Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 1694/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 3639/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 20. September 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von dem beklagten Träger der landwirtschaftlichen Sozialversicherung die Zahlung von Geld, nach einer sinngemäßen Auslegung seines Begehrens Verletztengeld oder eine Verletztenrente, wegen eines behaupteten Arbeitsunfalls am 7. Juli 2010.
Der Kläger ist 1938 geboren. Er ist in der landwirtschaftlichen Sozialversicherung versichert. Erstmals ab dem 1. August 1964 wurde als Mitglied in die damalige Altershilfe für Landwirte aufgenommen. Nach der Agrarsozialreform 1995 wurde auch seine Ehefrau Pflichtmitglied der Alterssicherung für Landwirte. Dort ist der Kläger seit dem 1. Oktober 2003 beitragsfrei, nachdem er das 65. Lebensjahr erreicht hatte. Die landwirtschaftliche Unfallversicherung führt ihn weiterhin als beitragspflichtiges Mitglied.
Mindestens seit dem Jahre 2002 haben der Kläger und seine Ehefrau zahlreiche Gerichtsverfahren gegen die verschiedenen Zweige der landwirtschaftlichen Sozialversicherung geführt und dabei - bei sinngemäßer Auslegung ihrer Begehren - Rückzahlung bzw. Erstattung der Beiträge begehrt. Soweit ihre Angaben nachvollziehbar waren, gehen sie davon aus, dass sie entweder keine Landwirte seien oder aber die gesetzlichen Vorschriften der landwirtschaftlichen Sozialversicherung unwirksam seien oder auf sie nicht angewandt werden könnten. Die Klagen hatten keinen Erfolg. Es wurde regelmäßig entschieden, dass der Kläger Unternehmer eines landwirtschaftlichen Betriebs ist, der die Mindestgröße überschreitet, und dass die Beitragsfestsetzungen der landwirtschaftlichen Sozialversicherung auch im Einzelnen rechtmäßig waren. Wegen der Einzelheiten wird auf die Urteile des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 15. Juni 2004 (L 10 LW 4919/03 und L 10 LW 1203/04), vom 18. Mai 2006 (L 10 LW 5599/05), vom 9. Dezember 2009 (L 5 KR 2250/09), vom 8. Juni 2011 (L 5 KR 2964/10), vom 22. März 2013 (L 4 KR 4367/12) und vom 20. Juni 2013 (L 10 LW 4350/12) verwiesen. Die letzten Anträge des Klägers auf Rückerstattung von Beiträgen, auch jenen aus der landwirtschaftlichen Unfallversicherung, waren Gegenstand des Verfahrens L 10 LW 3609/14 ER-B vor dem LSG und wurden mit Beschluss vom 23. September 2014 abgelehnt.
Daneben begehrt der Kläger mehrfach auch gerichtlich Leistungen aus der landwirtschaftlichen Sozialversicherung, darunter die Gewährung einer Betriebshilfe und die Zahlung von Krankengeld sowie von (höherem) Altersgeld aus der Alterssicherung der Landwirte (vgl. Urteil des LSG vom 14. Juli 2010 - L 5 KR 1467/10).
Auf Antrag des Klägers hin führte die Beklagte ein Verwaltungsverfahren wegen eines Arbeitsunfalls am 19. Juni 2013 (Sturz mit der linken Schulter in eine Heugabel), der Gegenstand des parallel anhängigen Berufungsverfahrens L 6 U 3547/16 ist, in dem der Senat ebenfalls mit Urteil vom 15. Dezember 2016 entschieden hat.
Auf einem Anhörungsschreiben der Beklagten zu jenem Unfall notierte der Kläger handschriftlich auch, sein Nachbar E.N. habe ihm "im Wald" bei einem Angriff mit einem Messer den "Haupt-Nervenstrang" des rechten Unterarms durchtrennt. Es seien eine 12 cm lange Narbe und eine völlige Gefühllosigkeit der rechten Hand zurückgeblieben. Dieser Anhörungsbogen ging am 12. Oktober 2015 bei der Beklagte ein. Diese fragte am 4. November 2015 nach, woraufhin der Kläger mitteilte, der Nachbar habe grundlos sowie aus Hass und Neid gehandelt und ihn - den Kläger - nach der Tat im Wald liegen lassen, woraufhin er nahezu verblutet sei.
Der behandelnde Hausarzt des Klägers, Dr. G., teilte die Behandlungsdaten des Klägers mit dem 21. November 2008 (wegen adhäsiver Entzündung der Schultergelenkkapsel links), dem 5. Januar 2011 und dem 8. April 2011 (jeweils wegen oberflächlicher Verletzung des Unterarmes rechts im Sinne einer Schürfwunde) mit. Über eine Durchtrennung der Armnerven und eine Narbe am rechten Arm wisse er nichts.
Auf Nachfragen der Beklagten antwortete der Kläger nicht. Er schrieb jeweils zurück, es sei alles dargetan, es sei zu fragen, warum ihn E.N. "auf meinem Eigentum verstochen" habe. Er begehre "Schmerzensgeld und Verletztengeld". Am 23. Januar 2016 gab er noch an, er habe sich nach dem Angriff mit letzter Kraft blutend am "Bulldog" hochgezogen.
Die Beklagte zog die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Rottweil (26 Js 7703/10) bei.
Daraus ergab sich, dass der Kläger am 8. Juli 2010 bei dem Polizeirevier Schr. angerufen und mitgeteilt hatte, der Nachbar E.N. habe ihn - den Kläger - am Tag zuvor nach einer verbalen Auseinandersetzung wegen eines seit vielen Jahren schwelenden Streits um Eigentumsverhältnisse auf einem Feld beim Einbringen von Heu mit einem Messer eine etwa 15 cm lange Schnittwunde am linken Arm beigebracht. Zu zwei Terminen bei der Polizei zur Aufnahme der Strafanzeige erschien der Kläger ohne Angabe von Gründen nicht. Stattdessen erstattete er unter dem 15. Juli 2010 - nochmals - Strafanzeige, dieses Mal schriftlich direkt bei der Staatsanwaltschaft. Wohl bei dieser Gelegenheit gelangte auch ein unscharfes Polaroid-Foto zur Ermittlungsakte, das möglicherweise einen menschlichen Arm mit einem längeren Strich, vielleicht einer Narbe, zeigt.
Der Nachbar E.N. bestritt in seiner Beschuldigtenvernehmung am 19. Juli 2010 die Vorwürfe. Er schilderte die Hintergründe des Nachbarschaftsstreits. Bei dem Treffen am Abend des 7. Juli 2010 sei der Kläger ihm - E.N. - hinterhergefahren und habe das Gatter geschlossen, um den Rückweg zu versperren. Darauf angesprochen habe der Kläger einen Zaunpfahl aufgenommen und versucht, auf E.N. einzuschlagen. Er - E.N. - habe den Schlag dadurch abgewehrt, dass er das andere Ende des Pfahls festgehalten habe, dabei habe er - E.N. - sich an alten Weidedrahtzaunstücken, die noch am Pfahl gehangen hätten, an Daumen und Fingern verletzt. Nachdem der Kläger vom Pfahl abgelassen habe, habe er - E.N. - sich entfernt, der Kläger sei hinter ihm hergelaufen und habe ihn und seine Verwandten mit Beschimpfungen überzogen, dabei sei der Kläger gestolpert und hingefallen. Den versperrten Rückweg habe der Kläger nicht wieder geöffnet. E.N. erstattete hierbei Anzeige gegen den Kläger wegen falscher Verdächtigung. Ferner leitete die Polizei ein weiteres Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen Beleidigung ein, weil dieser den Schwiegervater des E.N., U.K., einen "Holzdieb" genannt habe. Der Hintergrund hierfür war nach den Angaben des U.K. eine Auseinandersetzung im Wald im Mai 2010 beim Holzholen (vgl. Vernehmung des U.K. am 28. Juli 2010). Die Polizei ermittelte, dass sich der Kläger und E.N. schon seit Jahren um eine Wasserquelle auf einem der Grundstücke stritten, die zur "Sandwäscherei" benutzt wurde. Die Polizei versuchte weiterhin erfolglos, mit dem Kläger ins Gespräch zu kommen. Bei einem der Telefonate, bei denen der Kläger die ermittelnden Beamten und seine Nachbarn regelmäßig beleidigte, teilte der Kläger am 5. August 2010 auch mit, er werde - wegen der behaupteten Verletzung - nicht zum Arzt gehen.
Ein außergerichtlicher Sühneversuch, den die Staatsanwaltschaft in Auftrag gegeben hatte, scheiterte, weil der Kläger auf Anschreiben nicht reagierte und zu einem Ausgleichsgespräch nicht erschien (Schreiben der Gerichtshilfe vom 20. Oktober 2010 ).
Das Ermittlungsverfahren gegen E.N. wegen gefährlicher Körperverletzung stellte die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 28. Oktober 2010 nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) ein. Ein Tatnachweis sei nicht zu erwarten, letztlich stehe Aussage gegen Aussage, das vorgelegte Foto sei nicht aussagekräftig, da nicht zu erkennen sei, wann es angefertigt worden sei. Zu berücksichtigen sei aber, dass der Kläger trotz der behaupteten lebensgefährlichen Verletzung nicht bereit gewesen sei, einen Arzt aufzusuchen. Die Beschwerde des Klägers gegen diese Einstellungsverfügung wies der Generalstaatsanwalt in Stuttgart mit Bescheid vom 30. November 2011 zurück. Ein Klageerzwingungsverfahren wurde nicht eingeleitet, stattdessen erhob der Kläger - erfolglos - Dienstaufsichtsbeschwerde zum Justizminister.
Welchen Weg die Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen falscher Verdächtigung und Beleidigung genommen haben, ist der Ermittlungsakte nicht zu entnehmen.
Mit Bescheid vom 3. Februar 2016 lehnte die Beklagte eine Entschädigung des Unfalls vom 7. Juli 2010 ab, weil es sich nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. Die Angaben des Klägers zum Tatort seien widersprüchlich, eine Verletzung sei in dem Ermittlungsverfahren nicht nachgewiesen worden. Alle Behauptungen des Klägers ließen sich nicht beweisen. Es fehle an der haftungsbegründenden Kausalität, da ein Unfallereignis nicht erwiesen sei.
Der Kläger schickte den Bescheid mit dem handschriftlichen Zusatz, er lasse sich mit diesem Quatsch nicht abspeisen, zurück. Die Beklagte teilte dem Kläger mit, sie werte dieses Schreiben als Widerspruch. Der Kläger begehrt seitdem regelmäßig die "sofortige" Zahlung von Geld.
In einer beratungsfachärztlichen Stellungnahme vom 7. April 2016 zu dem anderen Unfall am 29. Juni 2013 ging Dr. Sp. auch auf das hier streitige Geschehen ein. Er führte aus, der Kläger habe eine Verletzung am falschen Arm angegeben und dies auch später nicht korrigiert. Bei einer Untersuchung am 24. Juli 2013 - nach dem anderen Unfall - sei auch der rechte Arm untersucht worden, dabei seien keine Narbe oder sonstige Schädigungen beschrieben worden. Ferner habe der Kläger dort gegenüber dem Arzt angegeben, er leide - erst - seit dem Unfall am 19. Juni 2013 an Gefühlsstörungen der rechten Hand, nicht bereits seit Juli 2010.
Die Beklagte erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2016. Sie machte im Wesentlichen Ausführungen dazu, es sei zweifelhaft, dass eine berufliche Tätigkeit vorgelegen habe, nachdem der Kläger widersprüchliche Angaben zum Tatort gemacht habe und sich außerdem seit Jahren im Streit mit seinem Nachbarn befinde.
Der Kläger hat seine Ausfertigung des Widerspruchsbescheids mit dem handschriftlichen Zusatz, es handle sich um Schwindel, an die Beklagte zurückgesandt. Diese hat dies als Klage gewertet und den Vorgang zum Sozialgericht Reutlingen (SG) weitergeleitet, wo er am 4. Juli 2016 eingegangen ist. Der Kläger hat in der Folgezeit regelmäßig bei dem SG angerufen und deutlich gemacht, er wolle "sein Geld" bzw. "Geld". In der Sache hat er noch angegeben, er habe Schmerzen und die Hand sei taub. Auf mehrere Bitten des SG, seine behandelnden Ärzte zu benennen und eine Schweigepflichtentbindung vorzulegen, zuletzt unter dem 28. Juli 2016 und unter dem 11. August 2016, reagierte der Kläger nur in üblicher Weise.
Mit angekündigtem Gerichtsbescheid vom 20. September 2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Ein versicherter Unfall sei nicht festzustellen. Zum einen sei keine Verletzung zu erkennen, nachdem der Kläger nach dem 7. Juli 2010 nicht in ärztlicher Behandlung gewesen sei. Zum anderen liege keine betriebliche Veranlassung vor, nachdem der Kläger widersprüchliche Angaben zum Tatort gemacht habe und die Ursache des behaupteten Angriffs persönliche Umstände in Form eines Jahre währenden Nachbarschaftskonflikts zu Grunde gelegen hätten. Weiter habe die Beklagte nicht das vom Kläger begehrte "Schmerzensgeld" zu leisten, sondern die gesetzlichen Leistungen, deren Voraussetzungen aber ebenfalls nicht vorlägen.
Gegen diesen Gerichtsbescheid hat der Kläger am 28. September 2016 bei dem SG Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg erhoben. Es handle sich um einen "Befangenheitsbeschluss" bzw. "Gefälligkeitsbeschluss".
Der Kläger beantragt bei sinngemäßer Auslegung,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 20. September 2016 und den Bescheid vom 3. Februar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juni 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 7. Juli 2010 Verletztengeld bzw. Verletztenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 15. Dezember 2016 ist niemand erschienen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in der Sache entscheiden, auch wenn der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist und sich auch nicht hat vertreten lassen. Auf diese Möglichkeit war der Kläger gemäß § 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der Ladung hingewiesen worden.
Der Senat fasst das Begehren des Klägers wie im Tatbestand dargestellt auf. Gemäß § 123 SGG entscheidet das Gericht über den "erhobenen Anspruch", ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Diese Vorschrift erlaubt, das Begehren eines Beteiligten auszulegen, wenn auch nach den in § 106 Abs. 1 SGG vorgesehenen Hinweisen des Gerichts keine sachdienlichen Anträge gestellt werden, wie es hier der Fall ist. Hierbei steht der wirkliche Wille des Erklärenden im Vordergrund (vgl. § 133 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]), nicht die Auffassung eines objektiven Erklärungsempfängers wie in den Fällen des § 157 BGB (so auch Keller, in Meyer-Lade¬wig/Kel¬ler/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2014, § 123 Rz. 3). Vor diesem Hintergrund war nicht davon auszugehen, dass der Kläger Schmerzensgeld begehrt, wie er schreibt. In dieser Weise hatte auch das SG schon den Antrag des Klägers ausgelegt. Würde der Kläger tatsächlich Schmerzensgeld begehren, dann wäre ein solcher Antrag nach § 202 SGG i.V.m. § 17a Abs. 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) an das zuständige Gericht des ordentlichen Rechtswegs gemäß § 13 GVG, hier das Landgericht (vgl. § 71 Abs. 2 GVG), zu verweisen, weil ein Anspruch des Klägers auf Schmerzensgeld ein Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 Grundgesetz (GG) darstellen würde. Hierbei handelt es sich um ein kostenpflichtiges Verfahren. Eine Verweisung dürfte daher nicht im Sinne des Klägers liegen. Außerdem liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass Mitarbeiter der Beklagten in schuldhafter Weise ihnen obliegenden Pflichten gegenüber dem Kläger verletzt und diesem daraus ein - immaterieller - Schaden (§ 253 Abs. 2 BGB) entstanden sein könnte. Daher ist davon auszugehen, dass der Kläger Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung begehrt, also "Verletztengeld" - wie er selbst einmal geschrieben hat - und vor allem Verletztenrente.
Vor diesem Hintergrund ist die Berufung des Klägers statthaft (§ 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 143 SGG). Soweit der Kläger Verletztenrente nach § 56 Abs. 1 i.V.m. § 80a Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) begehrt, handelt es sich um eine laufende Sozialleistung für mehr als ein Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Soweit Verletztengeld nach § 45 Abs. 1 SGB VII verlangt wird, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger durch die Ablehnungen durch die Beklagte um mehr als EUR 750,00 beschwert ist, wobei hier bei einem landwirtschaftlichen Unternehmern die Besonderheiten aus § 55a Abs. 2 und Abs. 3 SGB VII zu berücksichtigen sind.
Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere hat sie der Kläger in der nach § 151 Abs. 1 SGG vorgeschriebenen Monatsfrist erhoben, denn auch der Eingang des Berufungsschriftsatzes bei dem SG hat diese Frist gewahrt (§ 151 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Die Berufung ist aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Die geltend gemachten Ansprüche auf Verletztengeld und Verletztenrente bestehen nicht.
Beide Ansprüche setzen einen Versicherungsfall voraus, also einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Ein Arbeitsunfall ist nach § 8 Abs. 1 SGB VII ein Unfall infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit, hier also der landwirtschaftlichen Tätigkeit des Klägers. Überfälle durch einen anderen mit einer Körperverletzung, auch vorsätzliche Taten dieser Art, sind als Arbeitsunfall anzuerkennen, wenn sie während der Ausübung einer versicherten Tätigkeit - sei es auf der Betriebsstätte oder auf einem versicherten Weg - erfolgen. Eine Ausnahme wird nur gemacht, wenn der Überfall in keiner sachlichen Verbindung mit der versicherten Tätigkeit des Verletzten steht, sondern z.B. aufgrund einer persönlichen Feindschaft erfolgt und keine der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Verhältnisse den Überfall wesentlich begünstigt haben. Ebenso anerkannt wird ein Überfall außerhalb der Arbeitsstätte und der Arbeitszeit bei einem betriebsbezogenen Tatmotiv, dem der Versicherte entgegentritt (vgl. im Einzelnen Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 18. November 2008 – B 2 U 27/07 R –, juris Rz. 27). Wie allgemein im Unfallversicherungsrecht muss dieser Versicherungsfall im Vollbeweis feststehen, wobei die objektive Beweislast bei einer Nichtaufklärbarkeit relevanter Umstände grundsätzlich den Versicherten trifft, der aus dem Versicherungsfall Ansprüche herleiten will.
Wie schon das SG kann sich auch der Senat nicht mit der nach § 128 Abs. 1 SGG notwendigen Gewissheit (im Sinne einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, vgl. noch deutlicher § 286 Zivilprozessordnung [ZPO]) davon überzeugen, dass der Kläger - wie er behauptet - am 7. Juli 2010 während einer berufsbezogenen Tätigkeit Opfer eines Messerangriffs durch den Nachbarn E.N. geworden ist. Die Angaben des Klägers zum Tatort sind widersprüchlich, anfangs hatte er angegeben, es sei beim Holzhacken im Wald geschehen, später dann, es habe stattgefunden, als er auf einem Feld Heu eingefahren sei. Die Einlassungen des Nachbarn während des Ermittlungsverfahrens gegen ihn, die der Senat im Wege des Urkundenbeweises (§ 118 Abs. 1 SGG i.V.m. § 418 ZPO) verwertet, waren gegenteilig; hiernach war der Kläger der Angreifer gewesen. Objektive Beweismittel liegen nicht vor. Es ist vielmehr sogar zweifelhaft, jedenfalls nicht bewiesen, dass der Kläger zu der fraglichen Zeit eine Verletzung am Arm erlitten hat. Wessen Arm das Polaroid-Foto bei den Ermittlungsakten zeigt, wann es aufgenommen wurde und ob darauf überhaupt eine Narbe zu sehen ist, ist nicht geklärt. Der Senat geht auf Grund mehrerer Indizien vielmehr davon aus, dass der Vortrag des Klägers nicht zutrifft. Zum einen hat der Kläger die Verletzung im Verwaltungsverfahren am rechten Arm angegeben, damals bei der Polizei aber am linken. Der Hausarzt Dr. G. hat den Kläger im Jahre 2011 - also nach dem hier angeschuldigten Vorfall - wegen anderer Beschwerden am rechten Arm behandelt, dort aber keine Narbe gesehen. Es entspricht nicht der Lebenswirklichkeit, dass der Kläger nach dem Angriff trotz der geschilderten erheblichen Verletzungen nicht zum Arzt gegangen ist. Eine persönliche Vorsprache bei der Polizei hat der Kläger vermieden, sondern sich nur telefonisch und schriftlich gemeldet; er ist sogar den Ladungen zur Zeugen- und später zur Beschuldigtenvernehmung nicht nachgekommen. Hierbei hätte festgestellt werden können, ob Verletzungen vorlagen. Auch das weitere Verhalten des Klägers in dem damaligen Strafverfahren wie auch in dem jetzigen Verfahren bei der Beklagten und bei den Sozialgerichten spricht aus Sicht des Senats dafür, dass der geschilderte Vorfall nicht stattgefunden hat. Der Kläger beantwortet regelmäßig sachliche Nachfragen nicht bzw. nur mit pauschalen, sich wiederholenden Äußerungen ohne Bezug zur Sache. Seine behandelnden Ärzte hat er auf die Aufforderung des SG hin nicht benannt, er hat auch keine Schweigepflichtentbindung erteilt. So konnte nicht festgestellt werden, ob der Kläger Verletzungen wie die behauptete erlitten hat. Und der Senat nimmt zur Kenntnis, dass der Kläger den angeschuldigten Vorfall erst sechs Jahre später bei der Beklagten gemeldet hat, was sich deutlich von dem Verhalten in den zahlreichen anderen Verfahren des Klägers unterscheidet.
Da sich der Senat hiernach nicht davon überzeugen konnte, dass überhaupt ein Angriff vorlag, kann die Frage offenbleiben, ob ein ausreichender Bezug zur beruflichen Tätigkeit des Klägers bestände, also ein Arbeitsunfall vorläge. Nur ergänzend ist daher darauf hinzuweisen, dass auch die Erwägung des SG zutrifft, dass der angebliche Angriff nach den Erkenntnissen aus dem Strafverfahren auf Jahre lange Nachbarschaftskonflikte zurückzuführen wäre und daher nicht mit der Berufstätigkeit des Klägers zusammenhinge.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von dem beklagten Träger der landwirtschaftlichen Sozialversicherung die Zahlung von Geld, nach einer sinngemäßen Auslegung seines Begehrens Verletztengeld oder eine Verletztenrente, wegen eines behaupteten Arbeitsunfalls am 7. Juli 2010.
Der Kläger ist 1938 geboren. Er ist in der landwirtschaftlichen Sozialversicherung versichert. Erstmals ab dem 1. August 1964 wurde als Mitglied in die damalige Altershilfe für Landwirte aufgenommen. Nach der Agrarsozialreform 1995 wurde auch seine Ehefrau Pflichtmitglied der Alterssicherung für Landwirte. Dort ist der Kläger seit dem 1. Oktober 2003 beitragsfrei, nachdem er das 65. Lebensjahr erreicht hatte. Die landwirtschaftliche Unfallversicherung führt ihn weiterhin als beitragspflichtiges Mitglied.
Mindestens seit dem Jahre 2002 haben der Kläger und seine Ehefrau zahlreiche Gerichtsverfahren gegen die verschiedenen Zweige der landwirtschaftlichen Sozialversicherung geführt und dabei - bei sinngemäßer Auslegung ihrer Begehren - Rückzahlung bzw. Erstattung der Beiträge begehrt. Soweit ihre Angaben nachvollziehbar waren, gehen sie davon aus, dass sie entweder keine Landwirte seien oder aber die gesetzlichen Vorschriften der landwirtschaftlichen Sozialversicherung unwirksam seien oder auf sie nicht angewandt werden könnten. Die Klagen hatten keinen Erfolg. Es wurde regelmäßig entschieden, dass der Kläger Unternehmer eines landwirtschaftlichen Betriebs ist, der die Mindestgröße überschreitet, und dass die Beitragsfestsetzungen der landwirtschaftlichen Sozialversicherung auch im Einzelnen rechtmäßig waren. Wegen der Einzelheiten wird auf die Urteile des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 15. Juni 2004 (L 10 LW 4919/03 und L 10 LW 1203/04), vom 18. Mai 2006 (L 10 LW 5599/05), vom 9. Dezember 2009 (L 5 KR 2250/09), vom 8. Juni 2011 (L 5 KR 2964/10), vom 22. März 2013 (L 4 KR 4367/12) und vom 20. Juni 2013 (L 10 LW 4350/12) verwiesen. Die letzten Anträge des Klägers auf Rückerstattung von Beiträgen, auch jenen aus der landwirtschaftlichen Unfallversicherung, waren Gegenstand des Verfahrens L 10 LW 3609/14 ER-B vor dem LSG und wurden mit Beschluss vom 23. September 2014 abgelehnt.
Daneben begehrt der Kläger mehrfach auch gerichtlich Leistungen aus der landwirtschaftlichen Sozialversicherung, darunter die Gewährung einer Betriebshilfe und die Zahlung von Krankengeld sowie von (höherem) Altersgeld aus der Alterssicherung der Landwirte (vgl. Urteil des LSG vom 14. Juli 2010 - L 5 KR 1467/10).
Auf Antrag des Klägers hin führte die Beklagte ein Verwaltungsverfahren wegen eines Arbeitsunfalls am 19. Juni 2013 (Sturz mit der linken Schulter in eine Heugabel), der Gegenstand des parallel anhängigen Berufungsverfahrens L 6 U 3547/16 ist, in dem der Senat ebenfalls mit Urteil vom 15. Dezember 2016 entschieden hat.
Auf einem Anhörungsschreiben der Beklagten zu jenem Unfall notierte der Kläger handschriftlich auch, sein Nachbar E.N. habe ihm "im Wald" bei einem Angriff mit einem Messer den "Haupt-Nervenstrang" des rechten Unterarms durchtrennt. Es seien eine 12 cm lange Narbe und eine völlige Gefühllosigkeit der rechten Hand zurückgeblieben. Dieser Anhörungsbogen ging am 12. Oktober 2015 bei der Beklagte ein. Diese fragte am 4. November 2015 nach, woraufhin der Kläger mitteilte, der Nachbar habe grundlos sowie aus Hass und Neid gehandelt und ihn - den Kläger - nach der Tat im Wald liegen lassen, woraufhin er nahezu verblutet sei.
Der behandelnde Hausarzt des Klägers, Dr. G., teilte die Behandlungsdaten des Klägers mit dem 21. November 2008 (wegen adhäsiver Entzündung der Schultergelenkkapsel links), dem 5. Januar 2011 und dem 8. April 2011 (jeweils wegen oberflächlicher Verletzung des Unterarmes rechts im Sinne einer Schürfwunde) mit. Über eine Durchtrennung der Armnerven und eine Narbe am rechten Arm wisse er nichts.
Auf Nachfragen der Beklagten antwortete der Kläger nicht. Er schrieb jeweils zurück, es sei alles dargetan, es sei zu fragen, warum ihn E.N. "auf meinem Eigentum verstochen" habe. Er begehre "Schmerzensgeld und Verletztengeld". Am 23. Januar 2016 gab er noch an, er habe sich nach dem Angriff mit letzter Kraft blutend am "Bulldog" hochgezogen.
Die Beklagte zog die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Rottweil (26 Js 7703/10) bei.
Daraus ergab sich, dass der Kläger am 8. Juli 2010 bei dem Polizeirevier Schr. angerufen und mitgeteilt hatte, der Nachbar E.N. habe ihn - den Kläger - am Tag zuvor nach einer verbalen Auseinandersetzung wegen eines seit vielen Jahren schwelenden Streits um Eigentumsverhältnisse auf einem Feld beim Einbringen von Heu mit einem Messer eine etwa 15 cm lange Schnittwunde am linken Arm beigebracht. Zu zwei Terminen bei der Polizei zur Aufnahme der Strafanzeige erschien der Kläger ohne Angabe von Gründen nicht. Stattdessen erstattete er unter dem 15. Juli 2010 - nochmals - Strafanzeige, dieses Mal schriftlich direkt bei der Staatsanwaltschaft. Wohl bei dieser Gelegenheit gelangte auch ein unscharfes Polaroid-Foto zur Ermittlungsakte, das möglicherweise einen menschlichen Arm mit einem längeren Strich, vielleicht einer Narbe, zeigt.
Der Nachbar E.N. bestritt in seiner Beschuldigtenvernehmung am 19. Juli 2010 die Vorwürfe. Er schilderte die Hintergründe des Nachbarschaftsstreits. Bei dem Treffen am Abend des 7. Juli 2010 sei der Kläger ihm - E.N. - hinterhergefahren und habe das Gatter geschlossen, um den Rückweg zu versperren. Darauf angesprochen habe der Kläger einen Zaunpfahl aufgenommen und versucht, auf E.N. einzuschlagen. Er - E.N. - habe den Schlag dadurch abgewehrt, dass er das andere Ende des Pfahls festgehalten habe, dabei habe er - E.N. - sich an alten Weidedrahtzaunstücken, die noch am Pfahl gehangen hätten, an Daumen und Fingern verletzt. Nachdem der Kläger vom Pfahl abgelassen habe, habe er - E.N. - sich entfernt, der Kläger sei hinter ihm hergelaufen und habe ihn und seine Verwandten mit Beschimpfungen überzogen, dabei sei der Kläger gestolpert und hingefallen. Den versperrten Rückweg habe der Kläger nicht wieder geöffnet. E.N. erstattete hierbei Anzeige gegen den Kläger wegen falscher Verdächtigung. Ferner leitete die Polizei ein weiteres Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen Beleidigung ein, weil dieser den Schwiegervater des E.N., U.K., einen "Holzdieb" genannt habe. Der Hintergrund hierfür war nach den Angaben des U.K. eine Auseinandersetzung im Wald im Mai 2010 beim Holzholen (vgl. Vernehmung des U.K. am 28. Juli 2010). Die Polizei ermittelte, dass sich der Kläger und E.N. schon seit Jahren um eine Wasserquelle auf einem der Grundstücke stritten, die zur "Sandwäscherei" benutzt wurde. Die Polizei versuchte weiterhin erfolglos, mit dem Kläger ins Gespräch zu kommen. Bei einem der Telefonate, bei denen der Kläger die ermittelnden Beamten und seine Nachbarn regelmäßig beleidigte, teilte der Kläger am 5. August 2010 auch mit, er werde - wegen der behaupteten Verletzung - nicht zum Arzt gehen.
Ein außergerichtlicher Sühneversuch, den die Staatsanwaltschaft in Auftrag gegeben hatte, scheiterte, weil der Kläger auf Anschreiben nicht reagierte und zu einem Ausgleichsgespräch nicht erschien (Schreiben der Gerichtshilfe vom 20. Oktober 2010 ).
Das Ermittlungsverfahren gegen E.N. wegen gefährlicher Körperverletzung stellte die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 28. Oktober 2010 nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) ein. Ein Tatnachweis sei nicht zu erwarten, letztlich stehe Aussage gegen Aussage, das vorgelegte Foto sei nicht aussagekräftig, da nicht zu erkennen sei, wann es angefertigt worden sei. Zu berücksichtigen sei aber, dass der Kläger trotz der behaupteten lebensgefährlichen Verletzung nicht bereit gewesen sei, einen Arzt aufzusuchen. Die Beschwerde des Klägers gegen diese Einstellungsverfügung wies der Generalstaatsanwalt in Stuttgart mit Bescheid vom 30. November 2011 zurück. Ein Klageerzwingungsverfahren wurde nicht eingeleitet, stattdessen erhob der Kläger - erfolglos - Dienstaufsichtsbeschwerde zum Justizminister.
Welchen Weg die Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen falscher Verdächtigung und Beleidigung genommen haben, ist der Ermittlungsakte nicht zu entnehmen.
Mit Bescheid vom 3. Februar 2016 lehnte die Beklagte eine Entschädigung des Unfalls vom 7. Juli 2010 ab, weil es sich nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. Die Angaben des Klägers zum Tatort seien widersprüchlich, eine Verletzung sei in dem Ermittlungsverfahren nicht nachgewiesen worden. Alle Behauptungen des Klägers ließen sich nicht beweisen. Es fehle an der haftungsbegründenden Kausalität, da ein Unfallereignis nicht erwiesen sei.
Der Kläger schickte den Bescheid mit dem handschriftlichen Zusatz, er lasse sich mit diesem Quatsch nicht abspeisen, zurück. Die Beklagte teilte dem Kläger mit, sie werte dieses Schreiben als Widerspruch. Der Kläger begehrt seitdem regelmäßig die "sofortige" Zahlung von Geld.
In einer beratungsfachärztlichen Stellungnahme vom 7. April 2016 zu dem anderen Unfall am 29. Juni 2013 ging Dr. Sp. auch auf das hier streitige Geschehen ein. Er führte aus, der Kläger habe eine Verletzung am falschen Arm angegeben und dies auch später nicht korrigiert. Bei einer Untersuchung am 24. Juli 2013 - nach dem anderen Unfall - sei auch der rechte Arm untersucht worden, dabei seien keine Narbe oder sonstige Schädigungen beschrieben worden. Ferner habe der Kläger dort gegenüber dem Arzt angegeben, er leide - erst - seit dem Unfall am 19. Juni 2013 an Gefühlsstörungen der rechten Hand, nicht bereits seit Juli 2010.
Die Beklagte erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2016. Sie machte im Wesentlichen Ausführungen dazu, es sei zweifelhaft, dass eine berufliche Tätigkeit vorgelegen habe, nachdem der Kläger widersprüchliche Angaben zum Tatort gemacht habe und sich außerdem seit Jahren im Streit mit seinem Nachbarn befinde.
Der Kläger hat seine Ausfertigung des Widerspruchsbescheids mit dem handschriftlichen Zusatz, es handle sich um Schwindel, an die Beklagte zurückgesandt. Diese hat dies als Klage gewertet und den Vorgang zum Sozialgericht Reutlingen (SG) weitergeleitet, wo er am 4. Juli 2016 eingegangen ist. Der Kläger hat in der Folgezeit regelmäßig bei dem SG angerufen und deutlich gemacht, er wolle "sein Geld" bzw. "Geld". In der Sache hat er noch angegeben, er habe Schmerzen und die Hand sei taub. Auf mehrere Bitten des SG, seine behandelnden Ärzte zu benennen und eine Schweigepflichtentbindung vorzulegen, zuletzt unter dem 28. Juli 2016 und unter dem 11. August 2016, reagierte der Kläger nur in üblicher Weise.
Mit angekündigtem Gerichtsbescheid vom 20. September 2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Ein versicherter Unfall sei nicht festzustellen. Zum einen sei keine Verletzung zu erkennen, nachdem der Kläger nach dem 7. Juli 2010 nicht in ärztlicher Behandlung gewesen sei. Zum anderen liege keine betriebliche Veranlassung vor, nachdem der Kläger widersprüchliche Angaben zum Tatort gemacht habe und die Ursache des behaupteten Angriffs persönliche Umstände in Form eines Jahre währenden Nachbarschaftskonflikts zu Grunde gelegen hätten. Weiter habe die Beklagte nicht das vom Kläger begehrte "Schmerzensgeld" zu leisten, sondern die gesetzlichen Leistungen, deren Voraussetzungen aber ebenfalls nicht vorlägen.
Gegen diesen Gerichtsbescheid hat der Kläger am 28. September 2016 bei dem SG Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg erhoben. Es handle sich um einen "Befangenheitsbeschluss" bzw. "Gefälligkeitsbeschluss".
Der Kläger beantragt bei sinngemäßer Auslegung,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 20. September 2016 und den Bescheid vom 3. Februar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juni 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 7. Juli 2010 Verletztengeld bzw. Verletztenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 15. Dezember 2016 ist niemand erschienen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in der Sache entscheiden, auch wenn der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist und sich auch nicht hat vertreten lassen. Auf diese Möglichkeit war der Kläger gemäß § 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der Ladung hingewiesen worden.
Der Senat fasst das Begehren des Klägers wie im Tatbestand dargestellt auf. Gemäß § 123 SGG entscheidet das Gericht über den "erhobenen Anspruch", ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Diese Vorschrift erlaubt, das Begehren eines Beteiligten auszulegen, wenn auch nach den in § 106 Abs. 1 SGG vorgesehenen Hinweisen des Gerichts keine sachdienlichen Anträge gestellt werden, wie es hier der Fall ist. Hierbei steht der wirkliche Wille des Erklärenden im Vordergrund (vgl. § 133 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]), nicht die Auffassung eines objektiven Erklärungsempfängers wie in den Fällen des § 157 BGB (so auch Keller, in Meyer-Lade¬wig/Kel¬ler/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2014, § 123 Rz. 3). Vor diesem Hintergrund war nicht davon auszugehen, dass der Kläger Schmerzensgeld begehrt, wie er schreibt. In dieser Weise hatte auch das SG schon den Antrag des Klägers ausgelegt. Würde der Kläger tatsächlich Schmerzensgeld begehren, dann wäre ein solcher Antrag nach § 202 SGG i.V.m. § 17a Abs. 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) an das zuständige Gericht des ordentlichen Rechtswegs gemäß § 13 GVG, hier das Landgericht (vgl. § 71 Abs. 2 GVG), zu verweisen, weil ein Anspruch des Klägers auf Schmerzensgeld ein Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 Grundgesetz (GG) darstellen würde. Hierbei handelt es sich um ein kostenpflichtiges Verfahren. Eine Verweisung dürfte daher nicht im Sinne des Klägers liegen. Außerdem liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass Mitarbeiter der Beklagten in schuldhafter Weise ihnen obliegenden Pflichten gegenüber dem Kläger verletzt und diesem daraus ein - immaterieller - Schaden (§ 253 Abs. 2 BGB) entstanden sein könnte. Daher ist davon auszugehen, dass der Kläger Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung begehrt, also "Verletztengeld" - wie er selbst einmal geschrieben hat - und vor allem Verletztenrente.
Vor diesem Hintergrund ist die Berufung des Klägers statthaft (§ 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 143 SGG). Soweit der Kläger Verletztenrente nach § 56 Abs. 1 i.V.m. § 80a Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) begehrt, handelt es sich um eine laufende Sozialleistung für mehr als ein Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Soweit Verletztengeld nach § 45 Abs. 1 SGB VII verlangt wird, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger durch die Ablehnungen durch die Beklagte um mehr als EUR 750,00 beschwert ist, wobei hier bei einem landwirtschaftlichen Unternehmern die Besonderheiten aus § 55a Abs. 2 und Abs. 3 SGB VII zu berücksichtigen sind.
Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere hat sie der Kläger in der nach § 151 Abs. 1 SGG vorgeschriebenen Monatsfrist erhoben, denn auch der Eingang des Berufungsschriftsatzes bei dem SG hat diese Frist gewahrt (§ 151 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Die Berufung ist aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Die geltend gemachten Ansprüche auf Verletztengeld und Verletztenrente bestehen nicht.
Beide Ansprüche setzen einen Versicherungsfall voraus, also einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Ein Arbeitsunfall ist nach § 8 Abs. 1 SGB VII ein Unfall infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit, hier also der landwirtschaftlichen Tätigkeit des Klägers. Überfälle durch einen anderen mit einer Körperverletzung, auch vorsätzliche Taten dieser Art, sind als Arbeitsunfall anzuerkennen, wenn sie während der Ausübung einer versicherten Tätigkeit - sei es auf der Betriebsstätte oder auf einem versicherten Weg - erfolgen. Eine Ausnahme wird nur gemacht, wenn der Überfall in keiner sachlichen Verbindung mit der versicherten Tätigkeit des Verletzten steht, sondern z.B. aufgrund einer persönlichen Feindschaft erfolgt und keine der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Verhältnisse den Überfall wesentlich begünstigt haben. Ebenso anerkannt wird ein Überfall außerhalb der Arbeitsstätte und der Arbeitszeit bei einem betriebsbezogenen Tatmotiv, dem der Versicherte entgegentritt (vgl. im Einzelnen Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 18. November 2008 – B 2 U 27/07 R –, juris Rz. 27). Wie allgemein im Unfallversicherungsrecht muss dieser Versicherungsfall im Vollbeweis feststehen, wobei die objektive Beweislast bei einer Nichtaufklärbarkeit relevanter Umstände grundsätzlich den Versicherten trifft, der aus dem Versicherungsfall Ansprüche herleiten will.
Wie schon das SG kann sich auch der Senat nicht mit der nach § 128 Abs. 1 SGG notwendigen Gewissheit (im Sinne einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, vgl. noch deutlicher § 286 Zivilprozessordnung [ZPO]) davon überzeugen, dass der Kläger - wie er behauptet - am 7. Juli 2010 während einer berufsbezogenen Tätigkeit Opfer eines Messerangriffs durch den Nachbarn E.N. geworden ist. Die Angaben des Klägers zum Tatort sind widersprüchlich, anfangs hatte er angegeben, es sei beim Holzhacken im Wald geschehen, später dann, es habe stattgefunden, als er auf einem Feld Heu eingefahren sei. Die Einlassungen des Nachbarn während des Ermittlungsverfahrens gegen ihn, die der Senat im Wege des Urkundenbeweises (§ 118 Abs. 1 SGG i.V.m. § 418 ZPO) verwertet, waren gegenteilig; hiernach war der Kläger der Angreifer gewesen. Objektive Beweismittel liegen nicht vor. Es ist vielmehr sogar zweifelhaft, jedenfalls nicht bewiesen, dass der Kläger zu der fraglichen Zeit eine Verletzung am Arm erlitten hat. Wessen Arm das Polaroid-Foto bei den Ermittlungsakten zeigt, wann es aufgenommen wurde und ob darauf überhaupt eine Narbe zu sehen ist, ist nicht geklärt. Der Senat geht auf Grund mehrerer Indizien vielmehr davon aus, dass der Vortrag des Klägers nicht zutrifft. Zum einen hat der Kläger die Verletzung im Verwaltungsverfahren am rechten Arm angegeben, damals bei der Polizei aber am linken. Der Hausarzt Dr. G. hat den Kläger im Jahre 2011 - also nach dem hier angeschuldigten Vorfall - wegen anderer Beschwerden am rechten Arm behandelt, dort aber keine Narbe gesehen. Es entspricht nicht der Lebenswirklichkeit, dass der Kläger nach dem Angriff trotz der geschilderten erheblichen Verletzungen nicht zum Arzt gegangen ist. Eine persönliche Vorsprache bei der Polizei hat der Kläger vermieden, sondern sich nur telefonisch und schriftlich gemeldet; er ist sogar den Ladungen zur Zeugen- und später zur Beschuldigtenvernehmung nicht nachgekommen. Hierbei hätte festgestellt werden können, ob Verletzungen vorlagen. Auch das weitere Verhalten des Klägers in dem damaligen Strafverfahren wie auch in dem jetzigen Verfahren bei der Beklagten und bei den Sozialgerichten spricht aus Sicht des Senats dafür, dass der geschilderte Vorfall nicht stattgefunden hat. Der Kläger beantwortet regelmäßig sachliche Nachfragen nicht bzw. nur mit pauschalen, sich wiederholenden Äußerungen ohne Bezug zur Sache. Seine behandelnden Ärzte hat er auf die Aufforderung des SG hin nicht benannt, er hat auch keine Schweigepflichtentbindung erteilt. So konnte nicht festgestellt werden, ob der Kläger Verletzungen wie die behauptete erlitten hat. Und der Senat nimmt zur Kenntnis, dass der Kläger den angeschuldigten Vorfall erst sechs Jahre später bei der Beklagten gemeldet hat, was sich deutlich von dem Verhalten in den zahlreichen anderen Verfahren des Klägers unterscheidet.
Da sich der Senat hiernach nicht davon überzeugen konnte, dass überhaupt ein Angriff vorlag, kann die Frage offenbleiben, ob ein ausreichender Bezug zur beruflichen Tätigkeit des Klägers bestände, also ein Arbeitsunfall vorläge. Nur ergänzend ist daher darauf hinzuweisen, dass auch die Erwägung des SG zutrifft, dass der angebliche Angriff nach den Erkenntnissen aus dem Strafverfahren auf Jahre lange Nachbarschaftskonflikte zurückzuführen wäre und daher nicht mit der Berufstätigkeit des Klägers zusammenhinge.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
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