nämlich der berufsständische Bereich, betroffen ist. Das von der Beklagten vertretene enge Verständnis der Ausübung der ärztlichen Tätigkeit lässt sich weder dem Gesetz entnehmen noch ist es mit der Rechtsprechung des BSG in Einklang zu bringen.

Nach den hier maßgeblichen versorgungs- und kammerrechtlichen Landesgesetzen gilt Folgendes: § 22 Abs. 1 S. 1 der Satzung der Berliner Ärzteversorgung bestimmt, dass jedes Mitglied ab Begründung der Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung bis zum Eintritt eines Versorgungsfalles bzw. bis zur Beendigung der Mitgliedschaft zur Leistung von Versorgungsabgaben verpflichtet ist, sofern Einkünfte aus ärztlicher Berufsausübung erzielt werden. Ärztliche Berufsausübung im Sinne der Satzung ist nach § 22 Abs. 1 S. 2 jede Tätigkeit, zu der die ärztliche Ausbildung berechtigt oder bei der Inhalte der ärztlichen Ausbildung überwiegend verwendet werden können. § 1 Abs. 1 S. 1 der Berufsordnung der Ärztekammer Berlin bestimmt, dass der Arzt der Gesundheit des einzelnen Menschen und der Bevölkerung dient. Aufgabe des Arztes ist es, das Leben zu erhalten, die Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen, Leiden zu lindern, Sterbenden Beistand zu leisten und an der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Gesundheit der Menschen mitzuwirken (§ 1 Abs. 2). Zwar enthalten die nachfolgenden Bestimmungen der Berufsordnung der Ärztekammer Berlin vorwiegend Regelungen, die die ärztliche Tätigkeit im engeren Sinne, das heißt als Arzt in einem Krankenhaus oder in einer Praxis betreffen. Dem steht es jedoch nicht entgegen, andere Berufsfelder bei der Bestimmung des Begriffs der ärztlichen Tätigkeit einzubeziehen. Zur ärztlichen Tätigkeit im Sinne des Kammer- und Versorgungsrecht des Landes Berlin gehört damit nicht nur die Behandlung von Patienten. Grundsätzlich können auch Tätigkeiten in der medizinischen Lehre und Forschung, in Wirtschaft, Industrie und Verwaltung sowie als ärztlicher Gutachter oder in anderen Bereichen einzubeziehen sein. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls zu würdigen. Von einer ärztlichen Ausübung kann nicht mehr gesprochen werden, wenn es im Schwerpunkt der Beschäftigung um berufsfremde Tätigkeiten geht, die in keinerlei Zusammenhang mit der ärztlichen Ausbildung und medizinischen Fachkenntnissen stehen. Soweit Inhalte der ärztlichen Ausbildung überwiegend verwendet werden (vgl. § 22 Abs. 1 S. 2 der Satzung der Berliner Ärzteversorgung), ist in jedem Fall von einer ärztlichen Tätigkeit auszugehen.

Unter Zugrundelegung der vorgenannten Voraussetzungen hat die Klägerin in der Zeit vom 2. Oktober 2014 – dem Eingang ihres Befreiungsantrags bei der Beklagten - bis zum 31. Juni 2015 – der Beendigung ihrer hier in Rede stehenden Tätigkeit - einen Anspruch auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht, denn in dieser Zeit war sie wegen ihrer Beschäftigung Pflichtmitglied in der für sie zuständigen berufsständischen Versorgungseinrichtung sowie Pflichtmitglied der Ärztekammer Berlin.

Nach Überzeugung der Kammer hat die Klägerin das während ihres humanmedizinischen Studiums erworbene ärztliche Fachwissen im Rahmen ihrer Tätigkeit für die P.GmbH schwerpunktmäßig eingesetzt bzw. verwandt. Wie die Beigeladene zu 2) sowie die Klägerin selbst ausgeführt haben, übte sie ihre Tätigkeit mit einem Fokus auf der Immunsuppression und den mit ihr verbundenen medizinischen Vorteile und Risiken aus. Eine immunsuppressive Therapie ist nach - gegebenenfalls auch bereits vor - Organtransplantationen in der Regel erforderlich, um das transplantierte Organ zu erhalten. Das ärztliche Wissen um Chancen und Risiken einer solchen Immunsuppression bildete den fachlichen Schwerpunkt der beruflichen Tätigkeit der Klägerin. Sie hatte hierzu Angehörige von Heilberufen fachlich kritisch und vollständig sowie unter Beachtung des aktuellen Standes der Wissenschaft zu beraten. Dazu gehörte die Befähigung, medizinische, pharmazeutische und biologische bzw. biochemische Zusammenhänge sowie die klinischen Grundlagen von Krankheitsbildern zu beschreiben, Krankheitsverläufe mit Pharmakotherapien zu verknüpfen sowie Anwendungsempfehlungen auszusprechen. Diese Arbeit erfolgte im fachlichen Austausch mit Ärzten unterschiedlicher Fachrichtungen. Indem die Klägerin den behandelnden Ärzten ihr Wissen zur Verfügung stellte, förderte sie deren Kenntnisse über die bestehenden Behandlungsmöglichkeiten, die Wirkungszusammenhänge der Medikation und ein fachlich fundiertes Abwägen von Risiken möglicher Pharmakotherapien. Da in ihrem Bereich Therapieerfolge bei möglichst geringen Nebenwirkungen Grundvoraussetzung auch für eine nachhaltig erfolgreiche Geschäftsstrategie sind, müssen humanmedizinische Erwägungen auch bei betriebswirtschaftlichen Überlegungen im Vordergrund stehen.

Die Kammer hat in Anbetracht dieses Tätigkeitsprofils keine Zweifel, dass profunde ärztliche Fachkenntnisse Voraussetzung für die Einstellung der Klägerin waren bzw. dass ihre Tätigkeit ohne diese nicht hätte ausgeübt werden können. Ihre Tätigkeit diente zumindest mittelbar dem Gesundheitsschutz und der Lebenserhaltung im Sinne des § 1 der Berufsordnung der Ärztekammer Berlin.

Zwar waren Gegenstand der Tätigkeit der Klägerin insbesondere auch Fragen des Marketings, d.h. Themenbereiche, die eher dem betriebswirtschaftlichen Bereich zuzuordnen sind. Dass im Rahmen der von der Klägerin ausgeübten Beratungstätigkeiten Wirtschaftlichkeitserwägungen angestellt und in Teilen sicherlich auch betriebswirtschaftliches Basiswissen angewandt wurde, steht der Einstufung als ärztliche Tätigkeit aber nicht entgegen.

Allein der Umstand, dass Teilbereiche der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit nicht berufsspezifisch für einen Arzt sind, sondern eher die allgemeine Marktstellung ihres Arbeitgebers betrafen und zum Teil auch Lobbyarbeit darstellen mögen, führt jedoch noch nicht dazu, der Tätigkeit der Klägerin die Befreiungsfähigkeit abzusprechen. Maßgeblich ist dann, ob der berufsspezifische Teil der Tätigkeit jedenfalls ein derartiges Gewicht hat, dass er bei einer Gesamtbetrachtung der Aufgaben nicht von untergeordneter Bedeutung ist, denn eine Aufspaltung der Beschäftigung in einen i.S.v. § 1 SGB VI stets versicherungspflichtigen Teil und einen gemäß § 6 SGB VI befreiungsfähigen Teil ist nicht möglich. Der Versicherungspflicht unterliegt immer nur die Beschäftigung i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV als Ganzes. Vorliegend ist der ärztliche Anteil der Tätigkeit der Klägerin zur Überzeugung der Kammer wesentlich im vorgenannten Sinn gewesen, wobei sich diese Einschätzung maßgeblich auf die eigene Tätigkeitsbeschreibung durch die Klägerin stützt. Den Bestimmungen des Stellenprofils des Arbeitgebers der Klägerin kommt nach Auffassung der Kammer vorliegend keine maßgebliche Bedeutung zu. Es handelt sich bei diesen um einen standardisierten Vordruck, der im Hinblick auf die konkrete Ausübung der Tätigkeit der Klägerin für die P.GmbH keine Regelungen trifft. Hingegen kommt es entscheidend auf die oben dargelegten tatsächlichen Verhältnisse an, die für eine schwerpunktmäßige Anwendung ärztlichen Fachwissens bei der Ausübung der Tätigkeit der Klägerin für die P. GmbH sprechen.

Mit den detaillierten Angaben der Klägerin zum konkreten Inhalt ihrer Tätigkeit hat sich die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid bereits nicht auseinandergesetzt, sondern zur Begründung ihrer Ablehnung lediglich pauschal und – nach dem oben Gesagten – rechtsfehlerhaft auf die nicht erforderliche Approbation verwiesen.

Der Verweis der Beklagten darauf, dass laut der Stellenbeschreibung der P.GmbH nicht einmal ein humanmedizinisches Studium gefordert werde, führt im Fall der Klägerin ebenfalls zu keiner anderen Bewertung. Denn die bloße Stellenausschreibung bzw. -beschreibung und etwaige darin enthaltene formale Qualifikationen oder Anforderungsprofile sind eben nicht maßgeblich; entscheidend ist nach dem oben Gesagten allein der tatsächliche Inhalt der konkret ausgeübten Tätigkeit. Hierfür ist für die Kammer vor allem die eigene Darstellung der Klägerin ausschlaggebend, die von der Beklagten weder in Zweifel gezogen noch überhaupt in irgendeiner Form gewürdigt wurde. Die detaillierte Tätigkeitsbeschreibung hat für die Kammer in diesem Fall einen höheren und unmittelbareren Beweiswert als die vorherige formale Stellenbeschreibung.

Gemessen an den oben dargelegten Grundsätzen steht damit zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Klägerin während der Zeit ihrer Tätigkeit für die P.GmbH im Bereich der Transplantationsmedizin eine ärztliche Tätigkeit im Sinne des Kammer- und Versorgungsrechts des Landes Berlin ausgeübt hat, die eine Pflichtmitgliedschaft sowohl in der Ärztekammer Berlin als auch in der Berliner Ärzteversorgung nach sich zog.

Soweit die Beklagte meint und behauptet, die von ihr postulierte Voraussetzung einer für die Beschäftigung objektiv zwingend erforderlichen Approbation entspreche der Rechtsprechung zahlreicher Landessozialgerichte, vermag die Kammer dem nach eingehender Prüfung der einschlägigen Judikatur nicht zu folgen. Soweit ersichtlich, wurde zuletzt überhaupt nur noch in drei Entscheidungen des LSG Rheinland-Pfalz und des LSG Baden-Württemberg auf die Voraussetzung einer zwingend erforderlichen Approbation abgestellt (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 5. Mai 2010 – L 4 R 168/09, Juris Rn.31, LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Januar 2009 – L 4 R 738/06, Juris Rn.29 – sowie Urteil vom 1. März 2011 – L 11 R 4872/09, Juris Rn. 76,78). Bereits diese Entscheidungen können so jedoch nicht mehr herangezogen werden: während die diesbezüglichen Ausführungen des LSG Rheinland-Pfalz in der nachfolgenden Revisionsentscheidung mangels Entscheidungserheblichkeit zu Recht für irrelevant erklärt wurden (BSG, Urteil vom 31. Oktober 2012 – B 12 R 5/10 R -, Juris Rn. 27-32), wurde die neuere Entscheidung des LSG Baden-Württemberg in der Revision sogar aufgehoben (BSG, Urteil vom 31. Oktober 2012 – B 12 R 3/11 R -, Juris Rn. 34); letzteres hat sich sodann im Rahmen der erneuten Entscheidung ausdrücklich der Auffassung des BSG angeschlossen (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20. Januar 2015 – L 11 R 1710/13 ZVW, Juris).

Soweit sich die Beklagte auf eine weitere Entscheidung des Hessischen LSG berufen hat (Urteil vom 29. März 2007 – L 1 KR 344/04, Juris), vermag die Kammer darin dessen vermeintliche Rechtsauffassung zur erforderlichen Approbation nicht aufzufinden. Vielmehr hat das Hessische LSG ebenso wie das BSG in der bereits zitierten Entscheidung vom 31. Oktober 2012 – B 12 R 3/11 R - darauf abgestellt, dass die Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI nicht personen-, sondern tätigkeitsbezogen ausgesprochen werde und deshalb geprüft werden müsse, ob eine berufsspezifische Tätigkeit vorliege. Die angebliche Voraussetzung einer – im dortigen Fall veterinärmedizinischen – Approbation wird nirgends erwähnt. Auch die weitere Rechtsprechung der Instanzgerichte entspricht bei genauerer Prüfung nicht dem verkürzenden und teils verzerrenden Vorbringen der Beklagten. So wird soweit ersichtlich stets eine auf die jeweils konkrete Tätigkeit bezogene Prüfung vorgenommen, ob eine berufsspezifische Tätigkeit vorliegt. Die abstrakte berufliche Qualifikation wird durchweg als jedenfalls nicht allein entscheidend angesehen (vgl. etwa Hessisches LSG, Urteil vom 6. Februar 2014 – L 1 KR 8/13, Juris).

Auch in seinen Entscheidungen zur Befreiungsfähigkeit von Syndikusanwälten hat sich der 5. Senat des BSG den oben zitierten Erwägungen des 12. Senats sinngemäß angeschlossen, indem auf den Inhalt und das Wesen der Tätigkeit abgestellt wurde (vgl. BSG, Urteile vom 3. April 2014 – B 5 RE 13/14 R, B 5 RE 3/14 R und B 5 RE 9/14 R).

Ein Anspruch der Klägerin auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung scheidet indes für die Zeit vom Beginn der Aufnahme der Tätigkeit am 1. März 1999 bis zum 1. Oktober 2014 aus, da die Klägerin ihren Antrag nicht rechtzeitig gestellt hat. Die Befreiung wirkt nach § 6 Abs. 4 SGB VI vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrags an.

Zwar mögen die Voraussetzungen für die Befreiung dem Grunde nach bereits am 1. März 1999 vorgelegen haben, der Antrag hätte jedoch gemäß § 26 Abs. 1 Zehntes Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. §§ 187 Abs. 1, Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) spätestens am 1. Juni 1999 gestellt werden müssen, damit er auf den 1. März 1999 zurückwirkt. Eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht konnte damit erst mit Wirkung zum Zeitpunkt des Zugangs des Antrags bei der Beklagten am 2. Oktober 2014 erfolgen. Das mit dem Hauptantrag verfolgte Klagebegehren, die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin auch für den Zeitraum 1. März 1999 bis 1. Oktober 2014 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien, ist daher unbegründet, so dass insoweit der Hilfsantrag zu prüfen verbleibt.

Hinsichtlich des Hilfsantrags ist die Klage gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als Feststellungsklage statthaft und, da die zulässige innerprozessuale Bedingung des Unterliegens mit dem Hauptantrag teilweise eingetreten ist, als solche auch zulässig. Insbesondere hat die Klägerin wegen des vorgenannten Teilunterliegens ein berechtigtes Interesse an der Feststellung des hilfsweise geltend gemachten Bestehens ihrer Befreiung von der Versicherungspflicht aufgrund des Bescheids vom 21. Oktober 1993 für die Zeit vom 1. März 1999 bis zum 1. Oktober 2014.

Der Hilfsantrag ist jedoch unbegründet. Die Befreiung wirkt nicht personenbezogen, sondern nur in Bezug auf die konkrete Tätigkeit. Sie gilt nur für diejenige Beschäftigung, für die sie erteilt worden ist. Eine früher erteilte Befreiung entfaltet damit beim Wechsel der Beschäftigung hinsichtlich des neuen Beschäftigungsverhältnisses auch dann keine Wirkungen, wenn dieselbe oder eine vergleichbare berufliche Tätigkeit verrichtet wird (BSG, Urteil vom 31. Oktober 2012, B 12 R 3/11 R). Dass der Klägerin im Oktober 1993 eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht von der Rechtsvorgängerin der Beklagten erteilt worden ist, ist damit im vorliegenden Fall in rechtlicher Hinsicht nicht relevant. Entscheidend ist allein, ob für die konkrete Tätigkeit der Klägerin die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht vorliegen.

Ein früherer Befreiungsbeginn bereits ab dem 1. März 1999 folgt auch nicht aus dem Umstand, dass die Beteiligten ggf. davon ausgegangen sind, dass die Klägerin aufgrund des Bescheids der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 21. Oktober 1993 noch von der Rentenversicherungspflicht befreit war. Allein die ggf. fälschliche Annahme eines so nicht bestehenden Rechtsverhältnisses und ein fehlender Streit hierüber können nicht dazu führen, dass die eindeutigen gesetzlichen Voraussetzungen von § 6 Abs. 4 Satz 1 SGB VI übergangen werden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht vor dem Hintergrund eines möglichen sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs (vgl. zu den Voraussetzungen etwa BSG, Urteil vom 31. Oktober 2012 – B 12 R 3/11 R -, Rn. 32 ff. Juris). Die Beteiligten haben weder vorgetragen noch ist sonst aus den Akten ersichtlich, dass die Beklagte die Klägerin zu irgendeinem Zeitpunkt falsch beraten oder informiert hätte. Eine etwaige Beratungspflicht der Beklagten, weil die Klägerin in die fortdauernde Befreiung aus dem Bescheid vom 21. Oktober 1993 vertraut hätte, ist ebenfalls nicht erkennbar, da die Klägerin diesbezüglich schon kein schutzwürdiges Vertrauen entwickeln durfte.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183 Satz 1, 193 Abs. 1 Satz 1 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits der Hauptsache. Das geringfügige Obsiegen der Klägerin in einem – gemessen an dem Klageantrag – Umfang von weniger als 5% bleibt im Rahmen der Kostenentscheidung außer Betracht.
Rechtskraft
Aus
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