L 11 R 2793/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 2095/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 2793/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 30.06.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1963 geborene Kläger ist nach eigenen Angaben gelernter Maschinenschlosser. Zuletzt war er im Rahmen der Personenbeförderung im Werksverkehr versicherungspflichtig beschäftigt bis 2014. Seither ist der Kläger arbeitsunfähig krank bzw arbeitslos. Nach Bezug von Krankengeld erhielt er Arbeitslosengeld bis November 2016.

Vom 10.05. bis 07.06.2010 absolvierte der Kläger eine medizinische Rehabilitation in der S.-Klinik B. B ... Bei Vorliegen einer Anpassungsstörung, eines chronischen Schmerzsyndroms mit belastungsabhängigen Gelenkbeschwerden, Adipositas sowie arterieller Hypertonie wurde von dort eingeschätzt, dass der Kläger für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Bauhofmitarbeiter sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig leistungsfähig sei.

Die nachfolgend beantragte Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.02.2012 ab. Die hiergegen am 22.02.2012 zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhobene Klage (S 9 R 448/12) nahm der Kläger am 05.03.2012 wieder zurück.

Vom 03. bis 11.06.2014 absolvierte der Kläger eine weitere Rehabilitationsmaßnahme in der K.-Klinik S. B ... Im Entlassungsbericht wird ausgeführt, der Kläger habe von Anfang an keine ausreichende Mitarbeitsfähigkeit gezeigt, er habe sich verbal aggressiv gegeben, sich provozierend, externalisierend und fremdbeschuldigend gezeigt. Nach einer Woche habe er mitgeteilt, sein Gesundheitszustand habe sich verschlechtert, der Aufenthalt belaste ihn, er habe Durchfall. Er sei daher entlassen worden. Bezüglich der letzten Tätigkeit als Busfahrer sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe vollschichtiges Leistungsvermögen (Diagnosen: Anpassungsstörung, LWS-Syndrom).

Am 10.10.2014 stellte der Kläger den streitgegenständlichen Rentenantrag, den die Beklagte mit Bescheid vom 03.12.2014 ablehnte. Mit seinem Widerspruch vom 17.12.2014 verwies der Kläger auf eine schwerwiegende psychische Störung und legte ein Attest des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. vom 13.01.2015 vor. Darin wird ausgeführt, im Rahmen der Persönlichkeitsveränderung zeige der Kläger ein teils nach außen querulatorisch imponierendes Verhalten, was jedoch einer tiefen Kränkung des Selbstwertgefühls mit depressiver Entwicklung zuzurechnen sei. Dem allgemeinen Arbeitsmarkt stehe er auf absehbare Zeit nicht zur Verfügung. Die Beklagte holte daraufhin ein nervenärztliches Gutachten bei Dr. H. ein. Im Gutachten vom 20.05.2015 wurde eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, Dysthymia und Verdacht auf kombinierte Persönlichkeitsstörung mit passiv-aggressiven, reizbaren und kränkbaren Zügen diagnostiziert. Im Grunde ließen sich keine relevanten funktionellen Leistungseinschränkungen begründen, abgesehen von körperlicher Schwerarbeit aufgrund des Lebensalters. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.07.2015 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch zurück.

Hiergegen richtet sich die am 04.08.2015 zum SG erhobene Klage. Zur Begründung wird vorgetragen, der Entlassungsbericht der K.-Klinik zeige deutlich, dass eine reguläre Arbeitsleistung nicht möglich sei. Selbst im geschützten Rahmen der Rehamaßnahme habe der Kläger weder zu Therapeuten noch Mitpatienten sozialadäquat in Kontakt treten können.

Das SG hat die behandelnden Ärzte Dr. B., Dr. T., Herrn M. sowie Dipl.-Psych. F. schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen und anschließend ein nervenärztliches Gutachten bei Dr. T. eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 04.04.2016 folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen, emotional-instabilen und querulatorischen Anteilen, chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, Adipositas und arterielle Hypertonie. Auf körperlichem Gebiet bestünden keine wesentlichen Vorerkrankungen. Leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten könne der Kläger sechs Stunden und mehr täglich erbringen. Arbeiten unter Nässe und Kälte, Nachtarbeit sowie übermäßiger Publikumsverkehr oder Personalverantwortung seien zu vermeiden.

Mit Gerichtsbescheid vom 30.06.2016 hat das SG gestützt auf das Gutachten von Dr. T. die Klage abgewiesen.

Gegen den seinen Bevollmächtigten am 07.07.2016 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 28.07.2016 eingelegte Berufung des Klägers. Das Gutachten von Dr. T. sei unschlüssig. Er ignoriere die Mitteilung des Dr. B. vom 25.09.2015, dass die Rehamaßnahme im Frühjahr 2014 bei unzureichender Mitarbeitsfähigkeit auf dem Boden bestehender Verhaltensauffälligkeiten medizinischerseits beendet worden sei. Der Gutachter verkenne, dass der Kläger bereit sei, sich therapieren zu lassen, davon aber nicht profitiere. Es sei nicht zu erkennen, dass Dr. T. den Leitlinien der sozialmedizinischen Begutachtung psychisch Erkrankter folge. Er solle ergänzend befragt werden. Im Übrigen habe der Kläger geschildert, dass die Begutachtung während des laufenden Praxisbetriebs eher "nebenher" erfolgt sei, er sei maximal zwei Stunden in der Praxis gewesen. Die Aussage des Gutachters, dem Kläger gehe es überwiegend darum, Erwerbsminderungsrente zu beziehen und er sei nicht motiviert, seinen Gesundheitszustand zu verbessern, lege eine Befangenheit des Gutachters nahe. Das Gutachten sei nicht verwertbar.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 30.06.2016 und den Bescheid der Beklagten vom 03.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.07.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 01.10.2014 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf ihren Vortrag in erster Instanz sowie die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid.

Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme bei Dr. T. eingeholt. Dieser hat mit Schreiben vom 02.11.2016 ausgeführt, in seinem Gutachten sei er auf die Diagnosekriterien nach ICD-10 für Persönlichkeitsstörungen eingegangen. Diese Diagnose allein rechtfertige keinesfalls eine Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit, maßgebend seien die konkreten funktionellen Beeinträchtigungen im Alltag. Er sei seit über 10 Jahren zertifizierter Gutachter der Deutschen Gesellschaft für Neurologie und Gesellschaft für Neurowissenschaftliche Begutachtung. Die Bevollmächtigten des Klägers behaupteten ohne konkrete Begründung, dass das Gutachten nicht den Leitlinien entspreche, dies könne er nicht nachvollziehen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat keinen Erfolg.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144 151 Abs 1 SGG), in der Sache jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 03.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.07.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, denn er ist nicht erwerbsgemindert.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch - (SGB VI) in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554). Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3).

Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).

Zur Überzeugung des Senats kann der Kläger täglich noch mindestens sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten, weshalb er nicht erwerbsgemindert ist. Zu vermeiden sind lediglich Arbeiten unter Nässe und Kälte, Nachtarbeit sowie übermäßiger Publikumsverkehr oder Personalverantwortung.

Diese Überzeugung schöpft der Senat im Wesentlichen aus dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. T. vom 04.04.2016 sowie dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten von Dr. H. vom 20.05.2015, das im Wege des Urkundsbeweises verwertet wird. Beide Sachverständige haben übereinstimmend und für den Senat gut nachvollziehbar ausgeführt, dass dem Kläger unter Beachtung der og Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeit im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich möglich ist. Diese Beurteilung stimmt auch vollkommen mit den Einschätzungen ein, die in den Reha-Verfahren in den Jahren 2010 und 2014 getroffen wurden.

Beim Kläger liegen nach dem Gutachten von Dr. T. folgende Gesundheitsstörungen vor: &61630; kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen, emotional-instabilen und querulatorischen Anteilen &61630; chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren &61630; Adipositas &61630; arterielle Hypertonie.

Ein gravierender organischer Befund liegt nicht vor, allenfalls bestehen Wirbelsäulen- und Gelenkbeschwerden bei ausgeprägter Adipositas (BMI 36,3 kg/m²). Insoweit bestehen jedoch keine relevanten Funktionseinschränkungen, wie bereits nachvollziehbar Dr. H. ausgeführt hat und auch Dr. T. bestätigt. Die neurologischen Untersuchungen ergaben keinerlei Auffälligkeiten. Eine regelmäßige orthopädische oder hausärztliche Behandlung findet nicht statt, wie sich bereits aus den Aussagen des Orthopäden Dr. T. vom 26.01.2016 (dort letzte Behandlung im September 2014) und Herrn M. vom 04.11.2015 (dort zuletzt 2013) gegenüber dem SG ergibt. Auch gegenüber Dr. T. hat der Kläger bestätigt, dass insoweit keine regelmäßige Behandlung stattfindet. Seit 2014 nimmt der Kläger nach eigenen Angaben überdies keinerlei Medikamente mehr ein, auch keine Schmerzmittel.

Die psychischen Erkrankungen haben ebenfalls keinen Schweregrad, der eine Einschränkung des Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht zu begründen vermag. Die Persönlichkeitsstörung, von Dr. H. noch als Verdachtsdiagnose geäußert, bewirkt nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. T. sowohl in seinem Gutachten als auch in seiner ergänzenden Stellungnahme keine Einschränkungen abgesehen von der Vermeidung übermäßigen Publikumsverkehrs oder Personalverantwortung. Nach den Leitlinien für die sozialmedizinische Begutachtung bei psychischen und Verhaltensstörungen (Stand August 2012; s dort unter 5.3.5), müssen insbesondere die Funktionen und Aktivitäten berücksichtigt werden, die für die Teilhabe am Erwerbsleben maßgeblich sind. Bereits Dr. H. hat darauf hingewiesen, dass der Kläger einen ausgefüllten Tagesablauf habe, mittags und abends für sich koche, spazieren gehe, als Hobby segele, wobei er das Boot aus finanziellen Gründen wohl verkaufen müsse. Die täglichen Besorgungen würden mit dem Fahrrad erledigt. Seine sozialen Kontakte habe er immer noch im Yachtclub, er sei Bootsmann für ein Clubboot und besuche abends häufig den Yachtclub, um Freunde zu treffen. Gegenüber Dr. T. hat der Kläger dagegen angegeben, er verlasse die Wohnung nur zum Einkaufen und habe keinen Freundes- oder Bekanntenkreis. Diese Angaben hat Dr. T. nachvollziehbar nicht für glaubhaft gehalten. Während der Untersuchung bestanden deutliche Hinweise für Aggravation und inadäquates Beschwerdevorbringen. In der Verhaltensbeobachtung während der Untersuchung ergaben sich keinerlei Hinweise für relevante Schmerzen, der Kläger saß ruhig und entspannt auf seinem Stuhl. Demgegenüber gab er in dem strukturierten Fragebogen Schmerzen mit einer Intensität von 7 von 10 an. Im psychischen Befund waren Konzentration und Aufmerksamkeit ungestört, das Denken war eingeengt auf die soziale Situation bei ausgeglichener Affektlage, uneingeschränkter Schwingungsfähigkeit und ausgeglichenem Antrieb und Psychomotorik. Ein durchaus vergleichbarer Befund hatte sich auch bei der Untersuchung durch Dr. H. gezeigt. Angesichts dessen ist für den Senat plausibel und überzeugend, dass sich keine gravierenden Funktionsbeeinträchtigungen aus der psychischen Erkrankung ableiten lassen. Den geänderten Vortrag des Klägers im Rahmen der Schilderung des alltäglichen Lebens bewertet der Senat daher als zielgerichtet im Rahmen des vorliegenden Verfahrens.

Die Schmerzerkrankung ist nach den Ausführungen der Gutachter Dr. H. und Dr. T. ebenfalls nicht so stark ausgeprägt, dass sie Einfluss auf das zeitliche Leistungsvermögen für eine berufliche Tätigkeit nehmen könnte. Zu verweisen ist auch insoweit darauf, dass die Angabe starker Schmerzen bei der Begutachtung durch Dr. T. in deutlichem Kontrast zu dem Verhalten während der Untersuchung stand. An Therapie findet lediglich ambulante Psychotherapie statt, regelmäßige hausärztliche, schmerztherapeutische oder orthopädische Behandlung war in den letzten Jahren nicht erforderlich. Bei Dr. B. ist der Kläger nur alle drei Monate in Behandlung. Insbesondere nimmt der Kläger bereits seit 2014 nach seinen eigenen Angaben keinerlei Medikamente mehr ein, auch keine Schmerzmittel. Diese insgesamt geringe Inanspruchnahme therapeutischer Möglichkeiten spricht, worauf Dr. T. zu Recht hinweist, sowohl für eine geringe Behandlungsbedürftigkeit als auch Behandlungsmotivation. Soweit der Kläger einwendet, er sei sehr wohl therapiewillig, ihm helfe eine Behandlung nur nicht, ist dies nicht nachvollziehbar. Die fehlende Behandlungsmotivation lässt sich sowohl aus den Reha-Berichten wie den Gutachten von Dr. H. und Dr. T. ohne weiteres nachvollziehen. Bereits im Entlassungsbericht der K.-Klinik aus dem Jahr 2010 wird auf eine fragliche Behandlungsmotivation hingewiesen.

Soweit abweichend von den Gutachtern Dr. H. und Dr. T. die Behandler Dr. B. und Dipl.-Psych. F. von einem aufgehobenen Leistungsvermögen ausgehen, überzeugt dies den Senat nicht. Der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit eines Versicherten durch gerichtliche Sachverständige kommt nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl Urteile vom 18.06.2013, L 11 R 506/12; 17.01.2012, L 11 R 4953) grundsätzlich ein höherer Beweiswert zu als der Einschätzung der behandelnden Ärzte. Bei der Untersuchung von Patienten unter therapeutischen Gesichtspunkten spielt die Frage nach der Einschätzung des beruflichen Leistungsvermögens in der Regel keine Rolle. Dagegen ist es die Aufgabe des Sachverständigen, die Untersuchung gerade im Hinblick darauf vorzunehmen, ob und in welchem Ausmaß gesundheitliche Beschwerden zu einer Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens führen. In diesem Zusammenhang muss der Sachverständige auch die Beschwerdeangaben eines Versicherten danach überprüfen, ob und inwieweit sie sich mit dem klinischen Befund erklären lassen. Eine solche Konsistenzprüfung haben die behandelnden Ärzte – aus therapeutischer Sicht nicht zu beanstanden – nicht vorgenommen. Die deutlichen Hinweise auf Aggravation und Inkonsistenzen zwischen Befunden und Beschwerdeangaben zeigen vorliegend jedoch deutlich, dass allein aufgrund der ungeprüften eigenen Angaben des Klägers eine zuverlässige Leistungseinschätzung nicht gelingen kann.

Der Kläger ist auch wegefähig im rentenrechtlichen Sinne. Zur Erwerbsfähigkeit gehört auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen (BSG 09.08.2001, B 10 LW 18/00 R, SozR 3-5864 § 13 Nr 2 mwN; 28.08.2002, B 5 RJ 12/02 R). Denn eine Tätigkeit zum Zweck des Gelderwerbs ist in der Regel nur außerhalb der Wohnung möglich. Das Vorhandensein eines Minimums an Mobilität ist deshalb Teil des nach § 43 SGB VI versicherten Risikos (BSG 17.12.1991, 13/5 RJ 73/90, SozR 3-2200 § 1247 Nr 10; 09.08.2001, B 10 LW 18/00 R, SozR 3-5864 § 13 Nr 2; 14.03.2002, B 13 RJ 25/01 R); das Defizit führt zur vollen Erwerbsminderung. Hat der Versicherte keinen Arbeitsplatz und wird ihm ein solcher auch nicht konkret angeboten, bemessen sich die Wegstrecken, deren Zurücklegung ihm - auch in Anbetracht der Zumutbarkeit eines Umzugs - möglich sein muss, nach einem generalisierenden Maßstab, der zugleich den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung trägt. Dabei wird angenommen, dass ein Versicherter für den Weg zur Arbeitsstelle öffentliche Verkehrsmittel benutzen und von seiner Wohnung zum Verkehrsmittel und vom Verkehrsmittel zur Arbeitsstelle und zurück Fußwege zurücklegen muss. Erwerbsfähigkeit setzt danach grundsätzlich die Fähigkeit des Versicherten voraus, vier Mal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 Metern mit zumutbarem Zeitaufwand zu Fuß bewältigen und zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (zB Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen (BSG 17.12.1991, 13/5 RJ 73/90, SozR 3-2200 § 1247 Nr 10; 30.01.2002, B 5 RJ 36/01 R (juris) mwN).

Die erforderliche Wegefähigkeit ist zur Überzeugung des Senats gegeben. Dies ergibt sich ausdrücklich aus dem Gutachten von Dr. T ... Befunde, die dem entgegen stehen könnten, liegen nicht vor.

Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend in der Person des Klägers eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben wäre, bestehen nicht, ein Teil der qualitativen Beschränkungen wird bereits durch den Umstand, dass nur leichte Arbeiten zumutbar sind, mitberücksichtigt. Schließlich ist hier auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des BSG und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (siehe BSG 30.11.1983, 5a RKn 28/82, BSGE 56, 64, SozR 2200 § 1246 Nr 110; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1996, BSGE 80, 24, SozR 3-2600 § 44 Nr 8; siehe auch BSG 05.10.2005, B 5 RJ 6/05 R, SozR 4-2600 § 43 Nr 5). Eine spezifische Leistungseinschränkung liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG 27.04.1982, 1 RJ 132/80, SozR 2200 § 1246 Nr 90). Der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bedarf es nicht, wenn – wie hier - Tätigkeiten wie das Verpacken leichter Gegenstände oder einfache Prüfarbeiten noch uneingeschränkt möglich sind. Einschränkungen, die dem entgegenstehen könnten, lassen sich den vorliegenden Gutachten nicht entnehmen. Es war im Übrigen im Hinblick auf das zur Überzeugung des Senats bestehende Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden pro Arbeitstag unter Berücksichtigung nicht arbeitsmarktunüblicher qualitativer Leistungseinschränkungen zu der Frage, inwieweit welche konkrete Tätigkeit dem Kläger noch leidensgerecht und zumutbar ist, keine Prüfung durchzuführen, da die jeweilige Arbeitsmarktlage bei einer Leistungsfähigkeit von sechs Stunden täglich und mehr nicht zu berücksichtigen ist (§ 43 Abs 3 letzter Halbsatz SGB VI).

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI). Voraussetzung eines solchen Rentenanspruchs ist, dass er vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig ist. Da der Kläger nach dem Stichtag 1963 geboren ist, kommt eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht in Betracht.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; die vorhandenen Gutachten und Arztauskünfte bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Die vorliegenden Gutachten von Dr. H. und Dr. T. haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs 1 Zivilprozessordnung (ZPO)). Die Gutachten gehen von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus, enthalten keine unlösbaren inhaltlichen Widersprüche und geben auch keinen Anlass, an der Sachkunde oder Unparteilichkeit der Gutachter zu zweifeln; weitere Beweiserhebungen waren daher von Amts wegen nicht mehr notwendig. Die Würdigung unterschiedlicher ärztlicher Auffassungen zur Leistungsfähigkeit des Versicherten gehört wie die anderer sich widersprechender Beweisergebnisse zur Beweiswürdigung selbst. Eine Verpflichtung zu weiterer Beweiserhebung besteht selbst bei einander widersprechenden Gutachtenergebnissen im Allgemeinen nicht; vielmehr hat sich das Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung mit den einander entgegenstehenden Ergebnissen auseinanderzusetzen. Hält das Gericht eines von mehreren Gutachten für überzeugend, darf es sich diesem anschließen, ohne eine weitere Sachaufklärung zu betreiben. Bei einer derartigen Fallkonstellation ist für eine weitere Beweiserhebung regelmäßig kein Raum (BSG 08.12.2009, B 5 R 148/09 B, juris).

Insbesondere bestehen auch keine Bedenken gegen die Verwertbarkeit des Gutachtens von Dr. T ... In diesem Gutachten werden aufgrund eigener Anamnese und Untersuchung eigenständig Befunde erhoben und Diagnosen gestellt und in ausführlicher Auseinandersetzung mit vorliegenden Vorbefunden und -gutachten dargelegt und nachvollziehbar in ihren Auswirkungen erörtert. Dabei nimmt Dr. T. die erforderliche Konsistenzprüfung überzeugend vor. Der Senat sieht keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das Gutachten nicht den gebotenen Qualitätskriterien entspricht oder die maßgeblichen Leitlinien der sozialmedizinischen Begutachtung nicht berücksichtigt. Letzteres wird von den Bevollmächtigten des Klägers pauschal behauptet, ohne dass sie hierzu substantielle Ausführungen machen. Erstmals im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 22.12.2016 hat der Kläger eine Befangenheit des Gutachters Dr. T. geltend gemacht. Dabei erwähnt er Umstände, die sich auf die Untersuchungssituation beziehen sowie die Aussage des Gutachters sowohl in seinem Gutachten als auch in der ergänzenden Stellungnahme, dass es dem Kläger nach seiner Einschätzung überwiegend um den Bezug einer Erwerbsminderungsrente gehe und er nicht motiviert sei, seinen Gesundheitszustand zu verbessern. Daraus leitet der Kläger offenbar ab, dass eine objektive, sachliche und unparteiische Begutachtung nicht stattgefunden habe. Einen Befangenheitsantrag gegen den Gutachter hat der auch in erster Instanz durch die D. Rechtsschutz GmbH vertretene Kläger nicht ausdrücklich gestellt, im Verfahren vor dem SG hat er die nunmehr geäußerten Bedenken nicht einmal erwähnt. Ein entsprechender Ablehnungsantrag gegen den Sachverständigen wäre nach § 118 Abs 1 SGG iVm § 406 Abs 2 ZPO nur unverzüglich nach Kenntnis des Befangenheitsgrundes möglich. Die erstmals mit Schriftsatz vom 22.12.2016 geäußerten Bedenken, wenn sie gleichwohl als Befangenheitsgesuch ausgelegt werden, wären daher in jedem Fall verfristet. Ein so verstandenes Befangenheitsgesuch gegen Dr. T. ist daher unzulässig. Der Kläger kann sich daher mit den nun vorgetragenen Argumenten auch nicht darauf berufen, dass das Gutachten unverwertbar sei, denn dies wäre nur dann der Fall, wenn das Befangenheitsgesuch Erfolg gehabt hätte (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl, § 118 RdNr 12n mwN).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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