Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 1 U 247/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 620/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 25.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.04.2013 verurteilt, beim Kläger eine Berufskrankheit nach der Anlage 1 der BKVO BK 5101 anzuerkennen und ihm Leistungen zur Teilhabe und Übergangsleistungen nach den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit nach der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung BK 5101.
Die BK hat folgenden Wortlaut:
"Schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können."
Der am 00.00.1961 geborene Kläger war ursprünglich als Schichtführer in der Abteilung Gummikabel bei seinem Arbeitgeber der O Deutschland GmbH beschäftigt. Nach Auftreten verschiedener Hautirritationen an verschiedenen Körperbereichen wurde er in eine andere Kabelabteilung versetzt in der im Rahmen der Produktion nicht vulkanisiert wurde. Nachdem auch dort das Vulkanisationsverfahren eingesetzt wurde, wurde der Kläger in den Bereich der Waage versetzt. Dort sind die vormals bekannten Hautirritationen nicht mehr aufgetreten. Wegen betrieblicher Umstrukturierungen wurde der Kläger zum 31.12.2015 entlassen.
Mit einem Antrag vom 25. Juni 2009 beantragte der Kläger die bei ihm aufgetretene "chronische Urticaria" daraufhin zu untersuchen ob es sich um eine Berufskrankheit im Sinne der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung handelt. Der Technische Dienst hat daraufhin das Arbeitsumfeld des Klägers untersucht. Mit einem Bericht vom 24.09.2009 stellte der Technische Aufsichtsdient fest, dass der Kläger seit ca. 3 Jahren unter Hautirritationen an verschiedenen Körperbereichen leide. In der arbeitsfreien Zeit sei jeweils eine Besserung eingetreten.
Daraufhin beauftragte die Beklagte K mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens. Unter dem 27.01.2010 berichtete dieser, dass der Kläger bis etwa 2007 gesund gewesen sei. Nunmehr sei eine "Urticaria" zu diagnostizieren. Die diesbezüglichen Beschwerden würden im häuslichen Bereich abklingen. Auch nach der Versetzung in den anderen Produktionsbereich, in dem nicht vulkanisiert wird, seien die Hauterscheinungen abgeklungen. Es handele sich um eine
"chronisch rezidivierende Urticaria mit Angioödemen"
Der berufliche Zusammenhang sei wahrscheinlich. Die Hauterkrankung sei schwer im Sinne der BK 5101 und auch wiederholt rückfällig im Sinne der BK. Die Voraussetzungen zur Anerkennung einer BK seien jedoch noch nicht erfüllt. Die für die BK notwendigen Einwirkungen müssten noch belegt werden. Die Gefahr der Entstehung einer BK sei aber jedenfalls gegeben.
Unter dem 25.02.2010 berichtete der Technische Aufsichtsdienst, dass jetzt auch in der neuen Abteilung des Klägers das Vulkanisationsverfahren angewendet werde. Seit dem seien auch dort beim Kläger Hauterscheinungen aufgetreten.
Mit Bescheid vom 17.09.2010 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK 5101 zunächst ab. Wegen eines Fehlers im Verwaltungsverfahren hob die Beklagte diesen Bescheid mit Bescheid vom 09.12.2010 wieder auf und ermittelte weiter in der Sache. Aus einem Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse des Klägers vom 16.03.2011 ergibt sich, dass erste allergische Reaktionen in den Jahren 2007/2008 vermerkt sind.
Im September 2010 untersuchte der TÜV Rheinland die Arbeitsplätze der O Deutschland GmbH auf Expositionen von Gefahrstoffen am Arbeitsplatz. Stickstoffmonoxid und Stickstoffdioxid waren nicht nachweisbar. Die Staubgrenzwerte waren deutlich unterschritten.
Am 04.07.2011 besichtigte der Technische Dienst der Beklagten die Arbeitsplätze des Klägers. Unter dem 12. März 2012 berichtete der Technische Dienst, dass die Grenzwerte der ermittelten Gefahrstoffe allesamt eingehalten würden. Es hätten sich jedoch keine Ergebnisse dazu feststellen lassen, ob durch Stoffe Hautreaktionen oder Hautsensibilisierungen verursacht werden können. Unter dem 30. März 2012 nahm der Technische Dienst sodann zur BK 5101 Stellung. Seitdem der Kläger im September 2011 in den Bereich der Waage versetzt worden sei, sei er beschwerdefrei. Dies ergebe sich aus den vom Kläger geführten Verlaufsprotokollen bzgl. seiner Hauterkrankung.
Unter dem 31.10.2012 erstattete K erneut ein Gutachten. Beim Kläger bestehe ein
"Zustand nach chronisch rezidivierender Urticaria mit Angioödemen"
Es ergäben sich Indizien für einen ursächlichen Zusammenhang zum Arbeitsplatz. Ein solcher Zusammenhang sei jedoch nicht wahrscheinlich. Die bestehenden Hauptsymptome seien ihrer Natur nach "schwer" im Sinne der BK 5101. Und auch in diesem Sinne wiederkehrend. Da ein ursächlicher Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden könne, sei auch ein Zwang zur Unterlassung der Tätigkeit nicht feststellbar.
Mit Bescheid vom 25.11.2012 lehnte die Beklagte es ab, beim Kläger eine Berufskrankheit nach der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung BK 5101 festzustellen. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit des Klägers und der bei ihm aufgetretenen Hauterkrankung sei nicht wahrscheinlich. Die Grenzwerte für Gefahrstoffe am Arbeitsplatz seien allesamt eingehalten worden. Es ließen sich keine konkreten Noxen benennen die ursächlich für die Urticariaerkrankung seien. Deshalb bestehe auch keine konkrete Gefahr der Entstehung einer Berufskrankheit.
Aufgrund des Wiederspruchs des Klägers erstellte K eine ergänzende Stellungnahme unter dem 28.01.2013. Darin heißt es, dass die Ätiologie der Urticariaerkrankung des Klägers ungeklärt sei. Eine Beeinflussung durch die berufliche Tätigkeit sei daher nicht wahrscheinlich. Deshalb bestehe auch keine Gefahr der Entstehung einer BK und es sei auch kein Zwang zur Unterlassung von bestimmten Tätigkeiten zu erkennen.
Auf der Basis dieser Stellungnahme wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 08.04.2013 zurück. Die Ursächlichkeit der beim Kläger bestehenden Hauterkrankung sei ungeklärt. Deshalb liege keine BK 5101 vor.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner Klage vom 6. Mai 2013. Mit dieser Klage begehrt er weiterhin die Anerkennung einer Berufskrankheit nach der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung BK 5101, sowie die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe und Übergangsleistungen. Er trägt dazu vor, dass der Zusammenhang zwischen Einwirkungen am Arbeitsplatz und dem Auftreten der Erkrankung gesichert sei. Seiner Meinung nach sei die Ursache arbeitsplatzbezogen. Dabei könne offen bleiben wodurch die Krankheit entstanden sei, jedenfalls sei ein beruflicher Zusammenhang gegeben. Wenn er längere Zeit zu Hause geblieben sei und auch nach der Versetzung in den Bereich der Waage, seien keine neuen Hauterkrankungen aufgetreten. Somit bestehe sowohl eine zeitliche als auch eine lokale Kongruenz bzgl. des Auftretens der Urticaria und seiner Tätigkeit an den gefährdenden Arbeitsplätzen seines Arbeitgebers.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.04.2013 zu verurteilen, bei ihm eine Berufskrankheit nach der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung BK 5101 anzuerkennen und ihm Leistungen zur Teilhabe und Übergangsleistungen nach § 3 der Berufskrankheitenverordnung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass die Ätiologie der Erkrankung des Klägers ungeklärt geblieben sei. Konkrete Einwirkungen am Arbeitsplatz des Klägers seien auch nicht nachweisbar gewesen. Die von der medizinischen Sachverständigen festgestellten fehlenden allergischen Reaktionen des Klägers sprächen eher gegen einen beruflichen Zusammenhang.
Das Gericht hat Beweis erhoben, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von G. Der Sachverständige berichtet in seinem Gutachten vom 03.06.2014, dass das erste Auftreten von Hauterscheinungen beim Kläger für die Jahre 2006 bis 2007 belegt sei. Als Diagnose sei ein
"Zustand nach chronisch rezidivierender Urticaria zeitweise Angioödeme"
zu stellen. Unabhängig von dieser Erkrankung seien beim Kläger bestehende atopische Reaktionen der Haut zu sehen. Ebenso seien Ekzeme an der Hand, an den Füßen und in den Achseln des Klägers unabhängig von dieser Erkrankung zu bewerten. Daneben bestünde eine arterielle Hypertonie und eine Lipidstoffwechselstörung. Bzgl. der chronisch rezidivierenden Urticaria bestehe ein Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit des Klägers. Die Hauterscheinungen seien ausschließlich dann aufgetreten, wenn der Kläger in einem bestimmten beruflichen Milieu gearbeitet habe. Das ergäbe sich aus den Aufzeichnungen des Klägers, die er anlässlich seiner Hauterkrankung geführt habe. Die Urticaria des Klägers sei schwer und von Dauer, sowie wiederholt Rückläufig im Sinne der BK 5101. Insoweit habe auch ein Zwang zur Einstellung sämtlicher Tätigkeiten bestanden, die ursächlich für diese Tätigkeit sein konnten. An dem ursprünglichen Arbeitsplatz des Klägers habe ein komplexer Produktionsverlauf stattgefunden unter Einwirkung verschiedener sich verändernder Stoffe. Ein zentraler Verarbeitungsvorgang erfolge unter Abschluss in einer Kammer aus der Luft abgesaugt werde. Die Absauganlage sei zeitweise defekt gewesen. Eine Behandlung der Hauterkrankung sei ab dem 18.10.2007 belegt. Hinweise auf eine Arbeitsplatzkongruenz ergäben sich aus den Behandlungsbelegen und dem jeweiligen verweilen des Klägers an den spezifischen Arbeitsplätzen.
Ursachenfaktoren für die Entstehung der Urticaria seien nicht nachweisbar. Dennoch könne die BK 5101 bejaht werden, weil ein beruflicher Zusammenhang im Rahmen der Anerkennung einer BK 5101 ausreiche ohne die Ätiologie der Erkrankung sicher benennen zu können. Es sei nicht gelungen, die Ursache der Hauterkrankung des Klägers zu finden. Das sei aufgrund des medizinischen Wissensstandes über die Urticaria auch gar nicht möglich. Es würden sowohl allergische wie auch nicht allergische Reaktionen als Ursache diskutiert. Die atopische Reaktion der Haut des Klägers sei in diesem Zusammenhang ohne Belang. Sämtliche Tests im Bereich der allergischen Reaktionen seien beim Kläger ohne Befund gewesen. Auch alle nicht allergischen Faktoren seien nicht als ursächlich auszumachen gewesen. Deshalb bliebe allein die Entstehung der Krankheit durch toxische Faktoren übrig. Die diesbezüglichen beruflichen Milieubedingungen seien nicht nachstellbar.
Eine Rückkehr an den gefährdenden Arbeitsplatz sei unbedingt zu vermeiden. Die MdE im jetzt beschwerdefreien Zustand betrage 0 %.
Im Folgenden nahmen die Beteiligten jeweils Stellung zu dem Gutachten von G. Das Gericht hat sodann weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens durch N A. Die Sachverständige berichtet unter dem 08.01.2015, dass der Kläger in der Anamnese nunmehr angegeben habe bereits 1998 Hautveränderungen erlebt zu haben. Eine Behandlung der Hautveränderungen sei jedoch erstmalig 2007 dokumentiert. Der Kläger vermute, dass ein Zusammenhang zwischen der Bedienung der "Salzstraße" und dem Auftreten der Hauterkrankung bestehe. Seit dem dieses Verfahren angewendet werde, habe er die Beschwerden. Seit der Umsetzung in die Warenannahme (Bereich der Waage), habe er keine spezifischen Hautveränderungen mehr. Die Untersuchung bei der Sachverständigen zeigten diverse Hautbefunde, die jedoch nicht mit der Urticaria in Zusammenhang stehen. Die Diagnose einer chronisch rezidivierenden Urticaria erscheine auch der Sachverständigen A als gesichert. Dadurch bestünde eine deutliche Einschränkung der Lebensqualität beim Kläger. Bei ihm läge am ehesten eine chronisch spontane Urticaria vor. Zum Zeitpunkt der Untersuchung sei der Kläger symptomfrei gewesen.
Ein ursächlicher Zusammenhang zur beruflichen Tätigkeit des Klägers sei nicht wahrscheinlich. Der vom Kläger vermutete Zusammenhang zu Salzdämpfen werde in der Literatur nicht diskutiert. Eine Testung könne wegen der Toxizität nicht durchgeführt werden. Bei der Urticaria handele es sich um ein sehr häufiges Krankheitsbild deren Pathogenese bislang nicht geklärt sei. Hinsichtlich der Diagnose stimme sie mit dem Gutachten von G überein. Im Gegensatz zu ihm könne sie den ursächlichen Zusammenhang jedoch nicht als wahrscheinlich betrachten, da die Ätiopathogenese der Erkrankung nicht geklärt werden konnte.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 11.03.2015 bekräftigte A nochmals ihre Diagnose. Trotz umfangreicher Testungen habe die Ursache beim Kläger nicht festgestellt werden können. Deshalb könne ein ursächlicher Zusammenhang nicht bejaht werden.
Wegen des übrigen Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakten sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, die allesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet. Der Kläger wird durch die angefochtene Entscheidung vom 25.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.04.2013 in seinen Rechten beschwert. Zu Unrecht hat die Beklagte es abgelehnt beim Kläger eine Berufskrankheit nach der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung BK 5101 anzuerkennen. Denn die Voraussetzungen für die Anerkennung dieser Berufskrankheit und damit verbunden zur Erbringung der darüber hinaus beantragten Leistungen liegen beim Kläger vor.
Der Wortlaut der BK setzt zunächst eine schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankung voraus. Der Kläger leidet unter einer chronisch rezidivierenden Urticaria. Diese Diagnose ist von allen Sachverständigen bestätigt und erhärtet worden. An ihr besteht kein Zweifel. Darüber hinaus haben alle Sachverständigen festgestellt, dass die beim Kläger bestehende Urticaria auch die übrigen Voraussetzungen der BK 5101 erfüllt. Denn die Hauterkrankung ist "schwer" im Sinne der BK und auch häufig wiederkehrend.
Zur Anerkennung der BK ist darüber hinaus erforderlich, dass BK relevante Einwirkungen durch berufliche Zusammenhänge des Klägers mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erwiesen sind. Es müssen also arbeitsplatzbezogene Einwirkungen erwiesen sein, die als wesentliche Ursachenfaktoren in Betracht kommen.
Ein solcher sicherer Nachweis kann im vorliegenden Fall nicht geführt werden. Alle Sachverständigen sind sich im Ergebnis darüber einig, dass die Entstehungsgeschichte – die Ätiologie – der Urticaria medizinisch wissenschaftlich bislang nicht belegt ist. Die Medizin weiß nicht wodurch eine Urticaria entsteht. Dieser Umstand bedingt, dass konkrete Einwirkungen die als gegeben nachgewiesen werden könnten, nicht benannt werden können. Alle in der Literatur diskutierten Ursachenfaktoren liegen beim Kläger allerdings nicht vor. So wird zum einen eine allergische Verursachungskomponente diskutiert und zum anderen eine nicht allergische. Die jeweils durchgeführten umfangreichen Hauttestungen beim Kläger haben ergeben, dass der Kläger auf die verschiedensten getesteten Substanzen keine allergische Reaktion gezeigt hat. Auch die möglichen Einwirkungsfaktoren wie Nässe, Druck und permanente Feuchtigkeit haben beim Kläger keine entsprechenden Reaktionen hervorgerufen. Aus diesen Umständen haben die Sachverständigen K und A den Schluss gezogen, dass deshalb kein ursächlicher Zusammenhang im Sinne einer wesentlichen Bedingung bejaht werden könne.
G hat in seinem Gutachten ausgeführt, dass insoweit nur eine toxische Komponente in Betracht komme, die aber wegen der erheblichen Gesundheitsgefährdung beim Kläger nicht getestet werden könne. Ein entsprechendes Arbeitsplatzmilieu könne testweise nicht nachvollzogen werden. In gleicher Weise äußerte sich die Sachverständige A bzgl. auftretender Noxen im Zusamenhang der Produktion in der sogenannten Salzstraße. Auch bezogen auf eine toxische Einwirkung besteht also insoweit Beweislosigkeit.
Dennoch ist die Kammer aufgrund der Gesamtumstände des Einzelfalls der Auffassung, dass ausreichend viele und ausreichend starke Indizien dafür vorliegen, dass es an den gefährdenden Arbeitsplätzen des Klägers Einwirkungen gegeben hat, die die beim Kläger bestehende Urticaria zumindest wesentlich begünstigt haben.
Dabei hat die Kammer diejenigen Bedingungen als ursächlich oder mitursächlich für den Eintritt des Erfolges gewertet, die unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes wegen ihrer besonderen Bedeutung zum Eintritt des Erfolges wesentlich beigetragen haben. Die wesentliche Wesentlichkeit der Arbeitsplatzbedingungen und damit die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs sind vorliegenden deshalb zu bejahen, da gegen den ursächlichen Zusammenhang sprechende Umstände die auf die Verursachung hindeutenden Faktoren so stark überwiegen, da die für einen ursächlichen Zusammenhang sprechenden Umstände die gegen die Verursachung hindeutenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Entscheidung gestützt werden kann. Billigerweise müssen die gegen den ursächlichen Zusammenhang sprechenden Faktoren hier außer Betracht bleiben.
Zur Überzeugung der Kammer steht fest, dass es sowohl einen zeitlichen als auch einen örtlichen Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und dem Auftreten der Urticaria beim Kläger gibt. Die Urticaria in der jetzt diagnostizierten Form ist erstmals beim Kläger im Jahre 2007 nachweisbar. Zu diesem Zeitpunkt hat der Kläger noch als Schichtführer in der Produktion von Gummikabeln gearbeitet. Die dort vorherrschenden Produktionsbedingungen und die damit verbundenen Einwirkungen haben zumindest zur Verstärkung der Urticaria des Klägers wesentlich beigetragen. Denn sobald der Kläger aus diesem Produktionsbereich versetzt wurde und in einen anderen Produktionsbereich gelangte, haben die Hauterscheinungen abgenommen. Dies ist durch die von ihm geführten Aufzeichnungen, die Aktenkundig belegt sind, feststellbar. Anlass dafür an der Authentizität dieser Aufzeichnungen zu zweifeln gibt es nach Auffassung der Kammer nicht.
Nachdem auch an dem neuen Arbeitsplatz des Klägers ein spezifisches Produktionsverfahren eingesetzt wurde, sind erneut Hauterkrankungen aufgetreten. Erst als dann der Kläger komplett aus dem Produktionsbereich in die Warenannahme versetzt wurde, sind die zur Urticaria passenden Hauterkrankungen nicht mehr aufgetreten. Auch bei längerer Arbeitsplatzabstinenz durch Krankheit oder Rehabilitation, konnte der Kläger ein Abklingen der Urticaria bis hin zur Symptomlosigkeit feststellen.
Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte angeführt hat, dass auch in den nicht belasteten Arbeitszeiten des Klägers Hauterkrankungen bei ihm aufgetreten seien. Alle Sachverständigen haben beim Kläger neben der bestehenden Urticaria auch andere Hauterkrankungen festgestellt. So besteht bei ihm ein atopisches Reaktionsverhalten und Ekzeme an den Händen, Füßen und in den Achseln. Nach den überzeugenden Darstellungen von G haben diese Erkrankungen mit der Urticaria nichts zu tun und sind auch nicht Arbeitsplatzbezogen. Diese Hautreaktionen haben sich jeweils unabhängig von dem Einsatz des Klägers an seinen Arbeitsplätzen ergeben.
Auch die Feststellungen des TÜV Rheinland und des Technischen Dienstes der Beklagten sprechen nicht gegen diese Indizwirkung. Die vom TÜV Rheinland durchgeführten Testungen erstreckten sich auf ganz spezifische Einwirkungen an den Arbeitsplätzen beim Arbeitgeber des Klägers. Diese lagen unter den Grenzwerten. Der Technische Dienst der Beklagten hat zu diesen Ergebnissen und zu den eigenen Untersuchungen ausgeführt, dass Erkenntnisse bzgl. auftretender Hautreaktionen aus diesen Messergebnissen nicht gezogen werden können. Damit gibt es keinen erwiesenen Umstand, der der zeitlichen und örtlichen Kongruenz zwischen Arbeitsplatz und Auftreten der Urticaria entgegengesetzt werden kann.
Mit dem Sachverständigen G ist die Kammer der Auffassung, dass mit dem Vorliegen von – wenn auch in der Art nicht nachweisbaren – Einwirkungen die für die Entstehung oder die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Urticaria wahrscheinlich ursächlich waren, ein Zwang zur Aufgabe der gefährdenden Arbeitsplätze beim Kläger bestand. Auch hier stützt die Kammer sich auf das unwiederlegte Indiz des zeitlichen und örtlichen Zusammenhangs. Immer dann wenn der Kläger in dem gefährdenden Bereich tätig war, hat sich seine Hauterkrankung verstärkt bzw. verschlimmert. Immer dann wenn er an anderen Arbeitsplätzen gearbeitet hat, oder sich zu Hause oder in Rehabilitation befand, ist die Urticaria abgeklungen. Auch zum Zeitpunkt der jeweiligen Untersuchungen bei den Sachverständigen war er Symptomfrei. Zu diesen Zeitpunkten hat er jeweils nicht in den gefährdenden Bereichen gearbeitet.
Die Sachverständigen die einen ursächlichen Zusammenhang als nicht wahrscheinlich bezeichnet haben, stützten ihre Auffassung allein darauf, dass die Ätiopathogenese der Urticaria in der Medizin nicht bekannt ist. In dem hier vorliegenden speziellen Fall ist die Kammer jedoch der Auffassung, dass der zeitliche und örtliche Zusammenhang zwischen dem Auftreten der Erkrankung und dem beruflichen Einsatz des Klägers so überzeugend ist, dass es hierauf nicht ankommt.
Aus der Pflicht zur Anerkennung einer Berufskrankheit nach der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung BK 5101 folgt die Pflicht zur Gewährung von Leistungen zur Teilhabe gemäß § 35 Sozialgesetzbuch, 7. Buch (SGB VII) und zur Gewährung von Übergangsleistungen nach § 3 Berufskrankheitenverordnung (BKVO). Die Kammer hat insoweit jedoch nur über das Ob der Leistungsgewährung entschieden. Welche Leistungen wie dem Kläger gewährt werden, liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit nach der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung BK 5101.
Die BK hat folgenden Wortlaut:
"Schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können."
Der am 00.00.1961 geborene Kläger war ursprünglich als Schichtführer in der Abteilung Gummikabel bei seinem Arbeitgeber der O Deutschland GmbH beschäftigt. Nach Auftreten verschiedener Hautirritationen an verschiedenen Körperbereichen wurde er in eine andere Kabelabteilung versetzt in der im Rahmen der Produktion nicht vulkanisiert wurde. Nachdem auch dort das Vulkanisationsverfahren eingesetzt wurde, wurde der Kläger in den Bereich der Waage versetzt. Dort sind die vormals bekannten Hautirritationen nicht mehr aufgetreten. Wegen betrieblicher Umstrukturierungen wurde der Kläger zum 31.12.2015 entlassen.
Mit einem Antrag vom 25. Juni 2009 beantragte der Kläger die bei ihm aufgetretene "chronische Urticaria" daraufhin zu untersuchen ob es sich um eine Berufskrankheit im Sinne der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung handelt. Der Technische Dienst hat daraufhin das Arbeitsumfeld des Klägers untersucht. Mit einem Bericht vom 24.09.2009 stellte der Technische Aufsichtsdient fest, dass der Kläger seit ca. 3 Jahren unter Hautirritationen an verschiedenen Körperbereichen leide. In der arbeitsfreien Zeit sei jeweils eine Besserung eingetreten.
Daraufhin beauftragte die Beklagte K mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens. Unter dem 27.01.2010 berichtete dieser, dass der Kläger bis etwa 2007 gesund gewesen sei. Nunmehr sei eine "Urticaria" zu diagnostizieren. Die diesbezüglichen Beschwerden würden im häuslichen Bereich abklingen. Auch nach der Versetzung in den anderen Produktionsbereich, in dem nicht vulkanisiert wird, seien die Hauterscheinungen abgeklungen. Es handele sich um eine
"chronisch rezidivierende Urticaria mit Angioödemen"
Der berufliche Zusammenhang sei wahrscheinlich. Die Hauterkrankung sei schwer im Sinne der BK 5101 und auch wiederholt rückfällig im Sinne der BK. Die Voraussetzungen zur Anerkennung einer BK seien jedoch noch nicht erfüllt. Die für die BK notwendigen Einwirkungen müssten noch belegt werden. Die Gefahr der Entstehung einer BK sei aber jedenfalls gegeben.
Unter dem 25.02.2010 berichtete der Technische Aufsichtsdienst, dass jetzt auch in der neuen Abteilung des Klägers das Vulkanisationsverfahren angewendet werde. Seit dem seien auch dort beim Kläger Hauterscheinungen aufgetreten.
Mit Bescheid vom 17.09.2010 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK 5101 zunächst ab. Wegen eines Fehlers im Verwaltungsverfahren hob die Beklagte diesen Bescheid mit Bescheid vom 09.12.2010 wieder auf und ermittelte weiter in der Sache. Aus einem Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse des Klägers vom 16.03.2011 ergibt sich, dass erste allergische Reaktionen in den Jahren 2007/2008 vermerkt sind.
Im September 2010 untersuchte der TÜV Rheinland die Arbeitsplätze der O Deutschland GmbH auf Expositionen von Gefahrstoffen am Arbeitsplatz. Stickstoffmonoxid und Stickstoffdioxid waren nicht nachweisbar. Die Staubgrenzwerte waren deutlich unterschritten.
Am 04.07.2011 besichtigte der Technische Dienst der Beklagten die Arbeitsplätze des Klägers. Unter dem 12. März 2012 berichtete der Technische Dienst, dass die Grenzwerte der ermittelten Gefahrstoffe allesamt eingehalten würden. Es hätten sich jedoch keine Ergebnisse dazu feststellen lassen, ob durch Stoffe Hautreaktionen oder Hautsensibilisierungen verursacht werden können. Unter dem 30. März 2012 nahm der Technische Dienst sodann zur BK 5101 Stellung. Seitdem der Kläger im September 2011 in den Bereich der Waage versetzt worden sei, sei er beschwerdefrei. Dies ergebe sich aus den vom Kläger geführten Verlaufsprotokollen bzgl. seiner Hauterkrankung.
Unter dem 31.10.2012 erstattete K erneut ein Gutachten. Beim Kläger bestehe ein
"Zustand nach chronisch rezidivierender Urticaria mit Angioödemen"
Es ergäben sich Indizien für einen ursächlichen Zusammenhang zum Arbeitsplatz. Ein solcher Zusammenhang sei jedoch nicht wahrscheinlich. Die bestehenden Hauptsymptome seien ihrer Natur nach "schwer" im Sinne der BK 5101. Und auch in diesem Sinne wiederkehrend. Da ein ursächlicher Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden könne, sei auch ein Zwang zur Unterlassung der Tätigkeit nicht feststellbar.
Mit Bescheid vom 25.11.2012 lehnte die Beklagte es ab, beim Kläger eine Berufskrankheit nach der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung BK 5101 festzustellen. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit des Klägers und der bei ihm aufgetretenen Hauterkrankung sei nicht wahrscheinlich. Die Grenzwerte für Gefahrstoffe am Arbeitsplatz seien allesamt eingehalten worden. Es ließen sich keine konkreten Noxen benennen die ursächlich für die Urticariaerkrankung seien. Deshalb bestehe auch keine konkrete Gefahr der Entstehung einer Berufskrankheit.
Aufgrund des Wiederspruchs des Klägers erstellte K eine ergänzende Stellungnahme unter dem 28.01.2013. Darin heißt es, dass die Ätiologie der Urticariaerkrankung des Klägers ungeklärt sei. Eine Beeinflussung durch die berufliche Tätigkeit sei daher nicht wahrscheinlich. Deshalb bestehe auch keine Gefahr der Entstehung einer BK und es sei auch kein Zwang zur Unterlassung von bestimmten Tätigkeiten zu erkennen.
Auf der Basis dieser Stellungnahme wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 08.04.2013 zurück. Die Ursächlichkeit der beim Kläger bestehenden Hauterkrankung sei ungeklärt. Deshalb liege keine BK 5101 vor.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner Klage vom 6. Mai 2013. Mit dieser Klage begehrt er weiterhin die Anerkennung einer Berufskrankheit nach der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung BK 5101, sowie die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe und Übergangsleistungen. Er trägt dazu vor, dass der Zusammenhang zwischen Einwirkungen am Arbeitsplatz und dem Auftreten der Erkrankung gesichert sei. Seiner Meinung nach sei die Ursache arbeitsplatzbezogen. Dabei könne offen bleiben wodurch die Krankheit entstanden sei, jedenfalls sei ein beruflicher Zusammenhang gegeben. Wenn er längere Zeit zu Hause geblieben sei und auch nach der Versetzung in den Bereich der Waage, seien keine neuen Hauterkrankungen aufgetreten. Somit bestehe sowohl eine zeitliche als auch eine lokale Kongruenz bzgl. des Auftretens der Urticaria und seiner Tätigkeit an den gefährdenden Arbeitsplätzen seines Arbeitgebers.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.04.2013 zu verurteilen, bei ihm eine Berufskrankheit nach der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung BK 5101 anzuerkennen und ihm Leistungen zur Teilhabe und Übergangsleistungen nach § 3 der Berufskrankheitenverordnung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass die Ätiologie der Erkrankung des Klägers ungeklärt geblieben sei. Konkrete Einwirkungen am Arbeitsplatz des Klägers seien auch nicht nachweisbar gewesen. Die von der medizinischen Sachverständigen festgestellten fehlenden allergischen Reaktionen des Klägers sprächen eher gegen einen beruflichen Zusammenhang.
Das Gericht hat Beweis erhoben, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von G. Der Sachverständige berichtet in seinem Gutachten vom 03.06.2014, dass das erste Auftreten von Hauterscheinungen beim Kläger für die Jahre 2006 bis 2007 belegt sei. Als Diagnose sei ein
"Zustand nach chronisch rezidivierender Urticaria zeitweise Angioödeme"
zu stellen. Unabhängig von dieser Erkrankung seien beim Kläger bestehende atopische Reaktionen der Haut zu sehen. Ebenso seien Ekzeme an der Hand, an den Füßen und in den Achseln des Klägers unabhängig von dieser Erkrankung zu bewerten. Daneben bestünde eine arterielle Hypertonie und eine Lipidstoffwechselstörung. Bzgl. der chronisch rezidivierenden Urticaria bestehe ein Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit des Klägers. Die Hauterscheinungen seien ausschließlich dann aufgetreten, wenn der Kläger in einem bestimmten beruflichen Milieu gearbeitet habe. Das ergäbe sich aus den Aufzeichnungen des Klägers, die er anlässlich seiner Hauterkrankung geführt habe. Die Urticaria des Klägers sei schwer und von Dauer, sowie wiederholt Rückläufig im Sinne der BK 5101. Insoweit habe auch ein Zwang zur Einstellung sämtlicher Tätigkeiten bestanden, die ursächlich für diese Tätigkeit sein konnten. An dem ursprünglichen Arbeitsplatz des Klägers habe ein komplexer Produktionsverlauf stattgefunden unter Einwirkung verschiedener sich verändernder Stoffe. Ein zentraler Verarbeitungsvorgang erfolge unter Abschluss in einer Kammer aus der Luft abgesaugt werde. Die Absauganlage sei zeitweise defekt gewesen. Eine Behandlung der Hauterkrankung sei ab dem 18.10.2007 belegt. Hinweise auf eine Arbeitsplatzkongruenz ergäben sich aus den Behandlungsbelegen und dem jeweiligen verweilen des Klägers an den spezifischen Arbeitsplätzen.
Ursachenfaktoren für die Entstehung der Urticaria seien nicht nachweisbar. Dennoch könne die BK 5101 bejaht werden, weil ein beruflicher Zusammenhang im Rahmen der Anerkennung einer BK 5101 ausreiche ohne die Ätiologie der Erkrankung sicher benennen zu können. Es sei nicht gelungen, die Ursache der Hauterkrankung des Klägers zu finden. Das sei aufgrund des medizinischen Wissensstandes über die Urticaria auch gar nicht möglich. Es würden sowohl allergische wie auch nicht allergische Reaktionen als Ursache diskutiert. Die atopische Reaktion der Haut des Klägers sei in diesem Zusammenhang ohne Belang. Sämtliche Tests im Bereich der allergischen Reaktionen seien beim Kläger ohne Befund gewesen. Auch alle nicht allergischen Faktoren seien nicht als ursächlich auszumachen gewesen. Deshalb bliebe allein die Entstehung der Krankheit durch toxische Faktoren übrig. Die diesbezüglichen beruflichen Milieubedingungen seien nicht nachstellbar.
Eine Rückkehr an den gefährdenden Arbeitsplatz sei unbedingt zu vermeiden. Die MdE im jetzt beschwerdefreien Zustand betrage 0 %.
Im Folgenden nahmen die Beteiligten jeweils Stellung zu dem Gutachten von G. Das Gericht hat sodann weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens durch N A. Die Sachverständige berichtet unter dem 08.01.2015, dass der Kläger in der Anamnese nunmehr angegeben habe bereits 1998 Hautveränderungen erlebt zu haben. Eine Behandlung der Hautveränderungen sei jedoch erstmalig 2007 dokumentiert. Der Kläger vermute, dass ein Zusammenhang zwischen der Bedienung der "Salzstraße" und dem Auftreten der Hauterkrankung bestehe. Seit dem dieses Verfahren angewendet werde, habe er die Beschwerden. Seit der Umsetzung in die Warenannahme (Bereich der Waage), habe er keine spezifischen Hautveränderungen mehr. Die Untersuchung bei der Sachverständigen zeigten diverse Hautbefunde, die jedoch nicht mit der Urticaria in Zusammenhang stehen. Die Diagnose einer chronisch rezidivierenden Urticaria erscheine auch der Sachverständigen A als gesichert. Dadurch bestünde eine deutliche Einschränkung der Lebensqualität beim Kläger. Bei ihm läge am ehesten eine chronisch spontane Urticaria vor. Zum Zeitpunkt der Untersuchung sei der Kläger symptomfrei gewesen.
Ein ursächlicher Zusammenhang zur beruflichen Tätigkeit des Klägers sei nicht wahrscheinlich. Der vom Kläger vermutete Zusammenhang zu Salzdämpfen werde in der Literatur nicht diskutiert. Eine Testung könne wegen der Toxizität nicht durchgeführt werden. Bei der Urticaria handele es sich um ein sehr häufiges Krankheitsbild deren Pathogenese bislang nicht geklärt sei. Hinsichtlich der Diagnose stimme sie mit dem Gutachten von G überein. Im Gegensatz zu ihm könne sie den ursächlichen Zusammenhang jedoch nicht als wahrscheinlich betrachten, da die Ätiopathogenese der Erkrankung nicht geklärt werden konnte.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 11.03.2015 bekräftigte A nochmals ihre Diagnose. Trotz umfangreicher Testungen habe die Ursache beim Kläger nicht festgestellt werden können. Deshalb könne ein ursächlicher Zusammenhang nicht bejaht werden.
Wegen des übrigen Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakten sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, die allesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet. Der Kläger wird durch die angefochtene Entscheidung vom 25.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.04.2013 in seinen Rechten beschwert. Zu Unrecht hat die Beklagte es abgelehnt beim Kläger eine Berufskrankheit nach der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung BK 5101 anzuerkennen. Denn die Voraussetzungen für die Anerkennung dieser Berufskrankheit und damit verbunden zur Erbringung der darüber hinaus beantragten Leistungen liegen beim Kläger vor.
Der Wortlaut der BK setzt zunächst eine schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankung voraus. Der Kläger leidet unter einer chronisch rezidivierenden Urticaria. Diese Diagnose ist von allen Sachverständigen bestätigt und erhärtet worden. An ihr besteht kein Zweifel. Darüber hinaus haben alle Sachverständigen festgestellt, dass die beim Kläger bestehende Urticaria auch die übrigen Voraussetzungen der BK 5101 erfüllt. Denn die Hauterkrankung ist "schwer" im Sinne der BK und auch häufig wiederkehrend.
Zur Anerkennung der BK ist darüber hinaus erforderlich, dass BK relevante Einwirkungen durch berufliche Zusammenhänge des Klägers mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erwiesen sind. Es müssen also arbeitsplatzbezogene Einwirkungen erwiesen sein, die als wesentliche Ursachenfaktoren in Betracht kommen.
Ein solcher sicherer Nachweis kann im vorliegenden Fall nicht geführt werden. Alle Sachverständigen sind sich im Ergebnis darüber einig, dass die Entstehungsgeschichte – die Ätiologie – der Urticaria medizinisch wissenschaftlich bislang nicht belegt ist. Die Medizin weiß nicht wodurch eine Urticaria entsteht. Dieser Umstand bedingt, dass konkrete Einwirkungen die als gegeben nachgewiesen werden könnten, nicht benannt werden können. Alle in der Literatur diskutierten Ursachenfaktoren liegen beim Kläger allerdings nicht vor. So wird zum einen eine allergische Verursachungskomponente diskutiert und zum anderen eine nicht allergische. Die jeweils durchgeführten umfangreichen Hauttestungen beim Kläger haben ergeben, dass der Kläger auf die verschiedensten getesteten Substanzen keine allergische Reaktion gezeigt hat. Auch die möglichen Einwirkungsfaktoren wie Nässe, Druck und permanente Feuchtigkeit haben beim Kläger keine entsprechenden Reaktionen hervorgerufen. Aus diesen Umständen haben die Sachverständigen K und A den Schluss gezogen, dass deshalb kein ursächlicher Zusammenhang im Sinne einer wesentlichen Bedingung bejaht werden könne.
G hat in seinem Gutachten ausgeführt, dass insoweit nur eine toxische Komponente in Betracht komme, die aber wegen der erheblichen Gesundheitsgefährdung beim Kläger nicht getestet werden könne. Ein entsprechendes Arbeitsplatzmilieu könne testweise nicht nachvollzogen werden. In gleicher Weise äußerte sich die Sachverständige A bzgl. auftretender Noxen im Zusamenhang der Produktion in der sogenannten Salzstraße. Auch bezogen auf eine toxische Einwirkung besteht also insoweit Beweislosigkeit.
Dennoch ist die Kammer aufgrund der Gesamtumstände des Einzelfalls der Auffassung, dass ausreichend viele und ausreichend starke Indizien dafür vorliegen, dass es an den gefährdenden Arbeitsplätzen des Klägers Einwirkungen gegeben hat, die die beim Kläger bestehende Urticaria zumindest wesentlich begünstigt haben.
Dabei hat die Kammer diejenigen Bedingungen als ursächlich oder mitursächlich für den Eintritt des Erfolges gewertet, die unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes wegen ihrer besonderen Bedeutung zum Eintritt des Erfolges wesentlich beigetragen haben. Die wesentliche Wesentlichkeit der Arbeitsplatzbedingungen und damit die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs sind vorliegenden deshalb zu bejahen, da gegen den ursächlichen Zusammenhang sprechende Umstände die auf die Verursachung hindeutenden Faktoren so stark überwiegen, da die für einen ursächlichen Zusammenhang sprechenden Umstände die gegen die Verursachung hindeutenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Entscheidung gestützt werden kann. Billigerweise müssen die gegen den ursächlichen Zusammenhang sprechenden Faktoren hier außer Betracht bleiben.
Zur Überzeugung der Kammer steht fest, dass es sowohl einen zeitlichen als auch einen örtlichen Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und dem Auftreten der Urticaria beim Kläger gibt. Die Urticaria in der jetzt diagnostizierten Form ist erstmals beim Kläger im Jahre 2007 nachweisbar. Zu diesem Zeitpunkt hat der Kläger noch als Schichtführer in der Produktion von Gummikabeln gearbeitet. Die dort vorherrschenden Produktionsbedingungen und die damit verbundenen Einwirkungen haben zumindest zur Verstärkung der Urticaria des Klägers wesentlich beigetragen. Denn sobald der Kläger aus diesem Produktionsbereich versetzt wurde und in einen anderen Produktionsbereich gelangte, haben die Hauterscheinungen abgenommen. Dies ist durch die von ihm geführten Aufzeichnungen, die Aktenkundig belegt sind, feststellbar. Anlass dafür an der Authentizität dieser Aufzeichnungen zu zweifeln gibt es nach Auffassung der Kammer nicht.
Nachdem auch an dem neuen Arbeitsplatz des Klägers ein spezifisches Produktionsverfahren eingesetzt wurde, sind erneut Hauterkrankungen aufgetreten. Erst als dann der Kläger komplett aus dem Produktionsbereich in die Warenannahme versetzt wurde, sind die zur Urticaria passenden Hauterkrankungen nicht mehr aufgetreten. Auch bei längerer Arbeitsplatzabstinenz durch Krankheit oder Rehabilitation, konnte der Kläger ein Abklingen der Urticaria bis hin zur Symptomlosigkeit feststellen.
Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte angeführt hat, dass auch in den nicht belasteten Arbeitszeiten des Klägers Hauterkrankungen bei ihm aufgetreten seien. Alle Sachverständigen haben beim Kläger neben der bestehenden Urticaria auch andere Hauterkrankungen festgestellt. So besteht bei ihm ein atopisches Reaktionsverhalten und Ekzeme an den Händen, Füßen und in den Achseln. Nach den überzeugenden Darstellungen von G haben diese Erkrankungen mit der Urticaria nichts zu tun und sind auch nicht Arbeitsplatzbezogen. Diese Hautreaktionen haben sich jeweils unabhängig von dem Einsatz des Klägers an seinen Arbeitsplätzen ergeben.
Auch die Feststellungen des TÜV Rheinland und des Technischen Dienstes der Beklagten sprechen nicht gegen diese Indizwirkung. Die vom TÜV Rheinland durchgeführten Testungen erstreckten sich auf ganz spezifische Einwirkungen an den Arbeitsplätzen beim Arbeitgeber des Klägers. Diese lagen unter den Grenzwerten. Der Technische Dienst der Beklagten hat zu diesen Ergebnissen und zu den eigenen Untersuchungen ausgeführt, dass Erkenntnisse bzgl. auftretender Hautreaktionen aus diesen Messergebnissen nicht gezogen werden können. Damit gibt es keinen erwiesenen Umstand, der der zeitlichen und örtlichen Kongruenz zwischen Arbeitsplatz und Auftreten der Urticaria entgegengesetzt werden kann.
Mit dem Sachverständigen G ist die Kammer der Auffassung, dass mit dem Vorliegen von – wenn auch in der Art nicht nachweisbaren – Einwirkungen die für die Entstehung oder die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Urticaria wahrscheinlich ursächlich waren, ein Zwang zur Aufgabe der gefährdenden Arbeitsplätze beim Kläger bestand. Auch hier stützt die Kammer sich auf das unwiederlegte Indiz des zeitlichen und örtlichen Zusammenhangs. Immer dann wenn der Kläger in dem gefährdenden Bereich tätig war, hat sich seine Hauterkrankung verstärkt bzw. verschlimmert. Immer dann wenn er an anderen Arbeitsplätzen gearbeitet hat, oder sich zu Hause oder in Rehabilitation befand, ist die Urticaria abgeklungen. Auch zum Zeitpunkt der jeweiligen Untersuchungen bei den Sachverständigen war er Symptomfrei. Zu diesen Zeitpunkten hat er jeweils nicht in den gefährdenden Bereichen gearbeitet.
Die Sachverständigen die einen ursächlichen Zusammenhang als nicht wahrscheinlich bezeichnet haben, stützten ihre Auffassung allein darauf, dass die Ätiopathogenese der Urticaria in der Medizin nicht bekannt ist. In dem hier vorliegenden speziellen Fall ist die Kammer jedoch der Auffassung, dass der zeitliche und örtliche Zusammenhang zwischen dem Auftreten der Erkrankung und dem beruflichen Einsatz des Klägers so überzeugend ist, dass es hierauf nicht ankommt.
Aus der Pflicht zur Anerkennung einer Berufskrankheit nach der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung BK 5101 folgt die Pflicht zur Gewährung von Leistungen zur Teilhabe gemäß § 35 Sozialgesetzbuch, 7. Buch (SGB VII) und zur Gewährung von Übergangsleistungen nach § 3 Berufskrankheitenverordnung (BKVO). Die Kammer hat insoweit jedoch nur über das Ob der Leistungsgewährung entschieden. Welche Leistungen wie dem Kläger gewährt werden, liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
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