L 4 R 2651/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 1940/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 2651/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 22. Mai 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab dem 1. Mai 2013.

Die am 1961 geborene Klägerin war nach Beschäftigungen als Verkäuferin, Service-, Büro- und Küchenkraft zuletzt vom 1. Juli 2008 bis 31. August 2012 als Fachassistentin in der Fleischwarenkontrolle beschäftigt. Nach zwischenzeitlicher Arbeitslosigkeit ohne Leistungsgewährung bezog sie vom 13. September 2012 bis 28. November 2012 Entgeltersatzleistungen der Bundesagentur für Arbeit, anschließend mit Unterbrechung durch die Gewährung von Übergangsgeld Krankengeld vom 29. November 2012 bis zur Erschöpfung des Anspruches am 24. November 2013. Seither bezieht sie Arbeitslosengeld II.

Auf ihren Rehabilitationsantrag vom 17. April 2013 ließ die Beklagte die Klägerin durch die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. G. am 28. Mai 2013 begutachten. Diese stellte in ihrem Gutachten vom 29. Mai 2013 folgende Hauptdiagnosen: Schmerzstörung bei psychischen und somatischen Faktoren/mittelgradige depressive Episode bei rezidivierender depressiver Störung mit Störung der Teilhabe, Wirbelsäulenfehlstatik/Bandscheibenvorfall C5/6 mit Cervikocephalgien und Brachialgien, pseudoradikuläre Beschwerden L5 rechts bei Spondylarthrose, mäßige Minderbelastbarkeit; mäßiger Handgelenks-/Handwurzelverschleiß rechts, Rhizarthrose/Daumenendgelenksarthrose rechts bei Rechtshändigkeit, Belastungsschmerzen, Tennisellenbogen links, Fehlbelastung links; Kniebinnenschaden rechts mit Belastungsschmerzen, mittelschrittiges Gangbild, Spreizfüße beidseits, keine Einlagenversorgung; Adipositas III, arterieller Bluthochdruck mit hypertensiven Entgleisungen und Agitation sowie Schwindelneigung bei mangelnder Medikamentencompliance; leichtgradige schlafbezogene Atemstörung, leichte restriktive und obstruktive Ventilationsstörung Stadium GOLD I bis II, Nikotinkonsum. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit mit häufigen Überstunden und Sechstagewoche, häufigen Arbeiten mit den Armen über Brusthöhe und vermehrter Belastung der rechten Hand sei zum Zeitpunkt der Begutachtung nur drei- bis unter sechsstündig, eine leichte Tätigkeit überwiegend im Sitzen voraussichtlich weiterhin mindestens sechsstündig zumutbar. Eine abschließende Leistungsbeurteilung könne im Anschluss an das Rehabilitationsverfahren erfolgen.

Vom 3. bis 30. Juli 2013 befand sich die Klägerin in stationärer Rehabilitation in der W.-Klinik, S. B ... Im dortigen Entlassungsbericht vom 9. August 2013 beschrieb Dr. K., Arzt für Psychosomatische Medizin, Psychiatrie und Psychotherapie, eine rezidivierende depressive Störung, zur Zeit mittelgradige Episode, eine posttraumatische Belastungsstörung, ein rezidivierendes Cervikalsyndrom und Lumbalsyndrom, Epicondylitis humeri lateralis links sowie eine Adipositas per magna Grad 3. Der Klägerin seien leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten überwiegend im Sitzen, zeitweise im Gehen oder Stehen ohne Nachtschicht noch mehr als sechs Stunden täglich zumutbar. Tätigkeiten mit hohem Stress sollten wegen der depressiven Störung, schweres Heben und Tragen aufgrund des Zervikal- und Lumbalsyndroms sowie der Epicondylitis humeri lateralis vermieden werden.

Am 11. Oktober 2013 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung und führte zur Begründung aus, sie sei wegen Arthrose in beiden Händen, beiden Knien und beiden Knöcheln sowie im Bereich der Halswirbelsäule (HWS), eines Bandscheibenvorfalles im HWS-Bereich, starker Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS), einer schwergradigen chronic obstructive pulmonary disease (COPD), Bluthochdrucks sowie einer gegenwärtig schweren depressiven Störung seit August 2012 erwerbsgemindert. Vorgelegt wurde ein Arztbrief des Facharztes für Psychiatrie Dr. S. vom 29. August 2013 (rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwer; posttraumatische Belastungsstörung) sowie ein Attest des hausärztlich behandelnden Arztes für Allgemeinmedizin Dr. L. vom 8. Oktober 2013 (arterielle Hypertonie, schwergradige COPD, schwere therapieresistente Depression, polytopes Schmerzsyndrom).

Die Beklagte beauftragte die Fachärztin für Innere Medizin, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Bl. mit der Erstellung eines Gutachtens, das diese aufgrund einer Untersuchung am 16. Januar 2014 am 3. Februar 2014 erstattete. Darin diagnostizierte sie eine rezidivierende depressive Störung, derzeit ohne depressive Episode, einen Verdacht auf bipolare Erkrankung, eine Schmerzstörung auf dem Boden somatischer Diagnosen, eine Wirbelsäulenfehlstatik und Bandscheibenvorfall C5/6 mit Cervikocephalgien und Brachialgien, eine Spondylarthrose der LWS ohne Funktionseinschränkung, eine Gonarthrose beidseits mit Belastungsbeschwerden, ein metabolisches Syndrom mit arterieller Hypertonie, eine Adipositas und Verdacht auf Diabetes mellitus Typ IIb, einen mäßigen Handgelenks- und Handwurzelverschleiß rechts, eine Rhizarthrose sowie eine Daumenendgelenksarthrose rechts bei Rechtshändigkeit und Belastungsbeschwerden. Daneben bestehe eine leichtgradige schlafbezogene Atemstörung, eine leichte restriktive und obstruktive Ventilationsstörung GOLD I bis II, ein Missbrauch von Schmerzmitteln und Sedativa, ein verkalkter Oberlappenherd der linken Lunge sowie ein Zustand nach Rippenbruch rechts 09/2012. Leichte bis mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne besonderen Zeitdruck, Nachtschicht und zusätzlichen Gefährdungs- und Belastungsfaktoren (Nässe, Zugluft, inhalative Belastungen, Erschütterungen, Vibrationen) seien über sechsstündig zumutbar. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit mit häufigen Überstunden, einer Sechstagewoche und häufigen Arbeiten mit Armen über Brusthöhe und vermehrter Belastung der rechten Hand sei derzeit nur drei- bis unter sechsstündig zumutbar.

Gestützt auf dieses Begutachtungsergebnis lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 6. März 2014 ab, da bei einem mindestens sechsstündigen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Erwerbsminderung nicht vorliege. Den dagegen zunächst von Dr. L. eingelegten und von der Klägerin ausdrücklich aufrechterhaltenen Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 5. Juni 2014 als unbegründet zurück.

Hiergegen erhob Dr. L. im Namen der Klägerin am 17. Juni 2014 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG), die die Klägerin nach Zurückweisung des Arztes als Prozessbevollmächtigten durch Beschluss des SG vom 14. Juli 2014 selbst weiterführte. Zur Begründung wurde ausgeführt, sie leide unter einer schwergradigen therapieresistenten Depression, einer schwergradigen COPD, einer chronischen Schmerzstörung, zunehmenden degenerativen Prozessen im Bereich des gesamten Skelettsystems sowie einem metabolischen Syndrom mit arterieller Hypertonie, Adipositas und beginnendem Diabetes mellitus. Nach Durchführung der Rehabilitationsmaßnahme in der W.-Klinik sei es ihr erheblich schlechter gegangen. Ihre Knie, die COPD, ihre Hals- und Lendenwirbelsäule seien durch die Sportmaßnahmen und Anwendungen ihres Erachtens eher geschädigt worden. Die orthopädische Abschlussuntersuchung habe lediglich zehn Minuten gedauert. Die Befunde ihres langjährig behandelnden Psychiaters Dr. S. könnten durch Dr. Bl. nicht aufgrund eines zweieinhalbstündigen Gespräches mit Untersuchung infrage gestellt werden, zumal sich die Gutachterin mehr für ihre Kleidung und Haushalt interessiert habe als für ihr psychisches Leiden. Entgegen der Darstellung von Dr. Bl. habe sie zum Zeitpunkt der dortigen Begutachtung lediglich die Bluthochdrucktabletten einige Tage nicht eingenommen, wohl aber regelmäßig die Antidepressiva. Wegen einer fortgeschrittenen Gonarthrose benötige sie nach Angaben der Ärzte der Universitäts- und Rehabilitationskliniken U. (RKU) auf Dauer gesehen künstliche Kniegelenke. Aufgrund ihrer Atemnot besitze sie ein Sauerstoffgerät. Ihr Lungenvolumen liege zwischen 40-70 % tagesabhängig. Sie nehme dreimal täglich verschiedene Sprays. Zur Untermauerung ihres Vorbringens legte sie diverse ärztliche Unterlagen vor, unter anderem Arztbriefe von Dr. S. vom 11. April, 8. Mai und 29. August 2013 sowie vom 10. Februar und 6. Juni 2014 und einen Arztbrief des Internisten - Lungen- und Bronchialheilkunde und Allergologie - Dr. W. vom 28. April 2014 (chronisch obstruktive Atemwegserkrankung entsprechend dem Schweregrad GOLD II; Lungenrundherd im linken Oberlappen; kombinierte Ventilationsstörung mit mittelschwerer Einschränkung, überwiegend der FEV1 auf 1,7 l/sec.).

Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage sozialmedizinischer Stellungnahmen des Internisten und Sozialmediziners Dr. Br. vom 18. Juli, 16. September 2014 und 9. Januar 2015 entgegen. Die Einschätzung von Dr. S., dass eine schwere depressive Störung bestehe, könne angesichts der Begutachtung durch Dr. Bl. nicht nachvollzogen werden. Gegenüber dieser habe die Klägerin angegeben, ihre Antidepressiva einige Tage nicht eingenommen zu haben, was gegen einen erheblichen Leidensdruck spreche. Des Weiteren habe Dr. S. bereits am 11. April 2013 die Diagnose einer gegenwärtigen schweren depressiven Episode gestellt, während im Rahmen der nachfolgenden Rehabilitationsmaßnahme nur eine mittelgradige depressive Episode diagnostiziert worden sei. Lungenfachärztlich werde eine kombinierte Ventilationsstörung mit mittelgradiger Einschränkung angegeben. Mangels höhergradiger Einschränkung sei nicht von einer Minderung des zeitlichen Leistungsvermögens auszugehen. Die Angabe einer schwergradigen COPD durch Dr. L. sei daher nicht nachvollziehbar.

Das SG holte schriftliche Aussagen der behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen ein. Dr. L. gab in seiner Auskunft vom 7. Oktober 2014 an, der Gesundheitszustand der Klägerin habe sich seit April 2013 deutlich verschlechtert. Die Depression sei wesentlich schlimmer geworden; die degenerativen Prozesse (beide Kniegelenke, HWS, LWS) bereiteten zunehmend mehr Schmerzen. Der Schmerzmittelgebrauch habe erheblich zugenommen. Die COPD habe sich bei erheblicher Therapieausweitung deutlich verschlechtert. Die Klägerin könne auch leichte Tätigkeiten nicht mehr verrichten. Die Gehfähigkeit sei aufgrund der schweren Gonarthrose beidseits erheblich eingeschränkt. Die Klägerin könne nur noch kurze Strecken (unter 250 m) zurücklegen. Dr. J., Fachärztin für Physikalische und Rehabilitative Medizin sowie Neurologie, berichtete unter dem 9. Oktober 2014 über chronische Rückenschmerzen mit Ausstrahlung ins rechte Bein. Die Klägerin könne leichte Tätigkeiten ohne schweres Heben und Tragen in wechselnder Ausgangsstellung sechs Stunden verrichten. Längere Arbeiten über Kopf oder am Boden seien nicht zumutbar. Dr. D., Funktionsoberarzt der RKU, berichtete unter dem 17. November 2014 über eine am 23. Mai 2014 durchgeführte Kniegelenksarthroskopie zur Teilmeniskektomie des Innenmeniskushinterhorns sowie -vorderhorns lateral rechts. Vornehmlich stehende oder gehende Belastungen sowie Arbeiten in Zwangshaltungen, kniender oder hockender Position sollten vermieden werden. Bei Beachtung dessen sei die Klägerin noch in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Unter Berücksichtigung einer höhergradigen Knorpeldegeneration am rechten Kniegelenk sei von einer Beeinträchtigung der Gehfähigkeit für längere Strecken auszugehen. Dr. S. berichtete unter dem 26. November 2014 über sechsmalige Vorstellungen der Klägerin innerhalb der letzten zwölf Monate. Bei der Klägerin bestehe eine rezidivierende depressive Störung und eine posttraumatische Belastungsstörung. Eine wesentliche Änderung im Gesundheitszustand sei seit April 2013 nicht eingetreten. Zeitdruck, Nachtschicht, wirbelsäulenbelastende Arbeiten oder solche, die mit erhöhten psychosozialen Stress einhergingen, seien ausgeschlossen. Die psychische Belastbarkeit sei marginal und die orthopädischen Erkrankungen minderten die Erwerbstätigkeit zusätzlich, so dass auch eine Leistungsfähigkeit für einfache Tätigkeiten im Umfange von drei Stunden und mehr nicht mehr gegeben sei. Zum Termin im Juni 2014 sei die Klägerin an Krücken erschienen.

Mit Gerichtsbescheid vom 22. Mai 2015 wies das SG die Klage ab. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung lägen nicht vor. Insbesondere der Einschätzung von Dr. Bl. folgend sei die Klägerin unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Diese habe insbesondere festgestellt, dass die Klägerin trotz der bei ihr vorliegenden Gesundheitsstörungen in ihrem Alltag nicht wesentlich eingeschränkt sei. Die Leistungseinschätzung von Dr. Bl. werde durch das Gutachten von Dr. G., den Reha-Entlassungsbericht vom 9. August 2013 und die Stellungnahmen von Dr. D. und Dr. J. bestätigt. Die abweichenden Leistungseinschätzungen von Dr. L. und Dr. S. überzeugten angesichts der Feststellungen in den Gutachten und dem Reha-Entlassungsbericht (insbesondere bezüglich des Tagesablaufs, des spontanen Lachens, des überaus modebewussten Äußeren der Klägerin, der geschilderten Bewegungsmaße etc.) nicht.

Gegen diesen ihr am 27. Mai 2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 23. Juni 2015 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung ausgeführt, angesichts der abweichenden Leistungseinschränkungen zweier Fachärzte (Dr. L. und Dr. S.) hätte das SG von Amts wegen ein medizinisches Gutachten einholen müssen. Sofern die Kammer ihrer Entscheidung Kriterien wie "farblich aufeinander abgestimmte modische Kleidung" zugrunde lege, bestünden hiergegen ebenso erhebliche Bedenken wie gegen den Verweis auf ihr "spontane[s] Lachen" bei der Begutachtung. So habe Dr. S. im Befund ein "überspielendes Lachen" beschrieben bzw. ausgeführt, dass eine starke psychomotorische Unruhe und ein Angespanntsein mit Lachen überspielt würden. Die Klägerin hat erneut die Arztbriefe von Dr. S. vom 29. August 2013 und 10. Februar 2014 vorgelegt.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 22. Mai 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 6. März 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Juni 2014 zu verurteilen, ihr ab dem 1. Mai 2013 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die nach § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie bedurfte nicht der Zulassung, denn die Klägerin begehrt laufende Leistungen für mehr als ein Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

2. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Denn das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 6. März 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Juni 2014 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. Mai 2013 (vgl. § 99 Abs. 1 i.V.m. § 116 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]).

a) Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

b) Aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens ist der Senat überzeugt, dass die Klägerin zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden pro Tag verrichten kann.

(1) Bei der Klägerin bestehen auf psychiatrischem Fachgebiet eine rezidivierende depressive Erkrankung mit bis zu mittelgradigen Episoden sowie eine Schmerzstörung auf dem Boden somatischer Diagnosen. Dies entnimmt der Senat den im Verwaltungsverfahren erstellten Gutachten von Dr. G. vom 29. Mai 2013 und der Fachärztin Dr. Bl. vom 3. Februar 2014 sowie dem Reha-Bericht des Facharztes Dr. K. vom 9. August 2013, die der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwerten konnte (vgl. etwa Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 14. November 2013 – B 9 SB 10/13 B – juris, Rn. 6; BSG, Urteil vom 5. Februar 2008 – B 2 U 8/07 R – juris, Rn. 51). Bei der Begutachtung durch Dr. G. und während des Reha-Verfahrens bestand danach noch eine mittelgradige depressive Episode. Die Diagnose einer schweren depressiven Episode in den Arztbriefen vom 11. April, 8. Mai und 29. August 2013 von Dr. S. ist nicht nachvollziehbar begründet. Der dort wiedergegebene psychische Befund erschöpft sich in den Feststellungen "starke psychomotorische Unruhe, fahrig, angespannt, bedrückt, lacht ausweichend" bzw. "starke psychomotorische Unruhe, angespannt, überspielendes Lachen"; darüber hinaus werden nur subjektive Beschwerdeangaben der Klägerin wiedergegeben. Eigene Feststellungen des Arztes z.B. zu Antrieb, Durchhalte- oder Konzentrationsfähigkeit oder verbliebenen Ressourcen fehlen. Dr. G. konnte zwar im häuslichen Bereich soziale Rückzugstendenzen feststellen, jedoch keine weitgehenden. So verfügt die Klägerin über Kontakte im Bekanntenkreis und der eigenen Familie sowie mit Schwester, Nichte und Neffen. Mit diesen gehe sie auch mal ins Kino. Zu Hause sieht sie fern. Sie versorgt ihren Haushalt und erledigt Einkäufe. Entgegen den Bedenken der Klägerin ist auch ihr äußeres Erscheinungsbild (Haare gefärbt, Lippen geschminkt, gebräunte Haut, modische Kleidung, dezente Kosmetik, Nageldesign) als Indiz für die Schwere der depressiven Erkrankung relevant. Entgegen der Darstellung von Dr. S. wertete Dr. G. das zeitweise Lachen der Klägerin nicht als überspielend, sondern authentisch in Übereinstimmung mit einem teilweise humorvollen Auftreten. Die Klägerin zeigte sich bei Dr. G. affektiv schwingungsfähig, aufmerksam und konzentriert bei der Begutachtung. Die mnestischen Funktionen waren intakt. Es trat keine vorzeitige Ermüdung auf. Eine Antriebsstörung wurde zwar berichtet, aber nicht festgestellt. Im Reha-Verfahren zeigte sich die Stimmungslage gedrückt; eine innere Anspannung war spürbar. Der emotionale Kontakt konnte aber gut hergestellt werden. Es bestanden eine gute Introspektionsfähigkeit und Differenziertheit. Formal und inhaltlich war das Denken unauffällig. Die Klägerin konnte Hobbies (Häkeln und Lesen) bezeichnen. Es wurden keine Befunde erhoben, die eine mehr als mittelschwere depressive Episode rechtfertigten. Bei der Begutachtung durch Dr. Bl. am 16. Januar 2014 war die Klägerin affektiv sehr zugänglich, auflockerbar, schwingungsfähig, lediglich subjektiv leicht depressiv, objektiv allerdings euthym einzuschätzen. Es fielen zwar Störungen des Zeitgitters auf, allerdings konnten alle Gedächtnisinhalte des Langzeit- und Kurzzeitgedächtnisses gut abgerufen werden. Im Gespräch zeigten sich keine wesentlichen Störungen der Konzentration, keine Störungen der Ausdauer und der Merkfähigkeit. Der Gedankengang zeigte sich etwas unruhig, aber noch geordnet. Die Klägerin beschrieb einen regelmäßigen und guten Kontakt zu den Kindern und der Familie. Mit der jüngsten Tochter telefoniere sie täglich und schreibe über WhatsApp. Sie erledigte den Haushalt, die Küche und putzte, einschließlich Fenster und Bodenwischen. Die Wohnung sei immer ordentlich, aufgeräumt und sauber. Geschildert wurde ein geregelter Tagesablauf. Sie lege sehr viel Wert auf schöne Kleidung. Der Tag gehe immer schnell rum. Überzeugend geht Dr. Bl. daher davon aus, dass eine depressive Episode zu diesem Zeitpunkt nicht vorlag. Das Attest von Dr. S. vom 6. Juni 2014 enthält keine Befunde. In seiner Stellungnahme als sachverständiger Zeuge vom 26. November 2014 nennt er als wesentliche Symptome depressive Phasen, starke Ängste, Schreckhaftigkeit, Selbstwertprobleme, Weinerlichkeit, innere Unruhe, plötzliche Stimmungsschwankungen, Antriebsminderung, Albträume, Schlafstörungen, Reizbarkeit und Überempfindlichkeit bei Kritik. Dabei ist aber – insbesondere im Hinblick auf die vorliegenden Arztbriefe – nicht ersichtlich, inwieweit es sich hierbei um eigene Feststellungen des Arztes handelt oder um subjektive Beschwerdeangaben der Klägerin. Auch finden sich keine Angaben zum Ausmaß der bezeichneten Symptome. Ein Abgleich mit der Alltagsgestaltung der Klägerin erfolgt nicht; verbliebende Ressourcen werden nicht angesprochen. Die von Dr. S. angegebene und von Dr. L. wiederholte Einschätzung der Schwere der depressiven Erkrankung ist danach und angesichts des berichteten Therapieumfanges (sechsmalige Vorstellungen der Klägerin bei Dr. S. in der Zeit von November 2013 bis November 2014; keine ambulante Psychotherapie) nicht nachvollziehbar. Neben der depressiven Erkrankung ist eine Schmerzstörung zu beachten. Ob des Weiteren eine posttraumatische Belastungsstörung vorliegt, wie von Dr. K. und Dr. S. diagnostiziert, erscheint eher fraglich. Denn Dr. Bl. hat hierfür keine relevanten Befunde erhoben. Dies kann jedoch offen bleiben, da sich hieraus jedenfalls keine relevante Leistungseinschränkung ergibt (dazu unten).

Auf orthopädischem Fachgebiet leidet die Klägerin an einer Wirbelsäulenfehlstatik bei Bandscheibenvorfall an C5/6 mit Cervikocephalgien und Brachialgien, pseudoradikulären Beschwerden L5 rechts bei Spondylarthrose, mäßigem Handgelenks-/Handwurzelverschleiß rechts, Rhizarthrose/Daumenendgelenksarthrose rechts mit Belastungsschmerzen, Tennisellenbogen links (Epicondylitis humeri lateralis) und Gonarthrose beidseits mit Belastungsbeschwerden. Dies ergibt sich aus den Gutachten von Dr. G., Dr. Bl., dem Reha-Bericht von Dr. K. sowie den sachverständigen Zeugenaussagen von Dr. J. und Dr. D ...

Internistisch liegt eine chronisch obstruktive Atemwegserkrankung entsprechend dem Schweregrad GOLD II vor. Dies entnimmt der Senat dem Arztbrief von Dr. W. vom 28. April 2014. Danach besteht eine kombinierte Ventilationsstörung mit mittelschwerer Einschränkung überwiegend der FEV1 auf 1,7 l/sec.). Für die von Dr. L. behauptete schwere COPD bestehen nach der lungenfachärztlichen Feststellung keine Anhaltspunkte. Der von ihm vorgelegte letzte Lungenfunktionsbefund vom 7. Juli 2014 ergab eine FEV1 von noch 51% des Solls, was noch dem Stadium GOLD II zuzuordnen ist. Auch die übrigen von ihm mitgeteilten Befunde werden nach den vorgelegten Ausdrucken (31. Juli und 16. Oktober 2013) lediglich als mäßig schwere Restriktion interpretiert. Daneben bestehen eine Adipositas per magna und ein arterieller Bluthochdruck mit hypertensiven Entgleisungen, was dem Gutachten von Dr. G. entnommen werden kann. Ein Diabetes mellitus Typ IIb ist bislang nicht nachgewiesen.

(2) Die festgestellten körperlichen Gesundheitsstörungen schränken das berufliche Leistungsvermögen der Klägerin nur in qualitativer, nicht aber in zeitlicher Hinsicht ein.

(a) Aufgrund der orthopädischen Gesundheitsstörungen sind Tätigkeiten mit schwerem Heben und Tragen, Zwangshaltungen der Wirbelsäule sowie längeren Arbeiten über Kopf oder am Boden, im Knien oder Hocken sowie mit übermäßiger Belastung der rechten Hand nicht mehr zumutbar. Die psychischen Gesundheitsstörungen schließen Tätigkeiten mit hohem Stress, Nachtschicht und besonderem Zeitdruck aus. Dies ergibt sich aus den übereinstimmenden Einschätzungen von Dr. G., Dr. K., Dr. Bl. sowie hinsichtlich der orthopädischen Gesundheitsstörungen auch von Dr. J. und Dr. D ... Die Adipositas per magna und der – medikamentös behandelbare – arterielle Bluthochdruck bedingen keine weitergehenden Leistungseinschränkungen, was dem Gutachten von Dr. G. entnommen werden kann. Bei der Begutachtung durch Dr. Bl. ergaben sich Normalwerte. Gleiches gilt für den Diabetes mellitus Typ IIb, der sich allenfalls im beginnenden Stadium befindet und ebenfalls einer Behandlung zugänglich ist. Der chronisch obstruktiven Atemwegserkrankung (kombinierte Ventilationsstörung mit mittelschwerer Einschränkung GOLD II) kann durch den von Dr. Bl. angeführten Ausschluss von Gefährdungs- und Belastungsfaktoren, wie inhalativen Belastungen, ausreichend Rechnung getragen werden.

(b) Die bei der Klägerin als rentenrelevant zu berücksichtigenden Gesundheitsstörungen führen nicht zu einem Absinken des tatsächlichen Restleistungsvermögen auf ein unter sechsstündiges Maß; sie ist weiterhin in der Lage, jedenfalls leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen und mit der Möglichkeit zu gelegentlichem Gehen oder Stehen sechs Stunden und mehr täglich auszuüben.

Der abweichenden Einschätzung von Dr. S. vermag der Senat nicht zu folgen, da die von ihm angenommene Schwere der psychischen Gesundheitsstörungen aus den oben genannten Gründen nicht überzeugt. Die Klägerin ist in der Lage, den Anforderungen des täglichen Lebens gerecht zu werden, und verfügt noch über die bereits ausgeführten Ressourcen, die in ihrer Alltagsgestaltung deutlich werden. Angesichts dessen wird es für die Frage der Rentengewährung auch nicht relevant, ob eine posttraumatische Belastungsstörung zu Recht diagnostiziert wurde, zumal Dr. G. zwar eine psychomotorische Unruhe beim Bericht über Missbrauchserlebnisse in der Jugend angibt, die im weiteren Gespräch aber kompensiert wurde. Im Übrigen beschreibt auch Dr. K. im Reha-Bericht unter Berücksichtigung der gestellten Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung ein zeitlich uneingeschränktes Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten.

Die Gesundheitsstörungen an der Wirbelsäule führen nur zu einer mäßigen Minderbelastbarkeit. Weder der Bandscheibenvorfall an der Hals- noch die degenerativen Veränderungen an der Lendenwirbelsäule haben zu einer dauerhaften radikulären Symptomatik oder schweren Bewegungseinschränkungen geführt. Dr. Bl. beschreibt eine Einschränkung der Kopfrotation nach rechts auf 30°, links 60°. Kopfneigung und -beugung waren unauffällig möglich. Bei der Rotation der HWS wurden keine Schmerzen angegeben. Das An- und Auskleiden erfolgte flüssig mit Überkopfgriff, einschließlich der ober- und unter Bekleidung. Der Finger-Fußboden-Abstand betrug 19 cm, das Zeichen nach Ort 30/37 cm. Schulter-, Ellenbogen- und Handgelenke waren frei beweglich, der Schürzen-, Überkopf- und Nackengriff möglich. Der neurologische Befund zeigte sich unauffällig, insbesondere bestanden keine pathologischen Reflexe, sensorischen oder motorischen Ausfälle. Dies entspricht im Wesentlichen auch den im orthopädischen Konzil im Reha-Verfahren und den von Dr. G. erhobenen Befunden. Dr. J. bestätigte in ihrer Auskunft vom 9. Oktober 2014, dass der letzten Vorstellung am 20. März 2014 im Gegensatz zu Anhaltspunkten im April 2013 keine radikuläre Symptomatik mehr bestanden hat, sondern diffuse Schmerzen im rechten Bein entsprechend pseudoradikulären Beschwerden. Die Elektromygraphie hat keine Auffälligkeiten mehr gezeigt. Lähmungserscheinungen waren nicht vorhanden. Bei der Prüfung der Kniegelenksbeweglichkeit durch Dr. Bl. war linksseitig eine Beugung bis 90°, rechts auch darüber hinaus möglich. Klinisch zeigte sich kein Kniegelenkserguss. Zehen- und Fersenstand war möglich. Zehenheber und -senker zeigten sich kraftvoll. Dr. D. bestätigte in seiner Auskunft vom 17. November 2014, dass zum Zeitpunkt der vorangegangenen ambulanten Untersuchung am 19. Mai 2014 keine höhergradigen Funktionseinschränkungen beider Kniegelenke dokumentiert wurden. Das Kniegelenk links zeigte keinen Erguss. Die Flexion/Extension betrug 130-0-0°. Es fand sich ein stabiler Bandapparat. Das Innenmeniskuszeichen war nur angedeutet positiv (beigelegter Arztbrief vom 21. Mai 2014). Ein Meniskusschaden im rechten Knie wurde am 23. Mai 2014 mittels Kniegelenksarthroskopie erfolgreich behandelt. Im Hinblick auf diese frisch durchgeführte Operation kommt dem Hinweis von Dr. S., die Klägerin sei zum dortigen Termin am 6. Juni 2014 mit Krücken erschienen, keine Bedeutung zu. Unter Berücksichtigung einer höhergradigen Knorpeldegeneration am rechten Kniegelenk ist auch nach Einschätzung von Dr. D. von einer Beeinträchtigung der Gehfähigkeit nur für längere Strecken auszugehen. Die Hand- und Fingerbeweglichkeit ist auch rechts trotz der arthrotischen Veränderungen nicht erheblich eingeschränkt. Bei der Begutachtung durch Dr. Bl. waren Faustschluss und Fingerspreizen, Spitz- und Schlüsselbegriff sowie beidhändiges Aus- und Ankleiden ohne Defizite möglich. Dies entspricht dem bereits von Dr. G. erhobenen Befund. Den übereinstimmenden Einschätzungen von Dr. G., Dr. K., Dr. Bl., Dr. J. und Dr. D. folgend, rechtfertigen die orthopädischen Gesundheitsstörungen nach summarischer Prüfung keine Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens für leichte Tätigkeiten der oben beschriebenen Art.

Gleiches gilt für die chronisch obstruktive Atemwegserkrankung. Ein aufgehobenes Leistungsvermögen auch für leichte körperliche Tätigkeit besteht bei einer schweren Dyspnoe schon bei geringer Belastung, einer maximalen ergometrischen Belastbarkeit unter 50 Watt, einer Einsekundenkapazität unter 50% vom Soll oder unter 1,0 Liter, einer relativen Einsekundenkapazität unter 40%, einer Resistance von über 1,0kPa/l s oder einer Minderung des Transferfaktors unter 50% vom Soll. Des Weiteren insbesondere bei schwerer Ruhedyspnoe und klinisch oder apparativ nachgewiesener Rechtsherzkompensation trotz adäquater Therapie (Leitlinien für die sozialmedizinische Begutachtung, Leistungsfähigkeit bei chronisch obstruktiver Lungenkrankheit und Asthma bronchiale, Deutsche Rentenversicherung, Januar 2010, S. 36). Solche Werte oder Befunde wurden bei der Klägerin nicht erhoben und auch von Dr. L. nicht mitgeteilt. Leichte körperliche Arbeiten können hingegen zugemutet werden bei mittelgradigen Funktionsstörungen der Einsekundenkapazität zwischen 50 und 70% vom Soll (S. 36 der Leitlinie), wie sie hier von Dr. W. im Arztbrief vom 28. April 2014 beschrieben wurden.

(3) Ob der Klägerin ein Arbeitsplatz vermittelt werden kann oder nicht, ist für den geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht erheblich. Die jeweilige Arbeitsmarktlage ist nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Maßgebend ist, ob die Klägerin mit dem ihr verbliebenen Restleistungsvermögen – wenn auch mit qualitativen Einschränkungen – in der Lage ist, zumindest körperlich leichte Tätigkeiten arbeitstäglich für mindestens sechs Stunden zu verrichten, sie also in diesem zeitlichen Umfang unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig sein kann, wovon im Regelfall ausgegangen werden kann (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 13 R 78/09 R – juris, Rn. 31). Dies bejaht der Senat wie zuvor dargelegt.

(4) Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegen nicht vor. In einem solchen Fall kann der Arbeitsmarkt selbst bei einem noch vorhandenen sechsstündigen Leistungsvermögen ausnahmsweise als verschlossen gelten (siehe – auch zum Folgenden – etwa Urteil des Senats vom 21. November 2014 – L 4 R 4797/13 – nicht veröffentlicht). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf noch vorhandenes Restleistungsvermögen nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten.

Dies ist hier nicht der Fall. Die qualitativen Leistungseinschränkungen der Klägerin (siehe oben) sind nicht als ungewöhnlich zu bezeichnen. Darin ist weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zu sehen. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt nur vor, wenn bereits eine erhebliche (krankheitsbedingte) Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. Hierzu können – unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände – beispielsweise Einäugigkeit, Einarmigkeit und Einschränkungen der Arm- und Handbeweglichkeit sowie besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz zählen (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 – B 5 R 68/11 R – juris, Rn. 28 m.w.N.). Keine dieser Fallkonstellationen ist bei der Klägerin vorhanden. Insbesondere ist die Funktionsfähigkeit der rechten Hand nicht aufgehoben.

(5) Auch die Wegefähigkeit der Klägerin war und ist gegeben. Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit eines Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle in zumutbarer Zeit aufsuchen zu können. Das BSG hat dieses Vermögen nur dann für gegeben erachtet, wenn es dem Versicherten möglich ist, Entfernungen von über 500 Metern zu Fuß zurückzulegen, weil davon auszugehen ist, dass derartige Wegstrecken üblicherweise erforderlich sind, um Arbeitsstellen oder Haltestellen eines öffentlichen Verkehrsmittels zu erreichen (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 – 13/5 RJ 73/90 – juris, Rn. 16 ff.; Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 21/10 R – juris, Rn. 21 f.; Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 79/11 R – juris, Rn. 19 f.). Die Klägerin ist in der Lage, eine Gehstrecke von 500 Metern viermal in weniger als 20 Minuten täglich zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Die von Dr. L. behauptete Einschränkung der Gehstrecke auf unter 250 m ist nicht belegt. Vielmehr ist auch unter Berücksichtigung einer höhergradigen Knorpeldegeneration am rechten Kniegelenk und der dort durchgeführten Arthroskopie nach schlüssiger Einschätzung von Dr. D. von einer Beeinträchtigung der Gehfähigkeit nur für längere Strecken auszugehen. Im Übrigen ist die Klägerin mit ihrem Pkw ausreichend mobil. Zu den Begutachtungen bei Dr. G. und Dr. Bl. ist jeweils alleine mit dem Pkw angereist.

c) Weitere Ermittlungen von Amts wegen waren nicht erforderlich. Der Sachverhalt ist durch die Beweiserhebungen des SG aufgeklärt. Auch aus dem Vorbringen der Klägerin ergeben sich keine Anhaltspunkte für wesentlich neue Gesichtspunkte, die der Aufklärung bedürften.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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