S 12 KA 328/16 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 328/16 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Es ist zweifelhaft, ob die Vorgaben der KBV zwingend eine Quotierung der Leistungen des genetischen Labors in den Quartalen III und IV/15 ausschließen. Ziff. 7.3 Teil B der Vorgaben, wonach eine ggf. notwendige quartalsbezogene Finanzierung eines Unterschusses im Vergütungsvolumen des Grundbetrags „genetisches Labor“ aus dem Vergütungsvolumen des fachärztlichen Grundbetrags zu erfolgen hat, betrifft in erster Linie das Verhältnis der Aufteilung der Gesamtvergütung in einen haus- und einen fachärztlichen Bereich. Eine Festvergütung für Leistungen des genetischen Labors wird in den Vorgaben nicht festgelegt.
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 30.06.2016 wird abgelehnt.

2. Die Antragstellerin hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 24.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens um die Verpflichtung der Antragsgegnerin, der Antragstellerin vorläufig ein weiteres Honorar für die Quartale III und IV/15 in Höhe von 488.373,24 EUR auszuzahlen, das sich bei einem Wegfall der Quotierung des Leistungsbereichs "Genetisches Labor" ergeben würde.

Die Antragstellerin ist seit dem 01.08.2009 als Fachärztin für Humangenetik zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. Sie beschäftigte seit 01.02.2010 Herrn Prof. Dr. C. im Umfang von 8 Wochenstunden und seit 01.10.2010 Frau Dr. D. im Umfang von zunächst 20 Wochenstunden, seit 01.01.2013 im Umfang von 31 Wochenstunden. Aktuell beschäftigt sie weiterhin Frau Dr. D. und Herrn Dr. E. Beide angestellten Ärzte sind ebf. Fachärzte für Humangenetik.

Die Antragsgegnerin setzte das Honorar der Antragstellerin für die Quartale I/14 bis IV/15 wie folgt fest:

Quartal I/14 II/14 III/14 IV/14
Honorarbescheid, Datum der Übersicht 16.07.2014 06.10.2014 06.01.2015 02.04.2015
Honorar gesamt in EUR 458.405,36 564.881,68 582.690,82 730.761,03
Honoraranforderung PK + EK in EUR 592.908,37 559.868,99 578.412,62 736.058,06
Fallzahl PK + EK 504 515 526 574
Bruttohonorar PK + EK in EUR 421.466,57 545.136,58 565.356,29 718.306,97
Regelleistungsvolumen in EUR 21.269,26 25.041,88 25.296,41 18.024,58
Quotiertes Regelleistungsvolumen in EUR 548,05 1.206,26 639,97 2.074,45
Übrige Leistungen innerhalb der morbi-ditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) 370.709,11 502.941,40 527.983,20 617.458,24
Leistungen außerhalb der MGV als extrabudgetäre Gesamtvergütung (EGV) 38.383,15 24.531,37 19.584,38 28.897,37
Abzug EHV-Beiträge 9.443,00 8.584,33 8.147,67 8.147,67

Fallwert in EUR 836,23 1.058,52 1.074,82 1.251,41
Quote Bruttohonorar* 71,1 97,4 97,7 97,6
* Berechnung der Kammer

Quartal I/15 II/15 III/15 IV/15
Honorarbescheid v. 03.07.2015 30.09.2015 06.01.2016 03.04.2016
Widerspruch v. 24.08.2015 - 17.02.2016 20.05.2016
Honorar gesamt brutto in EUR 459.938,73 829.562,51 543.249,33 464.607,76
Honoraranforderung 483.880,23 861.413,76 875.621,12 643.111,45
Fallzahl PK + EK 518 692 660 583
Bruttohonorar PK + EK in EUR 453.385,69 826.803,06 541.952,80 445.788,46
Regelleistungsvolumen in EUR 20.959,97 23.169,14 35.280,08 23.023,32
Quotiertes Regelleistungsvolumen in EUR 1.016,52 4.872,17 2.480,84 4.764,12
Übrige Leistungen innerhalb der morbi-ditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) 416,196,07 782.934,68 484.675,32 408.804,35
Leistungen außerhalb der MGV als extrabudgetäre Gesamtvergütung (EGV) 23.450,80 23.974,73 32.597,68 22.277,67
Abzug EHV-Beiträge 8.147,67 8.147,67 - 13.081,00 - 13.081,00

Fallwert in EUR 875,26 1.194,80 821,14 764,65
Quote Bruttohonorar* 93,7 96,0 61,9 69,3
* Berechnung der Kammer

Quartal I/16
Honorarbescheid v. 06.07.2016
Widerspruch v.
Honorar gesamt brutto in EUR 377.245,11
Honoraranforderung 607.787,28
Fallzahl PK + EK 520
Bruttohonorar PK + EK in EUR 388.443,02
Regelleistungsvolumen in EUR 14,382,57
Quotiertes Regelleistungsvolumen in EUR 1.272,50
Übrige Leistungen innerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) 336.952,88
Leistungen außerhalb der MGV als extrabudgetäre Gesamtvergütung (EGV) 26.915,97
Abzug EHV-Beiträge 13.081,00

Fallwert in EUR 725,47
Quote Bruttohonorar* 63,9
* Berechnung der Kammer

Gegen die Honorarbescheide für die Quartale I und II/14 legte die Antragstellerin Widersprüche ein, die die Antragsgegnerin mit bestandskräftigen Widerspruchsbescheiden vom 10.06.2015 zurückwies. Gegen die Honorarbescheide für die Quartale I, III und IV/15 legte die Antragstellerin ebf. Widersprüche ein, über die die Antragsgegnerin noch nicht entschieden hat.

Die Antragstellerin hat am 30.06.2016 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei dem Sozialgericht Frankfurt a. M. gestellt. Das Sozialgericht Frankfurt a. M. hat mit Beschluss vom 11.07.2016 - S 1 SV 15/16 ER - den Rechtsstreit an das Sozialgericht Marburg verwiesen.

Die Antragstellerin trägt vor, das Gesamthonorar im Leistungsbereich "Genetisches Labor" werde für die Quartale III und IV/15 auf 60,563 % bzw. 70,098 % quotiert, was zu einem Honorarverlust in Höhe von 314.561,25 EUR bzw. 173.811,99 EUR geführt habe. Im Vorquartal habe die Quote noch bei 98,094 % gelegen. Sie habe seit Januar 2016 mit der Antragsgegnerin ohne Ergebnis Gespräche über die Honorarsituation geführt. Statt eines geplanten Gewinns von 250.000 EUR habe die Praxis nun einen Verlust von etwa 300.000 EUR. Der Praxis drohe die Insolvenz. Der Honorarbescheid für das Quartal I/16 beruhe ebf. auf einer rechtswidrigen 60%-igen Quotierung im Bereich des genetischen Labors mit einem Defizit von 223.810,26 EUR. Den genauen Zeitpunkt einer Existenzgefährdung könne sie nicht nennen. Angesicht der kontinuierlichen Kostenausgaben einerseits und den diesen gegenüberstehenden Einnahmen durch Honorarzahlungen andererseits sei bei ungehindertem Fortlauf der Dinge die Zahlungsunfähigkeit in absehbarer Zeit unausweichlich. Eine Existenzgefährdung liege unabhängig von einem konkreten Datum in voraussehbarer Zeit vor. Die Antragsgegnerin könne in ihrer Analyse auch nicht Vergleiche mit Durchschnittszahlen anstellen, maßgeblich komme es auf vergleichbare humangenetische Praxen mit vergleichbarem Leistungsangebot an. Sie habe bereits mit Schreiben vom 28.06.2011 der Antragsgegnerin ihre Praxisbesonderheit dargelegt. Sie verfüge über kein nennenswertes Privatvermögen. Es erfolgten lediglich angemessene monatliche Entnahmen aus dem Praxiskonto zur Bestreitung des Lebensunterhalts in Höhe von 8.334,00 EUR. Die defizitäre Lage der Praxis ergebe sich daraus, dass die laufenden Praxiskosten durch die entgegen den Erwartungen stark quotierten Honorarzahlungen nicht gedeckt werden könnten. Sie werde voraussichtlich zum Ende des Jahres ihre Zahlungsverpflichtungen nicht mehr erfüllen können. Sie habe bereits Maßnahmen zur Reduzierung der Sach- und Personalkosten ergriffen, die z. T. wegen Kündigungsfristen erst ab Juli 2016 griffen. Die Erbringung genetischer Leistungen sei sehr personalintensiv bei einer linearen Beziehung zwischen Produktionskosten und Stückzahl gehe die bloße Verdoppelung der Umsatzerlöse bei gleichzeitiger Fallzahlsteigerung um das nahezu Dreifache zwischen den Jahren 2012 und 2015 zwangsweise mit einer betriebswirtschaftlichen Verschlechterung der Praxis einher. Sie habe den vorgerichtlichen Verhandlungstisch nicht verlassen. Es sei zwar richtig, dass die Praxis mit einer Quotierung auf ca. 75 % überlebensfähig wäre. Das setze allerdings voraus, dass die Antragsgegnerin ihr diese aus der Vergangenheit zustehenden Honorare auszahle, sodass sie in neue Technologien investieren könne. Ein Vergleich komme für sie in Betracht, wenn die Leistungen in den Quartalen III und IV/15 sowie für Folgequartale des Jahres 2016 mit einer Quote von 75 % vergütet werden würden. Für die Quartale III und IV/15 ergebe dies eine Nachzahlung von 143.648,00 EUR. Für das Quartal I/16 belaufe sich die Nachzahlung auf weitere 82.428,85 EUR. Dies berücksichtige noch nicht die erforderlichen Investitionen in die dringend benötigte neue Technologie. Dies bedeute, dass die Insolvenz zwar vorübergehend abgewendet wäre, eine auf Dauer tragfähige und zukunftsfähige Arbeitsweise aber im Hinblick auf die neuen Rahmenbedingungen des EBM gleichwohl ausgeschlossen werde. Neben laufenden Praxiskosten seien Investitionen in Höhe von mind. 299.000,00 EUR erforderlich. Nach dem Honorarverteilungsmaßstab und den Vorgaben der KBV sei der Honorartopf im Falle eines Unterschusses aus dem Vergütungsvolumen des fachärztlichen Grundbetrags aufzufüllen, eine Quotierung sei nicht vorgesehen. Ziff. 2.4.5 HVM trage die Quotierung nicht. Die Regelung sei in sich widersprüchlich, denn sie lasse eine Quotierung zu und verweise andererseits auf die Vorgaben der KBV, die eine Auffüllung vorsähen. Die Vorgaben der KBV seien aber für die Antragsgegnerin bindend. Die Stellungnahme eines einzelnen Referenten der KBV könne keine Rechtswirkungen entfalten. Die von ihm vorgenommene Auslegung von Nr. 7.3 des Teil B der Vorgaben der KBV sei zudem fehlerhaft, da sie nur gegen allgemeine Auslegungsregeln als auch gegen Grundsätze der Honorarverteilung verstoße. Es fehle weiterhin an einer Ermächtigungsgrundlage für die Quotierungsregelung in HVM. Die Antragsgegnerin habe auch nicht dargelegt, warum eine Quotierung überhaupt erforderlich gewesen sein solle und ob diese auch bei anderen Leistungserbringern im Leistungsbereich "genetisches Labor" erfolgt sei. Einem Vergleich, der lediglich eine Auszahlung von 75 % der Honorare für die Quartale III und IV/15 sowie eine Rücknahme der bzgl. dieser Quartale eingelegten Rechtsbehelfe des hiesigen Antrags vorsehe, könne sie nicht zustimmen. Damit werde ihre Existenz nicht gesichert.

Die Antragstellerin beantragt,
im Wege der einstweiligen Anordnung die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr vorläufig ein Honorar in Höhe von 488.373,24 EUR zu zahlen,
hilfsweise
die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihre Honoraransprüche unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden und den neu beschiedenen Betrag auszuzahlen, wobei das Gericht der Antragsgegnerin hierzu eine kurze Frist setzen möge.

Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, ein Anordnungsgrund sei bisher nicht glaubhaft gemacht worden. In Bezug auf das Gesamthonorar im Jahr 2015 im Vergleich zum Vorjahr – 2.267.930,10 EUR zu 2.250.266,40 EUR – sei keine Honorarminderung eingetreten. Die Antragstellerin habe lediglich den Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2012 vorgelegt, es sei aber nicht ersichtlich, weshalb nicht auch die Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2013 und 2014 vorgelegt worden seien. Zur Bonitätsprüfung reichten nicht die Angaben zu den Kontoständen aus, es hätte eine aussagekräftigere Bankauskunft vorgelegt werden müssen. Eine strafbewehrte Versicherung an Eides statt über ihr Aktivvermögen habe sie nicht eingereicht. Im vorgerichtlichen Verfahren habe sie mit der Antragstellerin Vergleichsgespräche geführt und ihr eine Einmalzahlung in Höhe von 100.000,00 EUR, was eine Erhöhung der Quote um 10 % entspreche, angeboten. Sie habe eine Analyse der Praxis der Antragstellerin durchgeführt. Sehr auffällig sei die Kostensituation der Praxis. Die Gesamtkosten betrügen ca. 75 % und lägen somit 25 % höher als die durchschnittlichen Gesamtkosten aller Praxen. Die Personalkosten der Praxen lägen mit 50 % ebf. ca. 25 % über den Durchschnittskosten. Somit liege hierin das Kernproblem. Die Quotierung mit der Stützungsregelung ab Unterschreitung einer Quote von 60 % ergebe sich aus ihrem Honorarverteilungsmaßstab. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts habe Quotierungen für rechtmäßig erachtet. Die Quotierung beruhe auf ihrem Satzungsrecht. Die KBV-Vorgaben schränkten ihr Satzungsrecht nicht ein. Sie verweise hierzu auf die von ihr eingeholten Stellungnahmen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung mit Datum vom 30.08.2016 und vom 05.09.2016, die sie zur Gerichtsakte reiche. Die KBV setze sich mit den seitens der Antragstellerin vorgebrachten Argumenten auseinander. Diesen Ausführungen schließe sie sich ebf. an. Sie sei nicht bereit, im Wege eines Vergleichs Investitionskosten in Höhe von mind. 299.000,00 EUR für neue Technologien zu übernehmen. In den vorgerichtlichen Verhandlungen sei dargelegt worden, die Praxis könne mit einer Erhöhung der Quotierung für den Leistungsbereich Humangenetisches Labor auf einen Interventionsbetrag von 70 % ökonomisch solide arbeiten. Mit Unverständnis reagiere sie daher auf die jetzt begehrte Erhöhung auf einen Quotierungssatz von 75 %. Sie sei nicht bereit, sich per Vergleich fortlaufend, genauer gesagt für das Quartal I/16 sowie für die Folgequartale des Jahres 2016 auf einen Quotierungssatz von 75 % für den Bereich des genetischen Labors zu verpflichten. Sie könne sich allerdings einen Vergleich für die Quartale III und IV/15 im Zuge einer Erhöhung des Quotierungssatzes für den Bereich des genetischen Labors auf 75 % vorstellen. Im Gegenzug müsste die Antragstellerin aber die Rechtsmittel für diese beiden Quartale zurücknehmen.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, aber unbegründet.

Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag einen Erlass einer einstweiligen Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 S. 1 u. 2 Sozialgerichtsgesetz SGG). Es müssen ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht werden (§ 920 Zivilprozessordnung i. V. m. § 86b Abs. 2 S. 4 SGG).

Nach Aktenlage ist ein Anordnungsanspruch zweifelhaft.

Die Kammer hat in ihrer Verfügung vom 02.08.2016 die maßgeblichen Bestimmungen des HVM und der Vorgaben der KBV aufgeführt. Die Beteiligten haben im Einzelnen ihre Positionen insb. zu den Vorgaben der KBV ausgetauscht. Von daher wird es ggf. einem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, der Frage weiter nachzugehen, ob die Vorgaben der KBV zwingend eine Quotierung der Leistungen des genetischen Labors ausschließt. Ziff. 7.3 Teil B der Vorgaben, wonach eine ggf. notwendige quartalsbezogene Finanzierung eines Unterschusses im Vergütungsvolumen des Grundbetrags "genetisches Labor" aus dem Vergütungsvolumen des fachärztlichen Grundbetrags zu erfolgen hat, betrifft in erster Linie, wie die Überschrift zu Teil B Vorgabe zur Festlegung und Anpassung des Vergütungsvolumens für die hausärztliche und fachärztliche Versorgung - zeigt, das Verhältnis der Aufteilung der Gesamtvergütung in einen haus- und einen fachärztlichen Bereich. Dies wird auch durch die übrigen Unterabschnitte deutlich. Damit wird keine zwingende Aussage für die Verteilung innerhalb des fachärztlichen Bereichs getroffen. Vorgaben für die Gestaltung des HVM werden vielmehr in Teil A "Vorgaben zu den Honorarverteilungsmaßstäben der Kassenärztlichen Vereinigungen gemäß § 87b Abs. 2 Satz 1 SGB V (GKV-VStG)" getroffen. So bestimmt Teil A in der ab 01.01.2015 und ebenso in der ab 01.10.2016 geltenden Fassung, dass der HVM gemäß § 87b Abs. 2 Satz 1 SGB V (GKV-VStG) Regelungen vorzusehen hat, die verhindern, dass die Tätigkeit der Ärzte, Psychotherapeuten, Medizinischen Versorgungszentren sowie ermächtigten Einrichtungen über den zugestandenen Versorgungsauftrag oder den Ermächtigungsumfang hinaus übermäßig ausgedehnt wird (Ziff. 2 Teil A KBV-Vorgabe). Dabei soll den Ärzten, Psychotherapeuten, Medizinischen Versorgungszentren und ermächtigten Einrichtungen eine Kalkulationssicherheit hinsichtlich der Höhe des zu erwartenden Honorars ermöglicht werden (Ziff. 3 Teil A KBV-Vorgabe). Ausgangsgröße der Honorarverteilung ist die jeweils für das Abrechnungsquartal von den Krankenkassen mit befreiender Wirkung zu entrichtende morbiditätsbedingte Gesamtvergütung gemäß § 87a Abs. 3 Satz 1 SGB V (GKV-VStG), die unter Berücksichtigung von Teil B der Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zur Festlegung und Anpassung des Vergütungsvolumens für die hausärztliche und fachärztliche Versorgung getrennt wird (Ziff. 4 Teil A KBV-Vorgabe). Weder hieraus noch nach der Übergangsvorschrift (Ziff. 6 Teil A KBV-Vorgabe) ergibt sich zwingend eine vollständige Festvergütung für Leistungen des genetischen Labors.

Die Bildung fester Honorarkontingente schließt aber eine Quotierung von Leistungen nicht aus. Das Bundessozialgericht hat in der Vergangenheit wiederholt die Quotierung von ärztlichen Leistungen, auch soweit sie auf Überweisung erfolgen, gebilligt. Da eine "Nachschusspflicht" der Krankenkassen und damit eine Erhöhung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung nicht vorgesehen ist, können Leistungen bei Überschreitung des Vergütungsvolumens nur quotiert vergütet werden, wenn sich diese Überschreitung nicht zum Nachteil anderer Arztgruppen bzw. Leistungsbereiche auswirken soll (BSG, Urt. v. 23.03.2016 - B 6 KA 33/15 R - SozR 4-2500 § 87b Nr. 8, juris Rdnr. 13). Insofern gilt der Grundsatz, dass angesichts begrenzter Gesamtvergütungen kein Leistungsbereich generell von Steuerungsmaßnahmen ausgenommen werden kann (vgl. BSG, Urt. v. 23.03.2016 - B 6 KA 33/15 R - a.a.O. Rdnr. 18; BSG, Urt. v. 19.08.2015 - B 6 KA 34/14 R - BSGE (vorgesehen) = SozR 4-2500 § 87b Nr. 7, juris Rdnr. 28). Dieser Grundsatz gilt selbst für Kostenerstattungen und Kostenpauschalen (vgl. BSG, Urt. v. 19.08.2015 - B 6 KA 34/14 R - a.a.O. Rdnr. 42 ff.). Eine feste, begrenzte Gesamtvergütung schließt die Vergütung aller vertragsärztlichen Leistungen mit einem garantierten Punktwert aus. Mengenbegrenzungen oder Quotierungen sind unvermeidlich, und jeder Garantiepreis für bestimmte, mengenmäßig nicht begrenzte Leistungen führt bei entsprechender Mengenentwicklung zwangsläufig zu einer Absenkung der Vergütung anderer Leistungen. Die umfassende Festlegung von "absolut" festen Punktwerten ist auch in dem seit 2009 geltenden Vergütungssystem von vornherein ausgeschlossen, weil bei gedeckelter Gesamtvergütung die Vorgabe fester Punktwerte nur dadurch ermöglicht werden kann, dass entweder die RLV so (niedrig) bemessen werden, dass die gezahlten Gesamtvergütungen ausreichen, um alle erfassten Leistungen mit dem vorgesehenen Punktwert zu vergüten oder dass dies zu Lasten der "freien Leistungen" geht (vgl. BSG, Urt. v. 23.03.2016 - B 6 KA 33/15 R - a.a.O. Rdnr. 19 m.w.N.). Auch humangenetische Leistungen können grundsätzlich quotiert vergütet (vgl. BSG, Urt. v. 19.08.2015 - B 6 KA 44/14 R - juris Rdnr. 63) oder Honorarbegrenzungsmaßnahmen unterworfen werden (vgl. SG Marburg, Gerichtsb. v. 04.02.2015 - S 12 KA 208/13 - juris Rdnr. 33).

Insofern spricht mangels fester Vorgaben viel für die Auffassung der Antragsgegnerin, dass sie innerhalb ihrer Satzungsbefugnis eine Quotierung von Leistungen vorsehen kann. Mit der Quotierungsuntergrenze von 60 % gewährleistet sie auch eine gewisse Kalkulationssicherheit.

Soweit ein dauerhafter Punktwertabfall von mehr als 15 % unter das sonstige Durchschnittsniveau - was ggf. in einem Hauptsacheverfahren zu untersuchen wäre und bisher von der Antragstellerin nicht behauptet wird - eine Reaktionspflicht begründet, setzt dies eine dauerhafte Entwicklung voraus. Dies kann im Regelfall frühestens nach Vorliegen von Daten aus mindestens zwei Quartalen angenommen werden. Eine Korrektur kann regelmäßig nur für die Zukunft gefordert werden (vgl. BSG, Urt. v. 23.03.2016 - B 6 KA 33/15 R - a.a.O. Rdnr. 26 m.w.N.). Insofern ist die Entwicklung der Quartale I/14 bis II/15 relativ stabil und tritt eine deutliche Punktwertabsenkung erstmals im Quartal III/15 auf. Von daher folgt aus der Beobachtungspflicht der Antragsgegnerin noch keine zwingende Reaktionspflicht für die Quartale III und IV/15.

Ein Anordnungsgrund ist nicht glaubhaft gemacht.

Je größer die Erfolgsaussichten der Klage sind, umso geringere Anforderungen sind an das Aussetzungsinteresse zu stellen. Je geringer umgekehrt die Erfolgsaussichten der Klage zu bewerten sind, umso schwerwiegender muss das Interesse des Adressaten des Verwaltungsakts an der aufschiebenden Wirkung sein, um eine Aussetzung rechtfertigen zu können. Kann eine endgültige Prognose bezüglich der Erfolgsaussichten (noch) nicht gestellt werden, müssen die Interessen gegeneinander abgewogen werden (vgl. LSG Bayern, Beschl. v. 30.07.2009 – L 12 B 1074/08 KA ER - juris Rdnr. 16).

An das Vorliegen eines solchen Anordnungsgrundes werden im Vertragsarztrecht strenge Anforderungen gestellt. Er kann regelmäßig nur beim Drohen erheblicher irreparabler Rechtsnachteile angenommen werden, die bei honorarrelevanten Maßnahmen insbesondere dann zu bejahen sind, wenn ohne Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes der notwendige Lebensunterhalt oder die Existenz der Praxis gefährdet wäre (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. vom 21.10.2003 L 3 KA 447/03 - juris Rdnr. 3). Es reicht nicht aus vorzutragen, die Verrechnung entziehe dem Praxisbetrieb die kalkulatorischen Grundlagen, wenn hierzu nichts Näheres vorgetragen wird, aus dem sich ein irreparabler Rechtsnachteil ergeben würde (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 06.11.2009 – L 7 KA 104/09 B ER – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris Rdnr. 25; LSG Hessen, Beschl. v. 21.12.2009 L 4 KA 77/09 B ER - juris Rdnr. 32). Der Anordnungsgrund als Voraussetzung einer einstweiligen Anordnung setzt das Fehlen zumutbarer Selbsthilfemöglichkeiten, zu denen auch der Einsatz eigenen Vermögens gehört, voraus (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 28.03.2011 - L 5 KR 20/11 B ER - juris Rdnr. 10).

Maßgeblich für das Vorliegen eines Anordnungsgrunds ist ausschließlich die aktuelle Einkommenslage und nicht der mögliche Verlust in der Vergangenheit. Trägt der jeweilige Antragsteller vor, in seiner Existenz gefährdet zu sein, muss er eine entsprechende wirtschaftliche Situation glaubhaft machen und nachvollziehbar darlegen, dass diese - kausal - auf die angegriffene Maßnahme zurückzuführen ist, d.h. die Gründe für die behauptete Existenzgefährdung müssen geklärt sein. Macht ein Antragsteller erhebliche Zahlungsverpflichtungen geltend, fehlt es am Anordnungsgrund, wenn diese nicht kausal durch den Betrieb der Arztpraxis entstanden sind. Keinesfalls reicht es aus, wenn z.B. ein Vertragsarzt defizitäre Salden ausweisende steuerliche Bilanzen oder Gewinn- und Verlustrechnungen vorlegt. Steuerrechtliche Regelungen räumen angesichts ihrer spezifischen Zielsetzung eine Vielzahl von disponiblen und manipulativen Gestaltungsmöglichkeiten ein, sind mithin von vornherein ungeeignet, einen Anordnungsgrund glaubhaft zu machen. In der Regel muss hinzu kommen, dass der Antragsteller glaubhaft macht, personelle und organisatorische Effizienzoptimierungsmaßnahmen ausgeschöpft zu haben, unmittelbar von Insolvenz bedroht zu sein oder die Schließung oder doch nennenswerte Einschränkung seines Praxisbetriebs befürchten zu müssen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 13.06.2016 - L 11 KA 75/15 B ER - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris Rdnr. 34).

Die Antragstellerin hat nicht nachvollziehbar dargelegt, weshalb sie ihre Praxis nicht fortführen können sollte. Sie geht nunmehr frühestens davon aus, dass ihr die Mittel zur Fortführung ab Jahresende fehlen werden, nachdem sie im Schriftsatz vom 30.06.2016 noch auf eine nicht mehr abwendbare Insolvenz hingewiesen hatte, wenn nicht umgehend die weitere Vergütung zur Verfügung gestellt werde. Entsprechend war in dem vorgerichtlichen Schriftwechsel vorgetragen worden. Dabei ist von besonderer Bedeutung, dass sie auf aus ihrer Sicht erforderliche Investitionen hinweist, die aber grundsätzlich in ihre unternehmerische Risikosphäre fallen und wofür die Antragsgegnerin nicht aufzukommen hat. Die Antragsgegnerin weist insofern auf die hohe Kostenstruktur der Praxis der Antragstellerin hin und darauf, dass das Gesamthonorar im Jahr 2015 nicht unter dem Honorar im Jahr 2014, sondern geringfügig (1 %) darüber liegt, wobei die Fallzahl im Jahr 2015 mit 2.453 allerdings 16 % über der Fallzahl im Jahr 2014 mit 2.119 liegt. Auch sieht sich die Antragstellerin noch in der Lage, monatlich über 8.000,00 EUR zur Deckung ihrer Lebenshaltungskosten zu entnehmen. Soweit die Antragstellerin trotz steigender Umsatzerlöse auf faktisch höhere Kosten verweist, obliegt es ihrer unternehmerischen Entscheidung, ob die Praxis und damit der Umsatz weiter ausgebaut werden. Auf die Absicherung bestimmter Gewinnmargen und von Wachstumspotentialen besteht im vertragsarztrechtlichen Vergütungssystem wie auch anderswo kein Anspruch.

Nach allem war der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Haupt- und Hilfsantrag abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 EUR anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG).

Der Streitwert war auf der Grundlage des geltend gemachten Honoraranspruchs von 488.373,24 EUR zu berechnen. Dabei geht die Kammer davon aus, da eine Verpflichtung zur Zahlung nur vorläufig bis zu einer Widerspruchsentscheidung der Antragsgegnerin erfolgen könnte, dass der wirtschaftliche Wert nach dem mutmaßlichen Zinsgewinn zu bestimmen ist. Dabei ist der Kammer bekannt, dass die Antragsgegnerin sich nicht generell an die dreimonatige Frist nach § 88 Abs. 2 SGG hält. Von daher legt die Kammer vom Zeitpunkt der Antragstellung bis zu einer Entscheidung einen Zeitraum von sechs Monaten zugrunde. Die Kammer geht ferner von einer Verzinsung von 10 % aus. Dies ergab gerundet den festgesetzten Wert (10 % x 488.373,24 EUR x ½).
Rechtskraft
Aus
Saved