Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 3606/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 1505/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 8. März 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger verlangt die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 2301 (Lärmschwerhörigkeit) der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) und die Gewährung einer Rente wegen dieses Versicherungsfalls.
Der im Jahr 1980 geborene Kläger ist nach seinen Angaben seit Oktober 2000 ausgebildeter Call-Center-Agent. Er arbeitete als solcher in einem Call-Center der Firma W. S. GmbH, zunächst in der Niederlassung Magdeburg, von November 2001 bis September 2007 in der Niederlassung Schutterwald und danach bis November 2007 bei der F&S G. für D. GmbH in Offenburg, zuständig u. a. jeweils für die Bestellannahme und Kundenbetreuung. Ab 1. Juni 2008 wurde ihm eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt. Seit Januar 2011 ist beim Kläger eine Schwerbehinderteneigenschaft (Grad der Behinderung 70) wegen Depression, seelischer Störung, Schwerhörigkeit und degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule anerkannt.
Aufgrund seit dem Jahr 2006 zunehmender Depressionen und Kopfschmerzen sowie eines zuletzt aufgetretenen Tinnitus, die er auf seine berufliche Call-Center-Tätigkeit zurückführte, begehrte der Kläger gegenüber der Beklagten die Feststellung einer entsprechenden Berufskrankheit. Mit Bescheid vom 7. Mai 2008 lehnte die Beklagte die Feststellung seiner depressiven Erkrankung als Berufskrankheit ab. Die Erkrankung sei auch nicht wie eine Berufskrankheit anzuerkennen. Im Widerspruchsverfahren verwies der Kläger auf Mobbing, das ihn krank gemacht habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. August 2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Stress, Mobbing und depressive Erkrankungen seien in der Berufskrankheitenliste nicht aufgeführt. Auch eine Anerkennung wie eine Berufskrankheit käme nicht in Betracht, da Stress und Mobbing in allen Berufsgruppen gleichermaßen aufträten. Die Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) bleib ohne Erfolg (Gerichtsbescheid vom 29. Januar 2010 – S 17 U 4559/08). Die Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg wurde zurückgewiesen (Urteil vom 9. Dezember 2010 – L 10 U 825/10), da die Erkrankung des Klägers offenkundig nicht zu den Berufskrankheiten nach § 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) zähle. Es bestehe auch keine Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung einer Wie-Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII. Gesicherte medizinische Erkenntnisse für eine gruppentypische Risikoerhöhung von Telefonisten durch Mobbing und Stress seien nicht ersichtlich.
In der Folge verlangte der Kläger mit Schreiben vom 21. August 2012 vom Beklagten die Neubewertung seines Anliegens, da sich sein Krankheitsbild "Burn-Out" in allen Berufsgruppen ausbreite. Als Telefonist sei er erheblichen Stressfaktoren ausgesetzt gewesen. In einem weiteren Schreiben vom 4. Oktober 2012 ergänzte der Kläger, dass er unter Tinnitus leide und schlechter höre, was auch eine Folge von tausenden Stunden Telefonieren in voller Lautstärke bei immensen Lärmpegel im Call-Center sei.
Die Beklagte leitete darauf im Hinblick einerseits auf ein Burn-Out-Syndrom und anderseits auf eine Schwerhörigkeit jeweils neue Verfahren bezüglich des Bestehens einer Berufskrankheit ein.
Mit Bescheid vom 20. Februar 2013 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Burn-Out-Erkrankung als Berufskrankheit und Wie-Berufskrankheit ab, da beruflicher Stress ein Bestandteil vieler beruflicher Tätigkeiten sei und noch keine gesicherten Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaften darüber vorlägen, dass Mitarbeiter in einem Call-Center in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung gefährdet seien, an einem Burn-Out-Syndrom zu erkranken. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 20. Juni 2013), und die hiergegen angestrengte Klage wurde vom SG rechtskräftig abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 15. September 2015 - S 9 U 3055/13).
Im Verfahren wegen der Schwerhörigkeit zog der Beklagte Unterlagen bei, wonach beim Kläger Tinnitus und Schwerhörigkeit diagnostiziert worden seien und ihm ein sog. Geräuschgerät (Tinnitus-Noiser) links verordnet worden sei.
Nachdem der von der Beklagten eigeschaltete Präventionsdienst in seiner Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition vom 15. März 2013 angegeben hatte, dass der Kläger in seiner beruflichen Tätigkeit bei der W. S. GmbH von Oktober 2000 bis September 2007 Tageslärmpegeln von unter 85 dB(A) und keinem gehörschädigenden Lärm auf der Grundlage von Erfahrungswerten über vergleichbare Arbeitsplätze in Call-Centern und von technischen Aufsichtspersonen durchgeführten orientierenden Lärmmessungen ausgesetzt gewesen sei, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 22. April 2013 fest, dass beim Kläger keine Berufskrankheit nach Nr. 2301 der BKV und keine Ansprüche auf Leistungen bestünden. Dies gelte auch für Leistungen oder Maßnahmen, die geeignet seien, dem Entstehen einer Berufskrankheit entgegenzuwirken. Zur Begründung wurde zusätzlich angeführt, dass eine durch Lärm bedingte Schädigung des Innenohres nicht vorliege und es sich beim Tinnitus des Klägers nicht um die Folge einer möglichen Lärmeinwirkung handele.
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und brachte u. a. vor, dass die Beurteilung der Beklagten an der Wirklichkeit vorbeigehe. Er habe in Großraumbüros mit hunderten Mitarbeitern (Magdeburg) bzw. mindestens dutzenden (Schutterwald) gearbeitet. Die Kopfhörer seien auf voller Lautstärke gewesen und das jahrelang.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Am 8. August 2013 hat der Kläger beim SG Klage erhoben. Er führt an, dass er neben der Lärmbeeinträchtigung durch die mittels Kopfhörer extrem verstärkten Stimmen der Kunden auch anderen Lärmquellen, wie Faxgeräten, ausgesetzt gewesen sei. Zusätzlich sei der permanente Stress verantwortlich für seine Erkrankung. Während seiner Tätigkeit habe es keinerlei Lärmschutzmaßnahmen wie etwa Trennwände gegeben.
Die Beklagte hat auf Anforderung des SG eine weitere Stellungnahme ihres Präventionsdienstes vom 14. September 2015 vorgelegt, wonach Lärmmessungen am früheren Arbeitsplatz nicht mehr möglich seien, da die Betriebsstätte nach einer Insolvenz nicht mehr als Call-Center betrieben werde. Nunmehr bestünden Call-Center-Arbeitsplätze im Kundencenter in Ettlingen, die nach Auskunft des ehemaligen Arbeitgebers teilweise den ehemaligen Arbeitsplätzen entsprechen sollten. Auch habe dort ermittelt werden können, welche Headsets den Beschäftigten zur Verfügung gestanden hätten. Messungen an verschiedenen diesem Standort vergleichbaren Arbeitsplätzen hätten Schallpegel zwischen 62 dB(A) und 69 dB(A) ergeben. Danach sei nicht von einem gehörschädigenden Lärm am früheren Arbeitsplatz des Klägers auszugehen.
Mit Urteil vom 8. März 2016, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 21. März 2016, hat das SG die Klage abgewiesen. Soweit durch den Kläger die Verurteilung der Beklagten zu einer Rente beantragt worden sei, sei die Klage mangels Verwaltungsentscheidung unzulässig. Die Klage auf Feststellung von Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit sei unbegründet, da bereits die erforderliche Einwirkungskausalität in Form eines Tages-Lärmexpositionspegels von 85 dB(A) oder mehr nicht nachgewiesen und auch nicht durch weitere Ermittlungen nachweisbar sei. Eine Erhöhung um 3 dB entspreche einer Verdoppelung der empfundenen Lautstärke. Die erforderliche Belastung von 85 dB(A) oder mehr anstelle einer solchen von lediglich 69 dB(A) müsste daher mit einem Vielfachen des empfundenen Lärms im Vergleich zu den vom Präventionsdienst aufgesuchten Arbeitsplätzen einhergegangen sein. Dies sei in Anbetracht von identischen Geräuschquellen (insbesondere Headsets, weitere Mitarbeiter, Bürogeräte) und im Wesentlichen vergleichbaren, für ein Call-Center typischen Arbeitsvorgängen bei lediglich geringen, z. B. die Abschirmung des individuellen Arbeitsplatzes betreffenden Unterschieden, nur schwer vorstellbar, geschweige denn nachgewiesen.
Am 21. April 2016 hat der Kläger beim LSG Baden-Württemberg Berufung mit der Begründung eingelegt, dass die Messungen des Präventionsdienstes nicht haltbar seien. Am früheren Arbeitsplatz sei der Lärmschutz kleingeschrieben worden. Es hätten sich dutzende Menschen in einem Raum befunden. Das Stimmengewirr sei für ihn eine erhebliche Lärmbelastung gewesen. Der Sachverhalt sei nicht ausreichend ermittelt.
Der Senat hat die Akte des Landratsamtes Ortenaukreis - Versorgungsamt - zum Verfahren beigezogen. Dort gab der Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr. M. am 14. Mai 2012 an, dass er den Kläger zuletzt im November 2008 behandelt habe. Im Tonaudiogramm sei ein pantonaler Hörverlust um 50 dB beidseits erhoben worden. Er habe ein Geräuschgerät links empfohlen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 8. März 2016 und den Bescheid vom 22. April 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die bei ihm vorliegende Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung anzuerkennen und ihm eine Verletztenrente zu gewähren, hilfsweise ein Sachverständigengutachten darüber einzuholen, dass er, der Kläger, einer langjährigen Exposition bei einem Wert von 85 dB(A) und höher ausgesetzt gewesen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie führt an, dass die vom Präventionsdienst durchgeführten Messungen an verschiedenen vergleichbaren Arbeitsplätzen in den Betriebsräumen (vor, während und nach dem Schichtwechsel) erfolgt seien. Diese hätten einen Schallpegel zwischen 62 dB(A) und 69 dB(A) ergeben. Als weitere Grundlage für die Beurteilung sei auf Erfahrungswerte über vergleichbare Arbeitsplätze in Call-Centern und von technischen Aufsichtspersonen durchgeführte orientierende Lärmmessungen verwiesen worden. Der Sachverhalt sei ausreichend ermittelt.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 15. Dezember 2016 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers eine Auflistung von Schalldruckpegeln aus einer Internetenzyklopädie vorgelegt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten der Beklagten, die Gerichts- und Verwaltungsakten über die parallelen Verfahren S 17 U 4559/08, L 10 U 825/10 und S 9 U 3055/13 sowie den der Prozessakten aus erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist form- und nach § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) fristgerecht eingelegt worden. Die Berufung ist nach § 143 SGG statthaft, insbesondere war sie nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, da der Kläger nicht - nur - Leistungen begehrt, sondern - vor allem - eine behördliche Anerkennung bzw. Feststellung. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Berufung ist bereits mangels Zulässigkeit der Klage unbegründet, soweit mit dieser unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des SG und des Bescheides vom 22. April 2013 und der Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 2013 die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer Verletztenrente begehrt worden ist. Mit der angefochtenen Verwaltungsentscheidung hat die Beklagte es zum einen nur abgelehnt festzustellen, dass beim Kläger eine Berufskrankheit nach Nr. 2103 der Anlage 1 zur BKV vorliegt. Zum anderen hat sie im Kontext mit der Formulierung, dass Ansprüche auf Leistungen nicht bestehen, was auch für Leistungen oder Maßnahmen gelte, die geeignet seien, dem Entstehen einer Berufskrankheit entgegenzuwirken, sinngemäß ein Recht auf Leistungen nach § 3 Abs. 1 BKV versagt. Damit liegen – worauf bereits das SG zutreffend hingewiesen hat - die Sachentscheidungsvoraussetzungen für das Klagebegehren, welches auf die Gewährung einer Rente abzielt, nicht vor. Der Kläger ist insoweit nicht klagebefugt im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG. Es reicht zwar aus, dass eine Verletzung in eigenen Rechten möglich ist und Rechtsschutzsuchende die Beseitigung einer in ihre Rechtssphäre eingreifenden Verwaltungsmaßnahme anstreben, von der sie behaupten, sie sei nicht rechtmäßig (vgl. BSG, Urteil vom 5. Juli 2007 - B 9/9a SB 2/06 R -, SozR 4-3250 § 69 Nr. 5, Rz. 18). An der Klagebefugnis fehlt es demgegenüber, wenn eine Verletzung subjektiver Rechte nicht in Betracht kommt (vgl. BSG, Urteil vom 14. November 2002 - B 13 RJ 19/01 R -, BSGE 90, 127 (130)), weil hinsichtlich des Klagebegehrens keine gerichtlich überprüfbare Verwaltungsentscheidung vorliegt (BSG, Urteil vom 21. September 2010 - B 2 U 25/09 R -, juris, Rz. 12). Über ein Recht auf Rente wurde mit Bescheid vom 17. Mai 2011 nicht entschieden; demgegenüber wurde, neben der sinngemäßen Versagung der konkreten Leistungen nach § 3 Abs. 1 BKV, nur unbestimmt ausgeführt, dass Ansprüche auf Leistungen nicht bestehen. Die Unzulässigkeit der Anfechtungsklage zieht die Unzulässigkeit der mit ihr kombinierten Leistungsklage nach sich (vgl. Senatsurteil vom 28. Juli 2016 – L 6 U 2991/15 –, juris, Rz. 30).
Soweit der Kläger mit der kombinierten Anfechtungs- und (sachdienlich gefasst) Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG; zur Klageart vgl. BSG, Urteil vom 18. Juni 2013 - B 2 U 6/12 R -, SozR 4-2700 § 9 Nr. 22, Rz. 13 m. w. N.) die Beseitigung des ablehnenden Bescheides vom 22. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 2013 sowie die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 2103 der Anlage 1 zur BKV bei ihm begehrt, ist die Berufung ebenfalls unbegründet, hingegen nicht wegen Unzulässigkeit, sondern wegen Unbegründetheit der Klage. Denn mangels Vorliegen der Voraussetzungen für die Feststellung dieser Berufskrankheit, ist der insoweit angefochtene Verwaltungsakt rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Versicherte können von der zuständigen Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 102 SGB VII die Feststellung eines Versicherungsfalles, und zwar gleichermaßen eines Arbeitsunfalles und einer Berufskrankheit, beanspruchen (vgl. zu beiden Versicherungsfällen BSG, Urteil vom 5. Juli 2011 - B 2 U 17/10 R -, juris, Rz. 14). Die Voraussetzungen hierfür liegen jedoch nicht vor.
Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet, und die Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz SGB VII). Aufgrund der Ermächtigung in § 9 Abs. 1 SGB VII hat die Bundesregierung die BKV vom 31. Oktober 1997 (BGBl. I, S. 2623) erlassen, in der die derzeit als Berufskrankheiten anerkannten Krankheiten aufgeführt sind. In der Anlage 1 zur BKV ist die Erkrankung an einer Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit Nr. 2301 enthalten. Diese erfordert eine gehörgefährdende Lärmeinwirkung im inneren Zusammenhang und aufgrund einer versicherten Tätigkeit (Amtliches Merkblatt zur BK-Nr. 2301, GMBl. 2008/39, S. 798).
Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises erwiesen sein, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BSG, Urteil vom 23. April 2015 - B 2 U 20/14 R -, juris, Rz. 10). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt jeweils das Bestehen einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße - nicht auszuschließende - Möglichkeit. Danach muss bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen (vgl. BSG, Urteil vom 2. November 1999 - B 2 U 47/98 R - SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 2. Mai 2001 - B 2 U 16/00 R - SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 1991 - 2 RU 31/90 - SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Zur Überzeugung des Senates lässt sich bereits nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachweisen, dass die beim Kläger festgestellten Hörschäden bzw. sein Tinnitus durch seine bis Ende 2007 ausgeübte berufliche Tätigkeit verursacht worden sind, mithin die haftungsbegründende Kausalität gegeben ist.
Beim Kläger bestehen laut seinem HNO-Arzt Dr. M., den er zuletzt im November 2008 aufgesucht hatte, Schwerhörigkeit und ein Tinnitus. Die Schwerhörigkeit drückt sich als pantonaler Hörverlust um 50 dB beidseits aus. Ein ursächlicher Zusammenhang dieser Hörschädigung (inklusive eines Tinnitus) mit der beruflichen Tätigkeit ist jedoch auszuschließen, da zur Annahme einer Innenohrschwerhörigkeit bzw. Haarzellschädigung im Sinne der Berufskrankheit Nr. 2301 durch berufsbedingten Lärm nach den aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen in der Literatur (vgl. etwa (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 333 m. w. N., vgl. auch 2.2 der sog. Königsteiner Empfehlungen - abgedruckt in Mehrtens/Perlebach, Kommentar zur BKV, M2301) der Nachweis einer sog. Hochtonsenke im Bereich von 4 kHz ("C5"-Senke) stets erforderlich ist. Das Bild einer Senke ergibt sich audiometrisch, indem oberhalb von 2 kHz oder nach weiterem Fortschreiten oberhalb von 1 kHz ein Steilabfall des Hörvermögens besteht. Im Bereich der ganz hohen Frequenzen steigt die Hörverlustkurve dann wieder an (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 333).
Das von Dr. M. am 3. November 2008 gefertigte Tonaudiogramm hat eine pantonale, d. h. gleichmäßige Einschränkung des Hörvermögens über alle Frequenzen bei dem Kläger gezeigt. Eine Hochtonsenke bzw. das steile Abfallen des Hörvermögens bei 4 kHz als erforderliches wesentliches Kriterium für eine Berufskrankheit Nr. 2301 fehlt offensichtlich, so dass eine wesentliche Verursachung durch die berufsbedingte Lärmexposition des Klägers nicht wahrscheinlich ist. Eine pantonale Einschränkung des Hörvermögens gehört grundsätzlich nicht zum Bild einer berufsbedingten Lärmschwerhörigkeit (LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 25. März 2015 – L 5 U 8/13 –, juris, Rz. 63).
Letztlich können die medizinischen Voraussetzungen für das Vorliegen der Berufskrankheit jedoch dahinstehen, da jedenfalls die arbeitstechnischen nicht erwiesen sind.
Es kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass der Kläger - wie von ihm behauptet - während seiner Call-Center-Tätigkeit in relevantem Maße lärmexponiert war. Dies ist zur Überzeugung des Senats vielmehr eher unwahrscheinlich. Eine Lärmschwerhörigkeit entwickelt sich nur bei ausreichend hoher und ausreichend langer Lärmbelastung. Erforderlich ist der Nachweis, dass die Lärmbelastung entsprechend hoch gewesen ist. Für die Beurteilung der beruflichen Lärmexposition maßgebend ist der auf acht Stunden bezogene äquivalente Dauerschallpegel. Gehörschädigend ist eine Lärmeinwirkung von mehr als 85 dB(A) als äquivalenter Dauerschallpegel bei einem Achtstundentag über viele Arbeitsjahre (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 328). Hat die Lärmexposition durchweg unter 85 dB(A) gelegen, ist eine Lärmschwerhörigkeit ausgeschlossen, es sei denn, der Geräuschpegel enthält stark hochfrequente Frequenzanteile, die für das Gehör besonders schädigend sind. Ist die Exposition kurzzeitig, hat das Gehör ausreichende Erholungszeiten, so dass ein Lärmschaden nicht eintritt (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 329). Der Versicherungsfall einer Berufskrankheit Nr. 2301 ist bereits dann eingetreten, wenn eine lärmbedingte Hörstörung messbar ist, auch ohne dass eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) vorliegt (vgl. Merkblatt zur Lärmschwerhörigkeit, Bekanntmachung des BMAS vom 1. Juli 2008, GMBl. 798 ff.).
Einer solchen vorbeschriebenen Lärmeinwirkung war der Kläger nicht ausgesetzt. Dies entnimmt der Senat vor allem den Ergebnissen der Ermittlung des Präventionsdienstes der Beklagten, insbesondere dessen Stellungnahme vom 14. September 2015, an denen zu zweifeln kein Anlass besteht. Eine Lärmmessung an dem vom Kläger über mehrere Jahre innegehabten Arbeitsplatz in Schutterwald oder einem mit diesem identischem ist nicht mehr möglich gewesen, da die W. S. GmbH in Schutterwald in Insolvenz gefallen ist und danach die Betriebsstätte nicht mehr als Call Center weiterbetrieben wurde. Messungen des Präventionsdienstes der Beklagten an zumindest teilweise vergleichbaren Arbeitsplätzen in Call-Centern haben Expositionspegel von deutlich unter 85 dB(A), nämlich zwischen 62 dB(A) und 69 dB(A), erbracht. Dies ist weitab von einer dauerhaften Lärmeinwirkung, die nach wissenschaftlicher Erkenntnis für die Verursachung einer Lärmschwerhörigkeit verantwortlich gemacht werden kann. Der Senat verkennt dabei nicht, dass die tatsächlichen Arbeitsplätze des Klägers nicht völlig mit den vom Präventionsdienst aufgesuchten identisch und möglicherweise etwa wegen fehlender Trennwände ungünstiger gestaltet waren. Allerdings wurden vom Präventionsdienst die bedeutsamsten Faktoren für die Lärmbelastung, nämlich insbesondere die Geräuschquellen mit den Headsets, das Vorhandensein weiterer Mitarbeiter und daneben auch noch von Bürogeräte (z. B. Fax) erfasst, so dass seine Ergebnisse hier ohne weiteres herangezogen werden können und sich der Senat auch darauf stützen darf. Das SG weist ist diesem Zusammenhang zu Recht darauf, dass der relevante Expositionspegel von 85 dB(A) vom menschlichen Ohr nicht nur als eine Verdoppelung, sondern als ein Vielfaches im Vergleich zu den gemessenen Lärmwerten von maximal 69 dB(A) empfunden würde. Bereits eine Erhöhung von 3 dB(A) entspricht einer Verdoppelung der empfundenen Lautstärke (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 322). Insgesamt spricht auch das Einsatzgebiet des Klägers mit bloßer telefonischer Kundenbetreuung und Bestellannahme erfahrungsgemäß deutlich dagegen, dass es sich um Lärmbereiche handelt. Ein Lärmarbeitsplatz zeichnet sich nämlich grundsätzlich dadurch aus, dass in wesentlichem Umfang mit Maschinen bzw. Motoren umgegangen wird. Ein zusätzliches allgemeines "Stimmengewirr", wie vom Kläger in der Berufungsbegründung vorgebracht, genügt offenkundig insoweit nicht, um die verlangte hohe Lärmbelastung zu erreichen. Gleiches gilt für den geltend gemachten "Stress". Für die Berufskrankheit Nr. 2301 werden objektive Lärmpegel verlangt.
Dass die tatsächliche Lärmbelastung am konkreten Arbeitsplatz nicht mehr gemessen werden kann, geht im Sinne der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers, zumal er erst im Jahr 2012, d.h. mehrere Jahre nach seinem Ausscheiden aus dem Betrieb im Jahr 2007, bei der Beklagten eine mögliche Verbindung seiner Schwerhörigkeit mit der beruflichen Tätigkeit geltend gemacht. Eine Anzeige über den Verdacht einer Berufskrankheit durch seine behandelnden Ärzte - wie sonst üblich - erfolgte nicht.
Angesichts der Deutlichkeit, mit der die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht erfüllt sind, und des Nicht(mehr)bestehens des früheren Arbeitsplatzes des Klägers waren weitere medizinische Ermittlungen nicht geboten. Nichts anderes folgt aus der zuletzt in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Schalldruckpegelaufstellung. Call-Center sind dort nicht als Schallquellen aufgeführt. Am nächsten kommt in der Auflistung den Lärmquellen in einem Call-Center der "sprechende Mensch (normale Unterhaltung)", nämlich in Form von Gesprächen der Mitarbeiter mit den Kunden bzw. von eigenen Kundengespräche am Telefon. Derartige Gespräche haben nach der Internetaufstellung allerdings einen maximalen Schalldruckpegel von 60 dB, so dass sich auch insoweit keine weiteren Ermittlungen aufdrängen.
Der Senat musste nicht dem zweitinstanzlich hilfsweise gestellten Beweisantrag nachgehen. Der Beweisantrag, soweit er darauf gerichtet ist, dass der Kläger einer langjährigen Lärmexposition von 85dB(A) und mehr ausgesetzt war, ist als bloßer Ausforschungsbeweis bereits mangels ausreichender Substantiierung unzulässig. Der Kläger macht lediglich allgemein geltend, neben anderen Beschäftigten mit lauten Bürogeräten und Kopfhöheren auf voller Lautstärke ohne Trennwände tätig gewesen zu sein. Es ist im Beweisrecht unzulässig, Behauptungen aufzustellen, die nicht im erforderlichen Maß substantiiert sind, und Beweiserhebungen zur erforderlichen, aber unterbliebenen Substantiierung zu beantragen (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23. Januar 2014 – L 2 U 240/09 –, juris, Rz. 25; Senatsurteil vom 22. November 2012 – L 6 U 1626/12 –, juris, Rz. 29).
Nach alledem war die Berufung daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger verlangt die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 2301 (Lärmschwerhörigkeit) der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) und die Gewährung einer Rente wegen dieses Versicherungsfalls.
Der im Jahr 1980 geborene Kläger ist nach seinen Angaben seit Oktober 2000 ausgebildeter Call-Center-Agent. Er arbeitete als solcher in einem Call-Center der Firma W. S. GmbH, zunächst in der Niederlassung Magdeburg, von November 2001 bis September 2007 in der Niederlassung Schutterwald und danach bis November 2007 bei der F&S G. für D. GmbH in Offenburg, zuständig u. a. jeweils für die Bestellannahme und Kundenbetreuung. Ab 1. Juni 2008 wurde ihm eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt. Seit Januar 2011 ist beim Kläger eine Schwerbehinderteneigenschaft (Grad der Behinderung 70) wegen Depression, seelischer Störung, Schwerhörigkeit und degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule anerkannt.
Aufgrund seit dem Jahr 2006 zunehmender Depressionen und Kopfschmerzen sowie eines zuletzt aufgetretenen Tinnitus, die er auf seine berufliche Call-Center-Tätigkeit zurückführte, begehrte der Kläger gegenüber der Beklagten die Feststellung einer entsprechenden Berufskrankheit. Mit Bescheid vom 7. Mai 2008 lehnte die Beklagte die Feststellung seiner depressiven Erkrankung als Berufskrankheit ab. Die Erkrankung sei auch nicht wie eine Berufskrankheit anzuerkennen. Im Widerspruchsverfahren verwies der Kläger auf Mobbing, das ihn krank gemacht habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. August 2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Stress, Mobbing und depressive Erkrankungen seien in der Berufskrankheitenliste nicht aufgeführt. Auch eine Anerkennung wie eine Berufskrankheit käme nicht in Betracht, da Stress und Mobbing in allen Berufsgruppen gleichermaßen aufträten. Die Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) bleib ohne Erfolg (Gerichtsbescheid vom 29. Januar 2010 – S 17 U 4559/08). Die Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg wurde zurückgewiesen (Urteil vom 9. Dezember 2010 – L 10 U 825/10), da die Erkrankung des Klägers offenkundig nicht zu den Berufskrankheiten nach § 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) zähle. Es bestehe auch keine Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung einer Wie-Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII. Gesicherte medizinische Erkenntnisse für eine gruppentypische Risikoerhöhung von Telefonisten durch Mobbing und Stress seien nicht ersichtlich.
In der Folge verlangte der Kläger mit Schreiben vom 21. August 2012 vom Beklagten die Neubewertung seines Anliegens, da sich sein Krankheitsbild "Burn-Out" in allen Berufsgruppen ausbreite. Als Telefonist sei er erheblichen Stressfaktoren ausgesetzt gewesen. In einem weiteren Schreiben vom 4. Oktober 2012 ergänzte der Kläger, dass er unter Tinnitus leide und schlechter höre, was auch eine Folge von tausenden Stunden Telefonieren in voller Lautstärke bei immensen Lärmpegel im Call-Center sei.
Die Beklagte leitete darauf im Hinblick einerseits auf ein Burn-Out-Syndrom und anderseits auf eine Schwerhörigkeit jeweils neue Verfahren bezüglich des Bestehens einer Berufskrankheit ein.
Mit Bescheid vom 20. Februar 2013 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Burn-Out-Erkrankung als Berufskrankheit und Wie-Berufskrankheit ab, da beruflicher Stress ein Bestandteil vieler beruflicher Tätigkeiten sei und noch keine gesicherten Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaften darüber vorlägen, dass Mitarbeiter in einem Call-Center in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung gefährdet seien, an einem Burn-Out-Syndrom zu erkranken. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 20. Juni 2013), und die hiergegen angestrengte Klage wurde vom SG rechtskräftig abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 15. September 2015 - S 9 U 3055/13).
Im Verfahren wegen der Schwerhörigkeit zog der Beklagte Unterlagen bei, wonach beim Kläger Tinnitus und Schwerhörigkeit diagnostiziert worden seien und ihm ein sog. Geräuschgerät (Tinnitus-Noiser) links verordnet worden sei.
Nachdem der von der Beklagten eigeschaltete Präventionsdienst in seiner Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition vom 15. März 2013 angegeben hatte, dass der Kläger in seiner beruflichen Tätigkeit bei der W. S. GmbH von Oktober 2000 bis September 2007 Tageslärmpegeln von unter 85 dB(A) und keinem gehörschädigenden Lärm auf der Grundlage von Erfahrungswerten über vergleichbare Arbeitsplätze in Call-Centern und von technischen Aufsichtspersonen durchgeführten orientierenden Lärmmessungen ausgesetzt gewesen sei, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 22. April 2013 fest, dass beim Kläger keine Berufskrankheit nach Nr. 2301 der BKV und keine Ansprüche auf Leistungen bestünden. Dies gelte auch für Leistungen oder Maßnahmen, die geeignet seien, dem Entstehen einer Berufskrankheit entgegenzuwirken. Zur Begründung wurde zusätzlich angeführt, dass eine durch Lärm bedingte Schädigung des Innenohres nicht vorliege und es sich beim Tinnitus des Klägers nicht um die Folge einer möglichen Lärmeinwirkung handele.
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und brachte u. a. vor, dass die Beurteilung der Beklagten an der Wirklichkeit vorbeigehe. Er habe in Großraumbüros mit hunderten Mitarbeitern (Magdeburg) bzw. mindestens dutzenden (Schutterwald) gearbeitet. Die Kopfhörer seien auf voller Lautstärke gewesen und das jahrelang.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Am 8. August 2013 hat der Kläger beim SG Klage erhoben. Er führt an, dass er neben der Lärmbeeinträchtigung durch die mittels Kopfhörer extrem verstärkten Stimmen der Kunden auch anderen Lärmquellen, wie Faxgeräten, ausgesetzt gewesen sei. Zusätzlich sei der permanente Stress verantwortlich für seine Erkrankung. Während seiner Tätigkeit habe es keinerlei Lärmschutzmaßnahmen wie etwa Trennwände gegeben.
Die Beklagte hat auf Anforderung des SG eine weitere Stellungnahme ihres Präventionsdienstes vom 14. September 2015 vorgelegt, wonach Lärmmessungen am früheren Arbeitsplatz nicht mehr möglich seien, da die Betriebsstätte nach einer Insolvenz nicht mehr als Call-Center betrieben werde. Nunmehr bestünden Call-Center-Arbeitsplätze im Kundencenter in Ettlingen, die nach Auskunft des ehemaligen Arbeitgebers teilweise den ehemaligen Arbeitsplätzen entsprechen sollten. Auch habe dort ermittelt werden können, welche Headsets den Beschäftigten zur Verfügung gestanden hätten. Messungen an verschiedenen diesem Standort vergleichbaren Arbeitsplätzen hätten Schallpegel zwischen 62 dB(A) und 69 dB(A) ergeben. Danach sei nicht von einem gehörschädigenden Lärm am früheren Arbeitsplatz des Klägers auszugehen.
Mit Urteil vom 8. März 2016, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 21. März 2016, hat das SG die Klage abgewiesen. Soweit durch den Kläger die Verurteilung der Beklagten zu einer Rente beantragt worden sei, sei die Klage mangels Verwaltungsentscheidung unzulässig. Die Klage auf Feststellung von Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit sei unbegründet, da bereits die erforderliche Einwirkungskausalität in Form eines Tages-Lärmexpositionspegels von 85 dB(A) oder mehr nicht nachgewiesen und auch nicht durch weitere Ermittlungen nachweisbar sei. Eine Erhöhung um 3 dB entspreche einer Verdoppelung der empfundenen Lautstärke. Die erforderliche Belastung von 85 dB(A) oder mehr anstelle einer solchen von lediglich 69 dB(A) müsste daher mit einem Vielfachen des empfundenen Lärms im Vergleich zu den vom Präventionsdienst aufgesuchten Arbeitsplätzen einhergegangen sein. Dies sei in Anbetracht von identischen Geräuschquellen (insbesondere Headsets, weitere Mitarbeiter, Bürogeräte) und im Wesentlichen vergleichbaren, für ein Call-Center typischen Arbeitsvorgängen bei lediglich geringen, z. B. die Abschirmung des individuellen Arbeitsplatzes betreffenden Unterschieden, nur schwer vorstellbar, geschweige denn nachgewiesen.
Am 21. April 2016 hat der Kläger beim LSG Baden-Württemberg Berufung mit der Begründung eingelegt, dass die Messungen des Präventionsdienstes nicht haltbar seien. Am früheren Arbeitsplatz sei der Lärmschutz kleingeschrieben worden. Es hätten sich dutzende Menschen in einem Raum befunden. Das Stimmengewirr sei für ihn eine erhebliche Lärmbelastung gewesen. Der Sachverhalt sei nicht ausreichend ermittelt.
Der Senat hat die Akte des Landratsamtes Ortenaukreis - Versorgungsamt - zum Verfahren beigezogen. Dort gab der Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr. M. am 14. Mai 2012 an, dass er den Kläger zuletzt im November 2008 behandelt habe. Im Tonaudiogramm sei ein pantonaler Hörverlust um 50 dB beidseits erhoben worden. Er habe ein Geräuschgerät links empfohlen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 8. März 2016 und den Bescheid vom 22. April 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die bei ihm vorliegende Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung anzuerkennen und ihm eine Verletztenrente zu gewähren, hilfsweise ein Sachverständigengutachten darüber einzuholen, dass er, der Kläger, einer langjährigen Exposition bei einem Wert von 85 dB(A) und höher ausgesetzt gewesen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie führt an, dass die vom Präventionsdienst durchgeführten Messungen an verschiedenen vergleichbaren Arbeitsplätzen in den Betriebsräumen (vor, während und nach dem Schichtwechsel) erfolgt seien. Diese hätten einen Schallpegel zwischen 62 dB(A) und 69 dB(A) ergeben. Als weitere Grundlage für die Beurteilung sei auf Erfahrungswerte über vergleichbare Arbeitsplätze in Call-Centern und von technischen Aufsichtspersonen durchgeführte orientierende Lärmmessungen verwiesen worden. Der Sachverhalt sei ausreichend ermittelt.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 15. Dezember 2016 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers eine Auflistung von Schalldruckpegeln aus einer Internetenzyklopädie vorgelegt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten der Beklagten, die Gerichts- und Verwaltungsakten über die parallelen Verfahren S 17 U 4559/08, L 10 U 825/10 und S 9 U 3055/13 sowie den der Prozessakten aus erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist form- und nach § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) fristgerecht eingelegt worden. Die Berufung ist nach § 143 SGG statthaft, insbesondere war sie nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, da der Kläger nicht - nur - Leistungen begehrt, sondern - vor allem - eine behördliche Anerkennung bzw. Feststellung. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Berufung ist bereits mangels Zulässigkeit der Klage unbegründet, soweit mit dieser unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des SG und des Bescheides vom 22. April 2013 und der Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 2013 die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer Verletztenrente begehrt worden ist. Mit der angefochtenen Verwaltungsentscheidung hat die Beklagte es zum einen nur abgelehnt festzustellen, dass beim Kläger eine Berufskrankheit nach Nr. 2103 der Anlage 1 zur BKV vorliegt. Zum anderen hat sie im Kontext mit der Formulierung, dass Ansprüche auf Leistungen nicht bestehen, was auch für Leistungen oder Maßnahmen gelte, die geeignet seien, dem Entstehen einer Berufskrankheit entgegenzuwirken, sinngemäß ein Recht auf Leistungen nach § 3 Abs. 1 BKV versagt. Damit liegen – worauf bereits das SG zutreffend hingewiesen hat - die Sachentscheidungsvoraussetzungen für das Klagebegehren, welches auf die Gewährung einer Rente abzielt, nicht vor. Der Kläger ist insoweit nicht klagebefugt im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG. Es reicht zwar aus, dass eine Verletzung in eigenen Rechten möglich ist und Rechtsschutzsuchende die Beseitigung einer in ihre Rechtssphäre eingreifenden Verwaltungsmaßnahme anstreben, von der sie behaupten, sie sei nicht rechtmäßig (vgl. BSG, Urteil vom 5. Juli 2007 - B 9/9a SB 2/06 R -, SozR 4-3250 § 69 Nr. 5, Rz. 18). An der Klagebefugnis fehlt es demgegenüber, wenn eine Verletzung subjektiver Rechte nicht in Betracht kommt (vgl. BSG, Urteil vom 14. November 2002 - B 13 RJ 19/01 R -, BSGE 90, 127 (130)), weil hinsichtlich des Klagebegehrens keine gerichtlich überprüfbare Verwaltungsentscheidung vorliegt (BSG, Urteil vom 21. September 2010 - B 2 U 25/09 R -, juris, Rz. 12). Über ein Recht auf Rente wurde mit Bescheid vom 17. Mai 2011 nicht entschieden; demgegenüber wurde, neben der sinngemäßen Versagung der konkreten Leistungen nach § 3 Abs. 1 BKV, nur unbestimmt ausgeführt, dass Ansprüche auf Leistungen nicht bestehen. Die Unzulässigkeit der Anfechtungsklage zieht die Unzulässigkeit der mit ihr kombinierten Leistungsklage nach sich (vgl. Senatsurteil vom 28. Juli 2016 – L 6 U 2991/15 –, juris, Rz. 30).
Soweit der Kläger mit der kombinierten Anfechtungs- und (sachdienlich gefasst) Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG; zur Klageart vgl. BSG, Urteil vom 18. Juni 2013 - B 2 U 6/12 R -, SozR 4-2700 § 9 Nr. 22, Rz. 13 m. w. N.) die Beseitigung des ablehnenden Bescheides vom 22. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 2013 sowie die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 2103 der Anlage 1 zur BKV bei ihm begehrt, ist die Berufung ebenfalls unbegründet, hingegen nicht wegen Unzulässigkeit, sondern wegen Unbegründetheit der Klage. Denn mangels Vorliegen der Voraussetzungen für die Feststellung dieser Berufskrankheit, ist der insoweit angefochtene Verwaltungsakt rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Versicherte können von der zuständigen Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 102 SGB VII die Feststellung eines Versicherungsfalles, und zwar gleichermaßen eines Arbeitsunfalles und einer Berufskrankheit, beanspruchen (vgl. zu beiden Versicherungsfällen BSG, Urteil vom 5. Juli 2011 - B 2 U 17/10 R -, juris, Rz. 14). Die Voraussetzungen hierfür liegen jedoch nicht vor.
Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet, und die Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz SGB VII). Aufgrund der Ermächtigung in § 9 Abs. 1 SGB VII hat die Bundesregierung die BKV vom 31. Oktober 1997 (BGBl. I, S. 2623) erlassen, in der die derzeit als Berufskrankheiten anerkannten Krankheiten aufgeführt sind. In der Anlage 1 zur BKV ist die Erkrankung an einer Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit Nr. 2301 enthalten. Diese erfordert eine gehörgefährdende Lärmeinwirkung im inneren Zusammenhang und aufgrund einer versicherten Tätigkeit (Amtliches Merkblatt zur BK-Nr. 2301, GMBl. 2008/39, S. 798).
Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises erwiesen sein, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BSG, Urteil vom 23. April 2015 - B 2 U 20/14 R -, juris, Rz. 10). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt jeweils das Bestehen einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße - nicht auszuschließende - Möglichkeit. Danach muss bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen (vgl. BSG, Urteil vom 2. November 1999 - B 2 U 47/98 R - SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 2. Mai 2001 - B 2 U 16/00 R - SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 1991 - 2 RU 31/90 - SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Zur Überzeugung des Senates lässt sich bereits nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachweisen, dass die beim Kläger festgestellten Hörschäden bzw. sein Tinnitus durch seine bis Ende 2007 ausgeübte berufliche Tätigkeit verursacht worden sind, mithin die haftungsbegründende Kausalität gegeben ist.
Beim Kläger bestehen laut seinem HNO-Arzt Dr. M., den er zuletzt im November 2008 aufgesucht hatte, Schwerhörigkeit und ein Tinnitus. Die Schwerhörigkeit drückt sich als pantonaler Hörverlust um 50 dB beidseits aus. Ein ursächlicher Zusammenhang dieser Hörschädigung (inklusive eines Tinnitus) mit der beruflichen Tätigkeit ist jedoch auszuschließen, da zur Annahme einer Innenohrschwerhörigkeit bzw. Haarzellschädigung im Sinne der Berufskrankheit Nr. 2301 durch berufsbedingten Lärm nach den aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen in der Literatur (vgl. etwa (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 333 m. w. N., vgl. auch 2.2 der sog. Königsteiner Empfehlungen - abgedruckt in Mehrtens/Perlebach, Kommentar zur BKV, M2301) der Nachweis einer sog. Hochtonsenke im Bereich von 4 kHz ("C5"-Senke) stets erforderlich ist. Das Bild einer Senke ergibt sich audiometrisch, indem oberhalb von 2 kHz oder nach weiterem Fortschreiten oberhalb von 1 kHz ein Steilabfall des Hörvermögens besteht. Im Bereich der ganz hohen Frequenzen steigt die Hörverlustkurve dann wieder an (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 333).
Das von Dr. M. am 3. November 2008 gefertigte Tonaudiogramm hat eine pantonale, d. h. gleichmäßige Einschränkung des Hörvermögens über alle Frequenzen bei dem Kläger gezeigt. Eine Hochtonsenke bzw. das steile Abfallen des Hörvermögens bei 4 kHz als erforderliches wesentliches Kriterium für eine Berufskrankheit Nr. 2301 fehlt offensichtlich, so dass eine wesentliche Verursachung durch die berufsbedingte Lärmexposition des Klägers nicht wahrscheinlich ist. Eine pantonale Einschränkung des Hörvermögens gehört grundsätzlich nicht zum Bild einer berufsbedingten Lärmschwerhörigkeit (LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 25. März 2015 – L 5 U 8/13 –, juris, Rz. 63).
Letztlich können die medizinischen Voraussetzungen für das Vorliegen der Berufskrankheit jedoch dahinstehen, da jedenfalls die arbeitstechnischen nicht erwiesen sind.
Es kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass der Kläger - wie von ihm behauptet - während seiner Call-Center-Tätigkeit in relevantem Maße lärmexponiert war. Dies ist zur Überzeugung des Senats vielmehr eher unwahrscheinlich. Eine Lärmschwerhörigkeit entwickelt sich nur bei ausreichend hoher und ausreichend langer Lärmbelastung. Erforderlich ist der Nachweis, dass die Lärmbelastung entsprechend hoch gewesen ist. Für die Beurteilung der beruflichen Lärmexposition maßgebend ist der auf acht Stunden bezogene äquivalente Dauerschallpegel. Gehörschädigend ist eine Lärmeinwirkung von mehr als 85 dB(A) als äquivalenter Dauerschallpegel bei einem Achtstundentag über viele Arbeitsjahre (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 328). Hat die Lärmexposition durchweg unter 85 dB(A) gelegen, ist eine Lärmschwerhörigkeit ausgeschlossen, es sei denn, der Geräuschpegel enthält stark hochfrequente Frequenzanteile, die für das Gehör besonders schädigend sind. Ist die Exposition kurzzeitig, hat das Gehör ausreichende Erholungszeiten, so dass ein Lärmschaden nicht eintritt (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 329). Der Versicherungsfall einer Berufskrankheit Nr. 2301 ist bereits dann eingetreten, wenn eine lärmbedingte Hörstörung messbar ist, auch ohne dass eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) vorliegt (vgl. Merkblatt zur Lärmschwerhörigkeit, Bekanntmachung des BMAS vom 1. Juli 2008, GMBl. 798 ff.).
Einer solchen vorbeschriebenen Lärmeinwirkung war der Kläger nicht ausgesetzt. Dies entnimmt der Senat vor allem den Ergebnissen der Ermittlung des Präventionsdienstes der Beklagten, insbesondere dessen Stellungnahme vom 14. September 2015, an denen zu zweifeln kein Anlass besteht. Eine Lärmmessung an dem vom Kläger über mehrere Jahre innegehabten Arbeitsplatz in Schutterwald oder einem mit diesem identischem ist nicht mehr möglich gewesen, da die W. S. GmbH in Schutterwald in Insolvenz gefallen ist und danach die Betriebsstätte nicht mehr als Call Center weiterbetrieben wurde. Messungen des Präventionsdienstes der Beklagten an zumindest teilweise vergleichbaren Arbeitsplätzen in Call-Centern haben Expositionspegel von deutlich unter 85 dB(A), nämlich zwischen 62 dB(A) und 69 dB(A), erbracht. Dies ist weitab von einer dauerhaften Lärmeinwirkung, die nach wissenschaftlicher Erkenntnis für die Verursachung einer Lärmschwerhörigkeit verantwortlich gemacht werden kann. Der Senat verkennt dabei nicht, dass die tatsächlichen Arbeitsplätze des Klägers nicht völlig mit den vom Präventionsdienst aufgesuchten identisch und möglicherweise etwa wegen fehlender Trennwände ungünstiger gestaltet waren. Allerdings wurden vom Präventionsdienst die bedeutsamsten Faktoren für die Lärmbelastung, nämlich insbesondere die Geräuschquellen mit den Headsets, das Vorhandensein weiterer Mitarbeiter und daneben auch noch von Bürogeräte (z. B. Fax) erfasst, so dass seine Ergebnisse hier ohne weiteres herangezogen werden können und sich der Senat auch darauf stützen darf. Das SG weist ist diesem Zusammenhang zu Recht darauf, dass der relevante Expositionspegel von 85 dB(A) vom menschlichen Ohr nicht nur als eine Verdoppelung, sondern als ein Vielfaches im Vergleich zu den gemessenen Lärmwerten von maximal 69 dB(A) empfunden würde. Bereits eine Erhöhung von 3 dB(A) entspricht einer Verdoppelung der empfundenen Lautstärke (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 322). Insgesamt spricht auch das Einsatzgebiet des Klägers mit bloßer telefonischer Kundenbetreuung und Bestellannahme erfahrungsgemäß deutlich dagegen, dass es sich um Lärmbereiche handelt. Ein Lärmarbeitsplatz zeichnet sich nämlich grundsätzlich dadurch aus, dass in wesentlichem Umfang mit Maschinen bzw. Motoren umgegangen wird. Ein zusätzliches allgemeines "Stimmengewirr", wie vom Kläger in der Berufungsbegründung vorgebracht, genügt offenkundig insoweit nicht, um die verlangte hohe Lärmbelastung zu erreichen. Gleiches gilt für den geltend gemachten "Stress". Für die Berufskrankheit Nr. 2301 werden objektive Lärmpegel verlangt.
Dass die tatsächliche Lärmbelastung am konkreten Arbeitsplatz nicht mehr gemessen werden kann, geht im Sinne der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers, zumal er erst im Jahr 2012, d.h. mehrere Jahre nach seinem Ausscheiden aus dem Betrieb im Jahr 2007, bei der Beklagten eine mögliche Verbindung seiner Schwerhörigkeit mit der beruflichen Tätigkeit geltend gemacht. Eine Anzeige über den Verdacht einer Berufskrankheit durch seine behandelnden Ärzte - wie sonst üblich - erfolgte nicht.
Angesichts der Deutlichkeit, mit der die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht erfüllt sind, und des Nicht(mehr)bestehens des früheren Arbeitsplatzes des Klägers waren weitere medizinische Ermittlungen nicht geboten. Nichts anderes folgt aus der zuletzt in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Schalldruckpegelaufstellung. Call-Center sind dort nicht als Schallquellen aufgeführt. Am nächsten kommt in der Auflistung den Lärmquellen in einem Call-Center der "sprechende Mensch (normale Unterhaltung)", nämlich in Form von Gesprächen der Mitarbeiter mit den Kunden bzw. von eigenen Kundengespräche am Telefon. Derartige Gespräche haben nach der Internetaufstellung allerdings einen maximalen Schalldruckpegel von 60 dB, so dass sich auch insoweit keine weiteren Ermittlungen aufdrängen.
Der Senat musste nicht dem zweitinstanzlich hilfsweise gestellten Beweisantrag nachgehen. Der Beweisantrag, soweit er darauf gerichtet ist, dass der Kläger einer langjährigen Lärmexposition von 85dB(A) und mehr ausgesetzt war, ist als bloßer Ausforschungsbeweis bereits mangels ausreichender Substantiierung unzulässig. Der Kläger macht lediglich allgemein geltend, neben anderen Beschäftigten mit lauten Bürogeräten und Kopfhöheren auf voller Lautstärke ohne Trennwände tätig gewesen zu sein. Es ist im Beweisrecht unzulässig, Behauptungen aufzustellen, die nicht im erforderlichen Maß substantiiert sind, und Beweiserhebungen zur erforderlichen, aber unterbliebenen Substantiierung zu beantragen (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23. Januar 2014 – L 2 U 240/09 –, juris, Rz. 25; Senatsurteil vom 22. November 2012 – L 6 U 1626/12 –, juris, Rz. 29).
Nach alledem war die Berufung daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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