L 9 U 61/15

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 21/10
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 U 61/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Anerkennung einer bisegmentalen bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit nach den Konsensempfehlungen zur Berufskrankheit Nr 2108 der Anlage 1 der BKV. Soweit die Befundkonstellation B2, 1. Spiegelstrich 1. Zusatzkriterium - 1. Alt einen Befall von „mehreren“ Bandscheiben voraussetzt, sind damit nur mindestens zwei Bandscheiben gemeint.
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 24. November 2014 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten auch für das Berufungsverfahren zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung der Berufskrankheit (BK) Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).

Der 1958 geborene Kläger ist ausgebildeter Maler und Lackierer und war von August 1975 bis Oktober 2005 in diesem Beruf, zumeist als Verputzer, tätig. Am 11. Juli 2006 meldete er erstmals telefonisch bei der Beklagten eine BK an. Nachdem er auf Nachfragen der Beklagten u. a. zu seiner Erkrankung, den ihn behandelnden Ärzten und seinen beruflichen Tätigkeiten nicht reagiert hatte, stellte die Beklagte das Feststellungsverfahren mangels Mitwirkung mit Bescheid vom 8. September 2006 ein.

Am 5. Februar 2009 meldete der Kläger sich neuerlich telefonisch bei der Beklagten und bat darum, das BK-Verfahren wiederaufzunehmen. In dem sich anschließenden Verwaltungsverfahren gab der Kläger an, erstmals Beschwerden an der Lendenwirbelsäule (LWS) im Jahr 1996 gehabt zu haben. Dazu legte er diverse seine Wirbelsäulenerkrankung betreffende medizinische Unterlagen aus den Jahren 1996 bis 2006 vor. Nach Auswertung dieser zog die Beklagte zunächst die bildgebenden Befunde der behandelnden Ärzte des Klägers bei. Die gesamte medizinische Dokumentation legte sie sodann ihrem beratenden Arzt Dr. C. zur Stellungnahme vor. Unter dem 4. Mai 2009 führte der Arzt dazu aus, dass der Kläger seit über 13 Jahren an Beschwerden im gesamten Wirbelsäulenbereich mit Schwerpunkt LWS und fast ständiger Behandlungsbedürftigkeit leide. Im Dezember 2003 und April 2006 seien Operationen an der Bandscheibe L5/S1 erfolgt. Röntgenbilder der LWS lägen nicht vor. In einer Röntgenbefundbeschreibung der LWS vom 12. November 1996 erwähne jedoch der behandelnde Arzt Dr. D. aus D-Stadt keine signifikanten degenerativen Veränderungen. Auch ein Röntgenbefund vom 20. Juli 1998 der LWS bezeichne keine besonderen Auffälligkeiten. In der aktuellen MRT vom 26. November 2005 (Medizinisches Versorgungszentrum Marburg) finde sich u. a. die Feststellung einer regelrechten Form und Stellung der Lendenwirbelkörper (LWK) zueinander. Zusammenfassend bemerkte Dr. C. zum aktuellen Zeitpunkt ungeachtet der fraglichen notwendigen beruflichen Belastungsdosis der LWS kein typisches mehrsegmentales bandscheibenbedingtes Schadensbild im Sinne einer BK Nr. 2108 erkennen zu können.

Hierauf gestützt stellte die Beklagte ohne weitere Ermittlungen mit Bescheid vom 26. Mai 2009 fest, dass eine BK nicht vorliege. Es lasse sich nach Auswertung der medizinischen Befunde kein bandscheibenbedingtes Schadensbild im Sinne einer BK nachweisen.

In seinem Widerspruch hiergegen machte der Kläger geltend, seinen Beruf aufgrund seiner gesundheitlichen Situation, die durch seine langjährige Tätigkeit im Baugewerbe entstanden sei, nicht mehr ausüben zu können.

Daraufhin zog die Beklagte eine fachärztliche Stellungnahme des Facharztes für Orthopädie Dr. E. vom 20. August 2009 bei. Entgegen den Feststellungen von Dr. C. befundete Dr. E. ein eindeutig bandscheibenbedingtes und chronisch rezidivierendes Krankheitsbild, das er nach den Konsensempfehlungen der Konstellation B4 zuordnete. Weder die flache Skoliose noch die kleine Deckplatteneindellung im LWK 2 seien als konkurrierende Faktoren anzusehen. Da sich aus der Akte keine Hinweise auf die arbeitstechnischen Voraussetzungen ergäben, empfahl der Sachverständige den Technischen Aufsichtsdienst (TAD) einzuschalten.

Seine Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition legte der Präventionsdienst der Beklagten unter dem 26./30. November 2009 vor. Wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten sind danach im Falle des Klägers von August 1975 bis September 2005 zu berücksichtigen. Als Wirbelsäulenbelastungsgesamtdosis nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodes (MDD) errechnete der Präventionsdienst 36,5 Meganewtonstunden (MNh).

In einer weiteren von der Beklagten eingeholten beratungsärztlichen Stellungnahme unter Berücksichtigung der Feststellungen des Präventionsdienstes führte der Arzt für Arbeitsmedizin F. am 14. Januar 2010 aus, dass bei dem Kläger im Bereich der LWS bei L4/L5 und L5/S1 Bandscheibenvorfälle vorlägen, wobei die betroffenen Bandscheiben im Sinne einer black disc dehydriert seien. Es fände sich jedoch keine black disc in zwei benachbarten Segmenten, weshalb die medizinischen Kriterien der Konstellation B2 nicht erfüllt seien. Nach Maßgabe der Berechnungen des TAD sei auch das arbeitstechnische Kriterium eines Erreichens von 25 MNh innerhalb von zehn Jahren nicht erfüllt; auch fänden sich keine Belastungsspitzen von 6 kN. Es sei daher von einer Konstellation B3 auszugehen, für welche eine gefestigte wissenschaftliche Meinung, die den Kausalzusammenhang bejahe, nicht festgestellt werden könne.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11. März 2010 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. In den Gründen hielt sie daran fest, dass die medizinischen Voraussetzungen der BK Nr. 2108 nicht erfüllt seien. Nach den medizinischen Unterlagen und den gefertigten röntgenologischen Aufnahmen lasse sich bei dem Kläger im LWS-Bereich kein für die BK Nr. 2108 relevantes und typisches Schadensbild mit belastungsadaptiven Veränderungen und zunehmender Degeneration von oben nach unten selektieren. Es lägen im Segment L4/L5 und L5/S1 Bandscheibenvorfälle vor. Entsprechend den von der Rechtsprechung bestätigten Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung bei bandscheibenbedingten Erkrankungen der LWS lasse sich eine Verursachung durch die berufliche Hebe- und Tragebelastung nicht begründen.

Seinen Anspruch hat der Kläger mit Klage vor dem Sozialgericht Marburg vom 24. März 2010 weiterverfolgt. Im Rahmen der Sachermittlungen von Amts wegen hat das Sozialgericht das Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse des Klägers, der IKK classic, mit Zeiten von Dezember 1990 bis Oktober 2006 beigezogen, des Weiteren eine ärztliche und eine psychologische Stellungnahme, die das Berufsförderungswerk Frankfurt am Main im August 2006 im Rahmen einer dort durchgeführten Belastungserprobung eingeholt hatte. Von dem gesetzlichen Rentenversicherungsträger des Klägers, der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Hessen, hat das Sozialgericht zudem die dort vorhandenen medizinischen Unterlagen, u. a. Rehabilitationsentlassungsberichte beigezogen, ebenso die Verwaltungsakte des Versorgungsamtes Gießen. Des Weiteren hat das Sozialgericht einen nervenärztlichen Befundbericht des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. vom 9. September 2010 und einen Befundbericht des Facharztes für Orthopädie Dr. H., ebenfalls vom 9. September 2010, eingeholt. Auf Veranlassung des Sozialgerichts hat im Weiteren Prof. Dr. J. den Kläger fachorthopädisch unter Einschluss einer ambulanten Untersuchung vom 14. Dezember 2010 begutachtet. In seiner Expertise vom 30. Dezember 2010 hat der Sachverständige folgende Diagnosen gestellt:

1. Chronisches Lumbalsyndrom mit Lumboischialgie bei Zustand nach zweimaliger Bandscheibenoperation im Segment L5/S1 mit radikulären Zeichen ohne nachweisbare motorische Ausfälle, sensible Ausfälle im Bereich der linken Ferse.

2. Chronisch rezidivierendes Halswirbelsäulensyndrom bei degenerativen Veränderungen.

3. Leichte BWS-Kyphose bei abgelaufenem Morbus Scheuermann.

Dazu hat er festgestellt, dass die bildtechnisch nachweisbaren Veränderungen das altersdurchschnittlich zu erwartende Ausmaß überschritten. Das chronische Lumbalsyndrom mit einer pseudoradikulären und auch radikulären Beschwerdesymptomatik mit einem verbliebenen Sensibilitätsausfall im Fersenbereich bei sonstigen fehlenden neurologischen Ausfällen und deutlichen Veränderungen in den bildgebenden Verfahren im Bereich der mittleren und unteren LWS seien als unmittelbare Folge von Bandscheibenveränderungen anzusehen. Die Veränderungen der mittleren Brustwirbelsäule und im Segment L1/L2 sowie im 2. LWK seien zwar auch bandscheibenbedingt, stellten aber eine sog. konkurrierende Ursache unabhängig von der beruflichen Belastung dar. Die festgestellten Funktionseinbußen und Beschwerden im Lumbalbereich würden durch die festgestellten Bandscheibenveränderungen der LWS, einschließlich der Sekundarfolgen solcher Veränderungen, verursacht. Es sei nicht erkennbar, dass die Veränderungen im Segment L1/L2 wesentlich zu den festgestellten Funktionseinbußen und Beschwerden beitrügen. Ob die vorliegenden Schäden in der Hals- und Brustwirbelsäule der Arbeitsbelastung als sog. Mitreaktion zugeordnet werden könnten, lasse sich nicht sicher beurteilen. Es sei insgesamt von einer berufsbedingten Bandscheibenerkrankung auszugehen. Die Analyse der festgestellten Veränderungen zeige, dass deutlich mehr für ein belastungskonformes Schadensbild spreche als dagegen. Eine eindeutige Zuordnung zu einer in den Konsensempfehlungen genannten Konstellation sei nicht möglich, am ehesten erscheine eine Zuordnung zur Konstellation B2 sachgerecht. Während sich der Kläger die Feststellungen des Sachverständigen zu Eigen gemacht hat, hat die Beklagte eine weitere beratungsärztliche Stellungnahme von Herr F. vom 4. Februar 2011 vorgelegt. Als wesentliche Differenz in der Beurteilung hat der beratende Arzt auf die unterschiedliche Auslegung der maßgeblichen Begrifflichkeit in den Ergänzungskriterien der Konstellation B2 hingewiesen. Finde sich zusätzlich zu einem geschädigten Segment "in zwei benachbarten" Segmenten eine black disc, so sei eine berufliche Verursachung deshalb plausibel, weil eine Druckbelastung nicht gezielt nur ein Segment betreffen könne und die aus einem Bandscheibenschaden resultierende Instabilität die direkt darüber liegende Bandscheibe ebenfalls schädige, weshalb lediglich "ein benachbartes" Segment als Indiz für einen beruflichen Schaden nicht ausreiche. Für die Konstellation B2 seien daher ein geschädigtes und zwei weitere, eine beginnende Schädigung in Form einer black disc aufweisende Segmente, insgesamt also eindeutig drei Segmente zu fordern. Der Ansatz von Prof. Dr. J. laufe darauf hinaus, dass er L4/L5 als benachbartes Segment zu L5/S1 und umgekehrt betrachte, wobei er im Summenzug "zweimal ein" benachbartes Segment zu zwei benachbarten Segmenten zusammenfasse. Die klare Zielvorgabe von mindestens drei betroffenen Segmenten werde jedoch nicht erreicht. Die Konstellation B2 sei nicht erfüllt, es läge die Konstellation B3 vor.

Der medizinischen Auffassung ist Prof. Dr. J. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 10. März 2011 entgegengetreten. Hervorgehoben hat er zunächst, dass sich kernspintomographisch bei dem Kläger auch im Segment L3/L4 Bandscheibenveränderungen nachweisen ließen. Es handele sich zwar nicht um ein black disc-Phänomen, es fänden sich in diesem "dritten" Segment jedoch Signalveränderungen, die auf eine Bandscheibendegeneration mit vermindertem Flüssigkeitsgehalt hinwiesen. Das Kriterium eines mehrsegmentalen Bandscheibenverschleißes in mindestens drei Segmenten läge daher vor. Ungeachtet dessen sei, selbst wenn man davon ausgehe, dass die Konstellation B2 nicht erfüllt und die Konstellation B3 vorliege, die Argumentation von Herrn F. nicht nachvollziehbar. In dem Konsensuspapier werde unter der Konstellation B3 nur angegeben, dass kein Konsens bestehe. Dies heiße jedoch nicht, dass ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich oder gar auszuschließen sei. Diese Angabe bedeute nur, dass keine Übereinstimmung habe erzielt werden können. Der Arzt interpretiere den fehlenden Konsens unzutreffend im Sinne seines Auftraggebers. Hierzu hat sich Herr F. an seiner Auffassung festhaltend nochmals unter dem 12. April 2011 geäußert.

Zur Arbeitsplatzexposition hat die Beklagte eine weitere Stellungnahme ihres Präventionsdienstes zu den Zusatzkriterien gemäß der Konstellation B2 vom 20. September 2013 vorgelegt. Danach erfüllt der Kläger das zweite Zusatzkriterium (besonders intensive Belastung) nicht, da der Richtwert für die Lebensdosis von 25 MNh innerhalb von zehn Jahren nicht erreicht worden sei. Ebenfalls nicht gegeben sei das dritte Zusatzkriterium eines besonderen Gefährdungspotentials durch hohe Belastungsspitzen. In den Beurteilungszeiträumen von 1975 bis 2005 seien beim Heben oder Tragen von Lasten Druckkräfte auf L5/S1 aufgetreten, diese hätten den Wert von 6 Kilonewton (kN) jedoch nicht erreicht.

In weiterer Aufklärung des Sachverhalts in medizinischer Hinsicht hat das Sozialgericht im November 2013 sodann noch die Krankenunterlagen des Klägers bei seinem behandelnden Hausarzt K. beigezogen, darüber hinaus einen Behandlungsbericht des Dipl.-Psych. L. der Psychotherapeutischen Ambulanz der Philipps-Universität Marburg vom 4. November 2013 sowie die Befunde und den Behandlungsverlauf des Klägers in der Klinik für Orthopädie und Rheumatologie des Universitätsklinikums Gießen und Marburg (Prof. Dr. M., Schreiben vom 27. Januar 2014).

Mit Urteil vom 24. November 2014 hat das Sozialgericht Marburg sodann den Bescheid der Beklagten vom 26. Mai 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. März 2010 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die LWS-Erkrankung des Klägers als BK nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV festzustellen. Zur Überzeugung des Gerichts stehe fest, dass bei dem Kläger die Voraussetzungen für die Anerkennung der LWS-Erkrankung als BK Nr. 2108 vorlägen. Unstreitig zwischen den Beteiligten seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt. Auch lägen die medizinischen Voraussetzungen vor. Zu diesem Schluss sei bereits Dr. E. in seiner Stellungnahme vom 20. August 2008 nach Auswertung diverser Krankenunterlagen und des bildgebenden Materials gelangt. Dass die Veränderungen der Wirbelsäule des Klägers eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS im Sinne der BK Nr. 2108 darstellen, habe auch Prof. Dr. J. bestätigt. Dieser habe in seinem Gutachten ausgeführt, dass die geschilderten und in den Unterlagen dokumentierten Beschwerden des Klägers sowie die klinisch dokumentierten röntgenologischen Befunde im Einklang mit einer bandscheibenbedingten Erkrankung stünden. Im Segment L5/S1 bestehe ein Bandscheibenvorfall und absteigend von L3 bis S1 zeigten sich degenerative Veränderungen im LWS-Bereich. Eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS sei damit nachgewiesen. Der Kläger sei den schädigenden Einwirkungen auch aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit ausgesetzt gewesen und es bestehe ein (wesentlicher) Ursachenzusammenhang zwischen den schädigenden Einwirkungen und der LWS-Erkrankung des Klägers. Es sei im vorliegenden Fall die in den Konsensempfehlungen definierte Befundkonstellation B2 gegeben, bei der ein Zusammenhang zwischen der beruflichen Belastung und der LWS-Erkrankung als wahrscheinlich erachtet werde. Die Kammer stütze sich insoweit insbesondere auf die Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. J. in seinem Gutachten vom 30. Oktober 2010. Ein Zweifel hinsichtlich einer plausiblen zeitlichen Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung und der Berufstätigkeit bestehe nicht. Bei der Erstmanifestation im November 2001 durch nachweisbare multiple Diskopathien in der LWS sei der Kläger bereits über 25 Jahre lang wirbelsäulenbelastend tätig gewesen. Die Gesamtbelastungsdosis habe nach der Auskunft der Präventionsabteilung der Beklagten im September 2005 bei 36,5 MNh gelegen und damit mit Sicherheit nicht unter dem Grenzwert von 12,5 MNh im Jahr 2001. Für die Einstufung einer bandscheibenbedingten Erkrankung im Sinne eines berufsbedingten, belastungskonformen Schadensbildes sei zudem entscheidend auf den Befund im Zeitpunkt der Aufgabe der belastenden Tätigkeit abzustellen. Prof. Dr. J. führe aus, dass eine bandscheibenbedingte Erkrankung beim Kläger seit dem Jahr 2003 nachweisbar sei. Somit habe bereits zwei Jahre vor der endgültigen Aufgabe der belastenden Tätigkeit im Oktober 2005 eine bandscheibenbedingte Erkrankung vorgelegen. Die Bandscheibenschäden der LWS beträfen die unteren Segmente und zeigten dabei das typische Bild, indem diese von oben nach unten zunähmen. Die Schäden seien zudem altersuntypisch und überstiegen das altersentsprechende Maß des im Jahre 2003 erst 45 Jahre alt gewesenen Klägers. Für sämtliche "B Konstellationen" werde nach den Konsensempfehlungen weiterhin vorausgesetzt, dass die (gesicherte) bandscheibenbedingte Erkrankung nach ihrer Lokalisation die Segmente L5/S1 und/oder L4/L5 betreffe und eine Ausprägung als Chondrose Grad II oder höher und/oder Vorfall habe. Bei dem Kläger sei nach der insoweit übereinstimmenden Auffassung des Sachverständigen Prof. Dr. J. und des beratenden Arztes der Beklagten F. anhand des vorliegenden radiologischen Bildmaterials in den Segmenten L5/S1 ein Bandscheibenvorfall nachweisbar. Hinsichtlich des Segments L4/L5 spreche Herr F. ebenfalls von einem Bandscheibenvorfall, Prof. Dr. J. gehe von einer Chondrose Grad II aus. Auch Dr. E. habe auf Röntgenaufnahmen aus dem Jahr 2002 eine Höhenminderung der beiden unteren Bandscheibensegmente und in der kernspintomographischen Untersuchung vom 26. November 2005 einen ausgeprägten Bandscheibenvorfall im Segment L5/S1 festgestellt. Die bandscheibenbedingte Erkrankung des Klägers betreffe somit die Segmente L5 und S1. Wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren lägen nach Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. J. nicht vor. Dem schließe sich die Kammer an, ebenso der Einschätzung aller Mediziner, dass eine Begleitspondylose nicht gegeben sei. Im Falle des Klägers sei zudem auch das zusätzliche Kriterium der Fallgruppe B2 "Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben" gegeben. Beim Kläger seien eine Höhenminderung im Sinne einer Chondrose Grad II im Segment L4/L5 und ein Prolaps im Segment L5/S1 und damit ein bisegmentaler Bandscheibenschaden nachgewiesen. Dies folge aus dem Gutachten von Prof. Dr. J., welchem auch der Beratungsarzt F. insoweit zustimme. Was die Auslegung dieses Zusatzkriteriums und speziell die Frage anbelange, ob dieses bereits erfüllt werde, wenn ein bisegmentaler Bandscheibenschaden vorliege oder ob mit "mehreren Bandscheiben" mindestens drei gemeint seien, sei die obergerichtliche Rechtsprechung uneins. Die Kammer folge der Auffassung des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt insoweit, nach der der Befall zweier Bandscheiben der LWS mit (mindestens) einer zweitgradigen Chondrose als Krankheitsbild für das bejahen des Zusatzkriteriums ausreichend sei, wenn zugleich einer der unteren Abschnitte betroffen sei (LSG Sachsen-Anhalt vom 11. Juli 2013 - L 6 U 59/11 und vom 12. Juni 2014 - L 6 U 60/12). Auch der Kammer erscheine es nicht wahrscheinlich, dass die Autoren der Konsensempfehlung in der Konstellation B2 nur den Befall einer Bandscheibe sowie eines trisegmentalen/mehrsegmentalen Bandscheibenschadens geregelt hätten. Dies erscheine nur dann plausibel, wenn der bisegmentale Bandscheibenschaden an anderer Stelle ausdrücklich geregelt wäre, was jedoch nicht der Fall sei. Dass bei einem bisegmentalen Bandscheibenschaden der "Auffangtatbestand" der Konstellation B3 Anwendung finden solle, überzeuge nicht. Wenn schon bei einem monosegmentalen Bandscheibenvorfall mit zwei black disc der Ursachenzusammenhang als wahrscheinlich beurteilt werde, sei unverständlich, wieso der medizinische Zusammenhang nicht bestehen solle, wenn sogar zwei Bandscheibenschäden mit einer Chondrose Grad II und/oder einem Prolaps an der unteren LWS vorlägen. Eine Chondrose/ein Vorfall sei gegenüber einer black disc der schwerere Befund. Eine black disc in mindestens zwei angrenzenden Segmenten sei nach Ansicht der Kammer daher auch nur bei einem monosegmentalen Schaden erforderlich. Bei einem bisegmentalen Schaden bedürfe es einer black disc nicht. Es genüge daher der Befall zweier Bandscheiben der LWS mit einer zweitgradigen Chondrose als Krankheitsbild, wenn auch einer der unteren Abschnitte, d. h. L4/L5 und/oder L5/S1 betroffen sei. Die LWS-Schäden des Klägers entsprächen damit der Konstellation B2, nach der ein Ursachenzusammenhang als wahrscheinlich bewertet werde. Auch Dr. E. sei zu der Annahme gelangt, dass im vorliegenden Fall ein Zusammenhang zwischen der schädigenden Tätigkeit und der LWS-Erkrankung bestehe, allerdings in der Konstellation B4. Die Konstellation B4 habe die gleichen Grundvoraussetzungen wie die Konstellation B2, hinzu komme lediglich ein Bandscheibenschaden an der Halswirbelsäule (HWS), der schwächer ausgeprägt sei als der an der LWS. Hinsichtlich des Bandscheibenschadens an der HWS habe Prof. Dr. J. ausgeführt, dass er diesen für fraglich erachte, weil er nicht bildtechnisch gesichert sei. Da jedoch sowohl die Konstellation B2 als auch B4 den Zusammenhang als wahrscheinlich beurteilten und die Konstellation B4 gegenüber derjenigen bei B2 lediglich ein zusätzliches Abgrenzungskriterium enthalte, welches nach der Beurteilung von Dr. E. zu Gunsten des Klägers einzuschätzen sei, komme es auf die genaue Unterscheidung der Konstellation nicht an. Zu bemerken sei jedoch, dass auch Dr. E. das Vorliegen des Zusatzkriteriums der Konstellation B2 bejaht habe. Letztlich seien im Hinblick auf die Beurteilung des Ursachenzusammenhangs ergänzend auch die Gesamtumstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Denn die Konsensempfehlungen seien letztlich weder ein antizipiertes Sachverständigengutachten noch ein normativer Text. Sie dienten lediglich zur Erleichterung um typische Befundkonstellationen im Hinblick auf die Kausalbeziehung unter Zugrundelegung des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes einordnen zu können. Prof. Dr. J. sei unter Berücksichtigung aller Umstände zu dem Schluss gelangt, dass die Merkmale, welche für eine berufsbedingte Bandscheibenerkrankung sprächen, überwögen. Dabei habe er insbesondere darauf hingewiesen, dass der Kläger bereits seit seinem 17. Lebensjahr schwere Lasten getragen habe. Die nachgewiesenen Schädigungen der Bandscheiben nähmen im Falle des Klägers zudem von kranial nach kaudal zu und es sei sowohl im Segment L5/S1 sowie L4/L5 ein black disc Phänomen nachweisbar. Im Segment L3/L4 zeigten sich Signalveränderungen, die auf eine Bandscheibendegeneration mit vermindertem Flüssigkeitsgehalt hinwiesen. Insgesamt habe Prof. Dr. J. ausgeführt, dass die Veränderung der Bandscheiben der LWS das altersdurchschnittliche Ausmaß eines (damals) 47-jährigen deutlich überstiegen und sich auch von den übrigen Veränderungen an der Wirbelsäule des Klägers deutlich abhöben. Zwar lägen keine belastungsadaptiven Veränderungen im Sinne einer Begleitspondylose vor, dafür aber ausgeprägtes spondylarthrotische Veränderungen. Andere für die Zusammenhangsbeurteilung bedeutsame Erkrankungen seien beim Kläger nicht feststellbar gewesen. Auch werde mit 36,5 MNh die Gesamtbelastungsdosis von 25 MNh deutlich überschritten. Diese Gesamtumstände unterstrichen die Annahme der Kammer, dass es hinreichend wahrscheinlich sei, dass bei dem Kläger eine berufsbedingte LWS-Erkrankung vorläge. Auf die weiter zwischen Prof. Dr. J. und Herrn F. diskutierte Frage, ob von einer "black disc in mindestens zwei angrenzenden Segmenten" auch auszugehen sei, wenn zwei aneinander, d. h. an sich selbst angrenzende black disc vorlägen und sich davon eine der black disc im Segment L5/S1 und die andere im Segment L4/L5 befinde, komme es insoweit nicht mehr an. Soweit der Kläger über die Feststellung der BK Nr. 2108 hinaus eine Verletztenrente begehre, sei die Klage unzulässig, denn Streitgegenstand sei alleinig die Anerkennung der BK. Ein Anspruch auf Verletztengeld oder Verletztenrente sei von der Beklagten nicht geprüft worden, auch wenn im Entscheidungssatz des Bescheides vom 26. Mai 2009 "die Gewährung von Leistungen" abgelehnt worden sei.

Gegen die der Beklagten am 6. März 2015 zugestellte Entscheidung hat diese am 25. März 2015 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht angebracht.

Zur Begründung hält sie daran fest, dass bei dem Kläger nicht vom Vorliegen einer anerkennungsfähigen BK auszugehen sei. Es sei keines der Zusatzkriterien B2 erfüllt. Eine besonders intensive Belastung mit Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als zehn Jahren läge beim Kläger nicht vor. Innerhalb von 30 Berufsjahren habe er eine Belastungsdosis von 36,5 MNh erreicht. Damit werde der Wert von 25 MNh innerhalb von zehn Jahren nicht erreicht. Das Bundessozialgericht (BSG) gehe in seinen Entscheidungen vom 23. April 2014 unzutreffend davon aus, dass auch ein Richtwert von weniger als 25 MNh ausreichend sei, da nicht davon auszugehen sei, dass mit dem Richtwert der MDD-Richtwert gemeint gewesen sei. Diese Annahme werde bestritten, da zum Zeitpunkt der Erstellung der Konsensempfehlungen nur das MDD bekannt gewesen sei. Die auf eine spätere Entscheidung des BSG herabgesetzte Gesamtbelastungsdosis auf 12,5 MNh beruhe auf weiteren Erkenntnissen aus der Deutschen Wirbelsäulenstudie. Diese Erkenntnisse könnten jedoch ohne gutachterliche Überprüfung durch die Konsensgruppe nicht auch auf das zweite Zusatzkriterium der B2 Konstellation herabgesetzt werden. Auch läge ein besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen mit Erreichen der Hälfte des MDD Tagesdosis-Richtwertes ab 6 kN nicht vor. Auf die diesbezügliche Stellungnahme des Präventionsdienstes vom 20. September 2013 werde insoweit Bezug genommen. Auch das erste Zusatzkriterium einer Höhenminderung und/oder eines Prolapses an mehreren Bandscheiben bzw. bei monosegmentaler/m Chondrose/Vorfall in L5/S1 oder L4/L5 black disc in mindestens zwei angrenzenden Segmenten seien nicht gegeben. Bei dem Kläger seien nach übereinstimmender medizinischer Beurteilung die Segmente L4 bis S1 betroffen. Die Veränderungen im oberen Bereich der LWS L1/L2 seien nach Auffassung des Gutachters Ursache eines abgelaufenen Morbus Scheuermann, also einer BK-unabhängigen Ursache. Maßgeblich seien zudem die Befunde zum Zeitpunkt der Berufsaufgabe 2005. Der voroperative Befund 2003 zeige einen Vorfall L5/S1 und allenfalls geringe Protrusionen bei L4/L5. Diese seien ggf. nochmals dahin zu beurteilen, ob sie überhaupt einen altersuntypischen Befund darstellten. Ungeachtet dessen erfordere das erste Zusatzkriterium das Vorhandensein eines Schadensbildes an drei Segmenten. Ein zweisegmentaler Bandscheibenvorfall der unteren beiden LWS-Segmente erfüllt nur die Grundvoraussetzung sämtlicher mit den Buchstaben B beginnenden Konstellationen. Auch wäre ansonsten schon bei einer Grundkonstellation B2 in dieser Form immer das Zusatzkriterium der ersten Alternative erfüllt und es hätte damit der ausdrücklichen Einbeziehung – mehrerer Bandscheiben – nicht bedurft. Soweit die weitere Alternative, ein monosegmentaler Vorfall in L5/S1, in Betracht komme, lägen nach dem radiologischen Ergebnis keine black disc’s in mindestens zwei angrenzenden Segmenten vor. Die Annahme einer Konstellation B2 scheide damit unter jeglichem möglichen Gesichtspunkt aus. Es läge eine Konstellation B3 vor. Bei dieser habe keine übereinstimmende Auffassung in der Konsensgruppe erzielt werden können. Es sei damit von einem non liquet auszugehen. Eine positive Indizwirkung und Anerkennungsmöglichkeit bestehe nicht.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 24. November 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen,
äußerst hilfsweise,
ein medizinisches Sachverständigengutachten bei einem Mitglied der Konsensgruppe zu der Frage einzuholen, ob bei der Konstellation B2, 1. Zusatzkriterium, erster Spiegelsprich (Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben) bereits zwei Bandscheiben ausreichen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für völlig zutreffend.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die bezogene Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Sie ist jedoch nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 24. November 2014 ist nicht zu beanstanden. Das Sozialgericht hat zutreffend festgestellt, dass bei dem Kläger die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK Nr. 2108 vorliegen.

Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, 7. Buch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als solche bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden.

Voraussetzung für die Feststellung jeder Erkrankung als BK ist, dass die versicherte Tätigkeit, die schädigenden Einwirkungen sowie die Erkrankung, für die Entschädigungsleistungen beansprucht werden, im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen sind. Eine absolute Sicherheit ist bei der Feststellung des Sachverhalts nicht zu erzielen. Erforderlich ist aber eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit, wonach kein vernünftiger Mensch mehr am Vorliegen vorgenannter Tatbestandsmerkmale zweifelt (BSGE 6, 144; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 128 Rn. 3b m. w. N.). Es muss ein so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit vorliegen, dass alle Umstände des Einzelfalles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen (BSGE 45, 285, 287; 61, 127, 128).

Zur Anerkennung einer BK muss zudem ein doppelter ursächlicher Zusammenhang bejaht werden. Die gesundheitsgefährdende schädigende Einwirkung muss ursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen sein (sog. haftungsbegründende Kausalität) und diese Einwirkung muss die als BK zur Anerkennung gestellte Krankheit verursacht haben (sog. haftungsausfüllende Kausalität - dazu: Schwerdtfeger in: Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, SGB VII, Kommentar, Anm. 54 zu § 8 SGB VII). Für den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkungen und Erkrankungen im Recht der BK gilt dabei, wie auch sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung, die Theorie der wesentlichen Bedingung (BSG vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05). Die Theorie der wesentlichen Bedingung basiert auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie, nach der Ursache eines Erfolges jedes Ereignis ist, das nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (sog. condicio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der Bedingungstheorie werden im Sozialrecht als rechtserheblich aber nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Als Beweismaßstab genügt für den Ursachenzusammenhang statt des Vollbeweises die Wahrscheinlichkeit, d. h., dass bei vernünftiger Abwägung aller für und gegen den Zusammenhang sprechenden Umstände die für den Zusammenhang sprechenden Erwägungen so stark überwiegen müssen, dass die dagegen sprechenden billigerweise für die Bildung und Rechtfertigung der richterlichen Überzeugung außer Betracht bleiben können (BSG in SozR Nr. 20 zu § 542 RVO). Der Ursachenzusammenhang ist jedoch nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (BSGE 60, 58, 59).

In der Anlage 1 zur BKV sind unter Nr. 2108 "bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben ursächlich waren oder sein können" bezeichnet. Voraussetzung für die Anerkennung einer BK Nr. 2108 ist daher, dass der Versicherte aufgrund einer versicherten Tätigkeit langjährig schwer gehoben und getragen bzw. in extremer Rumpfbeugehaltung gearbeitet hat und dass durch die spezifischen, der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden besonderen Einwirkungen eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS entstanden sein muss, die noch besteht. Der Versicherte muss darüber hinaus gezwungen gewesen sein, alle gefährdenden Tätigkeiten aufzugeben. Als Folge dieses Unterlassungszwangs muss die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit tatsächlich erfolgt sein. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, liegt eine BK Nr. 2108 nicht vor (vgl. BSG vom 30. Oktober 2007 - B 2 U 4/06 R sowie vom 18. November 2008 B 2 U 14/07 R - und - B 2 U 14/08 R).

Zur Überzeugung des erkennenden Senats steht nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme gemessen an diesen Kriterien fest, dass die bei dem Kläger vorliegende bandscheibenbedingte Erkrankung eine Erkrankung im Sinne der BK Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV ist.

Der Kläger war von August 1975 bis zum Beginn der Arbeitsunfähigkeit am 24. Oktober 2005 als Maler, Lackierer und Verputzer abhängig beschäftigt und damit als Beschäftigter gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versichert.

In diesem Zeitraum war der Kläger Einwirkungen ausgesetzt, die grundsätzlich geeignet waren, eine bandscheibenbedingte Erkrankung an der LWS zu verursachen.

Zur Bestimmung des Ausmaßes der erforderlichen Einwirkungen bei der BK Nr. 2108 ist nach der Rechtsprechung des BSG (BSG vom 18. März 2003 - B 2 U 13/02 R) auf der Basis der Deutschen Wirbelsäulenstudie auf das MDD abzustellen (vgl. dazu die grundlegende Veröffentlichung von Jäger u. a., ASUMed 1999, 101 ff, 112 ff.). Dieses Modell stellt grundsätzlich eine geeignete Grundlage zur Konkretisierung der im Text der BK Nr. 2108 mit den unbestimmten Rechtsbegriffen "langjähriges" Heben und Tragen "schwerer" Lasten oder "langjährige" Tätigkeit in "extremer Rumpfbeugehaltung" nur ungenau umschriebenen Einwirkungen dar (BSG vom 19. August 2003 - B 2 U 1/02 R; BSG vom 23. April 2015 - B 2 U 6/ 13 R, B 2 U 20/14 und B 2 U 10/14 R.). Jedoch müssen die vom MDD vorgegebenen Orientierungswerte im Lichte neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse modifiziert werden (BSG vom 30. Oktober 2007 - B 2 U 4/06 R). Welches Maß an belastenden Einwirkungen mindestens erforderlich ist, um eine Berufskrankheit - ggf. unter Einbeziehung weiterer Kriterien - anzuerkennen oder umgekehrt, wo die Mindestgrenze liegt, bis zu der ein rechtlich relevanter Ursachenzusammenhang ohne weitere Prüfung ausgeschlossen werden kann, ist danach unter Zuhilfenahme medizinischer, naturwissenschaftlicher und technischer Sachkunde nach dem im Entscheidungszeitpunkt aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu entscheiden (BSG vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R und vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R). Bezüglich der BK Nr. 2108 bedarf das MDD im Hinblick auf die an seinen wissenschaftlichen Grundlagen und seinem Berechnungsmodus geäußerte Kritik der weiteren Überprüfung. Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse deuten nämlich darauf hin, dass auch unterhalb der Orientierungswerte nach dem MDD liegende Werte ein erhöhtes Risiko für Bandscheibenerkrankungen auslösen können. Auf eine Mindesttagesdosis ist daher entsprechend dem Ergebnis der Deutschen Wirbelsäulenstudie zu verzichten. Der untere Grenzwert, bei dessen Unterschreitung nach gegenwärtigem Wissensstand ein Kausalzusammenhang zwischen beruflichen Einwirkungen und bandscheibenbedingter Erkrankung der LWS ausgeschlossen und deshalb auf einzelfallbezogene medizinische Ermittlungen verzichtet werden kann, ist auf die Hälfte des im MDD vorgeschlagenen Orientierungswertes für die Gesamtbelastungsdosis von 25 MNh bei Männern herabzusetzen (vgl. dazu BSG vom 30. Oktober 2007 a. a. O. m. w. N., bestätigt durch BSG vom 23. April 2015 - B 2 U 10/14 R und B 2 U 20/14/R).

Nach den Feststellungen des Präventionsdienstes der Beklagten ist der Kläger im Rahmen seiner o.a. Tätigkeit von August 1975 bis September 2005 rückenbelastend mit einer kumulativen Einwirkungsbelastung i. H. v. insgesamt 36,5 MNh tätig gewesen (vgl. hierzu die Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition vom 26./30. November 2009). Diese Belastungen erfolgten - wie der Tatbestand der BK Nr. 2108 voraussetzt - mit mehr als 30 Jahren auch langjährig. Langjährig bedeutet, dass zehn Berufsjahre als im Durchschnitt untere Grenze der belastenden Tätigkeit zu fordern sind (so wörtlich das aktuelle Merkblatt 2108, BArbBl. 2006, Heft 10, S. 30, Abschnitt IV; bestätigend auch BSG vom 23. April 2015 - B 2 U 6/13 R m. w. N.) Der einschlägige - hälftige - Grenzwert von 12,5 MNh ist damit ausgehend von diesen Eckdaten deutlich überschritten.

Es liegt auch eine altersuntypische bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vor, was der Senat den Gutachten von Dr. E. und Prof. Dr. J. entnimmt. Letzterer hat in seiner Expertise vom 30. Dezember 2010 dargelegt, dass der Kläger an einem chronischen, das altersdurchschnittlich zu erwartende Ausmaß überschreitenden Lumbalsyndrom mit Lumboischialgie bei Zustand nach zweimaliger Bandscheibenoperation im Segment L5/S1 und einer pseudoradikulären wie auch radikulären Beschwerdesymptomatik sowie einem verbliebenen Sensibilitätsausfall im Fersenbereich bei sonstigen fehlenden neurologischen Ausfällen und deutlichen Veränderungen in den bildgebenden Verfahren im Bereich der mittleren und unteren LWS leidet, die als unmittelbare Folge von Bandscheibenveränderungen anzusehen seien. Damit bestehen auch für den Senat keine Zweifel am Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS in den Segmenten L4/L5 und L5/S1, zumal auch der von der Beklagten hinzugezogene Beratungsarzt F. die Bandscheibenvorfälle in diesen Segmenten bei Dehydrierung der betroffenen Bandscheiben im Sinne einer black disc bestätigt und die Grundvoraussetzungen (bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS mit korrelierender klinischer Symptomatik) ebenfalls als erfüllt angesehen hat (Stellungnahmen vom 14. Januar 2010 und 4. Februar 2011).

Zwischen der Bandscheibenerkrankung des Klägers und den gefährdenden Einwirkungen besteht auch ein ursächlicher Zusammenhang. Für die Bewertung des Ursachenzusammenhangs zwischen beruflichen Belastungen und Bandscheibenerkrankung ist der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand zu berücksichtigen; daher sind neben der Begründung des Verordnungsgebers auch die Merkblätter des zuständigen Bundesministeriums, die wissenschaftliche Begründung des ärztlichen Sachverständigenbeirates sowie die sog. Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung der auf Anregung des Hauptverbandes der Berufsgenossenschaften (HVBG) eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe ("Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule", Bolm-Audorff, Franz, Grosser, Schröter, Seidler u.a., Trauma und Berufskrankheit 2005, S. 211 ff.) zu beachten. In seinen Urteilen vom 23. April 2015 (Az.: B 2 U 6/ 13 R, B 2 U 20/14 und B 2 U 10/14 R) hat das BSG bestätigt, dass diese Konsensempfehlungen weiterhin den aktuellen Erkenntnisstand abbilden.

In der medizinischen Wissenschaft ist anerkannt, dass Bandscheibenschäden und Bandscheibenvorfälle insbesondere der unteren LWS in allen Altersgruppen, sozialen Schichten und Berufsgruppen vorkommen. Sie sind von multifaktorieller Ätiologie und kommen ebenso in Berufsgruppen vor, die während ihres Arbeitslebens keiner schweren körperlichen Belastung ausgesetzt waren, wie in solchen, die schwere körperliche Arbeiten geleistet haben. Aus diesem Grund kann allein die Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne des MDD und erst recht nicht die knappe Überschreitung des vom BSG angesetzten Schwellenwerts - dazu unten mehr - die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines wesentlichen Kausalzusammenhanges begründen (vgl. Merkblatt zu der BK 2108, BArbBl. 2006, S. 30 ff.). Im Hinblick auf die Schwierigkeiten der Beurteilung des Ursachenzusammenhanges bei der BK Nr. 2108 bedarf es weiterer Kriterien für die Beurteilung der beruflichen Verursachung. Diese dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der LWS sind in den bereits erwähnten Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung niedergelegt.

Eine bandscheibenbedingte Erkrankung i. S. d. BK Nr. 2108 setzt nach den Konsensempfehlungen den bildgebenden Nachweis eines altersuntypischen Bandscheibenschadens im Sinne einer Höhenminderung (Chondrose) und/oder einen Bandscheibenvorfall einerseits und eine korrelierende klinische Symptomatik andererseits voraus (vgl. Konsensempfehlungen 1.3/ 1.4 - S. 215 f. sowie zur Berechnung der Bandscheibenhöhen Anhang 3 - S. 224 ff.).

Für den Nachweis einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS im Sinne der BKV ist der bildgebende Nachweis eines Bandscheibenschadens (Höhenminderung und/oder Vorfall) dabei zwar unabdingbare, nicht aber bereits hinreichende Voraussetzung (vgl. 1.3 der Konsensempfehlungen). Vielmehr müssen eine korrelierende klinische Symptomatik wie eine neurologische Ausfallsymptomatik hinzukommen. Nach dem Merkblatt zu der BK Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV vom 1. September 2006 (BArbBl. 10/2006, S. 30 ff, veröffentlicht in Mehrtens/Brandenburg "Die Berufskrankheitenverordnung") müssen chronische oder chronisch-rezidivierende Beschwerden und Funktionseinschränkungen bestehen, die therapeutisch nicht mehr voll kompensiert werden können und die den geforderten Unterlassungstatbestand begründen. Das BSG hat mit Urteil vom 31. Mai 2005 (Az.: B 2 U 12/04 R) dargelegt, dass eine bloß röntgenologisch feststellbare Veränderung der LWS ohne Funktionsbeeinträchtigung zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der bandscheibenbedingten Erkrankung nicht ausreicht angesichts der Materialien und der sinnorientierten Auslegung der Regelung unter Beachtung des Gesamtzusammenhangs. Denn angesichts des geforderten Unterlassungszwangs ist Voraussetzung für diese BK, dass das Krankheitsbild über einen längeren Zeitraum andauert, also chronisch oder zumindest chronisch wiederkehrend ist, und dass es zu Funktionseinschränkungen geführt hat, die eine Fortsetzung der genannten Tätigkeit unmöglich macht; daher ist ein klinisches Beschwerdebild mit Funktionseinschränkungen Voraussetzung für die Anerkennung einer BK Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV.

Unter Berücksichtigung der Konsensempfehlungen kommt vorliegend nur eine mit dem Buchstaben "B" beginnende Konstellation in Betracht, da bei dem Kläger eine bandscheibenbedingte Erkrankung vorliegt (was Konstellation A ausschließt), die beiden unteren LWS-Segmente betroffen sind (was Konstellation C ausschließt) und weil nicht nur lediglich ein Ausprägungsgrad in Form einer Protrusion (Konstellation D) bzw. Chondrose Grad I (Konstellation E) vorliegt.

Die Konsensempfehlungen setzen für alle Befundkonstellationen der Konstellation B voraus, dass eine gesicherte bandscheibenbedingte Erkrankung nach ihrer Lokalisation die Segmente L5/S1 und/oder L4/L5 betrifft und eine Ausprägung als Chondrose Grad II oder höher und/oder als Vorfall hat. Außerdem muss die Exposition ausreichend sein und eine plausible Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung bestehen. Kann unter Berücksichtigung dessen zusätzlich eine Begleitspondylose nachgewiesen werden (Befundkonstellation B1), gilt der Zusammenhang als wahrscheinlich. Liegt keine Begleitspondylose vor (und sind wesentliche konkurrierende Ursachen nicht erkennbar), so wird der Zusammenhang nach den Konsensempfehlungen u.a. dann als wahrscheinlich betrachtet (Konstellation B2), wenn zusätzlich

- eine Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben besteht (Befundkonstellation B2, 1. Spiegelstrich - 1. Zusatzkriterium - 1. Alt) oder

- bei nur monosegmentaler/m Chondrose/Vorfall in L5/S1 oder L4/L5 im Magnetresonanztomogramm in mindestens zwei angrenzenden Segmenten "black discs" vorliegen (Befundkonstellation B2, 1. Spiegelstrich - 1. Zusatzkriterium - 2. Alt) oder

- eine besonders intensive Belastung bestand, wobei hierfür als "Anhaltspunkt" das Erreichen des "Richtwertes für die Lebensdosis" in weniger als 10 Jahren (Befundkonstellation B2, 2. Spiegelstrich - 2. Zusatzkriterium) gilt, oder

- ein besonderes Gefährdungspotenzial durch hohe Belastungsspitzen bestand, wofür als "Anhaltspunkt" das Erreichen der Hälfte des "MDD-Tagesdosis-Richtwertes" durch hohe Belastungsspitzen (Frauen ab 4 1/2 kN, Männer ab 6 kN) (Befundkonstellation B2, 3. Spiegelstrich - 3. Zusatzkriterium) gilt.

Ist keines dieser Zusatzkriterien erfüllt, ist die Konstellation B3 einschlägig, für die kein Konsens mit Blick auf eine wahrscheinliche Verursachung besteht.

Nach dem zwischen den Beteiligten auch unstreitigen medizinischen Befund, den sich auch der Senat zu Eigen macht, liegt bei dem Kläger eine bandscheibenbedingte Erkrankung in zwei Segmenten (L5/S1 und L4/L5) vor, wobei die betroffenen Bandscheiben jeweils im Sinne einer black disc dehydriert sind. Wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren wie etwa extremes Übergewicht oder auch wirbelsäulenbelastende Sportarten sind nach übereinstimmender Einschätzung der Sachverständigen nicht bekannt. Der von Prof. Dr. J. bemerkte Morbus Scheuermann betrifft Veränderungen in einem anderen Segment (L1/L2). Eine plausible zeitliche Korrelation zwischen beruflicher Belastung und Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung ist hier ebenfalls zu bejahen. Die bandscheibenbedingte Erkrankung des Klägers wurde bereits 2003, also schon zwei Jahre vor der erfolgten Aufgabe der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit, nachgewiesen. Eine Begleitspondylose liegt nach Einschätzung aller Mediziner nicht vor; dem schließt sich der Senat an.

Damit liegt ein wahrscheinlich ursächlicher Zusammenhang nach der Konstellation B1 nicht vor, weswegen die Konstellation B2 zu prüfen ist.

Bei dem Kläger ist auch ein Zusatzkriterium dieser Konstellation gegeben. Zu Recht ist das Sozialgericht von der Befundkonstellation B2, 1. Spiegelstrich - 1. Zusatzkriterium - 1. Alt) ausgegangen. Soweit diese Alternative einen Befall von "mehreren" Bandscheiben voraussetzt, sind damit nur mindestens zwei Bandscheiben gemeint, was vorliegend der Fall ist. Der Senat teilt die erstinstanzliche Auffassung hierzu und schließt sich der Begründung hierzu in dem Urteil vom 24. November 2014 ausdrücklich an.

Der Wortlaut der Konsensempfehlungen, der bei der Konstellation B" von "mehreren Bandscheiben" ausgeht, ist dahin zu interpretieren, dass der Befall zweier Bandscheiben der LWS in der vorgegebenen Ausprägung als Krankheitsbild ausreicht, und zwar auch dann, wenn nur einer der beiden unteren Abschnitte betroffen ist. Die in den Konsensempfehlungen niedergelegte herrschende medizinisch-wissenschaftliche Lehre ist insoweit schlüssig und ohne innere Widersprüche formuliert worden. Würde unter Befall von "mehreren Bandscheiben" ein solcher von mindestens drei Segmenten verstanden, wäre der bisegmentale Bandscheibenschaden von der Konsensgruppe übersehen worden, wofür keine Anhaltspunkte vorliegen. Angesichts der Vielzahl von Autoren ist es vielmehr gerade auszuschließen, dass nur eine mono- und trisegmentale Chondrose beurteilt wurde. Im Gegenteil haben mehrere Mitautoren ausdrücklich bestätigt, dass der Befall eines zweiten Bandscheibensegments der LWS mit einem Vorfall oder einer Chondrose die Zusatzvoraussetzung "an mehreren Bandscheiben" der Konstellation B2 erfüllt (siehe hierzu insbesondere das Urteil des LSG Sachsen vom 21. Juni 2010 - L 2 U 170/08 LW mit Verweis auf die in dieses Verfahren eingeführte Stellungnahme von Prof. Dr. Bolm-Audorff, einem der Mitautoren der Konsensempfehlungen; zudem auch Bolm-Audorff u.a., "Informationen für den Gutachter der Berufskrankheit 2108", Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie 2014, 35 ff. (38)). Der Senat schließt sich insoweit der landesgerichtlichen Rechtsprechung an, die für das Zusatzkriterium einen bisegmentalen Bandscheibenschaden ausreichen lassen (LSG Sachsen vom 21. Juni 2010 a. a. O., LSG Sachsen-Anhalt vom 11. Juli 2013 L 6 U 59/11 und vom 12. Juni 2014 - L 6 U 60/12; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. Januar 2012 - L 2 U 24/09 ZVW; LSG Baden-Württemberg vom 23. Februar 2016 - L 9 U 5101/12).

Innerhalb dieses 1. Zusatzkriteriums wird zudem klar differenziert. Denn durch einen abgrenzenden Spiegelstrich werden zwei separate Tatbestände behandelt, nämlich eine Höhenminderung und/oder ein Prolaps an mehreren Bandscheiben einerseits und eine monosegmentale Chondrose/Vorfall bei L4/L5 oder L5/S1 andererseits. Nur wenn in diesem Sinne ein monosegmentaler Schaden vorhanden ist, bedarf es einer "black disc" in mindestens zwei angrenzenden Segmenten. Ist dagegen neben einem der unteren beiden Segmente mindestens noch ein weiteres Bandscheibenfach von einer Chondrose oder einem Vorfall geschädigt, handelt es sich notwendigerweise um eine Betroffenheit mehrerer Bandscheiben mit der Folge, dass das Zusatzkriterium erfüllt ist, ohne dass es noch auf eine "black disc" ankommt (vgl. nochmals Bolm-Audorff u.a., Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie 2014, 35 ff. (38); LSG Sachsen vom 12. Juni 2014 a. a. O.).

Nicht zu folgen vermochte der Senat entsprechend der Gegenmeinung, die "mehrere Bandscheiben" mit mindestens drei gleichsetzt (Hessisches LSG vom 18. August 2009 L 3 U 202/04 und vom 27. März 2012 - L 3 U 81/11; LSG Bayern vom 20. August 2009 - L 2 U 330/07) und das Fehlen der Begleitspondylose in der B1 Konstellation durch die in der Konstellation B2 genannten Zusatzkriterien, die über die in den B Konstellationen grundsätzlich vorausgesetzten bandscheibenbedingten Erkrankung bei L5/S1 und/oder L4/L5 vorliegen müssten, "ersetzt" sieht.

Diese Argumentation trägt nicht. Grundvoraussetzung aller B-Konstellationen ist nämlich nicht bereits das Vorliegen eines bisegmentalen Befalls, dem eindeutigen Wortlaut nach ("und/oder") ist insoweit bereits ein monosegmentaler Schaden ausreichend. Dass es bei einem bisegmentalen Befall eines (weiteren) medizinischen Zusatzkriteriums bedarf, lässt sich entsprechend den Konsensempfehlungen der Konstellation "B" nicht entnehmen. Ausgangspunkt für die Beurteilung als BK ist nach diesen vielmehr die Chondrose oder als stärkere Beeinträchtigung der Prolaps. Betrachtet man die beiden tatbestandlichen Alternativen des 1. Zusatzkriteriums (s.o.) reicht bei der zweiten bereits ein monosegmentaler Schaden aus, sofern - zusätzlich - eine "black disc" in den zwei angrenzenden Segmenten nachgewiesen ist. Folgerichtig ist es bei der ersten Alternative ausreichend und ein wahrscheinlich ursächlicher Zusammenhang anzunehmen, wenn Veränderungen im Sinne einer Chondrose oder eines Prolapses an wenigstens zwei Bandscheiben nachgewiesen sind. Einen anderslautenden Erfahrungssatz vermag der Senat den Konsensempfehlungen nicht zu entnehmen (so auch LSG Sachsen-Anhalt vom 12. Juni 2014 a. a. O.; LSG Baden-Württemberg vom 23. Februar 2016 a. a. O.).

Ein beruflicher Zusammenhang ist damit wahrscheinlich. Der Kläger war auch gezwungen, seine die LWS belastende Tätigkeit als Verputzer aufzugeben. Insoweit kommt es darauf an, ob eine Fortsetzung der bisherigen Tätigkeit wegen der schon eingetretenen Gesundheitsstörungen oder der Gefahr einer Verschlimmerung bzw. des Wiederauflebens der Erkrankung bei nachträglicher objektiver Betrachtungsweise aus medizinischer Sicht nicht verantwortet werden kann (vgl. Mehrtens/Brandenburg, "Die Berufskrankheitenverordnung", Stand Oktober 2013, E § 9 SGB VII, Anm. 28.5, m.w.N.). Dies hat Prof. Dr. J. bestätigt. Die Bewertung des Sachverständigen ist für den Senat auch nachvollziehbar. Seine die LWS belastende Tätigkeit hat der Kläger tatsächlich auch im Oktober 2005 aufgegeben.

Dem von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung noch gestellten (Hilfs-)Antrag, ein medizinisches Sachverständigengutachten bei einem Mitglied der Konsensgruppe zu der Frage einzuholen, ob bei der Konstellation B2, 1. Zusatzkriterium, erster Spiegelsprich (Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben) bereits zwei Bandscheiben ausreichen, musste der Senat nicht nachkommen, da es sich nicht um einen zulässigen Beweisantrag i. S. d. § 403 Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 118 Abs. 1 SGG handelt. Ein zulässiger Beweisantrag muss in prozessordnungsgerechter Weise formuliert sein, sich regelmäßig auf ein Beweismittel der ZPO beziehen, das Beweisthema möglichst konkret angeben und insoweit auch wenigstens umreißen, was die Beweisaufnahme ergeben soll (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 160 Rn. 18a m. w. N.). Dem Kläger geht es um die Frage, ob das o. a. Zusatzkriterium bereits bei einem bisegmentalen Bandscheibenvorfall erfüllt ist. Das so verstandene Beweisthema ist nicht geeignet, zur Aufklärung des streitigen Kausalzusammenhangs beizutragen. Es fehlen die genau zu benennenden Tatsachen, über die im konkreten Fall Beweis erhoben werden soll. Begehrt wird die Einholung einer Meinungsäußerung eines Mitglieds der Arbeitsgruppe, die 2005 die Konsensempfehlungen erarbeitet hat, zu der von der vorliegenden Streitsache losgelösten abstrakten Frage, wie eine einzelne darin enthaltene Formulierung auszulegen ist. Von Prof. Dr. Bolm-Audorff als einem Mitglied der Arbeitsgruppe liegt hierzu bereits eine Äußerung zu diesem Streitpunkt vor (s. o.). Selbst wenn ein anderes Mitglied der Arbeitsgruppe sich dahin äußern sollte, dass für das Zusatzkriterium ein trisegmentaler Bandscheibenschaden erforderlich ist, ergäbe sich zudem für das Streitverfahren keine andere Ausgangssituation als aktuell. Auch dann müsste der Senat – wie auch schon jetzt – zwischen den divergierenden Auffassungen entscheiden.

Das Sozialgericht hat nach alledem das Vorliegen der BK Nr. 2108 zu Recht festgestellt. Die Berufung der Beklagten ist daher unbegründet.

Die Kostenentscheidung nach § 193 Abs. 1 SGG folgt der Entscheidung zur Hauptsache.

Die Nichtzulassung der Revision ergibt sich aus § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved