Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AS 834/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 5234/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 24. November 2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Rechtsstreit betrifft die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für April 2015 bis März 2016.
Der 1964 geborene Kläger bewohnt allein eine Mietwohnung, für die er im streitgegenständlichen Zeitraum eine Kaltmiete in Höhe von monatlich 230,00 Euro sowie Betriebs- und Heizkosten in Höhe von 53,00 Euro zu zahlen hatte. Die Warmwassererzeugung erfolgt dezentral durch zwei Boiler in der Wohnung.
Der Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 20. Februar 2015 Leistungen für April 2015 bis März 2016 in Höhe von insgesamt 691,18 Euro monatlich, nämlich einen Regelbedarf in Höhe von 399,00 Euro monatlich, einen Mehrbedarf für dezentrale Warmwassererzeugung in Höhe von 9,18 Euro sowie Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe von 283,00 Euro.
Hiergegen erhob der Kläger am 2. März 2015 Widerspruch (Schreiben vom 28. Februar 2015). Er verwies auf das beim Sozialgericht Reutlingen (SG) damals anhängige Verfahren S 2 AS 1273/14.
Der Beklagte wies den Widerspruch gegen den Bescheid vom 20. Februar 2015 mit Widerspruchsbescheid vom 4. März 2015 zurück. Die vom Kläger nachgewiesenen Unterkunftskosten würden übernommen. Darüber hinaus gehende Bedarfe seien weder konkret geltend gemacht und beantragt worden, noch seien Anhaltspunkte hierfür erkennbar.
Am 7. April 2015 hat der Kläger beim SG Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 4. März 2015 erhoben. Er hat erneut auf das Verfahren S 2 AS 1273/14 verwiesen.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Das SG hat am 4. September 2015 Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 24. November 2015 auf 8:30 Uhr bestimmt und das persönliche Erscheinen des Klägers angeordnet. Es hat zugleich auf die Möglichkeit einer Entscheidung auch im Falle des Ausbleibens von Beteiligten hingewiesen. Diese Terminsmitteilung ist dem Kläger am 8. September 2015 zugestellt worden (Postzustellungsurkunde Bl. 24 der SG-Akte im Verfahren S 2 AS 2331/14). Mit Schreiben vom 5. November 2015 hat es diese Anordnung des persönlichen Erscheinens aufgehoben. Dieses Schreiben ist dem Kläger am 6. November 2015 zugestellt worden (Postzustellungsurkunde Bl. 26 der SG-Akte im Verfahren S 2 AS 2331/14).
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 24. November 2015 abgewiesen. Der Kläger habe im streitgegenständlichen Zeitraum keinen höheren Anspruch auf Leistungen. Der Beklagte habe die Bedarfe für Unterkunft und Heizung in der Höhe der vom Vermieter bescheinigten tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt und bewilligt.
Der Beklagte hat mit Änderungsbescheid vom 29. November 2015 die Bewilligung für Januar bis März 2016 geändert und nunmehr Leistungen in Höhe von monatlich insgesamt 696,29 Euro bewilligt, nämlich einen Regelbedarf von 404,00 Euro, einen Mehrbedarf von 9,29 Euro sowie einen Bedarf für Unterkunft und Heizung in Höhe von 283,00 Euro.
Gegen das ihm am 28. November 2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21. Dezember 2015 Berufung eingelegt. Er habe gar keine Möglichkeit gehabt, seine Sicht der Lage darzustellen. Er sei kurzer Hand ausgeladen worden. Jeder Mensch habe angeblich "in dem Drecksstaat ein Recht auf menschenwürdiges Leben". Er müsse dagegen "schlechter wie Vieh dahinvegetieren".
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 24. November 2015 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung seines Bescheides vom 20. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2015 und in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29. November 2015 zu verurteilen, ihm höhere Leistungen nach dem SGB II für April 2015 bis März 2016 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verweist auf die aus seiner Sicht überzeugenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil.
Der Berichterstatter hat die Beteiligten auf die Absicht des Senats, die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zurückzuweisen, hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Der Kläger hat daraufhin vorgebracht, von der Verhandlung am 24. November 2015 ausgeladen worden zu sein. Der Zweck hierfür sei gewesen, dass er ohne Reisekostenerstattung habe anreisen sollen. Zudem habe man die Verhandlung auf eine Uhrzeit gelegt, zu der er nicht pünktlich hätte erscheinen können. Dies sei "eiskalte Berechnung" des Gerichts gewesen. Der Beklagte hat mitgeteilt, keine Einwände gegen eine Zurückweisung der Berufung durch Beschluss zu haben.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge – auch die der Verfahren S 2 AS 1273/14, S 2 AS 2331/14, L 7 AS 5231/15 und L 7 AS 5232/15 NZB – sowie die beigezogenen Akten des Beklagten Bezug genommen.
II.
1. Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss, da er die Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Der Entscheidung durch Beschluss steht nicht entgegen, dass das SG in Abwesenheit des Klägers entschieden hat. Dies gilt jedenfalls deshalb, weil der Kläger zu der mündlichen Verhandlung am 24. November 2015 ausweislich der in der Akte des SG (S 2 AS 2331/14) enthaltenen Zustellungsnachweise ordnungsgemäß geladen und auf die Möglichkeit einer Entscheidung auch im Falle des Ausbleibens von Beteiligten hingewiesen worden war, aber nicht erschienen ist, ohne eine Verlegung des Termins zu beantragen (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 6. November 1987 – 9 B 300/87 – juris Rdnr. 3; Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Beschluss vom 26. Oktober 2016 – L 4 P 2609/16 – juris Rdnr. 24). Mangels Terminsverlegungsantrag kann der Kläger auch mit seinem jüngsten Einwand, er hätte aufgrund der Uhrzeit der mündlichen Verhandlung vor dem SG gar nicht pünktlich erscheinen können, nicht gehört werden. Er ist im Übrigen entgegen seiner Darstellung nicht von der Verhandlung "ausgeladen" worden; es wurde lediglich die Anordnung seines persönlichen Erscheinens aufgehoben.
2. Die gemäß § 143 SGG statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch – unter Zurückstellung von Bedenken hinsichtlich des Rechtsschutzbedürfnisses – im Übrigen zulässig. Dabei geht der Senat zu Gunsten des Klägers davon aus, dass er weitere Leistungen in Höhe von mehr als 750,00 Euro begehrt, so dass die Berufung nicht der Zulassung bedurfte (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
Der Änderungsbescheid vom 29. November 2015 ist, weil er den Bescheid vom 20. Februar 2015 teilweise abgeändert hat, noch gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden, weil er zwar nach Verkündung des Urteils, aber vor Einlegung der Berufung erlassen worden ist, so dass der Senat über ihn im Rahmen der Berufung entscheiden kann (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 26. Mai 2011 – B 10 EG 12/10 R – juris Rdnr. 17; BSG, Urteil vom 20. Dezember 2012 – B 10 EG 19/11 R – juris Rdnr. 18 m.w.N.).
3. Die Berufung des Klägers ist aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 20. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2015 und in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29. November 2015 ist rechtmäßig. Der Kläger hat für April 2015 bis März 2016 keinen Anspruch auf höhere Leistungen nach dem SGB II.
a) Dabei geht der Senat trotz des Umstandes, dass der Kläger – soweit überhaupt nachvollziehbar – im gesamten Verfahren und in den Parallelverfahren Einwände nur gegen die Höhe des berücksichtigten Bedarfs für Unterkunft und Heizung und wegen des Mehrbedarfs bei dezentraler Warmwassererzeugung vorgebracht hat, davon aus, dass streitgegenständlich die gesamten Leistungen nach dem SGB II sind. Zwar handelt es sich nach der Rechtsprechung des BSG bei den Bedarfen für Unterkunft und Heizung um abtrennbare Streitgegenstände (ständige Rechtsprechung seit BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 8/06 R – juris Rdnr. 18; aus jüngerer Zeit etwa BSG, Urteil vom 4. Juni 2014 – B 14 AS 42/13 R – juris Rdnr. 10 ff.), jedoch nicht bei den Mehrbedarfen (BSG, Urteil vom 14. Februar 2013 – B 14 AS 48/12 R – juris Rdnr. 9; BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 – B 4 AS 6/13 R – juris Rdnr. 11 m.w.N.; anders für die Mehrbedarfe nach dem SGB XII BSG, Urteil vom 26. August 2008 – B 8/9b SO 10/06 R – juris Rdnr. 12 ff.), so dass der Umstand, dass der Mehrbedarf bei dezentraler Warmwassererzeugung streitgegenständlich ist, im Lichte der zitierten Rechtsprechung des BSG dazu führt, dass auch der bewilligte Regelbedarf der gerichtlichen Kontrolle unterliegt.
b) Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die (1.) das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, (2.) erwerbsfähig (§ 8 Abs. 1 SGB II) sind, (3.) hilfebedürftig sind und (4.) ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger vor. Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum 50 bzw. 51 Jahre alt, erwerbsfähig und mangels Einkommen und berücksichtigungsfähigem Vermögen auch hilfebedürftig (§ 9 SGB II). Er hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.
Gründe, die zu einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4, Abs. 4a, Abs. 5 SGB II führen, liegen nicht vor.
c) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte – und damit der Kläger – erhalten gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II Arbeitslosengeld II. Die Leistungen umfassen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung (§ 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II).
aa) Der Regelbedarf des alleinstehenden und volljährigen Klägers betrug zwischen April 2015 und Dezember 2015 monatlich 399,00 Euro (§ 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II in der vom 1. April 2011 bis 31. Juli 2016 geltenden Fassung i.V.m. der Bekanntmachung über die Höhe der Regelbedarfe nach § 20 Abs. 5 SGB II für die Zeit ab 1. Januar 2015 vom 15. Oktober 2014 [BGBl. I S. 1620]) sowie zwischen Januar 2016 und März 2016 monatlich 404,00 Euro (§ 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II in der vom 1. April 2011 bis 31. Juli 2016 geltenden Fassung i.V.m. der Bekanntmachung über die Höhe der Regelbedarfe nach § 20 Abs. 5 SGB II für die Zeit ab 1. Januar 2016 vom 22. Oktober 2015 [BGBl. I S. 1792]). Diese Regelbedarfe hat der Beklagte – zuletzt mit Änderungsbescheid vom 29. November 2015 – bewilligt.
bb) Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGG II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.
Der Kläger hat seinem Vermieter eine Kaltmiete in Höhe von monatlich 230,00 Euro sowie Betriebs- und Heizkosten in Höhe von 53,00 Euro zu zahlen. Dies steht zur Überzeugung des Senats aufgrund der vom Kläger in einem früheren Verwaltungsverfahren selbst vorgelegten Mietbescheinigung seiner Vermieterin vom 10. August 2014 sowie deren schriftlicher Auskunft gegenüber dem SG vom 5. Februar 2015 im Verfahren S 2 AS 1273/14 fest. Diese Beträge hat der Beklagte seiner Bedarfsberechnung und Bewilligungsentscheidung zugrunde gelegt.
Auf die Frage, ob die von dem Beklagten übernommenen Kosten für Unterkunft und Heizung angemessen sind, kommt es im vorliegenden Fall nicht an, denn der Beklagte hat die Kosten des Klägers für Unterkunft und Heizung in voller Höhe als Bedarf berücksichtigt.
cc) Der Beklagte hat zudem zu Recht einen Mehrbedarf für dezentrale Warmwassererzeugung in Höhe von monatlich 9,18 Euro (April bis Dezember 2015) bzw. 9,29 Euro (Januar bis März 2016) anerkannt. Dieser Anspruch des Klägers folgt aus § 21 Abs. 7 SGB II. Gemäß § 21 Abs. 7 Satz 1 SGB II wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 SGB II anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person gemäß § 22 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 SGB II 2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4 SGB II. Der Regelbedarf des alleinstehenden und volljährigen Klägers betrug im streitgegenständlichen Zeitraum – wie dargestellt – 399,00 Euro (April bis Dezember 2015) bzw. 404,00 Euro (Januar bis März 2016). 2,3 Prozent hiervon sind 9,18 Euro (April bis Dezember 2015) bzw. 9,29 Euro (Januar bis März 2016). Diese Beträge hat der Beklagte berücksichtigt und bewilligt.
dd) Für das Bestehen eines höheren Anspruch des Klägers ist nichts ersichtlich; auch der Kläger hat insofern nichts vorgebracht. Insbesondere bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Regelbedarfs (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 1 BvL 10/12 u.a. – juris Rdnr. 73 ff.).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Rechtsstreit betrifft die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für April 2015 bis März 2016.
Der 1964 geborene Kläger bewohnt allein eine Mietwohnung, für die er im streitgegenständlichen Zeitraum eine Kaltmiete in Höhe von monatlich 230,00 Euro sowie Betriebs- und Heizkosten in Höhe von 53,00 Euro zu zahlen hatte. Die Warmwassererzeugung erfolgt dezentral durch zwei Boiler in der Wohnung.
Der Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 20. Februar 2015 Leistungen für April 2015 bis März 2016 in Höhe von insgesamt 691,18 Euro monatlich, nämlich einen Regelbedarf in Höhe von 399,00 Euro monatlich, einen Mehrbedarf für dezentrale Warmwassererzeugung in Höhe von 9,18 Euro sowie Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe von 283,00 Euro.
Hiergegen erhob der Kläger am 2. März 2015 Widerspruch (Schreiben vom 28. Februar 2015). Er verwies auf das beim Sozialgericht Reutlingen (SG) damals anhängige Verfahren S 2 AS 1273/14.
Der Beklagte wies den Widerspruch gegen den Bescheid vom 20. Februar 2015 mit Widerspruchsbescheid vom 4. März 2015 zurück. Die vom Kläger nachgewiesenen Unterkunftskosten würden übernommen. Darüber hinaus gehende Bedarfe seien weder konkret geltend gemacht und beantragt worden, noch seien Anhaltspunkte hierfür erkennbar.
Am 7. April 2015 hat der Kläger beim SG Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 4. März 2015 erhoben. Er hat erneut auf das Verfahren S 2 AS 1273/14 verwiesen.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Das SG hat am 4. September 2015 Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 24. November 2015 auf 8:30 Uhr bestimmt und das persönliche Erscheinen des Klägers angeordnet. Es hat zugleich auf die Möglichkeit einer Entscheidung auch im Falle des Ausbleibens von Beteiligten hingewiesen. Diese Terminsmitteilung ist dem Kläger am 8. September 2015 zugestellt worden (Postzustellungsurkunde Bl. 24 der SG-Akte im Verfahren S 2 AS 2331/14). Mit Schreiben vom 5. November 2015 hat es diese Anordnung des persönlichen Erscheinens aufgehoben. Dieses Schreiben ist dem Kläger am 6. November 2015 zugestellt worden (Postzustellungsurkunde Bl. 26 der SG-Akte im Verfahren S 2 AS 2331/14).
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 24. November 2015 abgewiesen. Der Kläger habe im streitgegenständlichen Zeitraum keinen höheren Anspruch auf Leistungen. Der Beklagte habe die Bedarfe für Unterkunft und Heizung in der Höhe der vom Vermieter bescheinigten tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt und bewilligt.
Der Beklagte hat mit Änderungsbescheid vom 29. November 2015 die Bewilligung für Januar bis März 2016 geändert und nunmehr Leistungen in Höhe von monatlich insgesamt 696,29 Euro bewilligt, nämlich einen Regelbedarf von 404,00 Euro, einen Mehrbedarf von 9,29 Euro sowie einen Bedarf für Unterkunft und Heizung in Höhe von 283,00 Euro.
Gegen das ihm am 28. November 2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21. Dezember 2015 Berufung eingelegt. Er habe gar keine Möglichkeit gehabt, seine Sicht der Lage darzustellen. Er sei kurzer Hand ausgeladen worden. Jeder Mensch habe angeblich "in dem Drecksstaat ein Recht auf menschenwürdiges Leben". Er müsse dagegen "schlechter wie Vieh dahinvegetieren".
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 24. November 2015 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung seines Bescheides vom 20. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2015 und in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29. November 2015 zu verurteilen, ihm höhere Leistungen nach dem SGB II für April 2015 bis März 2016 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verweist auf die aus seiner Sicht überzeugenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil.
Der Berichterstatter hat die Beteiligten auf die Absicht des Senats, die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zurückzuweisen, hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Der Kläger hat daraufhin vorgebracht, von der Verhandlung am 24. November 2015 ausgeladen worden zu sein. Der Zweck hierfür sei gewesen, dass er ohne Reisekostenerstattung habe anreisen sollen. Zudem habe man die Verhandlung auf eine Uhrzeit gelegt, zu der er nicht pünktlich hätte erscheinen können. Dies sei "eiskalte Berechnung" des Gerichts gewesen. Der Beklagte hat mitgeteilt, keine Einwände gegen eine Zurückweisung der Berufung durch Beschluss zu haben.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge – auch die der Verfahren S 2 AS 1273/14, S 2 AS 2331/14, L 7 AS 5231/15 und L 7 AS 5232/15 NZB – sowie die beigezogenen Akten des Beklagten Bezug genommen.
II.
1. Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss, da er die Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Der Entscheidung durch Beschluss steht nicht entgegen, dass das SG in Abwesenheit des Klägers entschieden hat. Dies gilt jedenfalls deshalb, weil der Kläger zu der mündlichen Verhandlung am 24. November 2015 ausweislich der in der Akte des SG (S 2 AS 2331/14) enthaltenen Zustellungsnachweise ordnungsgemäß geladen und auf die Möglichkeit einer Entscheidung auch im Falle des Ausbleibens von Beteiligten hingewiesen worden war, aber nicht erschienen ist, ohne eine Verlegung des Termins zu beantragen (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 6. November 1987 – 9 B 300/87 – juris Rdnr. 3; Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Beschluss vom 26. Oktober 2016 – L 4 P 2609/16 – juris Rdnr. 24). Mangels Terminsverlegungsantrag kann der Kläger auch mit seinem jüngsten Einwand, er hätte aufgrund der Uhrzeit der mündlichen Verhandlung vor dem SG gar nicht pünktlich erscheinen können, nicht gehört werden. Er ist im Übrigen entgegen seiner Darstellung nicht von der Verhandlung "ausgeladen" worden; es wurde lediglich die Anordnung seines persönlichen Erscheinens aufgehoben.
2. Die gemäß § 143 SGG statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch – unter Zurückstellung von Bedenken hinsichtlich des Rechtsschutzbedürfnisses – im Übrigen zulässig. Dabei geht der Senat zu Gunsten des Klägers davon aus, dass er weitere Leistungen in Höhe von mehr als 750,00 Euro begehrt, so dass die Berufung nicht der Zulassung bedurfte (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
Der Änderungsbescheid vom 29. November 2015 ist, weil er den Bescheid vom 20. Februar 2015 teilweise abgeändert hat, noch gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden, weil er zwar nach Verkündung des Urteils, aber vor Einlegung der Berufung erlassen worden ist, so dass der Senat über ihn im Rahmen der Berufung entscheiden kann (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 26. Mai 2011 – B 10 EG 12/10 R – juris Rdnr. 17; BSG, Urteil vom 20. Dezember 2012 – B 10 EG 19/11 R – juris Rdnr. 18 m.w.N.).
3. Die Berufung des Klägers ist aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 20. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2015 und in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29. November 2015 ist rechtmäßig. Der Kläger hat für April 2015 bis März 2016 keinen Anspruch auf höhere Leistungen nach dem SGB II.
a) Dabei geht der Senat trotz des Umstandes, dass der Kläger – soweit überhaupt nachvollziehbar – im gesamten Verfahren und in den Parallelverfahren Einwände nur gegen die Höhe des berücksichtigten Bedarfs für Unterkunft und Heizung und wegen des Mehrbedarfs bei dezentraler Warmwassererzeugung vorgebracht hat, davon aus, dass streitgegenständlich die gesamten Leistungen nach dem SGB II sind. Zwar handelt es sich nach der Rechtsprechung des BSG bei den Bedarfen für Unterkunft und Heizung um abtrennbare Streitgegenstände (ständige Rechtsprechung seit BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 8/06 R – juris Rdnr. 18; aus jüngerer Zeit etwa BSG, Urteil vom 4. Juni 2014 – B 14 AS 42/13 R – juris Rdnr. 10 ff.), jedoch nicht bei den Mehrbedarfen (BSG, Urteil vom 14. Februar 2013 – B 14 AS 48/12 R – juris Rdnr. 9; BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 – B 4 AS 6/13 R – juris Rdnr. 11 m.w.N.; anders für die Mehrbedarfe nach dem SGB XII BSG, Urteil vom 26. August 2008 – B 8/9b SO 10/06 R – juris Rdnr. 12 ff.), so dass der Umstand, dass der Mehrbedarf bei dezentraler Warmwassererzeugung streitgegenständlich ist, im Lichte der zitierten Rechtsprechung des BSG dazu führt, dass auch der bewilligte Regelbedarf der gerichtlichen Kontrolle unterliegt.
b) Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die (1.) das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, (2.) erwerbsfähig (§ 8 Abs. 1 SGB II) sind, (3.) hilfebedürftig sind und (4.) ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger vor. Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum 50 bzw. 51 Jahre alt, erwerbsfähig und mangels Einkommen und berücksichtigungsfähigem Vermögen auch hilfebedürftig (§ 9 SGB II). Er hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.
Gründe, die zu einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4, Abs. 4a, Abs. 5 SGB II führen, liegen nicht vor.
c) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte – und damit der Kläger – erhalten gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II Arbeitslosengeld II. Die Leistungen umfassen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung (§ 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II).
aa) Der Regelbedarf des alleinstehenden und volljährigen Klägers betrug zwischen April 2015 und Dezember 2015 monatlich 399,00 Euro (§ 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II in der vom 1. April 2011 bis 31. Juli 2016 geltenden Fassung i.V.m. der Bekanntmachung über die Höhe der Regelbedarfe nach § 20 Abs. 5 SGB II für die Zeit ab 1. Januar 2015 vom 15. Oktober 2014 [BGBl. I S. 1620]) sowie zwischen Januar 2016 und März 2016 monatlich 404,00 Euro (§ 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II in der vom 1. April 2011 bis 31. Juli 2016 geltenden Fassung i.V.m. der Bekanntmachung über die Höhe der Regelbedarfe nach § 20 Abs. 5 SGB II für die Zeit ab 1. Januar 2016 vom 22. Oktober 2015 [BGBl. I S. 1792]). Diese Regelbedarfe hat der Beklagte – zuletzt mit Änderungsbescheid vom 29. November 2015 – bewilligt.
bb) Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGG II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.
Der Kläger hat seinem Vermieter eine Kaltmiete in Höhe von monatlich 230,00 Euro sowie Betriebs- und Heizkosten in Höhe von 53,00 Euro zu zahlen. Dies steht zur Überzeugung des Senats aufgrund der vom Kläger in einem früheren Verwaltungsverfahren selbst vorgelegten Mietbescheinigung seiner Vermieterin vom 10. August 2014 sowie deren schriftlicher Auskunft gegenüber dem SG vom 5. Februar 2015 im Verfahren S 2 AS 1273/14 fest. Diese Beträge hat der Beklagte seiner Bedarfsberechnung und Bewilligungsentscheidung zugrunde gelegt.
Auf die Frage, ob die von dem Beklagten übernommenen Kosten für Unterkunft und Heizung angemessen sind, kommt es im vorliegenden Fall nicht an, denn der Beklagte hat die Kosten des Klägers für Unterkunft und Heizung in voller Höhe als Bedarf berücksichtigt.
cc) Der Beklagte hat zudem zu Recht einen Mehrbedarf für dezentrale Warmwassererzeugung in Höhe von monatlich 9,18 Euro (April bis Dezember 2015) bzw. 9,29 Euro (Januar bis März 2016) anerkannt. Dieser Anspruch des Klägers folgt aus § 21 Abs. 7 SGB II. Gemäß § 21 Abs. 7 Satz 1 SGB II wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 SGB II anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person gemäß § 22 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 SGB II 2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4 SGB II. Der Regelbedarf des alleinstehenden und volljährigen Klägers betrug im streitgegenständlichen Zeitraum – wie dargestellt – 399,00 Euro (April bis Dezember 2015) bzw. 404,00 Euro (Januar bis März 2016). 2,3 Prozent hiervon sind 9,18 Euro (April bis Dezember 2015) bzw. 9,29 Euro (Januar bis März 2016). Diese Beträge hat der Beklagte berücksichtigt und bewilligt.
dd) Für das Bestehen eines höheren Anspruch des Klägers ist nichts ersichtlich; auch der Kläger hat insofern nichts vorgebracht. Insbesondere bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Regelbedarfs (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 1 BvL 10/12 u.a. – juris Rdnr. 73 ff.).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
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