L 6 U 2269/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 12 U 763/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 2269/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 3. Mai 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anerkennung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule (LWS) als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).

Der 1960 geborene Kläger ist nach seiner Ausbildung zum Industriekaufmann seit 1984 als Lagerarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt (vgl. Versicherungsverlauf zur Rentenauskunft vom 4. März 2014). Seine Tätigkeit bei dem Betrieb, bei dem er seit 1987 arbeitet, besteht zur Hälfte darin, Kartons mit einem Gewicht bis zu 20 kg auf das Verpackungsband umzusetzen (Arbeitgeberauskunft vom 2. Oktober 2014). Seit 2000 befindet er sich wegen Schmerzen im Bereich der LWS in orthopädischer Behandlung (Auskunft Dr. Sch.). Im September 2014 wurde zur weiteren Diagnostik eine Magnetresonanz-Tomographie (MRT) der LWS veranlasst. Nach dem Befundbericht des Radiologischen Zentrums Wiesloch imponierte eine ausgeprägte aktivierte verfettende Facettengelenksarthrose L4/5 beidseits sowie leichtgradig eine Bandscheibenprotrusion L5/S1; eine Signalkanalstenose konnte ausgeschlossen werden.

Am 24. Juli 2014 zeigte der Kläger selbst den Verdacht einer BK Nr. 2108 an. Zur Begründung führte er aus, er verspüre ständige Schmerzen im Lendenwirbel- und Kreuzbereich, könne deswegen keine sitzende Tätigkeit mehr ausüben. Er müsse vorwiegend schwere Hebearbeiten bis 30 kg in stehender und gebeugter Haltung unter Termin- und Zeitdruck auf hartem Betonboden ausüben. Der Kläger legte noch den ärztlichen Notfallbericht vom 3. August 2014 vor, wonach er wegen Sensibilitätsstörungen in der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikum Heidelberg behandelt worden war. Latente oder manifeste Paresen konnten bei der Untersuchung ausgeschlossen werden. Die Sensorik war ebenso wie die Motorik intakt, Stand und Gang sicher.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes zog die Beklagte das Vorerkrankungsverzeichnis des Klägers bei (Bl. 63 ff. V-Akte), befragte den Orthopäden Dr. Sch. (Spondylose sei mit den nachfolgenden leichten Degenerationen der Bandscheibe LWK 5/S1 ebenso wie der Morbus Scheuermann nicht als BK zu werten) und holte eine Auskunft über die gesundheitsgefährdenden Einwirkungen beim Arbeitgeber ein (Bl. 116 V-Akte).

In Auswertung der Unterlagen führte die Chirurgin Dr. H. in ihrer beratungsärztlichen Stellungnahme nach Aktenlage aus, beim Kläger seien im Kernspin zwei degenerierte Bandscheiben zu erkennen. In den Etagen L3/4 und L5/S1 bestehe eine Bandscheibenvorwölbung, noch kein Bandscheibenvorfall, so dass ein altersüberschreitender Befund des LWS-Systems nicht vorliege. Die Bandscheibenveränderungen seien bei dem Versicherten, der über 50 Jahre alt sei, als altersentsprechend einzustufen. Eine BK drohe somit nicht, weil die Bandscheibenveränderungen als altersentsprechend einzuschätzen seien (Bl. 123 V-Akte).

Mit Bescheid vom 3. Dezember 2014 lehnte die Beklagte daraufhin die Anerkennung der BK Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV und Ansprüche auf Leistungen ab, da beim Kläger kein belastungskonformes Schadensbild vorliege.

Mit seinem dagegen per E-Mail eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, in Anbetracht seiner über 30 Jahre verrichteten Hebearbeiten mit den damit verbundenen Gelenkschädigungen könne sein Alter nicht maßgebend sein. Er legte hierzu einen aktuellen Befundbericht seines Orthopäden Dr. Sch. vom 27. Januar 2015 vor, wonach seine Beschwerden im rechten Bein bis zum Sprunggelenk lumbogen verursacht seien. Die übrigen Segmente der LWS wiesen keine degenerativen Veränderungen auf.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Februar 2015 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Beschluss vom 03.12.2014 mit der Begründung zurück, zwar liege beim Kläger unzweifelhaft eine einschlägige Erkrankung der LWS vor. Nach den sogenannten Konsensempfehlungen der Zusammenhangsbegutachtung beruflich bedingter Erkrankungen der LWS könnten seine Befunde jedoch nicht als belastungsspezifisch eingeordnet werden. Es sei erforderlich, dass neben einer bandscheibenbedingten Erkrankung noch weitere spezifische Begleiterscheinungen an der LWS nachgewiesen würden. Die sogenannten "belastungsadaptiven Veränderungen" seien in seinem Falle nicht im erforderlichem Ausmaß dokumentiert worden. Ferner sei es nach herrschender wissenschaftlicher Auffassung unbestritten, dass Veränderungen in mehreren Abschnitten der Wirbelsäule, d. h. auch in biomechanisch unbelasteten Segmenten (sogenannte belastungsunspezifische Schadensmanifestation) ein deutliches Indiz gegen eine beruflich bedingte Schädigung einschlägig belasteter Segmente darstellten. Insbesondere der Bereich der unteren LWS sei auch bei nicht körperlich arbeitenden Menschen überproportional häufig betroffen. Das bedeute im Ergebnis nicht, dass bei ihm keine krankhaften Veränderungen der LWS erkennbar seien, vielmehr könnten diese nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit ursächlich der beruflichen Tätigkeit angelastet werden. Die eingereichten aktuellen Befunde bestätigten diese Bewertung.

Hiergegen hat der Kläger unter Vertiefung seines Vorbringens am 16. März 2015 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben.

Das SG hat zunächst den behandelnden Orthopäden Dr. Sch. erneut als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser führte aus, radiologische Veränderungen, die auf eine BK hindeuteten, lägen beim Kläger nicht vor. Er stimme deswegen der Bewertung der Beklagten zu.

Das SG hat daraufhin den Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. Dr. R. mit der Begutachtung des Klägers auf eigenes Kostenrisiko nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beauftragt. Der Sachverständige hat nach ambulanter Untersuchung vom 14. Dezember 2015 ausgeführt, der Kläger zeige bei muskulärer Anspannung Schmerzen in der LWS, die Muskeleigenreflexe seien aber beiderseits unauffällig, das Gangbild sicher und nicht verkürzt. Der Kläger leide an einem chronischen LWS-Syndrom bei degenerativen Wirbelsäulenveränderungen, Fehlhaltung, Protrusion L5/S1, Wirbelgleiten und Nervenwurzelreizerscheinungen. Es sei nicht überwiegend wahrscheinlich, dass diese Erkrankung auf langwieriges Heben oder Tragen schwerer Lasten zurückzuführen sei. Entsprechend den Konsensempfehlungen liege eine schwere konkurrierende Ursache, nämlich eine Spondylolisthesis L5 vor. Die Begleitspondylosen seien derartig gering, dass eine berufsbedingte Erkrankung wenig wahrscheinlich sei.

Der Kläger hat die Klage mit der Begründung fortgeführt, der Gutachter habe nicht ausgeschlossen, dass es sich um eine berufsbedingte Erkrankung handele, es bestehe daher zumindest eine Wahrscheinlichkeit dafür.

Mit angekündigtem Gerichtsbescheid hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte habe zutreffend dargelegt, dass alters- und verschleißbedingte Veränderungen gerade im Bereich der unteren LWS im Laufe des Lebens bei einer Vielzahl von Menschen aufträten. Dies sei auch bei dem Personenkreis, der weder langjährig schwer heben noch tragen noch langjährig Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung hätte verrichten müssen, der Fall. Deswegen würden die medizinischen Kriterien der Konsensempfehlungen, die den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand darstellten, auch nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Beurteilung der BK als allgemeiner Orientierungsrahmen herangezogen. Bei der LWS des Klägers sei insbesondere eine Spondylose auffällig, also eine Spaltbildung im knöchernen Wirbelbogen. Diese bewirke ein Wirbelgleiten, die sogenannte Spondylolisthesis. Ursachen hierfür könnten verschiedene sein, also auch genetische Faktoren, die intensive Ausübung bestimmter Sportarten während der Kindheit und Jugend sowie andere. Bereits Ende 2000 habe der Orthopäde erste Anzeichen dieser Problematik beschrieben. Die neueren Befunde wie der radiologische Bericht und die gutachtliche Untersuchung durch Dr. Dr. R. zeigten eine Verstärkung des Phänomens, welches die überwiegende und wesentliche Ursache der LWS-Beschwerden des Klägers darstellten. Zwar ließen sich auch Bandscheibenveränderungen, insbesondere eine Bandscheibenprotrusion im Bereich L5/S1 feststellen. Die Veränderungen zwischen dem 3. und 4. Lendenkörper zeigten aber gerade keine für eine Verursachung durch jahrelanges schweres Heben und Tragen typischen Begleiterscheinungen. So seien nur äußerst geringe Begleitspondylosen zu erkennen. Im Ergebnis lasse sich damit nicht wahrscheinlich machen, dass der beruflichen Hebe- und Tragebelastung wenigstens gleichwertige Bedeutung für die schmerzhaften Veränderungen im Bereich der LWS wie den konkurrierenden Ursachen zukomme, nämlich der Spondylose mit Spondylolisthesis sowie den allgemeinen, auch beispielweise bei sitzend tätigen Personen häufig vorkommenden alterungsbedingten Veränderungen der LWS. Die Voraussetzungen für die Anerkennung der BK Nr. 2108 ließen sich damit insgesamt nicht bestätigen. Die bloße Möglichkeit einer beruflichen Verursachung reiche für die Anerkennung als BK nicht aus.

Gegen den am 20. Mai 2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 20. Juni 2016 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt und zur Begründung vorgetragen, dass er bei Diagnostik der Spondylolisthesis im Jahr 2000 bereits 16 Jahre in seinem Beruf schwere Lasten getragen und gehoben habe. Zudem lägen die von der Konsensempfehlung geforderten Begleitspondylosen zwar in einem geringen Ausmaß, aber dennoch tatsächlich vor. Dementsprechend bestehe eine große Wahrscheinlichkeit für einen Ursachenzusammenhang zwischen beruflicher Tätigkeit und LWS-Erkrankung.

Der Kläger beantragt (teilweise sinngemäß),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 3. Mai 2016 und den Bescheid vom 3. Dezember 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, bei ihm eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig, insbesondere statthaft (§§ 143, 144 Abs. 1 SGG), aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG; zur Klageart vgl. BSG, Urteil vom 18. Juni 2013 - B 2 U 6/12 R -, SozR 4-2700 § 9 Nr. 22, Rz. 13 m. w. N.), mit welcher der Kläger die Beseitigung der Verwaltungsentscheidungen und Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV begehrt, ist unbegründet.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach dem am 1. Januar 1997 in Kraft getretenen Bestimmungen des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII), da eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS, wie sie Voraussetzung für die Feststellung der BK nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV ist, nicht vor diesem Datum nachgewiesen ist und der Leistungsfall somit erst nach 1996 eingetreten sein kann (§ 212 SGB VII; Art. 36 Unfallversicherungs-Einordnungs-Gesetz, BGBl. I 1996, S. 1254). Nach den vorliegenden ärztlichen Unterlagen wurde erstmals 2000 überhaupt eine mögliche bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS beschrieben.

Das SG hat mit zutreffender Begründung dargelegt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV hat, weswegen der Senat ergänzend auf die Entscheidungsgründe nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug nimmt.

Nach § 9 Abs. 1 SGB VII sind Berufskrankheiten Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als Berufskrankheiten bezeichnet (Listen-Berufskrankheiten) und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den § 2, § 3 oder § 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden (Satz 1). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann Berufskrankheiten auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung einer gefährdenden Tätigkeit versehen (Satz 2). Für die Feststellung einer Listen-Berufskrankheit ist im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dass die berufsbedingte Erkrankung gegebenenfalls den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-Berufskrankheit. Dabei müssen die "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 15. September 2011 - B 2 U 25/10 R -, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 4111 Nr. 3, Rz. 14 m. w. N.).

Der Verordnungsgeber hat die Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV wie folgt bezeichnet: "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können". Solche Gesundheitsstörungen sind das lokale Lumbalsyndrom, mono- und polyradikuläre lumbale Wurzelsyndrome und das Kaudasyndrom als Sonderform der polyradikulären lumbalen Wurzelsyndrome (vgl. Merkblatt zu der Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV, Bek. des BMAS vom 1. September 2006, BArbBl 2006, Heft 10, S. 30 ff., unter III.).

Eine solche bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS liegt bei dem Kläger zunächst unzweifelhaft in Form der zwei degenerierten Bandscheiben wie der Lumbago vor, was der Senat bereits der sachverständigen Zeugenaussage des Dr. Sch. entnimmt. Hierfür ist nur erforderlich, dass neben einem durch Veränderung an der Bandscheibe verursachten objektivierten Schaden chronische und chronisch wiederkehrende Beschwerden mit Funktionseinschränkungen gegeben sind (BSG, Urteil vom 31. Mai 2005 - B 2 U 12/04 R SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2).

Der Ursachenzusammenhang zur beruflichen Tätigkeit des Klägers ist aber aus medizinischen Gründen abzulehnen. Es kann nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass die bandscheibenbedingte LWS-Erkrankung des Klägers wesentlich durch die beruflichen Belastungen verursacht worden ist. Es fehlt insoweit an einem belastungskonformen Schadensbild, wie dies schon die Beklagte zutreffend festgestellt hat. Nur bei einer für die Schadensverursachung geeigneten Einwirkung und einem belastungskonformen Schadensbild kann bei fehlenden Anhaltspunkten für eine alternative äußere oder innere Verursachung ausnahmsweise die naturwissenschaftliche Kausalität im Einzelfall bejaht werden (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2015 - B 2 U 11/14 R -, SozR 4-2700 § 9 Nr. 26).

Nach der im Sozialrecht geltenden Kausalitätslehre der wesentlichen Bedingung werden nicht schon alle Bedingungen, die nicht hinweggedacht werden können, ohne dass der Erfolg entfiele, als ursächlich anerkannt. Rechtserheblich sind vielmehr nur solche Ursachen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Da bandscheibenbedingte Erkrankungen immer multifaktoriell entstehen und ein eindeutig abgrenzbares Krankheitsbild, das für Belastungen durch Heben und Tragen oder Arbeiten in Rumpfbeugehaltung typisch wäre, fehlt, ist allgemein anerkannt, dass letztlich entscheidend nur die Frage nach einer wesentlichen Mitverursachung der Wirbelsäulenerkrankung durch die versicherte Einwirkung ist (BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 - B 2 U 13/05 R -, SozR 4-2700 § 9 Nr. 9, Rz. 16). Dies ist im Wege des Sachverständigenbeweises zu klären, wobei der Gutachter den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand heranzuziehen hat, also die durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnenen Erkenntnisse, die von der Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden (BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R -, juris, Rz. 67).

Dieser Kenntnisstand wird durch die von B.-A. u.a. in den sog. Konsensempfehlungen (Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule in: Trauma und Berufskrankheit 2005, S. 211 ff, 320 ff) zusammengestellten Kriterien abgebildet. Auch nach der Rechtsprechung entsprechen die Konsensempfehlungen weiterhin dem aktuellen Erkenntnisstand (BSG, Urteil vom 23. April 2015 - B 2 U 6/13 R -, juris, Rz. 20; zuletzt LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 30. August 2016 - L 16/3 U 150/14 -, juris, Rz. 31).

Für sämtliche B-Konstellationen wird dort vorausgesetzt, dass die (gesicherte) bandscheibenbedingte Erkrankung nach ihrer Lokalisation die Segmente L5/S1 und/oder L4/L5 betrifft und eine Ausprägung als Chondrose Grad II oder höher und/oder als Vorfall hat. Sofern zusätzlich eine Begleitspondylose besteht (Befundkonstellation B1) gilt der Zusammenhang als wahrscheinlich. Liegt hingegen keine Begleitspondylose vor, so wird der Zusammenhang nach den Konsensempfehlungen u.a. dann als wahrscheinlich betrachtet, wenn eine Höhenminderung und/oder ein Prolaps an mehreren Bandscheiben besteht (Befundkonstellation "B2" 1. Spiegelstrich 1. Alt). Alternativ müssen bei nur monosegmentaler/m Chondrose/Vorfall in L5/S1 oder L4/L5 im MRT in mindestens zwei angrenzenden Segmenten "black discs" vorliegen (Befundkonstellation "B2" 1. Spiegelstrich, 2. Alt). Als weitere Alternativen genügen für die Konstellation B2 entweder das Bestehen einer besonders intensiven Belastung, wobei hierfür als "Anhaltspunkt" das Erreichen des "Richtwertes für die Lebensdosis" in weniger als 10 Jahren (Befundkonstellation "B2" 2. Spiegelstrich), oder ein besonderes Gefährdungspotenzial durch hohe Belastungsspitzen, wofür als "Anhaltspunkt" das Erreichen der Hälfte des "MDD-Tagesdosis-Richtwertes" durch hohe Belastungsspitzen dient, verlangt wird (Befundkonstellation "B2" 3. Spiegelstrich). Die tatsächlichen Voraussetzungen keiner dieser Alternativen der Befundkonstellation B2 liegen beim Kläger vor (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 23. April 2015 – B 2 U 6/13 R –, a.a.O., Rz. 24)

Dr. Dr. R. hat in seinem Gutachten ebenso wie die Beratungsärztin Dr. H. zur Überzeugung des Senats schlüssig dargelegt, dass es an einem belastungskonformen Schadensbild fehlt. Unabhängig davon, ob die Grundkonstellation B1, B2 oder B3 zugrunde zu legen wäre, wäre in keinem Fall eine Anerkennung möglich. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass sich diese Bewertungen bereits aus den Röntgenbefunden unter Heranziehung der unfallversicherungsrechtlichen Literatur ergeben. Danach zeigen die beim Kläger vorliegenden Wirbelsäulenschäden kein belastungskonformes Schadensbild.

Für sämtliche Befundkonstellationen wird in den Konsensempfehlungen vorausgesetzt, dass die gesicherte bandscheibenbedingte Erkrankung nach ihrer Lokalisation die Segmente L5/S1 und/oder L4/L5 betrifft und eine Ausprägung als Chondrose (Höhenminderung einer Bandscheibe) Grad II oder höher und/oder als Vorfall hat (BSG, Urteil vom 23. April 2015 - B 2 U 10/14 R -, juris, Rz. 23).

Bei dem Kläger ist ein Bandscheibenschaden nur im Segment L5/S1, nämlich eine Bandscheibenprotrusion, gesichert, worauf bereits Dr. Sch. und Dr. Dr. R. hingewiesen haben. Dieser Fall wird in den Konsensempfehlungen in der Fallgruppe B beurteilt (B.-A. aaO S. 217 ff). Nach der B1-Konstellation wird zusätzlich eine Begleitspondylose gefordert. Diese hat dann eine positive Indizwirkung, wenn sie in nicht von Chondrose oder Vorfall betroffenen Segmenten auftritt bzw. wenn sie in von Chondrose oder Vorfall betroffenen Segmenten vor einem Bandscheibenvorfall nachzuweisen war. Die Begleitspondylose muss in mindestens 2 Segmenten der LWS auftreten. Beim Kläger konnten nur derart geringe Begleitspondylosen nachgewiesen werden, dass diese eine berufsbedingte Erkrankung wenig wahrscheinlich machen.

Liegt – wie hier – keine nennenswerte Begleitspondylose vor, so wird der Zusammenhang nach den Konsensempfehlungen u.a. dann als wahrscheinlich betrachtet, wenn eine Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben besteht (Befundkonstellation B2, 1. Spiegelstrich - 1. Zusatzkriterium - 1. Alt). Eine derartige Konstellation ist nicht gegeben, da nur ein monosegmentaler Bandscheibenvorfall im Segment L5/S1 gesichert ist. Ein Bandscheibenschaden im Segment L4/L5 ist hingegen nicht im Vollbeweis nachgewiesen, Dr. Sch. und Dr. Dr. R. haben diese Gesundheitsstörung - gestützt auf den radiologischen Befund - ausdrücklich verneint. Das war auch für den Senat angesichts des Umstands, dass der Befundbericht im Segment L4/L5 nur eine ausgeprägte Facettengelenksarthrose beschreibt, nachvollziehbar. Wieso allein Dr. H. trotzdem eine Bandscheibenvorwölbung annimmt, erschließt sich demgegenüber nicht.

Bei isolierter Betrachtung der Veränderungen der LWS würde es sich um eine B3-Konstellation handeln, bei der weder eine Begleitspondylose noch eines der zuvor genannten Zusatzkriterien der Konstellation B2 vorliegen. Hier gibt es in der wissenschaftlichen Literatur keinen Konsens und keine positive oder negative Empfehlung hinsichtlich der Anerkennung als BK. Nach der Entscheidung des BSG vom 23. April 2015 (B 2 U 6/13 R) wäre dann zu ermitteln, ob es einen nach dem neusten Stand der medizinischen Wissenschaft anerkannten Erfahrungssatz gibt, nachdem isolierte Bandscheibenvorfälle ohne die in der Konstellation B2 genannten Zusatzkriterien durch schweres Heben und Tragen verursacht werden können. Einen solchen Erfahrungssatz, insbesondere nach Auswertung der Deutschen Wirbelsäulenstudie gibt es jedoch nicht (Grosser/M./Schröter: Auswirkung der Deutschen Wirbelsäulenstudie in: der medizinische Sachverständige 3/2015, S. 140-143; so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 30. August 2016 a.a.O.).

Die im Segment L 5/S 1 besonders ausgeprägte Spondylarthropathie, also des Gelenkaufbrauchs, der ausgeprägter ist als der Bandscheibenaufbrauch, ist ebenfalls nicht belastungskonform und spricht für einen Schaden aus innerer Ursache (so bereits Urteil des Senats vom 28. Januar 2016 – L 6 U 4161/13).

Im Hinblick darauf, dass die Begleitspondylosen gering ausgeprägt sind und eine konkurrierende Ursache vorliegt, ist die gutachterliche Schlussfolgerung, dass eine berufsbedingte Erkrankung wenig wahrscheinlich, d.h. allenfalls möglich, aber noch nicht verdichtet zu der für eine Verurteilung erforderlichen Wahrscheinlichkeit ist, für den Senat überzeugend gewesen.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen, wobei die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens auf § 193 SGG beruht.

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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