L 8 SB 884/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SB 2919/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 884/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 04.02.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch auf (Erst-)Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB; mindestens 60 statt 50) seit 20.03.2012 zusteht.

Die 1977 geborene Klägerin, türkische Staatsangehörige mit unbefristeter Aufenthaltserlaubnis (Blatt 7 der Beklagtenakte), ist verheiratet. Sie hat drei Kinder und arbeitet während der Öffnungszeiten täglich zwei Stunden als Reinigungskraft in einem N.-Markt. Sie beantragte am 20.03.2013 beim Landratsamt L. (LRA) die (Erst-)Feststellung eines GdB (Blatt 1/9 der Beklagtenakte). Zu ihrem Antrag gab sie eine Nierenentfernung, Beschwerden der Schilddrüse und der Bandscheiben an.

Das LRA zog von Dr. A. und dem Facharzt für Orthopädie E. Auskünfte sowie Befundberichte bei (Blatt 11/18, 22 der Beklagtenakte). Der Versorgungsarzt Dr. St. schätzte in seiner Stellungnahme vom 28.08.2013 (Blatt 24/25 der Beklagtenakte) den GdB auf 30 ein (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Verlust der Niere bei Niereneinschränkung der anderen Niere: GdB 30; Funktionsbehinderung der Wirbelsäule: GdB 10; Schilddrüsenerkrankung: GdB (10). Nach Vorlage eines internistischen Berichts von Dr. Kr. vom 12.08.2013 (Blatt 28/29 der Beklagtenakte) schätzte der Versorgungsarzt Dr. V. den GdB auf 40 (Stellungnahme vom 28.09.2013, Blatt 30/31 der Beklagtenakte; zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Verlust der Niere bei Niereneinschränkung der anderen Niere: GdB 30; Funktionsbehinderung der Wirbelsäule: GdB 10; Fibromyalgiesyndrom: GdB 20; Schilddrüsenerkrankung: GdB (10). Das LRA stellte daraufhin mit Bescheid vom 17.10.2013 (Blatt 34/35 der Beklagtenakte) den GdB seit 20.03.2013 mit 40 fest.

Die Klägerin legte nunmehr den Bericht der Nervenärztin Kl. vom 29.10.2013 vor (Blatt 39/40 der Beklagtenakte) und erhob am 11.11.2013 Widerspruch gegen den Bescheid vom 17.10.2013 (Blatt 42 der Beklagtenakte). Die Funktionsbehinderungen seien zu niedrig bewertet. Außerdem sei die Depression nicht bewertet. Ein GdB von 50 sei erreicht.

Der Versorgungsarzt Dr. Di. schätzte den GdB in seiner Stellungnahme vom 18.01.2014 (Blatt 47 der Beklagtenakte) auf 50 (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Verlust der Niere bei Niereneinschränkung der anderen Niere: GdB 30; Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden: GdB 10; Fibromyalgiesyndrom: GdB 20; Depression, psychovegetative Erschöpfung: GdB 30).

Das LRA stellte mit Abhilfebescheid vom 27.01.2014 (Blatt 48/49 der Beklagtenakte) den GdB seit 20.03.2013 mit 50 fest und übernahm die Kosten des Widerspruchsverfahrens in vollem Umfang, woraufhin die Klägerin ihre vollen Kosten liquidierte (Blatt 51/52, 53, 55 der Beklagtenakte; Abrechnungsbescheid vom 19.03.2014, Blatt 56/57, 58 der Beklagtenakte).

Mit Schreiben vom 30.06.2014 (Blatt 61/62 der Beklagtenakte) verlangte die Klägerin unter Vorlage von Berichten des Chirurgen Dr. Ro. vom 10.10.2013 (Blatt 63 der Beklagtenakte) und des Dr. E. vom 11.05.2014 (Blatt 64/65 der Beklagtenakte) einen höheren GdB als 50.

Nachdem der Versorgungsarzt Dr. Di. (Stellungnahme vom 13.07.2014, Blatt 67 der Beklagtenakte) den GdB weiterhin mit 50 bewertete, wies der Beklagte durch das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – den Widerspruch zurück und setzte die Erstattung der Kosten des Widerspruchsverfahrens zu 6/10 fest (Widerspruchsbescheid vom 25.07.2014).

Hiergegen hat die Klägerin am 21.08.2014 beim Sozialgericht (SG) Heilbronn Klage erhoben. Aufgrund des Verlustes der Niere und den damit verbundenen Einschränkungen und Beschwerden sei ein GdB von 40 zu erteilen. Weiter seien die Nierensteine und die wiederkehrenden Blasenentzündungen zu berücksichtigen. Der GdB bezüglich der Depression sowie der psychovegetativen Störungen von 30 sei deutlich zu niedrig, sie werde seit der Entfernung der Niere von starken Ängsten geplagt. Aufgrund der Schwere der Schmerzen sei auch das Fibromyalgiesyndrom zu gering bewertet. Sie habe ständige Schmerzen, andauernde Müdigkeit, Schlafstörungen sowie Kopfschmerzen. Ebenso sei die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und der Bandscheibenschaden mit einem GdB von 10 zu gering bewertet. Es sei ein Nerv eingeklemmt, sie könne nichts Schweres heben und leide unter Schmerzen und Beschwerden. Nicht berücksichtigt sei zudem die Varizenerkrankung und die Schilddrüsenerkrankung in Form einer Hashimoto-Thyreoiditis.

Der Beklagte hat ausgeführt, die Klage sei unzulässig, da ein Rechtsschutzinteresse und eine Beschwer nicht erkennbar sei, da die Klägerin den im Widerspruchsverfahren angestrebten GdB von 50 erhalten habe (Blatt 14 der SG-.Akte). Die Klägerin hat sich hiergegen gewandt (Schreiben vom 25.11.2014, Blatt 15/17 der SG-Akte).

Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 23/26, 27, 28/31, 32/35 und 39/44 der SG-Akte Bezug genommen. Die Nervenärztin Kl. hat gegenüber dem SG mit Schreiben vom 11.12.2014 ausgeführt, sie habe die Klägerin einmalig am 28.10.2013 gesehen. Damals habe eine mittelschwere bis schwere depressive Episode vorgelegen. Prof. Dr. Schi. vom Klinikum L. hat dem SG am 15.12.2014 geschrieben, die im Mai 2014 erfolgte Entfernung der Gallenblase spiele für die Bemessung des GdB keine Rolle. Der Arzt für Innere Medizin, Rheumatologie, Sportmedizin u.a. Dr. Kr. hat dem SG (Schreiben vom 13.12.2014) mitgeteilt, die Klägerin nur einmal im August 2013 untersucht zu haben. Er gehe davon aus, dass ein GdB von 50 die entsprechenden Gesundheitsstörungen ausreichend berücksichtige. Der Chirurg Dr. Ro. hat dem SG unter dem Datum des 13.12.2014 geschrieben, es bestehe eine Varikose beidseits bei venöser Insuffizienz und eine bekannte Bandscheibenproblematik, wegen der die Klägerin bei ihm nicht in Behandlung sei. Der Schweregrad der chronisch venösen Insuffizienz nach operativer Therapie bewege sich im geringfügigen Bereich. Dr. J. vom Klinikum L. hat mit Schreiben vom 14.01.2015 ausgeführt, es bestehe bei der Klägerin ein vesikoureteraler Reflux beidseits mit komplettem Funktionsverlust der rechten Niere im ESfG von November 2011 mit rezidivierenden Pyelonephretiden und eine Cholezystolithiasis (Gallensteine), eine laparoskopische Nephrektomie (Nierenentfernung) sei am 23.03.2013 erfolgt. Bei der Klägerin seien rezidivierend fieberhafte Harnwegsinfekte aufgetreten, welche eine körperliche und auch psychische Belastung dargestellt hätten. Das Therapieziel der Nephrektomie sei eine Sanierung dieses Infektgeschehens gewesen. Der Erfolg könne auf Grund mangelnder Kontrollen nicht nachgewiesen werden. Der Schweregrad rezidivierender Harnwegsinfektionen mit zum Teil fieberhaftem Verlauf könne als mittelgradig bis schwer eingestuft werden. Der Verlust einer Niere mit mutmaßlich eingeschränkter Nierenfunktion (der nachgewiesene Kreatininwert befinde sich im Normbereich) sei mit 30 angemessen. Auch in Zusammenschau der übrigen Diagnosen sei die Beurteilung des GdB mit 50 angemessen.

Nachdem die Klägerin (Schreiben vom 24.08.2015, Blatt 50 der SG-Akte) angegeben hat, sie befinde sich in ständiger psychiatrischer Behandlung bei Frau Kl. und sei wegen der Fibromyalgie bei Dr. Kr. und Dr. S. in Behandlung, hat das SG die Nervenärztin Kl. erneut befragt. Diese hat in ihrem Schreiben vom 22.09.2015 (Blatt 53 der SG-Akte) eine ständige Behandlung verneint und eine stationäre Behandlung in einer Klinik mit z.B. türkisch sprechenden Therapeuten für sinnvoll erachtet, was aber auf Grund der familiären Situation nicht durchführbar sei.

Die Klägerin hat nunmehr mitgeteilt, sie sehe sich nicht in der Lage, sich in stationäre Behandlung in eine Akutklinik zu begeben (Schreiben vom 09.10.2015, Blatt 54 der SG-Akte) und außerdem mitgeteilt (Schreiben vom 17.11.2015, Blatt 56 der SG-Akte) vom Antragsrecht nach § 109 SGG zum jetzigen Zeitpunkt keinen Gebrauch zu machen.

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 04.02.2016 die Klage abgewiesen. Die zulässige Klage sei unbegründet, die angefochtene Entscheidung sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Diese habe keinen Anspruch auf die Feststellung eines GdB von mindestens 60. Die eingeholten Befunde sowie die sachverständige Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte stützten den Klageantrag nicht. Bei der Klägerin lägen die Voraussetzungen für einen höheren GdB als 50 nicht vor.

Gegen den ihrer Bevollmächtigten am 10.02.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 07.03.2016 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Es seien nicht ihre tatsächlichen Krankheiten und Beschwerden erfasst. Das SG habe beispielsweise keinerlei Ermittlungen zum orthopädischen Beschwerdebild eingeholt. Es sei weder ein Orthopäde befragt, noch sie orthopädisch begutachtet worden. Sie habe jedoch bereits in ihrer Klagebegründung gerügt, dass die orthopädischen Beschwerden nicht zutreffend berücksichtigt seien. Sie leide dahingehend an ständigen Schmerzen, da sich des Öfteren ein Nerv einklemme und sie sodann nichts Schweres heben oder tragen könne. Auch die Bewertung des Verlustes einer Niere mit einem GdB von 30 sei nicht zutreffend. Dr. J. habe ausgeführt, dass rezidivierende fieberhafte Harnwegsinfekte aufgetreten seien. Die Entfernung einer Niere sollte aufgrund dieser rezidivierenden Harnwegsinfektion mit zum Teil fieberhaftem Verlauf geheilt werden. Die Niere sei tatsächlich entfernt worden. Dies habe jedoch nicht zu dem erhofften Erfolg geführt. Sie leide nach wie vor unter häufigen und schmerzhaften Harnwegsinfekten. Da auch nach der Operation nicht der erhoffte Erfolg eingetreten sei, sei in jedem Fall ein schwerer Verlauf anzunehmen, so dass ein GdB von 30 gerade nicht angemessen sei. Auch die psychischen Beschwerden seien nicht ausreichend gewürdigt. Sie fühle sich ständig schwach und völlig überfordert mit dem Alltagsleben. Sie habe sich nahezu vollständig aus ihrem sozialen Umfeld zurückgezogen und lediglich noch Kontakt zu ihrer Familie. Treffen mit Freunden oder Ausflüge gebe es nicht. Durch die ständige Überforderung fühle sie sich teilweise nicht einmal in der Lage, ihre Arzttermine wahrzunehmen. Sie könne an manchen Tagen auch das Haus nicht verlassen.

Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 04.02.2016 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 17.10.2013 in der Fassung des Bescheides vom 27.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2014 zu verurteilen, bei ihr einen GdB von mindestens 60 seit 20.03.2012 festzustellen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines medizinischen Gutachtens beim Internisten, Betriebs- und Sozialmediziner Dr. Schu. sowie von Zusatzgutachten auf orthopädischem Fachgebiet beim Facharzt für Orthopädie Dr. H. und auf psychiatrischem Fachgebiet bei der Fachärztin für Psychiatrie, Sozialmedizin, F ... Die Gutachterin F. hat in ihrem Gutachten vom 29.10.2016 (Blatt 38/60 der Senatsakte) ausgeführt, auf psychiatrischem Fachgebiet liege eine Anpassungsstörung mit leichter depressiver Symptomatik (ICD 10 F43.2) als Reaktion auf bestehende körperliche Schmerzen vor, allerdings bedingten diese keine wesentlichen Funktionsbeeinträchtigungen. Zudem bestünden Schmerzen bei wiederkehrenden Blasenentzündungen und degenerativen Veränderungen im Bereich des Bewegungsapparates. Die körperlichen Schmerzen seien als auslösend und unterhaltend für die Anpassungsstörung anzusehen. Durch die Anpassungsstörung mit leichter depressiver Symptomatik (ICD 10 F43.2) würden keine wesentlichen Funktionsbeeinträchtigungen verursacht. Die Anpassungsstörung sei als leichtere psychovegetative oder psychische Störung mit einem GdB von 10 zu bewerten.

Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 09.09.2016 (Blatt 61/86 der Senatsakte) angegeben, bei der Klägerin bestehe ein Zervikalsyndrom mit muskulären Verspannungen aber keine neurologischen Ausfälle, ein chronisches Lumbalsyndrom mit Osteochondrose lumbosakral nach altem verkalktem Bandscheibenvorfall ohne Wurzelreizsyndrom, und ohne neurologische Ausfälle, eine Patelladysplasie beidseits, ein Senk-Spreizfuß beidseits, eine Adipositas und eine Varikose beidseits bei Zustand nach Operation links 15.07.13. Die Wirbelsäulenveränderungen seien unter Berücksichtigung der ausgelösten Schmerzsyndrome mit einem GdB von 10, die Beschwerden im Bereich der Kniegelenke im Rahmen der unzureichenden Kniescheibenführung beidseitig mit einem GdB von unter 10, die Funktionsstörung durch beidseitige Fußfehlform mit einem GdB von unter 10 und die Varizenbildung nach Operation mit einem GdB von maximal 10 zu bewerten.

Dr. Schu. hat in seinem Gutachten und unter Auswertung der Zusatzgutsachten angegeben, bei der Klägerin bestehe ein Zustand nach Nierenentfernung rechts bei normal arbeitender Niere links, wiederkehrende Harnwegsinfekte, leicht übersubstituierte Schilddrüsenhormone, ein ausgeprägter Vitamin-D-Mangel, ein chronisches Lumbalsyndrom, Bandscheibenschaden, Krampfadern und eine leichte Anpassungsstörung bei organisch bedingten Schmerzen (ICD 10 F43.2); ausgeschlossen sei eine rheumatologisch relevante Erkrankung. Der Zustand nach Nierenentfernung rechts bei normal arbeitender Niere links und die wiederkehrenden Harnwegsinfekte seien mit einem GdB von 30, die leicht übersubstituierte Schilddrüsenhormone mit einem GdB unter 10, der ausgeprägte Vitamin-D-Mangel mit einem GdB unter 10, das chronische Lumbalsyndrom und der Bandscheibenschaden mit einem GdB von 10, die Krampfadern mit einem GdB von 10 und die leichte Anpassungsstörung bei organisch bedingten Schmerzen (ICD 10 F43.2) mit einem GdB von 10 zu bewerten. Den Gesamt-GdB hat Dr. Schu. mit 30 bewertet.

Mit Schreiben vom 19.12.2016 (Blatt 94 der Senatsakte) hat die Klägerin ausgeführt, sie rüge nach Durchsicht der Gutachten, dass eine Fachärztin für Psychiatrie sowie ein Facharzt für Orthopädie und ein Internist ohne Spezialisierung Rheumatologie die Erkrankung Fibromyalgie beurteilt hätten. Sie gehe davon aus, dass die Fibromyalgie, worunter sie unstreitig leide, lediglich von einem Internisten mit der Spezialisierung Rheumatologie, tatsächlich und ordnungsgemäß beurteilt werden könne. Weiter sei Dr. Schu. aus einer Vielzahl von Verfahren bekannt und ihre Bevollmächtigte habe den Eindruck gewonnen, dass nach dessen medizinischer Überzeugung Fibromyalgie nicht existiere. Dies entspreche nicht den medizinischen Standards von heute. Die Fibromyalgie-Erkrankung sei von der Psychiaterin, sowie von dem Orthopäden bewertet. Es sei davon auszugehen, dass beiden Fachärzten die Kenntnis fehle, da es sich gerade nicht um ihr Fachgebiet handele.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Blatt 93, 95, 97 der Senatsakte).

Wegen der weiteren Einzelheiten das Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und des beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 153 Abs. i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG), ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig aber unbegründet.

Der angefochtene Bescheid des LRA vom Bescheid vom 17.10.2013 in der Fassung des Bescheides vom 27.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2014 hat den GdB nicht zu Lasten der Klägerin rechtswidrig zu niedrig festgestellt. Die Klägerin wird durch die angefochtenen Entscheidungen der Versorgungsverwaltung und des SG nicht in ihren Rechten verletzt. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 50.

Die Klage war vorliegend nicht schon deswegen unzulässig, weil die Klägerin im Widerspruchsverfahren mit dem angefochtenen Abhilfebescheid vom 27.01.2014 das erhalten hatte, was sie begehrt hatte und sie damit nicht weiter beschwert war oder kein Rechtsschutzinteresse hätte. Denn der Beklagte hat mit dem angefochtenen Widerspruchsbescheid über den nach Abhilfe erstmals geltend gemachten weitergehenden Widerspruch sachlich entschieden.

Vorliegend hatte die Klägerin mit dem Antrag vom 20.03.2012 die Feststellung des GdB begehrt. Hierauf hatte das LRA nach versorgungsärztlicher Beratung einen GdB von 40 festgestellt (Bescheid vom 17.10.2013). Hiergegen hatte die Klägerin – worauf sie zutreffend hinweist – am 11.11.2013 Widerspruch eingelegt und zu dessen Umfang zunächst nichts weiter ausgeführt. Da die Klägerin jedoch mit anwaltlichem Schreiben vom 11.12.2013 (Blatt 45 der Beklagtenakte) ausgeführt hatte "In der Gesamtschau ist deshalb der GdB von 50 erreicht", hat sie ihren Widerspruch – anwaltlich vertreten – inhaltlich auf die Feststellung eines GdB von 50 beschränkt. Die darüber hinausgehende Ablehnung der Feststellung eines höheren GdB im Bescheid vom 17.10.2013 ist – weil es sich beim GdB um einen inhaltlich teilbaren Streitgegenstand handelt - damit bestandskräftig geworden. Diesem Widerspruch hat das LRA mit Bescheid vom 27.01.2014 vollumfänglich abgeholfen, als dort ab 20.03.2012 ein GdB von 50 festgestellt wurde. Das LRA hat insoweit auch ausgeführt, dass dem Widerspruch "daher in vollem Umfang abzuhelfen" war. Insoweit waren auch die Kosten des Widerspruchsverfahrens in vollem Umfang zur Erstattung anerkannt worden. Dass die Bevollmächtigten der Klägerin ebenfalls von einer vollen Abhilfe ausgingen, ergibt sich aus deren Schreiben vom 25.02.2015, in dem ausgeführt wird (Blatt 52 der Beklagtenakte): "Sie haben dahingehend dem Widerspruch gegen den Bescheid vom 17.10.201 voll umfänglich abgeholfen ". Auch haben die Bevollmächtigten die Kosten des gesamten Widerspruchsverfahrens liquidiert. Daraus ergibt sich ganz offensichtlich, dass nicht nur das LRA sondern auch die durch ihre Bevollmächtigten vertretene Klägerin von einer vollen Abhilfe ausgegangen war. Auch der Senat konnte insoweit eine volle Abhilfe feststellen. Wurde dem mit Schreiben vom 11.12.2013 auf die Feststellung eines GdB von 50 beschränkten Widerspruch aber in vollem Umfang abgeholfen, ist das Widerspruchsverfahren in vollem Umfang erledigt und beendet, wovon auch § 85 Abs. 1 SGG ausgeht. Die Klägerin war daher nicht mehr beschwert.

Dass die Klägerin dann mit Schreiben vom 30.06.2014 (Blatt 62 der SG-Akte), mithin annähernd ein halbes Jahr später, nun vorträgt, ihr stehe ein höherer GdB zu, eröffnet das bereits erledigte und beendete Widerspruchsverfahren nicht mehr. Vielmehr hatte die Klägerin mit ihrem Begehren nach Feststellung eines höheren GdB entweder die Überprüfung der bisherigen GdB-Feststellung nach § 44 Abs. 2 SGB X begehrt oder eine Änderung nach § 48 SGB X geltend gemacht. Hierüber hätte das LRA aber durch Verwaltungsakt entscheiden müssen.

Jedoch hat der Beklagte einen Widerspruchsbescheid erlassen und hierin den nachträglich erweiterten Widerspruch nicht als unzulässig abgewiesen – was angesichts seiner Stellungnahme gegenüber dem SG im Klageverfahren nahegelegen hätte – sondern sachlich verbeschieden. Insoweit hat sich der Beklagte zugunsten der Klägerin nicht auf die auch ihn schützende Wirkung der Bestandskraft eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes berufen. Der Beklagte durfte als "Herr des Vorverfahrens" – wie er bei einem wegen Verfristung oder Formwidrigkeit unzulässigen Widerspruch in der Sache entscheiden kann (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 11. Auflage, § 85 RdNr. 4) – auch vorliegend die zu seinen Gunsten eingetretene Schutzwirkung des erledigten Widerspruchsverfahrens übergehen und in der Sache über den nachträglich erweiterten Widerspruch der Klägerin entscheiden. Insoweit ist die vorliegende Konstellation auch nicht vergleichbar zu derjenigen, in der ein Ausgangsbescheid schon gar nicht ergangen war (vgl. z.B. Beschluss vom 09.01.2017 im Verfahren L 8 SB 2916/16, unveröffentlicht). Hat der Beklagte aber durch eine inhaltliche Sachentscheidung über den an sich nicht zulässigen Widerspruch entschieden, hat er damit auch den Weg zu einer sachlichen Überprüfung im Klageverfahren eröffnet.

Hat der Beklagte aber den erweiterten Widerspruch sachlich entschieden, konnte es schon deshalb nicht mehr bei der vollen Kostenerstattung nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X bleiben. Während die Klägerin zunächst mit ihrem Widerspruchsbegehren in vollem Umfang obsiegt hatte (Begehr: GdB 50; Feststellung: GdB 50) hat sie durch die nachträgliche, in der Sache nicht erfolgreiche Erweiterung des Widerspruchsbegehrens den Rahmen Ihres Begehrens weiter gesteckt, was sich – wie vom Beklagten zutreffend im Widerspruchsbescheid festgestellt – auf die Kostenentscheidung nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X auswirkt; der Klägerin steht deswegen nur eine reduzierte Kostenquote zu. Soweit das LRA entsprechend dem Bescheid vom 19.03.2014 die Kosten des Widerspruchsverfahrens in vollem Umfang erstattet hat, wird die Klägerin den zu Unrecht vereinnahmten Teil wieder an das LRA zurückzuzahlen haben, was aber vorliegend nicht Streitgegenstand ist.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die der Zuerkennung eines GdB zugrundeliegende Behinderung wird gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX im Hinblick auf deren Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Dabei stellt die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412), den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) – wie auch die zuvor geltenden Anhaltspunkte (AHP) - auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die im Allgemeinen zunächst nach Funktionssystemen zusammenfassend (dazu vgl. Teil A Nr. 2 Buchst. e) VG) und die hieraus gebildeten Einzel-GdB (vgl. A Nr. 3a) VG) nach § 69 Abs. 3 SGB IX anschließend in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind. Die Feststellung der jeweiligen Einzel-GdB folgt dabei nicht einzelnen Erkrankungen sondern den funktionellen Auswirkungen aller derjenigen Erkrankungen, die ein einzelnes Funktionssystem betreffen.

Die Bemessung des Gesamt-GdB (dazu s. unten) erfolgt nach § 69 Abs. 3 SGB IX. Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. Insoweit scheiden dahingehende Rechtsgrundsätze, dass ein Einzel-GdB nie mehr als die Hälfte seines Wertes den Gesamt-GdB erhöhen kann, aus. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. A Nr. 3 VG). Der Gesamt GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft – gleiches gilt für alle Feststellungsstufen des GdB - nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 – oder anderer Werte - fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris). Damit entscheidet nicht allein die Anzahl einzelner Einzel-GdB oder deren Höhe die Höhe des festzustellenden Gesamt-GdB. Vielmehr ist der Gesamt-GdB durch einen wertenden Vergleich dadurch zu bilden, dass die in dem zu beurteilenden Einzelfall bestehenden Funktionsbehinderungen mit den vom Verordnungsgeber in den VG für die Erreichung einer bestimmten Feststellungsstufe des GdB bestimmten Funktionsbehinderungen in Beziehung zu setzen sind – z.B. ist bei Feststellung der Schwerbehinderung der Vergleich mit den für einen GdB von 50 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen, bei Feststellung eines GdB von 60 ist der Vergleich mit den für einen GdB von 60 in den VG vorgesehenen Funktions-behinderungen usw. vorzunehmen.

Der Senat ist nach eigener Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass die bei der Klägerin vorliegenden Funktionsbehinderungen in ihrer Gesamtschau einen höheren Gesamt-GdB als 50 nicht rechtfertigen.

Die Funktionsbehinderungen in Folge der Erkrankung der Niere sind im Funktionssystem der Harnorgane zu bewerten. Nach B Nr. 12.1.1 VG sind Nierenschäden in Form des Verlusts, Ausfalls oder Fehlens einer Niere bei Gesundheit der anderen Niere und nach B Nr. 12. 1.2 VG Nierenschäden durch Verlust, Ausfall oder Fehlen einer Niere bei Schaden der anderen Niere zu bewerten. Vorliegend wurde der Klägerin die rechte Niere entfernt. Eine Funktionsstörung der linken Niere konnte Dr. Schu. nicht feststellen. Die GFR lag bei seiner Begutachtung im hochnormalen Bereich. Auch die Ärzte des Klinikums L. , hier Dr. J. , konnte anhand des sich im Normbereich befindenden Kreatininwertes eine Einschränkung der Nierenfunktion nicht feststellen (Blatt 40 der SG-Akte). Eine solche konnte der Senat auch den sich in der Beklagtenakte befindlichen Befundunterlagen nicht entnehmen. So ist auch dem Laborbericht auf Blatt 17 der Beklagtenakte ein Kreatininwert von 0,81 mg/dl im Normbereich (0,40-0,96 mg/dl) zu entnehmen. Auch aus den Berichten auf Blatt 10 bis 16 der Beklagtenakte lässt sich eine normabweichende Nierenfunktion links nicht ableiten. Daher konnte der Senat den Verlust der rechten Niere mit wiederkehrenden Harnwegsinfekten mit einem Teil-GdB von 30 bewerten (B Nr. 12.1.1 VG) und das Nierensteinleiden ohne Funktionseinschränkung der linken Niere jedoch mit – nach Angaben der Klägerin im Abstand von ca. drei Monaten auftretenden - wiederkehrenden Harnwegsinfekten mit einem Teil-GdB von 10 bewerten. Mithin war im Funktionssystem der Harnorgane der Einzel-GdB mit 30 anzunehmen.

Im Funktionssystem des Rumpfes, zu dem der Senat die Wirbelsäule einschließlich der Halswirbelsäule zählt, war ein Einzel-GdB von 10 anzunehmen. Soweit die Klägerin dem SG entgegenhält, dies habe zu Unrecht keinen orthopädischen Behandler als sachverständigen Zeugen befragt, so greift dieser Vorwurf nicht. Denn die Klägerin war vom SG ausdrücklich zur Angabe der behandelnden Ärzte aufgefordert worden und hat hier keinen Orthopäden als behandelnden Arzt benannt (Blatt 13 der SG-Akte). Ist die Klägerin damit ihren prozessualen Pflichten nicht nachgekommen oder befindet sie sich schon gar nicht in orthopädischer Behandlung, so ist der erhobene Vorwurf missbräuchlich und ins Blaue hinein vorgebracht und muss vom Senat nicht weiter verfolgt werden. Nichtsdestotrotz hat der Senat ein orthopädisches Zusatzgutachten eingeholt.

Nach B Nr. 18.9 VG ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ein GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Maßgebend ist dabei, dass die Bewertungsstufe GdB 30 bis 40 erst erreicht wird, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen. Die Obergrenze des GdB von 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten (Senatsurteil 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 - juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de). Erst bei Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen (z.B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst (z.B. Milwaukee-Korsett); schwere Skoliose (ab ca. 70° nach Cobb) ist ein GdB von 50 bis 70 und bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB von 80 bis 100 gerechtfertigt.

Der Senat konnte in diesem Funktionssystem ein chronisches Lumbalsyndrom und einen Bandscheibenschaden feststellen. Dies ergibt sich aus dem Gutachten von Dr. H. sowie den Befundunterlagen der behandelnden Ärzte. Dr. H. konnte bei seiner Begutachtung eine im Lot stehende Wirbelsäule sowie einen Schulter- und Beckengeradstand ohne Seitausbiegung und ohne Rotationszeichen beschreiben. Es bestehen symmetrisch gezeichnete Tailliendreiecke und abgeflachte kyphotische und lordotische Schwingungen. Die Schulterblätter liegen dem Rumpf seitlich normal an. Der Brustkorb ist symmetrisch, die Atemexkursionen normal. Eine Rippenbuckelbildung besteht nicht. Die Rückenstreck-, Schultergürtel-, Brust- und Bauchmuskulatur ist beidseits mäßig kräftig ausgebildet. Verspannungen der Muskulatur bestehen im Bereich der Hals- und Schultergürtelmuskulatur sowie der Brust- und Lendenwirbelsäule. Im Bereich des lumbosakralen Überganges finden sich Muskelverhärtungen im Bereich der Rückenstrecker. Im Bereich des Abdomen finden sich mehrere reizlose Narben nach laparoskopischen Operationen.

Den Aufrichteversuch konnte die Klägerin ohne Angabe von Schmerzen und ohne Hilfestellung ausführen. Es besteht kein Beckenstauchungs- und Verwringschmerz. Beim Vorwärtsbeugen des Rumpfes mit gestreckten Kniegelenken wird ohne Schmerzen ein Finger-Boden-Abstand von 0 cm erreicht. Die Entfaltung der Dornfortsatzreihe ist bei Inklination und Reklination nicht eingeschränkt. Auch die Beweglichkeit der Rumpfwirbelsäule ist nicht eingeschränkt (zu den Bewegungsmaßen der Wirbelsäule vgl. Blatt 73 der Senatsakte = Seite 13 des Gutachtens Dr. H. ). Das Ott sche Zeichen der BWS beträgt 28,5/30/33,0 cm, das Schober sche Zeichen der LWS 8,5/10/15,0 cm. Das Zeichen nach Lasègue war beidseits negativ. Neurologische Ausfälle konnte der Gutachter nicht feststellen. Vielmehr konnte Dr. H. im Bereich der Wirbelsäule paravertebral Druckbeschwerden im Bereich der Nackenstrecker und der caudalen Etagen der Lendenwirbelsäule feststellen. Die Dornfortsatzreihe ist nicht rüttel- oder stauch-empfindlich. Der Druckschmerz wird paravertebral in die Muskulatur und über den kleinen Wirbelgelenken lokalisiert. Bei der Rotation der Halswirbelsäule nach beiden Seiten und bei der Reklination werden Schmerzen im Bereich der Paravertebralmuskulatur angegeben. Beim lumbalen Seitneigen sowie bei Rotationsbewegungen werden endgradig tieflumbale Schmerzen angegeben.

Vor diesem Hintergrund konnte der Senat mit Dr. H. die funktionellen Auswirkungen der bestehenden Erkrankungen der Wirbelsäule trotz der schmerzhaften Ausstrahlungen in die Schultern lediglich als gering feststellen. Mittelgradige funktionelle Auswirkungen in einem oder mehreren Wirbelsäulenabschnitten konnte der Senat dagegen nicht feststellen. Der Senat berücksichtigt bei seiner Bewertung auch die unstreitig bestehenden Schmerzen der Klägerin. Dennoch konnte der Senat keine Funktionsbehinderungen feststellen, die einen Einzel-GdB von mehr als 10 rechtfertigen würden.

Im Funktionssystem der Arme, wo die Klägerin Schmerzen in den Schultern angegeben hat, konnte der Senat keine GdB-relevanten Funktionsbehinderungen feststellen. Weder Dr. H. noch die behandelnden Ärzte konnten insoweit relevante Erkrankungen der Schultern und Arme beschreiben. Vielmehr wurden die Schmerzen der Schulter als Ausstrahlungen der HWS-Problematik beschrieben, die jedoch im Funktionssystem des Rumpfes bewertet wurden. Damit war im Funktionssystem der Arme ein Einzel-GdB nicht anzunehmen.

Im Funktionssystem der Beine konnte Dr. H. beidseits leicht valgische Beinachsen feststellen. Es verbleibt ein Innenknöchelabstand von 2 cm. Es besteht eine normale Position und eine uneingeschränkte Beweglichkeit aber unzureichende aktive Führung der Kniescheiben bei mäßiger Lateralisierungstendenz ab 70 Grad Flexion. Die Beweglichkeit beider Kniegelenke war bei der Untersuchung durch Dr. H. nicht eingeschränkt. Bewegungsschmerzen wurden im Bereich beider Kniegelenke nicht angegeben. Es fanden sich Senk-Spreiz-Füße beidseits und eine geringe Varicosis beidseits sowie eine vermehrte Venenzeichnung. Insoweit konnte der Senat mit den Gutachtern Dr. H. und Dr. Schu. sowie dem behandelnden Arzt Dr. Ro. die operierten Krampfadern vorliegend nach B Nr. 9.2.3 VG als chronisch-venöse Insuffizienz ohne wesentliche Stauungsbeschwerden mit einem GdB von 10 zu bewerten. Dies entspricht auch der Befundung durch die behandelnden Ärzte. Die beidseitige Fußfehlform ist ohne statische Auswirkung geblieben, weshalb nach B Nr. 18.14 VG ein GdB nicht anzunehmen ist. Soweit Dr. H. wegen der unzureichenden Kniescheibenführung einen Teil-GdB von unter 10 angenommen hat, ist dies für den Senat angesichts der Vorgaben von B Nr. 18.14 VG überzeugend. Denn insoweit besteht weder eine relevante Bewegungseinschränkung noch eine Versteifung des Knies, eine Lockerung des Kniebandapparates, ein Kniescheibenbruch oder eine habituelle Kniescheibenverrenkung. Der Einzel-GdB im Funktionssystem der Beine ist daher mit 10 anzunehmen.

Soweit die Klägerin sich auf das von Dr. Kr. im Bericht vom 2.08.2013 (Blatt 29 der Beklagtenakte) diagnostizierte Fibromyalgie-Syndrom ohne Hinweis auf eine entzündlich rheumatische Erkrankung beruft, ist dieses entsprechend den Vorgaben von B Nr. 18.4 VG nach den funktionellen Auswirkungen zu beurteilen. Da die Schmerzen nach der von Dr. H. erhobenen Beschwerdeanamnese den ganzen Körper betreffen und somit einzelne ein Funktionssysteme übergreifend beschrieben werden, wäre das Fibromyalgie-Syndrom, das definitionsgemäß durch einen spezifischen somatischen Krankheitsfaktor nicht erklärt werden kann (vgl. S3-Leitlinie Fibromyalgiesyndrom der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. - AWMF - , www.awmf.org/de), nach ständiger Rechtsprechung vorliegend im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche zu bewerten. Kernsymptome des Fibromyalgiesyndroms sind neben chronischen Schmerzen in mehreren Körperregionen Schlafstörungen bzw. nicht erholsamer Schlaf und Müdigkeit bzw. körperliche und/oder geistige Erschöpfungsneigung (S3-Leitlinie a.a.O.). Die Kriterien eines Fibromyalgiesyndroms (ICD 10 M79.70) und die einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung (F45.40) bzw. einer chronischen Schmerzstörung mit psychischen und somatischen Faktoren (F45.41) erfassen zum Teil überlappende, zum Teil unterschiedliche klinische Charakteristika von Personen mit chronischen Schmerzen in mehreren Körperregionen ohne spezifischen somatischen Krankheitsfaktor. Das Fibromyalgiesyndroms ist nicht pauschal mit einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung bzw. einer chronischen Schmerzstörung mit psychischen und somatischen Faktoren gleichzusetzen (S3-Leitlinie a.a.O.). Die Beurteilung der Begleitsymptomatik dieser Krankheitsbilder liegt somit auf nervenärztlichem Gebiet, wobei das Ausmaß der Behinderung unabhängig von der zu Grunde liegenden Diagnose an den zu beschreibenden Funktionseinschränkungen festgestellt werden kann.

Der Senat konnte sich aber nicht vom Vorliegen einer somatoformen Schmerzstörung vom Fibromyalgietyp überzeugen. Die erfahrene psychiatrische Gutachterin F. konnte nachvollziehbar darlegen, dass die geklagten Schmerzen durch die somatischen Erkrankungen ausreichend erklärbar seien und nicht in einem solchen Ausmaß bestehen, dass spezifische Behandlungsmaßnahmen wie eine multimodale, spezielle Schmerztherapie, hätten durchgeführt werden müssen. So wird Schmerzmedikation nur im Bedarfsfall eingenommen. Eine kontinuierliche Schmerzbehandlung findet nicht statt. Auch seitens der psychischen Beschwerden wurden bislang, außer einer zweimaligen nervenärztlichen Konsultation in den Jahren 2013 und 2015 sowie kurzfristiger, nicht näher bekannter Medikamenteneinnahme, ebenso keine spezifischen Behandlungsmaßnahmen (ambulante psychiatrische Mitbehandlung, ambulante Psychotherapie, stationäre Krankenhaus- und Rehabilitationsbehandlungen) durchgeführt. Zwar hat Dr. Kr. in seinem Bericht vom 12.08.2013 die Schmerzbeschwerden der Klägerin auf eine chronische Schmerzstörung i.S. eines Fibromyalgie-Syndroms zurückgeführt. Er hat jedoch, wie er gegenüber dem SG ausgeführt hat, die Klägerin nur einmal gesehen. Daher kann der Senat seiner Einschätzung eines Fibromyalgie-Syndroms nicht folgen. Auch der Orthopäde Dr. H. hat in seinem Zusatzgutachten die Diagnose eines Fibromyalgiesyndroms verneint. Den mitgeteilten Befund von Dr. Kr. , wonach 12 von 18 Tender-Points positiv gewesen seien, hatte er bei seiner Untersuchung nicht bestätigen können. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Überprüfung der Druckschmerzhaftigkeit vorgegebener Körperstellen eine generell nicht auf bestimmte Fachbereiche beschränkte ärztliche Untersuchungsmethode, die aber vor allen auch im Fachgebiet Orthopädie angewandt wird. Die Beurteilung von Dr. H. , die anscheinend allein auf das Ergebnis der Untersuchung der Tender-Points gestützte Diagnose von Dr. Kr. sei nicht nachvollziehbar – was wohl auch nicht mehr dem derzeitigen Stand der Wissenschaft entspricht (vgl. S3-Leitlinie a.a.O.; Schiltenwolf: Fibromyalgie – die orthopädisch-psychosomatischer Sicht und gutachtliche Einschätzung, in Medizinischer Sachverständige 2011, Seite 59ff) –, ist für den Senat überzeugend und stimmt mit der Beurteilung der Psychiaterin F. überein. Gerade die seit 2013 fehlende Schmerzbehandlung und die fehlende psychiatrische Behandlung machen deutlich, dass die vorliegenden Gesundheitsstörungen die Klägerin nicht wesentlich in ihrer Lebensführung wie auch der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit einengen. Dies wird auch dadurch deutlich, als die Nervenärztin Kl. gegenüber dem SG angegeben hatte, dass eine von ihr als erforderlich angesehene stationäre Behandlung nicht aus Gründen krankhafter Einschränkung sondern aus familiären Gründen unterblieben war.

Im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche konnte der Senat zuletzt eine leichte Anpassungsstörung bei organisch bedingten Schmerzen (ICD 10 F43.2) feststellen. Insoweit folgt der Senat der Beurteilung der Gutachterin F. , die die Klägerin am 10.10.2016 untersucht hatte. Bei der Untersuchung hatte die Gutachterin F. die Klägerin als altersentsprechend erscheinende, gepflegte und ordentlich gekleidete Frau gefunden, die freundlich und zurückhaltend Kontakt aufnimmt und sich in der Untersuchungssituation kooperativ gezeigt hatte. Der Rapport war flüssig und ergiebig, die Klägerin berichtete ruhig und konnte nachvollziehbar ihre biographischen Angaben und Beschwerden schildern. Sie war wach, bewusstseinsklar und in allen Qualitäten orientiert. Es hatten sich keine groben Störungen der Aufmerksamkeit, des Auffassungs- und Konzentrationsvermögens, der Merkfähigkeit sowie der Gedächtnisleistungen gezeigt. Das Denken war formal geordnet, jederzeit nachvollziehbar, es bestand kein Anhalt für inhaltliche Denkstörungen, Wahrnehmungs- und Ichstörungen. Die Gutachterin F. konnte die Stimmung der Klägerin als ausgeglichen, die Schwingungsfähigkeit als erhalten, die Klägerin als affektiv gut auslenkbar beschreiben. Die Klägerin vermochte stellenweise sogar zu lächeln. Antrieb und Psychomotorik waren ungestört, ebenso die familiären und sozialen Kontakte. Es hatten sich keine Verdeutlichungs- und Aggravationstendenzen gezeigt. Die Klägerin hatte einen gestörten Nachtschlaf mit kürzeren Wachphasen, zweimaliger Nykturie und allerdings ausreichender Schlafdauer beklagt. Außerdem hatte die Klägerin wiederkehrende, schmerzhafte Blasenentzündungen, Schmerzen in der Schulter und den Kniegelenken sowie Beschwerden durch Krampfadern beklagt. Es bestand kein psychosomatisches Krankheitsverständnis, die Veränderungsmotivation und das Selbstwirksamkeitserleben waren eher gering. Ein Anhalt für akute Eigen- und Fremdgefahrdung bestand nicht. Insoweit ist die diagnostische Bewertung als leichte Anpassungsstörung für den Senat überzeugend. Auf Grundlage dieser Befunde konnte der Senat auch eine manifeste depressive Erkrankung nicht feststellen.

Dass diese Erkrankung sich nicht als stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) i.S.v. B Nr. 3.7 VG darstellt ergibt sich nicht alleine aus dem leichten Ausprägungsgrad sondern wird dadurch für den Senat deutlich, dass die Klägerin täglich von 9:00 Uhr bis 11:00 Uhr zwei Stunden als Reinigungskraft in einem N.-Markt arbeitet. Darüber hinaus steht sie jeden Tag in Kontakt mit ihren Eltern, die sie täglich sieht, auch hat sie guten Kontakt zu den Geschwistern in der Türkei. Sie hat einen eigenständigen Freundeskreis auch außerhalb der Familie, mit dem sie auch einmal etwas gemeinsam unternehme (Blatt 53 der Senatsakte = Seite 16 des Gutachtens F. ). Auch aus dem gegenüber der Gutachterin F. mitgeteilten Tagesablauf (Blatt 52/53 der Senatsakte = Seite 15/16 des Gutachtens) ergibt sich, dass die Klägerin den Haushalt der fünfköpfigen Familie aus Ehemann und drei Kindern erledigt. Darüber hinaus kann sie den Tag so organisieren, dass die zu Hause den Fahrradergometer benutzen kann, sonntags die Moschee besuchen und Besuch empfangen und viel mit den Kindern unternehmen kann (Blatt 53 der Senatsakte = Seite 16 des Gutachtens F. ). Insoweit mag der Senat zwar erkennen, dass der Tagesablauf von Schmerzen und gewissen funktionellen Beeinträchtigungen beeinflusst ist, doch kann der Senat gerade nicht feststellen, dass die bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsstörungen die Klägerin wesentlich in ihrer Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit beeinträchtigen. Damit konnte der Senat die Funktionsbehinderungen im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche mit einem GdB von 10 bewerten.

Der Senat konnte auch zuletzt keine rezidivierende depressive Störung mehr erkennen. Zwar hatte die Nervenärztin Kl. in ihren in der Beklagten- und der SG-Akte vorliegenden Berichten eine depressive Symptomatik mit Antriebsstörung, Schlafstörungen und diversen körperlichen Beschwerden wie Kopfdruck und Schwindel, im Jahr 2013 mittelschwerer bis schwerer Ausprägung beschrieben. Doch konnte der Senat diese Störung als nur vorübergehend erkennen, denn zum Zeitpunkt der Begutachtung durch die Gutachterin F. konnte eine solche Erkrankungsausprägung nicht mehr festgestellt werden. Der Senat sieht sich insoweit auch dadurch bestätigt, dass eine fachpsychiatrische Behandlung trotz der angeblichen mittelschweren bis schweren Ausprägung lediglich am 28.10.2013 und 09.05.2015 stattgefunden hat. Insoweit kann der Senat mit seiner ständigen Rechtsprechung auch im vorliegenden Einzelfall einen entsprechenden, sich in einer kontinuierlichen Fachbehandlung äußernden Leidensdruck einer psychischen oder schmerzbedingten Erkrankung nicht erkennen. Insoweit mag zwar zeitweise der GdB höher als 10 jedoch nicht höher als 20 gewesen sein. Da der Beklagte jedoch seiner Bewertung einen GdB von 30 für Depression und psychovegetative Störungen und – die Bewertung im Funktionssystem missachtend – einen weiteren GdB von 20 für ein Fibromyalgiesyndrom angenommen hatte, ein GdB von 30 nach der Senatsrechtsprechung aber eine kontinuierliche, hier nicht vorliegende Fachbehandlung voraussetzt, konnte der Senat den vom Beklagten angesetzten GdB bezogen auf das Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche jedenfalls nicht als zu Lasten der Klägerin rechtswidrig zu niedrig feststellen.

Die bei der Klägerin beschriebene Adipositas bei einem BMI von 31,8 kg/m2 (Blatt 34 der Senatsakte = Seite 11 des Gutachtens Dr. Schu. ) hat keine funktionellen Auswirkungen oder Folgestörungen und ist daher mit einem GdB mit zu bemessen (B Nr. 15.3 VG).

Der Verlust der Gallenblase ist bei der Klägerin ohne Funktionsbeeinträchtigung geblieben, weshalb nach B Nr. 10.3 VG ein GdB im Funktionssystem der Verdauungsorgane nicht anzunehmen ist.

Die leicht übersubstituierten Schilddrüsenhormone – die Klägerin gibt hier eine Hashimoto-Thyreoiditis an - sowie der ausgeprägter Vitamin-D-Mangel sind in ihren funktionellen Auswirkungen lediglich gering ausgeprägt und mit Dr. Schu. mit einem GdB von jeweils unter 10 zu bewerten (vgl. B Nr. 15.6 VG bzw. B Nr. 16.9 VG).

Weitere - bisher nicht berücksichtigte - GdB-relevante Funktionsbehinderungen, die einen Einzel- bzw. Teil-GdB von wenigstens 10 bedingen, wurden weder geltend gemacht noch konnte der Senat solche feststellen.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen, nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den sachverständigen Zeugenauskünften und den Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der medizinische festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris).

Die Gutachten von Dr. Schu. , Dr. H. und von Frau F. konnte der Senat vorliegend seiner Entscheidung zugrunde legen. Zunächst hat die Klägerin zwar mit Schreiben vom 19.12.2016 Einwendungen gegen die begutachtenden Personen erhoben. Insoweit hat die Klägerin angeführt, ihrer Bevollmächtigten sei aus einer Vielzahl von Verfahren bekannt und diese habe den Eindruck gewonnen, dass nach den medizinischen Überzeugungen der Gutachter Fibromyalgie nicht existiere. Diese schon vor der Begutachtung angeblich bestehende Erkenntnis – die der Senat bisher angesichts der von diesen Gutachtern erstellten Gutachten nicht nachvollziehen kann – hätte die Klägerin – wenn damit ein Befangenheitsgesuch gegen die Gutachter gemeint gewesen wäre, gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 406 Abs. 2 ZPO vor der Vernehmung der Gutachter, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung, mitteilen müssen. Die Gutachten waren unter Hinweis auf das jeweilige Fachgebiet der einzelnen Gutachter am 28.06.2016 in Auftrag gegeben worden. Die Gutachten waren der Bevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 04.11.2016 übersandt worden. Die Geltendmachung von Einwendungen gegen die Personen der Gutachter mit Schreiben vom 19.12.2016 sind daher verspätet; jedenfalls hat die Klägerin mit der Erklärung nach § 124 Abs. 2 SGG auf diese Einwendungen verzichtet. Der Senat konnte jedoch auch von Amts wegen keine Umstände erkennen, die an der Unvoreingenommenheit der Gutachter Zweifel aufkommen ließen. Dass die Gutachter eine Fibromyalgie-Erkrankung schon dem Grunde nach und allgemein leugneten, lässt sich weder den vorliegenden Gutachten entnehmen noch konnte der Senat dies den in der Vergangenheit von diesen Gutachtern erstellten Gutachten entnehmen. Vielmehr hat die Gutachterin F. sachlich und schlüssig dargestellt, weshalb sie eine Fibromyalgie-Erkrankung nicht als gegeben ansieht. Diese Einschätzung ist auch mit der Einschätzung der weiteren behandelnden Ärzte vereinbar, die die Klägerin insoweit ein- bzw. zweimal gesehen haben. Soweit die Klägerin vortragen lässt, den Gutachtern fehle es an der Kompetenz zur Begutachtung von Fibromyalgien, da es sich nicht um Fachärzte der Rheumatologie handele, so ist diese Einwendung ebenfalls verspätet und durch die Erklärung nach § 124 Abs. 2 SGG untergegangen. Im Übrigen ist diese Einwendung auch sachlich nicht gerechtfertigt. Aus den obigen Darlegungen des Senats wird ersichtlich, dass allenfalls für die Ausschlussdiagnose einer rheumatologischen Erkrankung ein Facharzt für Rheumatologie herangezogen werden müsste, die sonstige diagnostische Abgrenzung der zu erhebenden Symptomatik der in Betracht kommenden Schmerzerkrankungen von jedem mit Schmerzproblematik befassten Arzt vorgenommen werden kann, insbesondere von einem Orthopäden oder einem Nervenarzt. Die Ausschlussdiagnose ist vorliegend vom Rheumatologen Dr. Kr. getroffen und in den gerichtlich veranlassten Gutachten auch berücksichtigt worden. Der Senat konnte sich im Übrigen auch insoweit nicht von einer Unverwertbarkeit der Gutachten überzeugen. Denn bei der Begutachtung im Hinblick auf die Feststellung des GdB handelt es sich nicht um eine an Diagnosen orientierte Begutachtung sondern um eine sozialmedizinische funktionelle Begutachtung. Insoweit handelt es sich bei den Gutachtern Dr. Schu. und F. um Sozialmediziner, die die sozialmedizinisch GdB-relevanten Funktionsbeeinträchtigungen zu erkennen in der Lage sind. Eines ausgewiesenen Rheumatologen bedarf es insoweit nicht. Darüber hinaus ist – wie oben ausgeführt – die Bewertung einer tatsächlich bestehenden Fibromyalgie-Erkrankung im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche vorzunehmen, weshalb auch die Gutachterin F. als Fachärztin für Psychiatrie und Sozialmedizinerin für die Begutachtung eine Fibromyalgie kompetent ist. Der Sozialmediziner Dr. Schu. hat die Bewertungen von Frau F. übernommen und war als Sozialmediziner in der Lage, diese kritisch zu würdigen, was er auch getan hat. Damit konnten die Gutachten vom Senat verwertet werden. Ein weiteres Gutachten war mithin weder von Amts wegen einzuholen, noch hat die Klägerin einen Antrag auf Begutachtung gestellt.

Nach Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen der Gesamt-GdB zu bilden aus Einzel-GdB-Werten von - 30 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Harnorgane (Nieren), - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Rumpfes (Wirbelsäule), - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Beine, - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche. Nachdem bei der Klägerin vorliegend von einem zu berücksichtigenden höchsten Einzel-GdB von 30 auszugehen ist und kein Fall vorliegt, in dem ausnahmsweise GdB-Werte von 10 erhöhend wirken, konnte der Senat einen Gesamt-GdB i.S.d. § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX i.H.v. insgesamt mehr als 50 nicht feststellen. Soweit mit dem Beklagten zeitweise tatsächlich für eine Depression und psychovegetative Störungen sowie ein Fibromyalgie-Syndrom ein höherer Einzel-GdB im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche anzunehmen gewesen wäre, hätte dieser mit der Rechtsprechung des Senats zum Erfordernis einer kontinuierlichen Fachbehandlung vorliegend jedenfalls nicht den Wert von 30 erreicht. Denn die Klägerin befand sich während des Zeitraumes seit 2013 lediglich zweimal in fachärztlicher Behandlung und nimmt Schmerzmittel nur bei Bedarf ein. Auch konnte der Senat angesichts dieser großen Abstände der Behandlungen eine länger als sechs Monate andauernde depressive Episode nicht erkennen. Damit lassen sich auch bei Annahme eines stärker ausgeprägten Fibromyalgie-Syndroms oder einer schwereren Depression keine den Gesamt-GdB auch nur zeitweise auf mehr als 50 erhöhenden Funktionsbehinderungen feststellen. Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass bereits die organischen Erkrankungen der Klägerin und deren GdB-Bewertung erhebliche Schmerzen beinhalten, sodass im Rahmen der Bildung des Gesamt-GdB diese Schmerzen nicht doppelt, also bei den organischen Funktionsbehinderungen und im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche bewertet werden können und sich auch die Funktionsbehinderungen durch ein Fibromyalgie-Syndrom und einer Depression und psychovegetativen Störungen deutlich überschneiden, sodass selbst unter Zugrundelegung der Bewertungsansätze des Beklagten ein GdB von mehr als 50 nicht festzustellen war. Noch höher zu bewertende Funktionsbehinderungen konnte der Senat nicht feststellen.

Insgesamt ist der Senat unter Berücksichtigung eines Vergleichs der bei der Klägerin insgesamt vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen und deren gegenseitigen Auswirkungen einerseits und derjenigen Fälle, für die die VG einen GdB von 60 vorsehen, andererseits, zu der Überzeugung gelangt, dass die Funktionsbehinderungen der Klägerin nicht mit den in den VG für einen GdB von 60 und mehr vorgesehenen Funktionsbehinderungen als vergleichbar schwer anzusehen sind. Damit hat sie keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mehr als 50.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG. Nachdem keiner der behandelnden Ärzte und auch keiner der Gutachter einen GdB von mehr als 50 mitteilen konnte, stellt sich die Fortführung des Verfahrens als missbräuchlich dar, weshalb an sich der Klägerin zusätzlich Kosten i.H.v. mindestens 225,00 EUR nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG aufzuerlegen gewesen wären. Der Senat hat jedoch im Rahmen seines Ermessens ausnahmsweise von der Androhung solcher Kosten abgesehen, weshalb diese der Klägerin mit der vorliegenden Entscheidung auch nicht auferlegt werden.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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