L 27 R 165/16

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 23 R 2030/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 R 165/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Januar 2016 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht bei der Beklagten während des Zeitraums vom 1. Oktober 2013 bis zum 31. März 2015.

Der 1967 geborene Kläger ist seit 1997 als Rechtsanwalt tätig. Zunächst arbeitete er als selbständiger Rechtsanwalt in K. Er war Pflichtmitglied des Versorgungswerks der Rechtsanwälte im Lande NW. Vom 16. November 1998 bis zum Jahr 2000 war er als angestellter Rechtsanwalt in B beschäftigt. Auf seinen Antrag befreite ihn die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit Bescheid vom 1. Februar 1999 von der Versicherungspflicht. Seit dem Jahr 2000 arbeitet der Kläger als selbständiger Rechtsanwalt in B. Er ist Mitglied der Rechtsanwaltskammer B und weiterhin Mitglied im genannten Versorgungswerk.

In dem Zeitraum vom 1. Oktober 2013 bis zum 31. März 2015 war der Kläger auf der Grundlage eines zeitlich befristeten Arbeitsvertrages als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der LU L angestellt. Unter dem 18. November 2013 beantragte er bei der Beklagten die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 7. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 2014 ab. Zur Begründung führte sie insbesondere aus, dass die Befreiungsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) nicht erfüllt seien, da die Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter keine für einen Rechtsanwalt typische anwaltliche Berufstätigkeit sei. Die Erstreckung einer Befreiung nach § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI sei mangels Befreiung nicht möglich. Denn die mit Bescheid vom 1. Februar 1999 erteilte Befreiung sei nicht mehr wirksam.

Mit seiner hiergegen gerichteten Klage bei dem Sozialgericht Berlin hat der Kläger insbesondere vorgebracht, es komme nicht auf die tatsächliche Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI an, sondern auf das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen. Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 20. Januar 2016 abgewiesen. Es ist hierbei im Wesentlichen der Begründung der Beklagten gefolgt.

Der Kläger wendet sich mit seiner Berufung gegen diese Entscheidung. Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen erster Instanz. Insbesondere trägt er unter Heranziehung des Urteil des Bundessozialgerichts vom 31. Oktober 2012 – B 12 R 8/10 R – vor, die Erstreckung der Befreiung setze (neben dem Vorliegen einer zeitlich befristeten Tätigkeit) das Vorliegen des zu der ursprünglichen Befreiung führendes Sachverhalts, also die Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung und die Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer, voraus. Hieraus ergebe sich, dass die Befreiung selbst keine Voraussetzung des von ihm geltend gemachten Anspruchs bilde.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Januar 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 7. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 2014 zu verpflichten, ihn für die Beschäftigung als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der L U L im Zeitraum vom 1. Oktober 2013 bis zum 31. März 2015 von der Pflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.

Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Ferner wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 7. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, da er keinen Anspruch auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung für seine Beschäftigung an der L U L im Zeitraum vom 1. Oktober 2013 bis zum 31. März 2015 hat.

Zu Recht gehen die Beteiligten davon aus, dass der Befreiungstatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI nicht erfüllt ist. Denn die Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter begründet keine Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung.

Entgegen der Ansicht des Klägers kann die Befreiung auch nicht auf § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI gestützt werden. Danach erstreckt sich die Befreiung in den Fällen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI auch auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist und der Versorgungsträger für die Zeit der Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleistet.

§ 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI stellt keinen von den grundlegenden Voraussetzungen in § 6 Abs. 1 Satz 1 SGB VI losgelösten eigenständigen Befreiungstatbestand dar (so BSG, Urteil vom 31. Oktober 2012 – B 12 R 8/10 R –, SozR 4-2600 § 6 Nr. 8, juris Rn. 27). Vielmehr knüpft die Vorschrift an die Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 SGB VI an, d.h. sie setzt voraus, dass eine Beschäftigung ausgeübt wird, die dem Grunde nach versicherungspflichtig ist und tatsächlich von der Versicherungspflicht befreit wurde (vgl. Schmidt, in; Kreikebohm, SGB VI, 4. Aul. 2013, Rn. 140 zu § 6 SGB VI; Gürtner, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, EL Juni 2016, Rn. 39 zu § 6 SGB VI). § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI, der sicherstellen soll, dass eine vorübergehende berufsfremde Tätigkeit nicht zu einem Wechsel der Alterssicherungssysteme führt, und insbesondere für die Zeit des Wehrdienstes gilt (vgl. BT-Drucks. 11/4124, S. 152 zu § 6 Abs. 5), regelt allein die Erstreckung eines bestehenden Befreiungsstatus auf eine andere Tätigkeit (so BSG, Urteil vom 31. Oktober 2012 a.a.O., juris Rn. 26).

Es ist damit unerheblich, dass der Kläger aufgrund seiner im streitentscheidenden Zeitraum ausgeübten Tätigkeit als selbständiger Rechtsanwalt Mitglied sowohl in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung als auch in einer berufsständischen Kammer war. Entscheidend ist, dass er in diesem Zeitraum nicht von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 SGB VI befreit war, da er als Selbständiger nicht der Versicherungspflicht unterlag, eine Befreiung also ausgeschlossen ist.

Der Kläger kann sich auch nicht erfolgreich darauf berufen, dass ihn die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit Bescheid vom 1. Februar 1999 für die am 16. November 1998 aufgenommene Beschäftigung als angestellter Rechtsanwalt in B von der Versicherungspflicht befreit hatte.

Da nach § 6 Abs. 5 Satz 1 SGB VI die Befreiung auf die "jeweilige" Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkt ist, tritt mit einer Befreiungsentscheidung keine umfassende Befreiung von der Versicherungspflicht auch für andere als die "jeweilig" ausgeübte Beschäftigung des Betroffenen ein, selbst wenn ursprüngliche und nachfolgende Erwerbstätigkeiten ähnlich sein mögen (so BSG, Urteil vom 31. Oktober 2012 – B 12 R 3/11 R –, BSGE 112, 108, SozR 4-2600 § 6 Nr. 9, juris Rn. 17). Mit Beendigung der unselbständigen Beschäftigung im Jahre 2000 hat sich die dem Kläger erteilte Befreiung nach § 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch "auf andere Weise" erledigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis der Hauptsache.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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