Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
30
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 R 1673/15
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 20.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2015 zur der bescheidsmäßigen Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht für ihre Tätigkeit seit 01.10.2009 verurteilt.
II. Die Beklagte hat der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Befreiung der Klägerin von der Versicherungs-pflicht. Die am 1XX.XX. 1977 geborene Klägerin beantragte am 15.10.2014 bei der Beklagten diese Befreiung wegen ihrer seit 01.01.2004 bestehenden gesetzlichen Pflichtmitgliedschaft in der Bayerischen Apothekerversorgung aufgrund einer Tätigkeit als "Associate pharmacovigilance" bei der Firma B. in B-Stadt seit 01.10.2009. Beigefügt war ein aus-führliches Positionsprofil, aus dem ein breites Tätigkeitsfeld in der Überwachung von Risiken, Nebenwirkungen und Komplikationen im Zusammenhang mit Medikamenten ersicht-lich war. Kommunikative Aufgaben im Zusammenwirken mit Ärzteschaft, Behörden, Forschungseinrichtungen und ausländischen Partnern haben darin einen hohen Anteil. Als "gewünschte Erfahrungen" im Sinne von persönlichen Voraussetzungen für die Tätigkeit war "ein erfolgreich abgeschlossenes Studium der Medizin, Veterinärmedizin, Pharmazie oder Biologie" verlangt. Unter der Rubrik "gewünschte Kenntnisse" war ein "fundiertes medizinisches, pharmakologisches und pharmazeutisches Fachwissen" verlangt. Die individuelle Tätigkeitsbeschreibung für die Klägerin wies ihr in der Abteilung Pharmakovigilanz die Therapiegebiete Virologie, Immunologie und Schmerz zu. Als Berufsbezeichnung wählte die Firma - B. die Bezeichnung "Apothekerin in der pharmazeutischen Industrie".
Die Klägerin legte eine ausführliche Stellungnahme der Bayerischen Landesapotheker-kammer vom 08.10.2014 bei. Darin wurde nochmals die kommunikativ akzentuierte Tätig-keit der Klägerin im Bereich der Berichte und Meldungen über Nebenwirkungen umrissen und "ohne Zweifel" als apothekerliche Tätigkeit anerkannt. Der Beruf des Apothekers werde nicht nur in öffentlichen Apotheken und Krankenhausapotheken ausgeübt. Die Qualifikation, die mit der Approbation dokumentiert werde, stelle auch für andere Tätigkeitsbereiche etwa im Bereich der Verwaltung oder der pharmazeutischen Industrie die Zugangsberechtigung dar und bestimme auch dort das berufliche Anforderungsbild. Demgemäß habe die Bundesapothekerkammer auch in einer Veröffentlichung aus dem Jahre 2004 das Berufsbild des Apothekers interdisziplinär definiert; es umfasse auch den Tätigkeitsbereich in der pharmazeutischen Industrie. Auch § 1 der Berufsordnung für Apothekerinnen und Apotheker stelle fest, dass die apothekerliche Tätigkeit in unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen insbesondere in der öffentlichen Apotheke, im Krankenhaus, im pharmazeutischen Großhandel, in der pharmazeutischen Industrie, in Prüfinstitutionen, bei der Bundeswehr, bei Behörden und Körperschaften, an der Universität und an Lehranstalten und Berufsschulen ausgeübt werden könne. Der Auftrag des Apothekers um-fasse je nach individuellem Tätigkeitsbereich die Entwicklung, Herstellung, Prüfung und Abgabe von Arzneimitteln, insbesondere die Beratung und Betreuung der Patienten, die Beratung der Ärzte und anderer Beteiligter im Gesundheitswesen, die Sicherstellung des ordnungsgemäßen Umgangs mit Arzneimitteln, Forschung, Lehre und Verwaltung, die Tätigkeit als Sachverständiger sowie weitere pharmazeutische Leistungen, wobei er sich auf Medizinprodukte sowie sonstige apothekenübliche Waren und Tätigkeiten bezieht und auch die Mitarbeit bei qualitätssichernden und präventiven Maßnahmen umfasst. Die Klägerin unterliege aufgrund der von ihr beschriebenen pharmazeutischen Tätigkeit der Berufsordnung für Apothekerinnen und Apotheker. Gleichzeitig liege kraft Gesetzes eine Mitgliedschaft in der Bayerischen Landesapothekerkammer vor. Die Stellungnahme verwies auf einen von diesen Prinzipien geleiteten Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 17.11.2011 mit dem Aktenzeichen L 8 KR 77/11 B ER und ein ebenfalls die Befreiung von der Versicherungspflicht gebietendes rechtskräftiges Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 20.12.2013 mit dem Aktenzeichen S 10 R 369/11. Laut diesem Urteil sei die Pflichtmitgliedschaft einer Apothekerin in der Landesapothekerkammer mindestens ein gewichtiges Indiz für die Ausübung des Apothekerberufs. Mit Bescheid vom 20.11.2014 lehnte die Beklagte die Befreiung der Klägerin von der Ver-sicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) ab.
Sie verwies zur Begründung darauf, dass die befreiungsfähige apothekerliche Tätigkeit nur berufsspezifisch sei, wenn sie zwingend die Approbation als Apothekerin voraussetze und gleichzeitig dem typischen durch die Hochschulausbildung und entsprechenden Hochschulabschluss geprägten Berufsbild und Tätigkeitsbereich der Apothekerin entspre-che. Eine berufsspezifische Tätigkeit sei nicht bereits gegeben, wenn noch Kenntnisse und Fähigkeiten der pharmazeutischen Ausbildung mit verwendet werden. Es müsse sich um eine approbationspflichtige Tätigkeit handeln. Laut Stellenbeschreibung wäre auch ein abgeschlossenes Studium der Medizin, Veterinärmedizin oder Biologie als mögliche Qualifikation für die Tätigkeit der Klägerin in Betracht gekommen. Aus den gesetzlichen Regelungen über den Verkehr mit Arzneimitteln ergebe sich nicht, dass ausschließlich approbierte Apotheker in verantwortlichen Positionen in arzneiherstellenden Unternehmen tätig sein können. Vielmehr sei § 15 des Arzneimittelgesetzes zu entnehmen, dass auch Hochschulabsolventen der Studiengänge Chemie, Biologie oder Humanmedizin geeignet sind, Funktionen im Sinne des Arzneimittelgesetzes wahrzunehmen. Wenn sich der Arbeitgeber der Klägerin dafür entschieden habe, die Stelle mit einem approbierten Apotheker zu besetzen, so sei dies als rein betriebswirtschaftliche Entscheidung zu werden, die nichts an der objektiv erforderlichen Qualifikation für diese Tätigkeit ändere. Hiergegen erhob die Klägerin ausführlich Widerspruch und beharrte auf ihrer Betrachtung, die Tätigkeit als associate pharmacovigilance sei sehr wohl eine berufsspezifische Tätigkeit als Apothekerin. Nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation umfasse Pharmakovigilanz "die Analyse und Abwehr von Arzneimittelrisiken, die Aktivitäten, die zur Entdeckung, Beurteilung sowie zum Verständnis und zur Versorgung von unerwünschten Nebenwirkungen und anderen Problemen in Verbindung mit Arzneimitteln dienen, das Risikomanagement, die Vorbeugung von Therapiefehlern, die Vermittlung von Arzneimit-telinformationen sowie die Förderung der rationalen Therapie mit Arzneimitteln". Durch ihr abgeschlossenes Studium der Pharmazie und ihre Berufserfahrung in der öffentlichen Apotheke und in der Zulassung erfülle sie die gewünschten Kenntnisse und Erfahrungen und setze sie in ihrer täglichen Arbeit ein. Sie beschrieb anschließend Beispiele aus dem nationalen und internationalen Berichts- und Bildungswesen. Für jede einzelne Aktivität und für jeden Handlungsschritt seien medizinisch-pharmakologisches Fachwissen und Kenntnisse über frei verkäufliche und verschreibungspflichtige Arzneimittel erforderlich. Die Klägerin beschrieb des weiteren die Erstreckung des Studiums der Pharmazie auf die Fächer Chemie, Biologie, Biochemie, Humanbiologie, Mikrobiologie, Anatomie, Physiologie, Pathophysiologie, Histologie, Genetik, Physik, physikalische Chemie, Arzneiformen-lehre, pharmazeutische Analytik, pharmazeutische/medizinische Chemie, pharmazeuti-sche Technologie/Biopharmazie, Pharmakologie, Toxikologie, klinische Pharmazie sowie Arzneimittel- und Betäubungsmittelrecht. Diese Fächer seien in unterschiedlicher Zusammensetzung größtenteils auch Gegenstand der anderen für ihre Position geeigneten Studiengänge, so dass die Grenzen zwischen den Tätigkeiten dieser Berufsgruppen fließend seien. In der Industrie und in global tätigen Gesundheits- und Pharmakonzernen würden die Berufe der Human- und Veterinärmediziner, Apotheker, Pharmazeuten und Biologen nicht immer im konservativen Sinne ausgeübt. Allein die Überschneidungen der einzelnen Berufsgruppen dürften jedoch nicht dazu führen, dass im Einzelfall keine berufsspezifische Tätigkeit anerkannt werde. Gemäß § 1 der Berufsordnung für Apothekerinnen und Apotheker habe der Apotheker die öffentliche Aufgabe, die Bevölkerung ordnungsgemäß mit Arzneimitteln zu versorgen. Er übe seinen Beruf in unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen aus, insbesondere der öffentlichen Apotheke, im Krankenhaus, im pharmazeutischen Großhandel oder in der pharmazeutischen Industrie. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.07.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Befreiung sei zwingend tätigkeits- und nicht personenbezogen. Die zu befreienden Personen dürften nicht nur Pflichtmitglieder in der berufsständischen Kammer und in der berufsständischen Versorgungseinrichtung sein, sondern müssten auch einen dem Kam-merberuf entsprechende berufsspezifische Tätigkeit ausüben. Die Beklagte hielt an der Formel fest, eine befreiungsfähige Apothekertätigkeit liege nur vor, wenn die Tätigkeit objektiv zwingend die Approbation als Apotheker voraussetze und gleichzeitig dem typischen durch die Hochschulausbildung und den entsprechenden Hochschulabschluss geprägten Berufsbild und Tätigkeitsbereich des Apothekers entspreche. Typisch sei diese Tätigkeit bei der Entwicklung, Herstellung, Prüfung oder Abgabe von Arzneimitteln unter der Berufsbezeichnung "Apotheker". Die Klägerin sei hingegen vorrangig mit Berichtswe-sen und Managementaufgaben befasst. Es könne nicht entscheidend darauf abgestellt werden, ob der Arbeitgeber für die fraglichen Tätigkeiten nur Apotheker einstellt. Das LSG Baden-Württemberg wurde mit der Auffassung zitiert, die Beschäftigung von Ärzten als Pharmaberater als nicht berufsspezifisch zu bewerten. Die Nutzung einer Sachkenntnis aus dem Kammerberuf genüge nicht für die Befreiung von der Versicherungspflicht. Die Klage hält am Begehren der Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht fest. Sie argumentiert mit der Anwendbarkeit der versorgungs- und kammerrechtlichen Normen. Die Klagebegründung bestätigte die Auffassung der Beklagten, dass es auf die konkrete Tätigkeit der zu befreienden Person ankommt. Anders als die Beklagte postulier-te sie jedoch die berufsspezifische Eigenschaft der Tätigkeit der Klägerin. Das Tätigkeits-profil eines Apothekers dürfe nicht auf die Tätigkeit in einer öffentlichen oder einer Kran-kenhausapotheke eingeengt werden.
§ 2 Abs. 2 der Bundesapothekerordnung und § 1 Abs. 1 der Berufsordnung für Apotheke-rinnen und Apotheker der Bayerischen Landesapothekerkammer würden davon ausge-hen, dass der Apotheker seinen Beruf in verschiedenen Tätigkeitsbereichen ausübe, hierunter auch in der pharmazeutischen Industrie. Die Aufgaben des Apothekers in der pharmazeutischen Industrie würden dort umrissen mit "Sammlung, Dokumentation und Auswertung der Informationen über Beanstandungen bei Arzneimitteln und Medizinpro-dukten, insbesondere Qualitätsmängel sowie Risiken wie Nebenwirkungen, Wechselwirkungen, Gegenanzeigen und Hinweisen auf Missbrauch sowie Koordination der notwen-digen innerbetrieblichen Maßnahmen, Information der Arzneimittelkommissionen der Heilberufe und der zuständigen Behörden (Pharmakovigilanz)". Die Klägerin übe eine Tätigkeit aus, die dem Kernbereich des Berufsbildes entspreche, das die Bundesapothekerkammer selbst erarbeitet habe. Die Klage verwies zur Stützung des Befreiungsbegehrens auf das rechtskräftige Urteil des Sozialgerichts München vom 05.02.2015 mit dem Aktenzeichen S 15 R 928/14. Hiernach lässt sich die von der Beklagten aufgestellte Befreiungsvoraussetzung, dass die Approbation als Apotheker zwingende Voraussetzung für die Ausübung einer Apothekerinnentätigkeit sein müsse, weder aus dem Gesetz noch aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung ableiten. Bei einer Tätigkeit, die sich mit der Entwicklung, Herstellung und Prüfung von Medikamenten der Humanmedizin in der pharmazeutischen Industrie befasst, spreche eine tatsächliche Vermutung für eine apothekerliche Tätigkeit. Mit der Forderung nach einer Tätigkeit mit zwingender Approba-tionsvoraussetzung verenge die Beklagte den Apothekerberuf auf Tätigkeiten in der öffentlichen Apotheke und der Krankenhausapotheke. Ein Blick in die Approbationsord-nung für Apotheker zeige, dass deren Ausbildung interdisziplinär angelegt sei, so dass ein Zusammenarbeiten mit anderen Disziplinen wie Chemikern, Biochemikern und sogar Physikern bei der Entwicklung, Herstellung und Prüfung von Medikamenten im apotheker-lichen Berufsbild angelegt sei. Eine ausführliche Beschreibung der Tätigkeit in der Pharmakovigilanz mündete in die Aussage, dass durch die Tätigkeit der Klägerin die Sicherheit der Arzneimittel und damit auch die Sicherheit des Patienten gefördert würden. Auch die Landesärztekammer habe die berufsspezifische Tätigkeit der Klägerin als Apothekerin bestätigt. Während des laufenden Rechtsstreits gab das Sozialgericht München auch in dem Urteil S 56 R 1777/15 vom 17.12.2015 dem Befreiungsbegehren einer Apothekerin für eine Tätigkeit in der Pharmakovigilanz statt. Die D. unterstützte in ausführlicher Form das Klagebegehren. Es komme nicht darauf an, dass die Tätigkeit der die Befreiung beantragenden Person objektiv zwingend die Approbation als Apotheker voraussetzt, sondern darauf, ob die Klägerin eine pharmazeutische Tätigkeit ausübt. Dies sei anhand der einschlägigen versorgungs- und kammerrechtlichen Normen zu prüfen und vorliegend zu bejahen. Es sei auch geplant, die Bundesapothekerordnung dahin-gehend zu ändern, dass auch der sogenannte "Industrieapotheker" Aufnahme in das Berufsbild der Apothekerinnen und Apotheker aufgenommen werde. Aus aktueller Recht-sprechung wurde das Hessische Landessozialgericht mit dem Urteil L 1 KR 347/15 vom 28.04.2016 zitiert, wonach die Tatbestandsvoraussetzung einer approbationspflichtigen Tätigkeit weder mit § 2 Abs. 3 der Bundesapothekerordnung noch mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in Einklang zu bringen sei. In der mündlichen Verhandlung zählte die Klägerin wesentliche Arbeitsgänge auf, die sie in einer Arbeitsgruppe von etwa sieben Pharmazeuten, Biologen und Medizinern verrichte, nämlich - Informationsgewinnung über Nebenwirkungen, - Prüfung der Relevanz der Informationen, - Eingabe der Informationen in eine Datenbank, - Abgleich der Informationen mit dem Wissensstand des Mutterkonzerns in den USA, - Fallrecherche im einzelnen, - Meldung an Behörden einschließlich international relevanter Fälle, - Risikomanagement ggf. bei neuen Darreichungsformen - Pharmakovigilanz auf der Basis so vieler Informationen wie möglich, - Maßnahmen zur Risikominimierung, - Organisation von Meetings, - Mitwirkung in Studien, - Casereporting.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2015 zu ihrer Befreiung von der Versiche-rungspflicht für ihre Tätigkeit seit 01.10.2009 zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat die Akten der Beklagten beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakte sowie auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage wurde nach Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen Widerspruchsverfahrens form- und fristgerecht beim zuständigen Gericht erhoben und ist somit zulässig. Sie ist auch begründet. § 6 Absatz 1 S. 1 Nr. 1 SGB IV gebietet auf Antrag die Befreiung derjenigen Beschäftigten und selbstständig Tätigen von der Versicherungspflicht, die wegen ihrer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit kraft Gesetzes Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe und zugleich kraft Gesetzes Mitglied einer berufsständischen Kammer sind. Mit weiteren vorliegend unstrittigen Anforderungen hat der Gesetzgeber eine in den neunziger Jahren beobachtete Tendenz beschränkt, immer neuen Berufsgruppen durch Schaffung oder Ausweitung von Versorgungswerken außerhalb der Rentenversicherung die Befreiung hiervon zu ermöglichen. Ein Rentenversicherungsträger hat sich bei der Prüfung einer kraft Gesetzes eintretenden Versicherungsfreiheit nach § 5 SGB VI und einer auf Antrag einzuräumenden Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 SGB VI zunächst bei mehreren Varianten in hohem Maße an den Entscheidungen eines jeweils anderen Rechtsträgers zu orientieren. So hat der Rentenversicherungsträger keine Prüfungskompetenz über das für § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 maßgebliche Beamtenverhältnis oder über die Rechtmäßigkeit der Gewährleistungsentscheidung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI. Auch die Aufnahme einer Apothekerin in die Apothekerkammer und das ihr zugeordnete Versorgungswerk hat eine erhebliche Tatbestandswirkung. Der Rentenversicherungsträger darf und muss angesichts solcher Aufnahmeentscheidungen zunächst durchaus annehmen, dass es sich bei der entsprechenden Person um eine Apothekerin im apothekerlichen Beruf handelt. Gleichwohl ist vom Gesetz gedeckt und von der Rechtsprechung anerkannt, dass durch den Rentenversicherungsträger geprüft werden muss, ob die Mitgliedschaft in einer entsprechenden berufsständischen Versorgungseinrichtung auf genau jener Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit beruht, für die eine Befreiung von der Versicherungspflicht begehrt wird. Eine solche Prüfung könnte im Einzelfall auch zu dem abweichenden Ergebnis führen, dass beispielsweise eine journalistische Tätigkeit in einer mit Fragen der gesundheitsbewussten Ernährung befassten Redaktion oder eine administrative Funktion in der Verwaltung eines Krankenhauses oder eine kommerzielle Tätigkeit im Zusammenhang mit Produktion und Bewerbung von Nahrungsergänzungs-mitteln unter lediglich beiläufiger Nutzung pharmakologischer Kenntnisse ggfs. unter werbewirksamer Nutzung eines Doktortitels ohne berufsspezifischen Zusammenhang mit der zur Mitgliedschaft im Versorgungswerk führenden Berufsausübung bleibt.
In diesem Zusammenhang zu verstehen ist das Urteil des Bayerischen Landessozialge-richts vom 08.09.2015 L 19 R 554/11, in dem es um einen Unternehmensberater ging, der Kenntnisse aus seinem studierten Beruf als Arzt naturgemäß in einer eher weitgefassten und unverbindlichen Ableitung "noch" nutzen konnte. Sicherlich in einem Grenzbereich des Arztberufes sind die Pharmaberater und Pharmavertreter mit dem kommerziellen Gepräge ihres Geschäfts angesiedelt. Die Tätigkeit der Klägerin hat jedoch mit Bewerbung und Verkauf von Produkten nichts zu tun, so dass die dahingehende Argumentation der Beklagten in die Irre führt. Die notwendige Prüfung einer befreiungsfähigen Tätigkeit oder Beschäftigung durch den Rentenversicherungsträger kann nicht so weit ausgedehnt wer-den, dass letzten Endes ihm die Deutungshoheit über die Berufsbilder des Arztes, des Apothekers, des Rechtsanwalts und des Architekten zuerkannt wird. Vorliegend ist mit ausreichender Deutlichkeit und unwidersprochen belegt, dass die Tätigkeit der Klägerin in der Pharmakovigilanz durch eine streng wissenschaftliche Arbeitsweise gekennzeichnet sind und in größter Unmittelbarkeit dem pharmazeutischen Produkt, dem Heilmittel gewidmet ist und ebenfalls unmittelbar den Patienten zugute kommt. Die systematische Erfassung von Nebenwirkungen und Nebenwirkungsrisiken und die nationale und internationale Kommunikation in diesem Problemfeld kann sowohl unter unmittelbar fachlichen als auch unter ethischen Aspekten nur ausgebildeten und geprüften Ärzten und selbstverständlich auch Apothekern und Naturwissenschaftlern anvertraut werden. Die Beklagte legt viel zu großen Wert auf ein überkommenes apothekerliches Berufsbild, das nur den durch Zubereitung und persönliche Abgabe von Medikamenten an den Patienten charakterisierten Apotheker alter Schule kennen will. Wie bei der bis zur gesetz-lichen Neuregelung gerichtlich zu prüfenden Fallgruppe der Befreiung von Rechtsanwälten bei nichtanwaltlichen Arbeitgebern zeigt der Blick auf die gesellschaftliche Wirklichkeit, dass die Zugrundelegung "klassischer" Berufsbilder heute nicht mehr zu Ergebnissen ausreichender Schärfe führt. Die Pharmaindustrie ist, gerade weil sie sich wegen schwerer Fehlleistungen (Stichworte Contergan und HIV-infizierte Blutpräparate) im Kreuzfeuer öffentlicher Kritik behaupten muss, nicht einfach nur eine verkaufs- und gewinnorientierte kleine Schwester der Chemieindustrie, sondern ein breites Betätigungsfeld für höchst verantwortlich arbeitende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Das gleiche gilt für die der Pharmaindustrie zuarbeitenden Dienstleister im Bereich der Pharmakovigilanz und der Medikamentenzulassung. Bei genauerer Betrachtung ist die Arbeitsweise der Klägerin in Wirklichkeit sogar näher am "Produkt Medikament" angesiedelt als heute der dem Publikum gegenübertretende Apotheker. Die Herstellung und Dosierung von Medikamenten findet bekanntlich heute so gut wie nicht mehr im Hinterzimmer der städtischen oder ländlichen Apotheke statt, sondern in der Fabrik und mithin im Arbeitsfeld der Klägerin. Die Arbeitsweise des klassischen Apothekers hat heute durchaus Anteile an der Arbeitsweise eines schlichten Verkäufers, der fertig konfigurierte und verpackte Produkte über die Theke reicht und genauso wie der Patient auf die Packungsbeilage vertrauen muss. Die angegriffenen Bescheide betonen stark und schematisch, dass als Einstellungsvoraussetzung für die Klägerin nicht unbedingt ein abgeschlossenes pharmakologisches Studium verlangt wurde. Der Arbeitgeber hätte sich auch für eine Biologin oder eine Ärztin entscheiden können. Die Befreiung der Ärztin von der Versicherungspflicht wäre dann mit dem Argument verweigert worden, - B. hätte auch eine Apothekerin einstellen können. In parallelen Verfahren stellt die Beklagte gerne in den Mittelpunkt ihrer Argumentation, dass theoretisch auch eine – nicht näher definierte – Ausbildung unterhalb des akademischen Niveaus den Zugang zur jeweils streitbefangenen Beschäftigung geöffnet hätte. Vorliegend war ein akademisches Studium verlangt, so dass genau diese Argumentation ins Leere geht. Ärzte wie auch Apotheker sind in entsprechenden Versorgungswerken erfasst und können die Befreiung von der Rentenversicherung beantragen. Es kann nicht angehen, Mediziner mit dem Hinweis auf ihre Ersetzbarkeit durch Pharma-kologen und Pharmakologen mit dem Hinweis auf ihre Ersetzbarkeit durch Mediziner von der Befreiung auszuschließen. Insoweit wendet das Gericht den Rechtsgedanken des Ur-teils des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10.07.2014 mit dem Az. L 14 R 1207/13 an. Die Beklagte wird akzeptieren müssen, dass Arbeitgeber ganz bestimmte Stellen mit Ärzten, Apothekern oder Architekten besetzen und sie mit entsprechenden berufsspezifi-schen Tätigkeiten betrauen, woraus dann der Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht resultiert. Die Überlegung, der jeweilige Arbeitgeber hätte sich auch für eine Person anderer Qualifikation entscheiden können, erweist sich als immer weniger tragfähig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
II. Die Beklagte hat der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Befreiung der Klägerin von der Versicherungs-pflicht. Die am 1XX.XX. 1977 geborene Klägerin beantragte am 15.10.2014 bei der Beklagten diese Befreiung wegen ihrer seit 01.01.2004 bestehenden gesetzlichen Pflichtmitgliedschaft in der Bayerischen Apothekerversorgung aufgrund einer Tätigkeit als "Associate pharmacovigilance" bei der Firma B. in B-Stadt seit 01.10.2009. Beigefügt war ein aus-führliches Positionsprofil, aus dem ein breites Tätigkeitsfeld in der Überwachung von Risiken, Nebenwirkungen und Komplikationen im Zusammenhang mit Medikamenten ersicht-lich war. Kommunikative Aufgaben im Zusammenwirken mit Ärzteschaft, Behörden, Forschungseinrichtungen und ausländischen Partnern haben darin einen hohen Anteil. Als "gewünschte Erfahrungen" im Sinne von persönlichen Voraussetzungen für die Tätigkeit war "ein erfolgreich abgeschlossenes Studium der Medizin, Veterinärmedizin, Pharmazie oder Biologie" verlangt. Unter der Rubrik "gewünschte Kenntnisse" war ein "fundiertes medizinisches, pharmakologisches und pharmazeutisches Fachwissen" verlangt. Die individuelle Tätigkeitsbeschreibung für die Klägerin wies ihr in der Abteilung Pharmakovigilanz die Therapiegebiete Virologie, Immunologie und Schmerz zu. Als Berufsbezeichnung wählte die Firma - B. die Bezeichnung "Apothekerin in der pharmazeutischen Industrie".
Die Klägerin legte eine ausführliche Stellungnahme der Bayerischen Landesapotheker-kammer vom 08.10.2014 bei. Darin wurde nochmals die kommunikativ akzentuierte Tätig-keit der Klägerin im Bereich der Berichte und Meldungen über Nebenwirkungen umrissen und "ohne Zweifel" als apothekerliche Tätigkeit anerkannt. Der Beruf des Apothekers werde nicht nur in öffentlichen Apotheken und Krankenhausapotheken ausgeübt. Die Qualifikation, die mit der Approbation dokumentiert werde, stelle auch für andere Tätigkeitsbereiche etwa im Bereich der Verwaltung oder der pharmazeutischen Industrie die Zugangsberechtigung dar und bestimme auch dort das berufliche Anforderungsbild. Demgemäß habe die Bundesapothekerkammer auch in einer Veröffentlichung aus dem Jahre 2004 das Berufsbild des Apothekers interdisziplinär definiert; es umfasse auch den Tätigkeitsbereich in der pharmazeutischen Industrie. Auch § 1 der Berufsordnung für Apothekerinnen und Apotheker stelle fest, dass die apothekerliche Tätigkeit in unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen insbesondere in der öffentlichen Apotheke, im Krankenhaus, im pharmazeutischen Großhandel, in der pharmazeutischen Industrie, in Prüfinstitutionen, bei der Bundeswehr, bei Behörden und Körperschaften, an der Universität und an Lehranstalten und Berufsschulen ausgeübt werden könne. Der Auftrag des Apothekers um-fasse je nach individuellem Tätigkeitsbereich die Entwicklung, Herstellung, Prüfung und Abgabe von Arzneimitteln, insbesondere die Beratung und Betreuung der Patienten, die Beratung der Ärzte und anderer Beteiligter im Gesundheitswesen, die Sicherstellung des ordnungsgemäßen Umgangs mit Arzneimitteln, Forschung, Lehre und Verwaltung, die Tätigkeit als Sachverständiger sowie weitere pharmazeutische Leistungen, wobei er sich auf Medizinprodukte sowie sonstige apothekenübliche Waren und Tätigkeiten bezieht und auch die Mitarbeit bei qualitätssichernden und präventiven Maßnahmen umfasst. Die Klägerin unterliege aufgrund der von ihr beschriebenen pharmazeutischen Tätigkeit der Berufsordnung für Apothekerinnen und Apotheker. Gleichzeitig liege kraft Gesetzes eine Mitgliedschaft in der Bayerischen Landesapothekerkammer vor. Die Stellungnahme verwies auf einen von diesen Prinzipien geleiteten Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 17.11.2011 mit dem Aktenzeichen L 8 KR 77/11 B ER und ein ebenfalls die Befreiung von der Versicherungspflicht gebietendes rechtskräftiges Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 20.12.2013 mit dem Aktenzeichen S 10 R 369/11. Laut diesem Urteil sei die Pflichtmitgliedschaft einer Apothekerin in der Landesapothekerkammer mindestens ein gewichtiges Indiz für die Ausübung des Apothekerberufs. Mit Bescheid vom 20.11.2014 lehnte die Beklagte die Befreiung der Klägerin von der Ver-sicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) ab.
Sie verwies zur Begründung darauf, dass die befreiungsfähige apothekerliche Tätigkeit nur berufsspezifisch sei, wenn sie zwingend die Approbation als Apothekerin voraussetze und gleichzeitig dem typischen durch die Hochschulausbildung und entsprechenden Hochschulabschluss geprägten Berufsbild und Tätigkeitsbereich der Apothekerin entspre-che. Eine berufsspezifische Tätigkeit sei nicht bereits gegeben, wenn noch Kenntnisse und Fähigkeiten der pharmazeutischen Ausbildung mit verwendet werden. Es müsse sich um eine approbationspflichtige Tätigkeit handeln. Laut Stellenbeschreibung wäre auch ein abgeschlossenes Studium der Medizin, Veterinärmedizin oder Biologie als mögliche Qualifikation für die Tätigkeit der Klägerin in Betracht gekommen. Aus den gesetzlichen Regelungen über den Verkehr mit Arzneimitteln ergebe sich nicht, dass ausschließlich approbierte Apotheker in verantwortlichen Positionen in arzneiherstellenden Unternehmen tätig sein können. Vielmehr sei § 15 des Arzneimittelgesetzes zu entnehmen, dass auch Hochschulabsolventen der Studiengänge Chemie, Biologie oder Humanmedizin geeignet sind, Funktionen im Sinne des Arzneimittelgesetzes wahrzunehmen. Wenn sich der Arbeitgeber der Klägerin dafür entschieden habe, die Stelle mit einem approbierten Apotheker zu besetzen, so sei dies als rein betriebswirtschaftliche Entscheidung zu werden, die nichts an der objektiv erforderlichen Qualifikation für diese Tätigkeit ändere. Hiergegen erhob die Klägerin ausführlich Widerspruch und beharrte auf ihrer Betrachtung, die Tätigkeit als associate pharmacovigilance sei sehr wohl eine berufsspezifische Tätigkeit als Apothekerin. Nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation umfasse Pharmakovigilanz "die Analyse und Abwehr von Arzneimittelrisiken, die Aktivitäten, die zur Entdeckung, Beurteilung sowie zum Verständnis und zur Versorgung von unerwünschten Nebenwirkungen und anderen Problemen in Verbindung mit Arzneimitteln dienen, das Risikomanagement, die Vorbeugung von Therapiefehlern, die Vermittlung von Arzneimit-telinformationen sowie die Förderung der rationalen Therapie mit Arzneimitteln". Durch ihr abgeschlossenes Studium der Pharmazie und ihre Berufserfahrung in der öffentlichen Apotheke und in der Zulassung erfülle sie die gewünschten Kenntnisse und Erfahrungen und setze sie in ihrer täglichen Arbeit ein. Sie beschrieb anschließend Beispiele aus dem nationalen und internationalen Berichts- und Bildungswesen. Für jede einzelne Aktivität und für jeden Handlungsschritt seien medizinisch-pharmakologisches Fachwissen und Kenntnisse über frei verkäufliche und verschreibungspflichtige Arzneimittel erforderlich. Die Klägerin beschrieb des weiteren die Erstreckung des Studiums der Pharmazie auf die Fächer Chemie, Biologie, Biochemie, Humanbiologie, Mikrobiologie, Anatomie, Physiologie, Pathophysiologie, Histologie, Genetik, Physik, physikalische Chemie, Arzneiformen-lehre, pharmazeutische Analytik, pharmazeutische/medizinische Chemie, pharmazeuti-sche Technologie/Biopharmazie, Pharmakologie, Toxikologie, klinische Pharmazie sowie Arzneimittel- und Betäubungsmittelrecht. Diese Fächer seien in unterschiedlicher Zusammensetzung größtenteils auch Gegenstand der anderen für ihre Position geeigneten Studiengänge, so dass die Grenzen zwischen den Tätigkeiten dieser Berufsgruppen fließend seien. In der Industrie und in global tätigen Gesundheits- und Pharmakonzernen würden die Berufe der Human- und Veterinärmediziner, Apotheker, Pharmazeuten und Biologen nicht immer im konservativen Sinne ausgeübt. Allein die Überschneidungen der einzelnen Berufsgruppen dürften jedoch nicht dazu führen, dass im Einzelfall keine berufsspezifische Tätigkeit anerkannt werde. Gemäß § 1 der Berufsordnung für Apothekerinnen und Apotheker habe der Apotheker die öffentliche Aufgabe, die Bevölkerung ordnungsgemäß mit Arzneimitteln zu versorgen. Er übe seinen Beruf in unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen aus, insbesondere der öffentlichen Apotheke, im Krankenhaus, im pharmazeutischen Großhandel oder in der pharmazeutischen Industrie. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.07.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Befreiung sei zwingend tätigkeits- und nicht personenbezogen. Die zu befreienden Personen dürften nicht nur Pflichtmitglieder in der berufsständischen Kammer und in der berufsständischen Versorgungseinrichtung sein, sondern müssten auch einen dem Kam-merberuf entsprechende berufsspezifische Tätigkeit ausüben. Die Beklagte hielt an der Formel fest, eine befreiungsfähige Apothekertätigkeit liege nur vor, wenn die Tätigkeit objektiv zwingend die Approbation als Apotheker voraussetze und gleichzeitig dem typischen durch die Hochschulausbildung und den entsprechenden Hochschulabschluss geprägten Berufsbild und Tätigkeitsbereich des Apothekers entspreche. Typisch sei diese Tätigkeit bei der Entwicklung, Herstellung, Prüfung oder Abgabe von Arzneimitteln unter der Berufsbezeichnung "Apotheker". Die Klägerin sei hingegen vorrangig mit Berichtswe-sen und Managementaufgaben befasst. Es könne nicht entscheidend darauf abgestellt werden, ob der Arbeitgeber für die fraglichen Tätigkeiten nur Apotheker einstellt. Das LSG Baden-Württemberg wurde mit der Auffassung zitiert, die Beschäftigung von Ärzten als Pharmaberater als nicht berufsspezifisch zu bewerten. Die Nutzung einer Sachkenntnis aus dem Kammerberuf genüge nicht für die Befreiung von der Versicherungspflicht. Die Klage hält am Begehren der Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht fest. Sie argumentiert mit der Anwendbarkeit der versorgungs- und kammerrechtlichen Normen. Die Klagebegründung bestätigte die Auffassung der Beklagten, dass es auf die konkrete Tätigkeit der zu befreienden Person ankommt. Anders als die Beklagte postulier-te sie jedoch die berufsspezifische Eigenschaft der Tätigkeit der Klägerin. Das Tätigkeits-profil eines Apothekers dürfe nicht auf die Tätigkeit in einer öffentlichen oder einer Kran-kenhausapotheke eingeengt werden.
§ 2 Abs. 2 der Bundesapothekerordnung und § 1 Abs. 1 der Berufsordnung für Apotheke-rinnen und Apotheker der Bayerischen Landesapothekerkammer würden davon ausge-hen, dass der Apotheker seinen Beruf in verschiedenen Tätigkeitsbereichen ausübe, hierunter auch in der pharmazeutischen Industrie. Die Aufgaben des Apothekers in der pharmazeutischen Industrie würden dort umrissen mit "Sammlung, Dokumentation und Auswertung der Informationen über Beanstandungen bei Arzneimitteln und Medizinpro-dukten, insbesondere Qualitätsmängel sowie Risiken wie Nebenwirkungen, Wechselwirkungen, Gegenanzeigen und Hinweisen auf Missbrauch sowie Koordination der notwen-digen innerbetrieblichen Maßnahmen, Information der Arzneimittelkommissionen der Heilberufe und der zuständigen Behörden (Pharmakovigilanz)". Die Klägerin übe eine Tätigkeit aus, die dem Kernbereich des Berufsbildes entspreche, das die Bundesapothekerkammer selbst erarbeitet habe. Die Klage verwies zur Stützung des Befreiungsbegehrens auf das rechtskräftige Urteil des Sozialgerichts München vom 05.02.2015 mit dem Aktenzeichen S 15 R 928/14. Hiernach lässt sich die von der Beklagten aufgestellte Befreiungsvoraussetzung, dass die Approbation als Apotheker zwingende Voraussetzung für die Ausübung einer Apothekerinnentätigkeit sein müsse, weder aus dem Gesetz noch aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung ableiten. Bei einer Tätigkeit, die sich mit der Entwicklung, Herstellung und Prüfung von Medikamenten der Humanmedizin in der pharmazeutischen Industrie befasst, spreche eine tatsächliche Vermutung für eine apothekerliche Tätigkeit. Mit der Forderung nach einer Tätigkeit mit zwingender Approba-tionsvoraussetzung verenge die Beklagte den Apothekerberuf auf Tätigkeiten in der öffentlichen Apotheke und der Krankenhausapotheke. Ein Blick in die Approbationsord-nung für Apotheker zeige, dass deren Ausbildung interdisziplinär angelegt sei, so dass ein Zusammenarbeiten mit anderen Disziplinen wie Chemikern, Biochemikern und sogar Physikern bei der Entwicklung, Herstellung und Prüfung von Medikamenten im apotheker-lichen Berufsbild angelegt sei. Eine ausführliche Beschreibung der Tätigkeit in der Pharmakovigilanz mündete in die Aussage, dass durch die Tätigkeit der Klägerin die Sicherheit der Arzneimittel und damit auch die Sicherheit des Patienten gefördert würden. Auch die Landesärztekammer habe die berufsspezifische Tätigkeit der Klägerin als Apothekerin bestätigt. Während des laufenden Rechtsstreits gab das Sozialgericht München auch in dem Urteil S 56 R 1777/15 vom 17.12.2015 dem Befreiungsbegehren einer Apothekerin für eine Tätigkeit in der Pharmakovigilanz statt. Die D. unterstützte in ausführlicher Form das Klagebegehren. Es komme nicht darauf an, dass die Tätigkeit der die Befreiung beantragenden Person objektiv zwingend die Approbation als Apotheker voraussetzt, sondern darauf, ob die Klägerin eine pharmazeutische Tätigkeit ausübt. Dies sei anhand der einschlägigen versorgungs- und kammerrechtlichen Normen zu prüfen und vorliegend zu bejahen. Es sei auch geplant, die Bundesapothekerordnung dahin-gehend zu ändern, dass auch der sogenannte "Industrieapotheker" Aufnahme in das Berufsbild der Apothekerinnen und Apotheker aufgenommen werde. Aus aktueller Recht-sprechung wurde das Hessische Landessozialgericht mit dem Urteil L 1 KR 347/15 vom 28.04.2016 zitiert, wonach die Tatbestandsvoraussetzung einer approbationspflichtigen Tätigkeit weder mit § 2 Abs. 3 der Bundesapothekerordnung noch mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in Einklang zu bringen sei. In der mündlichen Verhandlung zählte die Klägerin wesentliche Arbeitsgänge auf, die sie in einer Arbeitsgruppe von etwa sieben Pharmazeuten, Biologen und Medizinern verrichte, nämlich - Informationsgewinnung über Nebenwirkungen, - Prüfung der Relevanz der Informationen, - Eingabe der Informationen in eine Datenbank, - Abgleich der Informationen mit dem Wissensstand des Mutterkonzerns in den USA, - Fallrecherche im einzelnen, - Meldung an Behörden einschließlich international relevanter Fälle, - Risikomanagement ggf. bei neuen Darreichungsformen - Pharmakovigilanz auf der Basis so vieler Informationen wie möglich, - Maßnahmen zur Risikominimierung, - Organisation von Meetings, - Mitwirkung in Studien, - Casereporting.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2015 zu ihrer Befreiung von der Versiche-rungspflicht für ihre Tätigkeit seit 01.10.2009 zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat die Akten der Beklagten beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakte sowie auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage wurde nach Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen Widerspruchsverfahrens form- und fristgerecht beim zuständigen Gericht erhoben und ist somit zulässig. Sie ist auch begründet. § 6 Absatz 1 S. 1 Nr. 1 SGB IV gebietet auf Antrag die Befreiung derjenigen Beschäftigten und selbstständig Tätigen von der Versicherungspflicht, die wegen ihrer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit kraft Gesetzes Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe und zugleich kraft Gesetzes Mitglied einer berufsständischen Kammer sind. Mit weiteren vorliegend unstrittigen Anforderungen hat der Gesetzgeber eine in den neunziger Jahren beobachtete Tendenz beschränkt, immer neuen Berufsgruppen durch Schaffung oder Ausweitung von Versorgungswerken außerhalb der Rentenversicherung die Befreiung hiervon zu ermöglichen. Ein Rentenversicherungsträger hat sich bei der Prüfung einer kraft Gesetzes eintretenden Versicherungsfreiheit nach § 5 SGB VI und einer auf Antrag einzuräumenden Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 SGB VI zunächst bei mehreren Varianten in hohem Maße an den Entscheidungen eines jeweils anderen Rechtsträgers zu orientieren. So hat der Rentenversicherungsträger keine Prüfungskompetenz über das für § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 maßgebliche Beamtenverhältnis oder über die Rechtmäßigkeit der Gewährleistungsentscheidung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI. Auch die Aufnahme einer Apothekerin in die Apothekerkammer und das ihr zugeordnete Versorgungswerk hat eine erhebliche Tatbestandswirkung. Der Rentenversicherungsträger darf und muss angesichts solcher Aufnahmeentscheidungen zunächst durchaus annehmen, dass es sich bei der entsprechenden Person um eine Apothekerin im apothekerlichen Beruf handelt. Gleichwohl ist vom Gesetz gedeckt und von der Rechtsprechung anerkannt, dass durch den Rentenversicherungsträger geprüft werden muss, ob die Mitgliedschaft in einer entsprechenden berufsständischen Versorgungseinrichtung auf genau jener Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit beruht, für die eine Befreiung von der Versicherungspflicht begehrt wird. Eine solche Prüfung könnte im Einzelfall auch zu dem abweichenden Ergebnis führen, dass beispielsweise eine journalistische Tätigkeit in einer mit Fragen der gesundheitsbewussten Ernährung befassten Redaktion oder eine administrative Funktion in der Verwaltung eines Krankenhauses oder eine kommerzielle Tätigkeit im Zusammenhang mit Produktion und Bewerbung von Nahrungsergänzungs-mitteln unter lediglich beiläufiger Nutzung pharmakologischer Kenntnisse ggfs. unter werbewirksamer Nutzung eines Doktortitels ohne berufsspezifischen Zusammenhang mit der zur Mitgliedschaft im Versorgungswerk führenden Berufsausübung bleibt.
In diesem Zusammenhang zu verstehen ist das Urteil des Bayerischen Landessozialge-richts vom 08.09.2015 L 19 R 554/11, in dem es um einen Unternehmensberater ging, der Kenntnisse aus seinem studierten Beruf als Arzt naturgemäß in einer eher weitgefassten und unverbindlichen Ableitung "noch" nutzen konnte. Sicherlich in einem Grenzbereich des Arztberufes sind die Pharmaberater und Pharmavertreter mit dem kommerziellen Gepräge ihres Geschäfts angesiedelt. Die Tätigkeit der Klägerin hat jedoch mit Bewerbung und Verkauf von Produkten nichts zu tun, so dass die dahingehende Argumentation der Beklagten in die Irre führt. Die notwendige Prüfung einer befreiungsfähigen Tätigkeit oder Beschäftigung durch den Rentenversicherungsträger kann nicht so weit ausgedehnt wer-den, dass letzten Endes ihm die Deutungshoheit über die Berufsbilder des Arztes, des Apothekers, des Rechtsanwalts und des Architekten zuerkannt wird. Vorliegend ist mit ausreichender Deutlichkeit und unwidersprochen belegt, dass die Tätigkeit der Klägerin in der Pharmakovigilanz durch eine streng wissenschaftliche Arbeitsweise gekennzeichnet sind und in größter Unmittelbarkeit dem pharmazeutischen Produkt, dem Heilmittel gewidmet ist und ebenfalls unmittelbar den Patienten zugute kommt. Die systematische Erfassung von Nebenwirkungen und Nebenwirkungsrisiken und die nationale und internationale Kommunikation in diesem Problemfeld kann sowohl unter unmittelbar fachlichen als auch unter ethischen Aspekten nur ausgebildeten und geprüften Ärzten und selbstverständlich auch Apothekern und Naturwissenschaftlern anvertraut werden. Die Beklagte legt viel zu großen Wert auf ein überkommenes apothekerliches Berufsbild, das nur den durch Zubereitung und persönliche Abgabe von Medikamenten an den Patienten charakterisierten Apotheker alter Schule kennen will. Wie bei der bis zur gesetz-lichen Neuregelung gerichtlich zu prüfenden Fallgruppe der Befreiung von Rechtsanwälten bei nichtanwaltlichen Arbeitgebern zeigt der Blick auf die gesellschaftliche Wirklichkeit, dass die Zugrundelegung "klassischer" Berufsbilder heute nicht mehr zu Ergebnissen ausreichender Schärfe führt. Die Pharmaindustrie ist, gerade weil sie sich wegen schwerer Fehlleistungen (Stichworte Contergan und HIV-infizierte Blutpräparate) im Kreuzfeuer öffentlicher Kritik behaupten muss, nicht einfach nur eine verkaufs- und gewinnorientierte kleine Schwester der Chemieindustrie, sondern ein breites Betätigungsfeld für höchst verantwortlich arbeitende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Das gleiche gilt für die der Pharmaindustrie zuarbeitenden Dienstleister im Bereich der Pharmakovigilanz und der Medikamentenzulassung. Bei genauerer Betrachtung ist die Arbeitsweise der Klägerin in Wirklichkeit sogar näher am "Produkt Medikament" angesiedelt als heute der dem Publikum gegenübertretende Apotheker. Die Herstellung und Dosierung von Medikamenten findet bekanntlich heute so gut wie nicht mehr im Hinterzimmer der städtischen oder ländlichen Apotheke statt, sondern in der Fabrik und mithin im Arbeitsfeld der Klägerin. Die Arbeitsweise des klassischen Apothekers hat heute durchaus Anteile an der Arbeitsweise eines schlichten Verkäufers, der fertig konfigurierte und verpackte Produkte über die Theke reicht und genauso wie der Patient auf die Packungsbeilage vertrauen muss. Die angegriffenen Bescheide betonen stark und schematisch, dass als Einstellungsvoraussetzung für die Klägerin nicht unbedingt ein abgeschlossenes pharmakologisches Studium verlangt wurde. Der Arbeitgeber hätte sich auch für eine Biologin oder eine Ärztin entscheiden können. Die Befreiung der Ärztin von der Versicherungspflicht wäre dann mit dem Argument verweigert worden, - B. hätte auch eine Apothekerin einstellen können. In parallelen Verfahren stellt die Beklagte gerne in den Mittelpunkt ihrer Argumentation, dass theoretisch auch eine – nicht näher definierte – Ausbildung unterhalb des akademischen Niveaus den Zugang zur jeweils streitbefangenen Beschäftigung geöffnet hätte. Vorliegend war ein akademisches Studium verlangt, so dass genau diese Argumentation ins Leere geht. Ärzte wie auch Apotheker sind in entsprechenden Versorgungswerken erfasst und können die Befreiung von der Rentenversicherung beantragen. Es kann nicht angehen, Mediziner mit dem Hinweis auf ihre Ersetzbarkeit durch Pharma-kologen und Pharmakologen mit dem Hinweis auf ihre Ersetzbarkeit durch Mediziner von der Befreiung auszuschließen. Insoweit wendet das Gericht den Rechtsgedanken des Ur-teils des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10.07.2014 mit dem Az. L 14 R 1207/13 an. Die Beklagte wird akzeptieren müssen, dass Arbeitgeber ganz bestimmte Stellen mit Ärzten, Apothekern oder Architekten besetzen und sie mit entsprechenden berufsspezifi-schen Tätigkeiten betrauen, woraus dann der Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht resultiert. Die Überlegung, der jeweilige Arbeitgeber hätte sich auch für eine Person anderer Qualifikation entscheiden können, erweist sich als immer weniger tragfähig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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