L 7 AS 365/14

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 46 AS 5696/11
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 365/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Kostenbeschluss
Leitsätze
1. Die Anwendung des § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG (Nichterhebung von Kosten bei unrichtiger Sachbehandlung) scheidet aus, wenn das Gericht eine Trennung von Ansprüchen nach § 202 SGG i.V.m. § 145 ZPO vorgenommen hat, die zwar nicht zwingend, aber ausreichend begründet und mit Ermessenserwägungen versehen ist. Dies gilt insbesondere, wenn im Zeitpunkt des Trennungsbeschlusses die Klage noch der Gerichtskostenfreiheit des § 183 i.V.m. § 197a SGG unterlag.
2. Zur Befugnis des LSG, in der Berufungsinstanz den Streitwert für die erste Instanz festzulegen.
L 7 AS 365/14
S 46 AS 5696/11 Dresden


SÄCHSISCHES LANDESSOZIALGERICHT
BESCHLUSS
In dem Rechtsstreit
A ...
- Kläger und Berufungskläger -
gegen
Landkreis Bautzen, vertreten durch den Landrat Rechts- und Kommunalamt, Bahnhofstraße 9, 02625 Bautzen
- Beklagter und Berufungsbeklagter -
hat der 7. Senat des Sächsischen Landessozialgerichts am 10. Januar 2017 in Chemnitz durch die Vorsitzende Richterin am Landessozialgericht Dr. Anders, den Richter am Landessozialgericht Weinholtz und die Richterin am Sozialgericht Lang ohne mündliche Verhandlung beschlossen:
Der Streitwert wird für die erste Instanz in den Verfahren S 46 AS 5696/11, S 46 AS 6715/11, S 46 AS 6716/11 und S 46 AS 6717/11 auf jeweils 223,72 EUR jeweils ab 21.03.2012 und für das Berufungsverfahren auf 750,04 EUR festgesetzt.

Gründe:

In sozialgerichtlichen Verfahren, in denen in einem Rechtszug – wie hier – weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 Sozialgerichtsgesetz (SGG) genannten Personen gehören, werden nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben.

Nach Beendigung des Rechtsstreits durch Urteil vom 14.12.2016 und Anhörung der Beteiligten zur Festsetzung des Streitwerts hat der Senat (vgl. § 155 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGG) von Amts wegen den Streitwert endgültig festzusetzen, § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs. 3 GKG).

Der Kläger hat zunächst in erster Instanz eine weitere Zahlung auf die Kosten der vier geführten Widerspruchsverfahren in Höhe von insgesamt 894,88 EUR im Namen der ursprünglich vertretenen Leistungsempfängerin begehrt. Nachdem das Sozialgericht Dresden die einzelnen Kostenansprüche aufgrund verschiedener Widerspruchsbescheide mit Beschluss vom 08.11.2011 gemäß § 202 SGG in Verbindung mit § 145 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) getrennt hatte, erhob der Kläger auf entsprechenden Hinweis des Gerichts am 21.03.2012 vier einzelne Klagen im eigenen Namen in den vier getrennten Verfahren jeweils separat und mit einem Begehren auf Zahlung weiterer jeweils 223,72 EUR. Im Berufungsverfahren hat der Kläger sein Begehren ausweislich seines Berufungsschriftsatzes vom 05.03.2014 auf 750,04 EUR begrenzt.

Sein Antrag richtete sich daher jeweils auf eine bezifferte Geldleistung und der Streitwert war in dieser Höhe entsprechend festzusetzen. Dabei war sein Begehren in erster Instanz nach der Klageumstellung auf seine eigene Person pro Verfahren auf 223,72 EUR (309,40 EUR abzüglich bereits geleisteter 85,68 EUR) gerichtet. Bei einer Abtrennung von Verfahrensteilen ist für jeden Verfahrensteil rückwirkend auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung ein Einzelstreitwert anzusetzen, (vgl. Bundesfinanzhof (BFH), Beschluss vom 22.09.2008, II E 14/07, Rn. 8 m.w.N.).

Der Senat hat als Berufungsgericht den Streitwert für das erstinstanzliche Klageverfahren festgesetzt, weil es an einer endgültigen Festsetzung in erster Instanz fehlte. Zwar hat das Sozialgericht am 16.10.2012 den Streitwert für jedes einzelne der zunächst abgetrennten Verfahren auf jeweils 223,72 EUR vorläufig festgestellt. Eine endgültige Streitwertfestsetzung ist aber weder dem Gerichtsbescheid vom 13.02.2014 noch einem eigenständigen Beschluss zu entnehmen. Die Befugnis des Sächsischen Landessozialgerichts zur Festsetzung des Streitwerts auch für die erste Instanz ergibt sich aus § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG. Jedenfalls bei betragsmäßig von vornherein feststehendem Streitwert darf das Rechtsmittelgericht aus Gründen der Prozessökonomie nicht nur eine von dem erstinstanzlichen Gericht getroffene Festsetzung ändern, sondern auch eine unterbliebene Streitwertfestsetzung nachholen (vgl. BSG, Urteil vom 05.10.2006 – B 10 LW 5/05 R, Rn. 23; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 197a, Rn. 5 m.w.N.).

Dem vom Kläger im Schriftsatz vom 22.12.2016 gestellten Antrag auf Nichterhebung der entstandenen weiteren Kosten und Auslagen wegen der Abtrennung der einzelnen Verfahren aus einer erhobenen Klage gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG kann nicht entsprochen werden. Voraussetzung dafür ist, dass das Gericht (hier das Sozialgericht in erster Instanz) einen Fehler gemacht hat, der offensichtlich ist und schwer wiegt. Das Gericht müsste gegen eine eindeutige gesetzliche Norm verstoßen haben und der Verstoß offen zutage treten. Es reicht nicht aus, dass das Gericht irgendeinen Verfahrensfehler begangen hat und daher auch nicht, wenn das Gericht lediglich unzweckmäßig gehandelt hat, (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 39. Auflage, GKG, § 21, Rn. 9, 10). Dafür, dass das Sozialgericht Dresden hochgradig fehlerhaft gehandelt hat, als es die Klage, mit der vier Widerspruchsbescheide angefochten wurden, mit Beschluss vom 08.11.2011 in vier Verfahren gemäß § 202 SGG in Verbindung mit § 145 ZPO getrennt hat, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Zwar kann der Kläger entscheiden, wie viele Widerspruchsbescheide er mit einer Klage anficht, § 56 SGG. Ein offen zutage tretender, hochgradiger Fehler kann in dieser Sachbehandlung des Verfahrens aber nicht erkannt werden. Das Gericht hat den Trennungsbeschluss ausreichend begründet und seine Ermessenserwägungen dargelegt. Diese lassen – auch wenn es einer Trennung der vier gleichlautenden Ansprüche nicht zwingend bedurft hätte – jedenfalls keine willkürliche Handhabung des Gerichts erkennen. Im Zeitpunkt des Trennungsbeschlusses war die Klage noch im Namen der Leistungsberechtigten erhoben, sodass noch Gerichtskostenfreiheit nach § 183 SGG in Verbindung mit § 197a SGG vorlag. Erst in der Folge hat der Kläger die Klagen auf seinen Namen umgestellt. Die Entstehung neuer gerichtlicher Gebühren für den Kläger durch die Trennung der Verfahren war für das Gericht in dem Moment des Trennungsbeschlusses nicht erkennbar. Zudem muss entscheidend darauf abgestellt werden, dass der Kläger die auf seinen Namen umgestellten Kostenansprüche in den vier Verfahren in getrennten Klagen am 21.03.2012 eingereicht hat, ihm also in diesem Moment bewusst war, dass nunmehr für jedes Verfahren gesondert Gerichtskosten anfielen. Diese Umstände lassen eine Nichterhebung von Kosten nach § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht zu.

Dieser Beschluss ist nach § 68 Abs. 1 Satz 5 und § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG nicht anfechtbar.

Dr. Anders Weinholtz Lang
Rechtskraft
Aus
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