Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 22 KA 24/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 35/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Bei der im Zuge einer Plausibilitätsprüfung vorgenommenen Honorarkürzung hat eine Kassenärztliche Vereinigung Schätzungsermessen.
2. Die Ausübung des Schätzungsermessens unterliegt der gerichtlichen Kontrolle insbesondere im Hinblick auf Plausibilität und Verhältnismäßigkeit.
3. Sofern eine einzige Leistung nach dem EBM implausibel abgerechnet wurde (hier: Gesprächsleistung nach EBM-Nr. 03120), ist es in der Regel ohne weiteres machbar und angemessen, die für die spezielle Leistung zu beanspruchende Vergütung auf den Fachgruppendurchschnitt zurückzuführen.
2. Die Ausübung des Schätzungsermessens unterliegt der gerichtlichen Kontrolle insbesondere im Hinblick auf Plausibilität und Verhältnismäßigkeit.
3. Sofern eine einzige Leistung nach dem EBM implausibel abgerechnet wurde (hier: Gesprächsleistung nach EBM-Nr. 03120), ist es in der Regel ohne weiteres machbar und angemessen, die für die spezielle Leistung zu beanspruchende Vergütung auf den Fachgruppendurchschnitt zurückzuführen.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. März 2013 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahres. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die sachlich-rechnerische Berichtigung des Honorars der Kläger für die Quartale III/05 bis I/06 infolge einer zeitgestützten Plausibilitätsprüfung.
Der Kläger zu 1. und die Klägerin zu 2., fachärztliche Internisten und zugelassen zur vertragsärztlichen Versorgung sei 1. Januar 2002 bzw. 1. April 2004, bildeten bis 31. März 2006 eine Berufsausübungsgemeinschaft im hausärztlichen Bereich; die Praxis fungierte als diabetologische Schwerpunktpraxis.
Die Berufsausübungsgemeinschaft überschritt nach einer Prüfung des Plausibilitätsausschusses der Beklagten das quartalsbezogene Aufgreifkriterium von 46.800 Minuten in allen drei streitigen Quartalen (III/05: 52.312 Minuten je Arzt; IV/05: 52.223 Minuten je Arzt; I/06: 53.693 Minuten je Arzt). Außerdem kam es zu einer erheblichen Anzahl von Tagen mit mehr als 12 Stunden Arbeitszeit. Die hohen Arbeitszeiten waren darauf zurückzuführen, dass die Gesprächsleistung nach EBM-Nr. 03120 in besonders häufigem Maße zur Abrechnung gelangt war.
Im Vergleich zu den Durchschnittswerten der Gruppe der hausärztlichen Internisten (Fallwerte diabetologischer Schwerpunktpraxen sind von der Beklagten nicht ermittelbar) ergaben sich folgende Werte:
Quartal Abrechnungsfälle der Kläger Durchschnittliche Fallzahl hausärztlicher Internisten (Vergleichsgruppe) Durch die Kläger abgerechneter Ordinationskomplex Häufigkeit der von den Klägern abgerechneten EBM-Nr. 03120 Darauf entfallendes Honorar in Euro Häufigkeit der EBM-Nr. 03120 in % der Abrechnungsfälle Vergleichsgruppe: Häufigkeit der EBM-Nr. 03120 in % der Abrechnungsfälle III/05 2.155 727 2.037 4.246 19.068,50 197,03 96,10 IV/05 2.194 771 2.099 4.284 18.649,87 195,26 97,44 I/06 2.257 754 2.176 4.332 17.456,33 191,94 103,39
Im Rahmen des von der Beklagten geführten Verwaltungsverfahrens räumten die Kläger insoweit einen Abrechnungsfehler ein: Die besonders häufige Abrechnung der EBM-Nr. 03120 sei darauf zurückzuführen, dass infolge eines Systemfehlers bei der Abrechnung des Ordinationskomplexes (EBM-Nrn. 03110 bis 03112) stets gleichzeitig die Gesprächsleistung nach EBM-Nr. 03120 in Ansatz gebracht worden sei. Der fakultative Inhalt des Ordinationskomplexes in Form einer Betreuung und Behandlung bis zu 10 Minuten Dauer sei übersehen worden. Vorgeschlagen werde, die Beratungsgebühr nach EBM-Nr. 03120 in allen Fällen zu streichen, in denen gleichzeitig der Ordinationskomplex angesetzt worden sei.
Die genannten EBM-Nummern in der Fassung des EBM 2000plus lauteten in den streitigen Quartalen:
Ordinationskomplex:
Obligater Leistungsinhalt: Persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt Fakultativer Leistungsinhalt: Betreuung und Behandlung bis zu 10 Minuten Dauer, in Anhang 1 aufgeführte Leistungen,
einmal im Behandlungsfall
03110 für Versicherte bis zum vollendeten 5. Lebensjahr 155 Punkte 03111 für Versicherte ab Beginn des 6. bis zum vollendeten 59. Lebensjahr 145 Punkte 03112 für Versicherte ab Beginn des 60. Lebensjahres 225 Punkte 03120 Beratung, Erörterung und/oder Abklärung, Dauer mindestens 10 Minuten, je vollendete 10 Minuten 150 Punkte
Bei der Nebeneinanderberechnung der Leistungen nach den Nrn. 03110 bis 03112 und 03120 ist eine Dauer der Arzt-Patienten-Kontaktzeit von mindestens 20 Minuten Voraussetzung für die Berechnung der Leistung nach der Nr. 03120. Bei der Nebeneinanderberechnung diagnostischer bzw. therapeutischer Leistungen und der Leistung nach der Nr. 03120 ist eine mindestens 10 Minuten längere Arzt-Patienten-Kontaktzeit als in den entsprechenden Leistungen angegeben Voraussetzung für die Berechnung der Leistung nach der Nr. 03120.
Mit Bescheid vom 23. Oktober 2008, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 17. November 2009, hob die Beklagte die Honorarbescheide der Berufsausübungsgemeinschaft für die Quartale III/05 bis I/06 auf, soweit darin eine Vergütung der EBM-Nr. 03120 enthalten war und kürzte das Honorar um insgesamt 55.174,70 Euro (III/05: 19.068,50 Euro, IV/05: 18.649,87 Euro und I/06: 17.456,33 Euro). Die Fehlerhaftigkeit der Quartalsabrechnungen sei mit den auffälligen Quartals- und Tagesprofilen und der signifikant häufigen Abrechnung der Gesprächsleistung nach EBM-Nr. 03120 belegt. Die Häufigkeit der in Ansatz gebrachten Gesprächsleistungen lasse darauf schließen, dass die EBM-Nr. 03120 bei fast jedem Gespräch unabhängig von dessen Dauer in Ansatz gebracht worden sei; hinsichtlich der Leistungsdichte in der Praxis müsse davon ausgegangen werden, dass in den seltensten Fällen ausschließlich eine Gesprächszeit von mindestens 10 Minuten Dauer zur Verfügung gestanden habe. Eine vollständige Leistungserbringung sei in keinem Fall nachgewiesen. Die vorgeschlagene Streichung der Gesprächsleistungen in den Fällen, in denen sie neben dem Ordinationskomplex zum Ansatz gebracht worden sei, komme nicht in Betracht, weil ein regelhafter Ansatz der EBM-Nr. 03120 nicht nur neben dem Ordinationskomplex, sondern auch neben anderen Leistungen wie etwa der Bestimmung des Glukosewerts nach EBM-Nr. 32057 zu beobachten sei. Daher sei unter Ausübung eines weiten Schätzungsermessens eine Rückforderung aller Gesprächsleistungen erforderlich, was zu einer etwa 12-prozentigen Kürzung des Gesamthonorars führe. Das erscheine verhältnismäßig, zumal auch eine Kürzung des Gesamthonorars auf den Fachgruppendurchschnitt erwägenswert gewesen wäre, die jedoch zu einer Kürzung um insgesamt etwa 52 Prozent geführt hätte. Auch bleibe der Fallwert nach der durchgeführten Honorarkürzung noch immer deutlich über demjenigen der Vergleichsgruppe der hausärztlichen Internisten.
Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht B den angefochtenen Bescheid mit Urteil vom 20. März 2013 aufgehoben, soweit die Beklagte eine Honorarrückforderung von mehr als 27.795,10 Euro festgesetzt hat, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Nachweis einer unrichtigen Abrechnung sei für alle drei streitigen Quartale erbracht. Dass Gesprächsleistungen nach EBM-Nr. 03120 in erheblichem Umfange fehlerhaft angesetzt worden seien, werde auch von den Klägern nicht mehr bestritten. Das Honorar dürfe aber nicht für alle abgerechneten Gesprächsleistungen nach EBM-Nr. 03120 zurückgefordert werden, sondern nur, soweit die Abrechnung dieser Gebührenposition den Fachgruppendurchschnitt (Häufigkeit der EBM-Nr. 03120 in Prozent der Abrechnungsfälle) übersteige. Danach ergebe sich für die Kläger auf Grundlage der Angaben der Beklagten ein auf EBM-Nr. 03120 entfallender Vergütungsanspruch von insgesamt 27.795,10 Euro (III/05: 9.108,22 Euro; IV/05: 9.330,84 Euro; I/06: 9.356,04 Euro). Mit der feststehenden grob fahrlässig erfolgten Falschabrechnung sei die Garantiefunktion der Abrechnungs-Sammelerklärung entfallen, so dass die Beklagte das den Klägern zustehende Honorar im Wege der Schätzung habe ermitteln dürfen. Diese Schätzung unterliege keinem Beurteilungsspielraum der Beklagten und dürfe vom Gericht selbst vorgenommen bzw. selbst nachvollzogen werden. So sei es grundsätzlich rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte deutliche Abschläge gegenüber der ursprünglich geltend gemachten Honorarforderung vornehme und sich im Wege der Schätzung damit begnüge, ein Honorar z.B. in Höhe des jeweiligen Fachgruppendurchschnitts zuzuerkennen. Die hier erfolgte vollständige Streichung sämtlicher Gesprächsleistungen entbehre einer sachbezogenen Begründung. Es könne nämlich nicht angenommen werden, dass die Kläger gar keine Gesprächsleistungen (ordnungsgemäß) erbracht hätten. Beschränke sich aber der Vorwurf der implausiblen Abrechnung auf eine einzelne EBM-Position, sei deren vollständige Streichung unverhältnismäßig, wenn – wie hier – angenommen werden könne, dass die Leistung im üblichen Umfang erbracht worden sei. Die Schätzung im Rahmen der sachlich-rechnerischen Richtigstellung habe keinen Strafcharakter, sondern müsse sich an einem plausiblen und realistischen Abrechnungsverhalten orientieren; geboten sei dann in der Regel eine Kürzung auf den Fachgruppendurchschnitt, hier auf denjenigen der hausärztlichen Internisten.
Gegen das ihr am 25. März 2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 23. April 2013 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie an: Es sei nicht sachgerecht, das Honorar der Kläger für die EBM-Nr. 03120 nur auf den Fachgruppendurchschnitt zu kürzen, da sie weniger Gesprächsleistungen erbracht hätten als die Fachgruppe im Durchschnitt. Das sei dem Vorbringen der Kläger zu dem "Systemfehler" zu entnehmen, der darin bestanden habe, die Beratungsgebühr nach EBM-Nr. 03120 regelhaft neben der Abrechnung des Ordinationskomplexes in Ansatz zu bringen. Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts B vom 20. März 2013 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen. Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und meinen, bei Feststellung von Implausibilitäten sei eine Kürzung auf den Fachgruppendurchschnitt stets richtig.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht B der Klage teilweise stattgegeben. Mit einer Kürzung der Quartalshonorare der Berufsausübungsgemeinschaft um alle Gesprächsleistungen nach EBM-Nr. 03120 hat die Beklagte ihr Kürzungsermessen rechtlich nicht beanstandungsfrei ausgeübt. Demgegenüber erscheint die Lösung des Sozialgerichts, eine Kürzung der Gesprächsleistungen auf den Fachgruppendurchschnitt vorzunehmen, sachgerecht.
a) Rechtsgrundlage für die angefochtene Honorarberichtigung (vgl. hierzu und zum Folgenden: Urteil des Senats vom 25. März 2015, L 7 KA 19/12) sind
- § 75 Abs. 2 Satz 2 und § 106a Abs. 1 und 2 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V), - die in den Abrechnungsprüfungs-Richtlinien (AbrPr-RL) enthaltenen Regelungen zur Plausibilitätsprüfung (insbesondere §§ 5, 7, 8, 12 und 13), - die von der Beklagten mit den Landesverbänden der Krankenkassen geschlossene Plausibilitätsvereinbarung vom 5. September 2007 in Verbindung mit der Verfahrensordnung der Beklagten zur Durchführung der Plausibilitätsprüfung. aa) Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen und die Vertragsärzte, soweit notwendig, zur Erfüllung dieser Pflichten anzuhalten. Zu den vertragsärztlichen Grundpflichten gehört das Gebot der peinlich genauen Abrechnung der zu vergütenden Leistungen, denn die Funktionsfähigkeit des Leistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung, an dem der Arzt durch seine Zulassung teilnimmt, hängt im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung entscheidend mit davon ab, dass die Kassenärztliche Vereinigung und die Krankenkassen auf die ordnungsgemäße Leistungserbringung und auf die peinlich genaue Abrechnung der zu vergütenden Leistungen vertrauen können. Dieses Vertrauen ist deshalb von so entscheidender Bedeutung, weil ordnungsgemäße Leistungserbringung und peinlich genaue Abrechnung lediglich in einem beschränkten Umfang der Überprüfung durch diejenigen zugänglich sind, die die Gewähr für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zu tragen haben, nämlich die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung und die Krankenkassen. Der Arzt verstößt gegen seine Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung, wenn er Leistungen abrechnet, die er entweder nicht oder nicht vollständig oder - sofern sie sein Tätigwerden voraussetzen - nicht selbst erbracht hat (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 24. November 1993, 6 RKa 70/91, zitiert nach juris, dort Rdnr. 22; Pawlita in jurisPK-SGB V, Rdnr. 383 zu § 95).
bb) Die Voraussetzungen für die Prüfung vertragsärztlicher Abrechnungen auf Plausibilität regelt mit Wirkung vom 1. Januar 2004 § 106a SGB V (eingeführt durch Gesetz vom 14. November 2003, BGBl. I S. 2190), nachdem das Bundessozialgericht zuvor auf der Basis von Vereinbarungen der Partner der Bundesmantelverträge und gesamtvertraglicher Regelungen allgemeine Grundsätze zur Plausibilitätsprüfung entwickelt hatte (vgl. Urteil vom 8. März 2000, B 6 KA 16/99 R; hierzu Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 23 Rdnr. 5).
Danach prüfen die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen die Rechtmäßigkeit und Plausibilität der Abrechnungen in der vertragsärztlichen Versorgung (§ 106a Abs. 1 SGB V). § 106a Abs. 2 Satz 1 bis 4 SGB V lautet:
1Die Kassenärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten. 2Gegenstand der arztbezogenen Plausibilitätsprüfung ist insbesondere der Umfang der je Tag abgerechneten Leistungen im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand des Vertragsarztes. 3Bei der Prüfung nach Satz 2 ist ein Zeitrahmen für das pro Tag höchstens abrechenbare Leistungsvolumen zu Grunde zu legen; zusätzlich können Zeitrahmen für die in längeren Zeitperioden höchstens abrechenbaren Leistungsvolumina zu Grunde gelegt werden. 4Soweit Angaben zum Zeitaufwand nach § 87 Abs. 2 Satz 1 zweiter Halbsatz bestimmt sind, sind diese bei den Prüfungen nach Satz 2 zu Grunde zu legen.
Nach § 106a Abs. 6 SGB V vereinbaren die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen Richtlinien zum Inhalt und zur Durchführung der Prüfungen nach den Absätzen 2 und 3; die Richtlinien enthalten insbesondere Vorgaben zu den Kriterien nach Absatz 2 Satz 2 und 3.
cc) Einzelheiten der Plausibilitätsprüfung ergeben sich dementsprechend aus den "Abrechnungsprüfungs-Richtlinien" (AbrPr-RL), die die Partner der Bundesmantelverträge auf der Grundlage von § 106a Abs. 6 Satz 1 SGB V mit Wirkung vom 1. Januar 2005 vereinbart haben.
Nach § 5 Abs. 1 AbrPr-RL stellt die Plausibilitätsprüfung ein Verfahren dar, mit dessen Hilfe aufgrund bestimmter Anhaltspunkte und vergleichender Betrachtungen die rechtliche Fehlerhaftigkeit ärztlicher Abrechnungen vermutet werden kann. Anhaltspunkte für eine solche Vermutung sind Abrechnungsauffälligkeiten. Diese sind durch die Anwendung von Aufgreifkriterien mit sonstigen Erkenntnissen aus Art und Menge der abgerechneten ärztlichen Leistungen zu gewinnende Indizien, die es wahrscheinlich machen, dass eine fehlerhafte Leistungserbringung zugrunde liegt.
Die regelhafte Plausibilitätsprüfung erstreckt sich auf die Feststellung von Abrechnungsauffälligkeiten durch Überprüfung des Umfangs der abgerechneten Leistungen im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand (§ 7 Abs. 2 AbrPr-RL). Hierfür sind die im Anhang 3 zum Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) aufgeführten Prüfzeiten für die ärztlichen Leistungen zugrunde zu legen (§ 8 Abs. 1 AbrPr-RL). Für jeden Tag der ärztlichen Tätigkeit wird im Hinblick auf die angeforderten Leistungen ein Tageszeitprofil und ein Quartalszeitprofil ermittelt (§ 8 Abs. 2 AbrPr-RL). Die "Aufgreifkriterien" regelt § 8 Abs. 3 AbrPr-RL: Beträgt bei Vertragsärzten die auf der Grundlage der Prüfzeiten ermittelte arbeitstägliche Zeit bei Tagesprofilzeiten an mindestens drei Tagen im Quartal mehr als 12 Stunden oder im Quartalszeitprofil mehr als 780 Stunden (= 46.800 Minuten), erfolgen weitere Überprüfungen nach § 12. Ergibt die so vorgenommene Plausibilitätsprüfung Abrechnungsauffälligkeiten, hat eine weitere Prüfung auf der Grundlage von § 12 AbrPr-RL zu erfolgen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eignen sich Tageszeit- ebenso wie Quartalszeitprofile als Indizienbeweis für eine nicht ordnungsgemäße Abrechnung (vgl. Beschluss vom 17. August 2011, B 6 KA 27/11 B, zitiert nach juris, dort Rdnr. 6; Clemens in jurisPK-SGB V, Rdnr. 144 zu § 106a).
dd) Auf der Grundlage von § 106 a Abs. 5 SGB V hat die Beklagte mit den Landesverbänden der Krankenkassen am 5. September 2007 eine Vereinbarung über die Durchführung der Prüfung der Abrechnungen auf Rechtmäßigkeit und Plausibilität gemäß § 106a SGB V (Plausibilitätsvereinbarung) getroffen, die zum 1. Januar 2007 in Kraft getreten ist und für die Prüfung von Abrechnungen ab dem Quartal III/06 gilt; nach einer Protokollnotiz hat die Beklagte allerdings erklärt, dass sie auch Prüfanträge der Krankenkassen bearbeitet, die die Quartale II/05 bis II/06 betreffen, von denen die vorliegend streitigen Quartale III/05 bis I/06 umfasst sind. Die Plausibilitätsvereinbarung und die auf § 13 Abs. 1 und 2 der AbrPr-RL beruhende Verfahrensordnung der Beklagten zur Durchführung der Plausibilitätsprüfung enthalten nähere Regelungen zu Inhalt und Verfahrensweise.
ee) Das Richtigstellungsverfahren wird durchgeführt, wenn die Plausibilitätsprüfung zu dem Ergebnis geführt hat, dass Leistungen fehlerhaft abgerechnet worden sind (§ 5 Abs. 2 AbrPrRL).
2. Gemessen an alledem darf die Beklagte eine Honorarberichtigung vornehmen, denn die Plausibilitätsprüfung für die Quartale III/05 bis I/06 belegt eine grob fahrlässig zustande gekommene fehlerhafte Honorarforderung der Berufsausübungsgemeinschaft in Gestalt einer übermäßigen Abrechnung der EBM-Nr. 03120. Hierauf muss der Senat nicht weiter eingehen, denn die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil sind insoweit zutreffend und schon im Verwaltungsverfahren haben die Kläger nicht bestritten, dass es in Zusammenhang mit der Abrechnung von Gesprächsleitungen zu Fehlern gekommen ist. Eine Berufung gegen die erstinstanzliche Entscheidung haben die Kläger nicht eingelegt.
Streitig und Gegenstand des Berufungsverfahrens ist lediglich der Umfang einer rechtmäßigen Honorarberichtigung.
a) Insoweit gilt der folgende rechtliche Maßstab: Der Wegfall der Garantiefunktion der Abrechnungs-Sammelerklärung bei Vorliegen schon einer einzelnen grob fahrlässig falschen Angabe auf einem Behandlungsausweis - mit der Folge, dass der Honorarbescheid für das Quartal im Ganzen rechtswidrig ist - unterliegt keinen Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit. Denn das bedeutet nicht, dass dem Arzt überhaupt kein Anspruch auf Vergütung für die in dem Quartal erbrachten Leistungen zusteht. Soweit davon auszugehen ist, dass Leistungen tatsächlich und ordnungsgemäß erbracht wurden, hat die Kassenärztliche Vereinigung nach Aufhebung des unrichtigen Honorarbescheides das dem Vertragsarzt für diese Leistungen zustehende Honorar neu festzusetzen. Bei der Neufestsetzung hat sie allerdings ein weites Schätzungsermessen (so ausdrücklich Bundessozialgericht, Urteil vom 17. September 1997, 6 RKa 86/95, zitiert nach juris, dort Rdnr. 23; Urteil des Senats vom 10. Oktober 2007, L 7 KA 56/03, zitiert nach juris, dort Rdnr. 34; Urteil vom 25. März 2015, L 7 KA 19/12, zitiert nach juris, dort Rdnr. 58; Clemens in jurisPK-SGB V, Rdnr. 236 zu § 106a). Denn es liegt in der Natur der Sache, dass im Rahmen der Plausibilitätsprüfung nicht eindeutig feststellbar ist, welche der abgerechneten Leistungen mängelbehaftet sind, während gleichzeitig feststeht, dass die Gesamtheit der abgerechneten Leistungen so nicht erbracht worden sein kann. Schätzungen der vorliegenden Art unterliegen der gerichtlichen Kontrolle insbesondere im Hinblick auf Plausibilität und Verhältnismäßigkeit. Sofern der Verwaltungsakt überzeugende Ausführungen zur Schätzung enthält, reicht es aus, wenn das Gericht sich diese Ausführungen zu eigen macht und sie in seinen Entscheidungsgründen nachvollzieht (vgl. Bundessozialgericht, a.a.O., Rdnr. 28).
Danach ist es in aller Regel nicht zu beanstanden, wenn die Kassenärztliche Vereinigung in den Fällen, in denen die vom Arzt geltend gemachte Quartalsvergütung bezogen auf den Fallwert wesentlich über dem Durchschnitt seiner Fachgruppe liegt, deutliche Abschläge gegenüber der ursprünglich geltend gemachten Honorarforderung vornimmt und sich im Wege pauschalierender Schätzung damit begnügt, ihm ein Honorar z.B. in Höhe des Fachgruppendurchschnitts – oder in KV-Bezirken mit hohen Fallwerten eventuell niedriger – zuzuerkennen (vgl. Bundessozialgericht, a.a.O.).
b) Hieran gemessen hat das Sozialgericht die von der Beklagten verfügte Honorarkürzung zu Recht korrigiert und eine Rückführung des Honorars für Gesprächsleistungen nach EBM-Nr. 03120 auf den Fachgruppendurchschnitt (Häufigkeit der EBM-Nr. 03120 in Prozent der Abrechnungsfälle) vorgenommen. Die Entscheidung der Beklagten war nämlich aus den vom Sozialgericht genannten Gründen rechtswidrig. Tatsächlich darf nicht zu Lasten der Kläger unterstellt werden, sie hätten gar keine Gesprächsleistungen (ordnungsgemäß) erbracht. Auf der anderen Seite drängt sich eine Rückführung des Honorars für Gesprächsleistungen auf den Fachgruppendurchschnitt geradezu auf und kein anderer Kürzungsansatz ist plausibel. Grundsätzlich ist bei Kürzungsentscheidungen der vorliegenden Art eine Orientierung am Fachgruppendurchschnitt gängig, von der Judikatur anerkannt und führt zu sachgerechten Ergebnissen. Dabei kann nicht nur in geeigneten Fällen das Gesamthonorar demjenigen des Fachgruppendurchschnitts angeglichen werden. In Fällen wie dem vorliegenden, die sich dadurch auszeichnen, dass eine einzige Leistung nach dem EBM implausibel abgerechnet wurde, ist es in der Regel ohne Weiteres machbar und im Ergebnis verhältnismäßig, die für die spezielle Leistung zu beanspruchende Vergütung auf den Fachgruppendurchschnitt zurückzuführen; jede weiter gehende Kürzung verstieße gegen das Übermaßverbot.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Verwaltungsgerichtsordnung. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die sachlich-rechnerische Berichtigung des Honorars der Kläger für die Quartale III/05 bis I/06 infolge einer zeitgestützten Plausibilitätsprüfung.
Der Kläger zu 1. und die Klägerin zu 2., fachärztliche Internisten und zugelassen zur vertragsärztlichen Versorgung sei 1. Januar 2002 bzw. 1. April 2004, bildeten bis 31. März 2006 eine Berufsausübungsgemeinschaft im hausärztlichen Bereich; die Praxis fungierte als diabetologische Schwerpunktpraxis.
Die Berufsausübungsgemeinschaft überschritt nach einer Prüfung des Plausibilitätsausschusses der Beklagten das quartalsbezogene Aufgreifkriterium von 46.800 Minuten in allen drei streitigen Quartalen (III/05: 52.312 Minuten je Arzt; IV/05: 52.223 Minuten je Arzt; I/06: 53.693 Minuten je Arzt). Außerdem kam es zu einer erheblichen Anzahl von Tagen mit mehr als 12 Stunden Arbeitszeit. Die hohen Arbeitszeiten waren darauf zurückzuführen, dass die Gesprächsleistung nach EBM-Nr. 03120 in besonders häufigem Maße zur Abrechnung gelangt war.
Im Vergleich zu den Durchschnittswerten der Gruppe der hausärztlichen Internisten (Fallwerte diabetologischer Schwerpunktpraxen sind von der Beklagten nicht ermittelbar) ergaben sich folgende Werte:
Quartal Abrechnungsfälle der Kläger Durchschnittliche Fallzahl hausärztlicher Internisten (Vergleichsgruppe) Durch die Kläger abgerechneter Ordinationskomplex Häufigkeit der von den Klägern abgerechneten EBM-Nr. 03120 Darauf entfallendes Honorar in Euro Häufigkeit der EBM-Nr. 03120 in % der Abrechnungsfälle Vergleichsgruppe: Häufigkeit der EBM-Nr. 03120 in % der Abrechnungsfälle III/05 2.155 727 2.037 4.246 19.068,50 197,03 96,10 IV/05 2.194 771 2.099 4.284 18.649,87 195,26 97,44 I/06 2.257 754 2.176 4.332 17.456,33 191,94 103,39
Im Rahmen des von der Beklagten geführten Verwaltungsverfahrens räumten die Kläger insoweit einen Abrechnungsfehler ein: Die besonders häufige Abrechnung der EBM-Nr. 03120 sei darauf zurückzuführen, dass infolge eines Systemfehlers bei der Abrechnung des Ordinationskomplexes (EBM-Nrn. 03110 bis 03112) stets gleichzeitig die Gesprächsleistung nach EBM-Nr. 03120 in Ansatz gebracht worden sei. Der fakultative Inhalt des Ordinationskomplexes in Form einer Betreuung und Behandlung bis zu 10 Minuten Dauer sei übersehen worden. Vorgeschlagen werde, die Beratungsgebühr nach EBM-Nr. 03120 in allen Fällen zu streichen, in denen gleichzeitig der Ordinationskomplex angesetzt worden sei.
Die genannten EBM-Nummern in der Fassung des EBM 2000plus lauteten in den streitigen Quartalen:
Ordinationskomplex:
Obligater Leistungsinhalt: Persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt Fakultativer Leistungsinhalt: Betreuung und Behandlung bis zu 10 Minuten Dauer, in Anhang 1 aufgeführte Leistungen,
einmal im Behandlungsfall
03110 für Versicherte bis zum vollendeten 5. Lebensjahr 155 Punkte 03111 für Versicherte ab Beginn des 6. bis zum vollendeten 59. Lebensjahr 145 Punkte 03112 für Versicherte ab Beginn des 60. Lebensjahres 225 Punkte 03120 Beratung, Erörterung und/oder Abklärung, Dauer mindestens 10 Minuten, je vollendete 10 Minuten 150 Punkte
Bei der Nebeneinanderberechnung der Leistungen nach den Nrn. 03110 bis 03112 und 03120 ist eine Dauer der Arzt-Patienten-Kontaktzeit von mindestens 20 Minuten Voraussetzung für die Berechnung der Leistung nach der Nr. 03120. Bei der Nebeneinanderberechnung diagnostischer bzw. therapeutischer Leistungen und der Leistung nach der Nr. 03120 ist eine mindestens 10 Minuten längere Arzt-Patienten-Kontaktzeit als in den entsprechenden Leistungen angegeben Voraussetzung für die Berechnung der Leistung nach der Nr. 03120.
Mit Bescheid vom 23. Oktober 2008, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 17. November 2009, hob die Beklagte die Honorarbescheide der Berufsausübungsgemeinschaft für die Quartale III/05 bis I/06 auf, soweit darin eine Vergütung der EBM-Nr. 03120 enthalten war und kürzte das Honorar um insgesamt 55.174,70 Euro (III/05: 19.068,50 Euro, IV/05: 18.649,87 Euro und I/06: 17.456,33 Euro). Die Fehlerhaftigkeit der Quartalsabrechnungen sei mit den auffälligen Quartals- und Tagesprofilen und der signifikant häufigen Abrechnung der Gesprächsleistung nach EBM-Nr. 03120 belegt. Die Häufigkeit der in Ansatz gebrachten Gesprächsleistungen lasse darauf schließen, dass die EBM-Nr. 03120 bei fast jedem Gespräch unabhängig von dessen Dauer in Ansatz gebracht worden sei; hinsichtlich der Leistungsdichte in der Praxis müsse davon ausgegangen werden, dass in den seltensten Fällen ausschließlich eine Gesprächszeit von mindestens 10 Minuten Dauer zur Verfügung gestanden habe. Eine vollständige Leistungserbringung sei in keinem Fall nachgewiesen. Die vorgeschlagene Streichung der Gesprächsleistungen in den Fällen, in denen sie neben dem Ordinationskomplex zum Ansatz gebracht worden sei, komme nicht in Betracht, weil ein regelhafter Ansatz der EBM-Nr. 03120 nicht nur neben dem Ordinationskomplex, sondern auch neben anderen Leistungen wie etwa der Bestimmung des Glukosewerts nach EBM-Nr. 32057 zu beobachten sei. Daher sei unter Ausübung eines weiten Schätzungsermessens eine Rückforderung aller Gesprächsleistungen erforderlich, was zu einer etwa 12-prozentigen Kürzung des Gesamthonorars führe. Das erscheine verhältnismäßig, zumal auch eine Kürzung des Gesamthonorars auf den Fachgruppendurchschnitt erwägenswert gewesen wäre, die jedoch zu einer Kürzung um insgesamt etwa 52 Prozent geführt hätte. Auch bleibe der Fallwert nach der durchgeführten Honorarkürzung noch immer deutlich über demjenigen der Vergleichsgruppe der hausärztlichen Internisten.
Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht B den angefochtenen Bescheid mit Urteil vom 20. März 2013 aufgehoben, soweit die Beklagte eine Honorarrückforderung von mehr als 27.795,10 Euro festgesetzt hat, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Nachweis einer unrichtigen Abrechnung sei für alle drei streitigen Quartale erbracht. Dass Gesprächsleistungen nach EBM-Nr. 03120 in erheblichem Umfange fehlerhaft angesetzt worden seien, werde auch von den Klägern nicht mehr bestritten. Das Honorar dürfe aber nicht für alle abgerechneten Gesprächsleistungen nach EBM-Nr. 03120 zurückgefordert werden, sondern nur, soweit die Abrechnung dieser Gebührenposition den Fachgruppendurchschnitt (Häufigkeit der EBM-Nr. 03120 in Prozent der Abrechnungsfälle) übersteige. Danach ergebe sich für die Kläger auf Grundlage der Angaben der Beklagten ein auf EBM-Nr. 03120 entfallender Vergütungsanspruch von insgesamt 27.795,10 Euro (III/05: 9.108,22 Euro; IV/05: 9.330,84 Euro; I/06: 9.356,04 Euro). Mit der feststehenden grob fahrlässig erfolgten Falschabrechnung sei die Garantiefunktion der Abrechnungs-Sammelerklärung entfallen, so dass die Beklagte das den Klägern zustehende Honorar im Wege der Schätzung habe ermitteln dürfen. Diese Schätzung unterliege keinem Beurteilungsspielraum der Beklagten und dürfe vom Gericht selbst vorgenommen bzw. selbst nachvollzogen werden. So sei es grundsätzlich rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte deutliche Abschläge gegenüber der ursprünglich geltend gemachten Honorarforderung vornehme und sich im Wege der Schätzung damit begnüge, ein Honorar z.B. in Höhe des jeweiligen Fachgruppendurchschnitts zuzuerkennen. Die hier erfolgte vollständige Streichung sämtlicher Gesprächsleistungen entbehre einer sachbezogenen Begründung. Es könne nämlich nicht angenommen werden, dass die Kläger gar keine Gesprächsleistungen (ordnungsgemäß) erbracht hätten. Beschränke sich aber der Vorwurf der implausiblen Abrechnung auf eine einzelne EBM-Position, sei deren vollständige Streichung unverhältnismäßig, wenn – wie hier – angenommen werden könne, dass die Leistung im üblichen Umfang erbracht worden sei. Die Schätzung im Rahmen der sachlich-rechnerischen Richtigstellung habe keinen Strafcharakter, sondern müsse sich an einem plausiblen und realistischen Abrechnungsverhalten orientieren; geboten sei dann in der Regel eine Kürzung auf den Fachgruppendurchschnitt, hier auf denjenigen der hausärztlichen Internisten.
Gegen das ihr am 25. März 2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 23. April 2013 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie an: Es sei nicht sachgerecht, das Honorar der Kläger für die EBM-Nr. 03120 nur auf den Fachgruppendurchschnitt zu kürzen, da sie weniger Gesprächsleistungen erbracht hätten als die Fachgruppe im Durchschnitt. Das sei dem Vorbringen der Kläger zu dem "Systemfehler" zu entnehmen, der darin bestanden habe, die Beratungsgebühr nach EBM-Nr. 03120 regelhaft neben der Abrechnung des Ordinationskomplexes in Ansatz zu bringen. Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts B vom 20. März 2013 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen. Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und meinen, bei Feststellung von Implausibilitäten sei eine Kürzung auf den Fachgruppendurchschnitt stets richtig.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht B der Klage teilweise stattgegeben. Mit einer Kürzung der Quartalshonorare der Berufsausübungsgemeinschaft um alle Gesprächsleistungen nach EBM-Nr. 03120 hat die Beklagte ihr Kürzungsermessen rechtlich nicht beanstandungsfrei ausgeübt. Demgegenüber erscheint die Lösung des Sozialgerichts, eine Kürzung der Gesprächsleistungen auf den Fachgruppendurchschnitt vorzunehmen, sachgerecht.
a) Rechtsgrundlage für die angefochtene Honorarberichtigung (vgl. hierzu und zum Folgenden: Urteil des Senats vom 25. März 2015, L 7 KA 19/12) sind
- § 75 Abs. 2 Satz 2 und § 106a Abs. 1 und 2 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V), - die in den Abrechnungsprüfungs-Richtlinien (AbrPr-RL) enthaltenen Regelungen zur Plausibilitätsprüfung (insbesondere §§ 5, 7, 8, 12 und 13), - die von der Beklagten mit den Landesverbänden der Krankenkassen geschlossene Plausibilitätsvereinbarung vom 5. September 2007 in Verbindung mit der Verfahrensordnung der Beklagten zur Durchführung der Plausibilitätsprüfung. aa) Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen und die Vertragsärzte, soweit notwendig, zur Erfüllung dieser Pflichten anzuhalten. Zu den vertragsärztlichen Grundpflichten gehört das Gebot der peinlich genauen Abrechnung der zu vergütenden Leistungen, denn die Funktionsfähigkeit des Leistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung, an dem der Arzt durch seine Zulassung teilnimmt, hängt im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung entscheidend mit davon ab, dass die Kassenärztliche Vereinigung und die Krankenkassen auf die ordnungsgemäße Leistungserbringung und auf die peinlich genaue Abrechnung der zu vergütenden Leistungen vertrauen können. Dieses Vertrauen ist deshalb von so entscheidender Bedeutung, weil ordnungsgemäße Leistungserbringung und peinlich genaue Abrechnung lediglich in einem beschränkten Umfang der Überprüfung durch diejenigen zugänglich sind, die die Gewähr für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zu tragen haben, nämlich die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung und die Krankenkassen. Der Arzt verstößt gegen seine Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung, wenn er Leistungen abrechnet, die er entweder nicht oder nicht vollständig oder - sofern sie sein Tätigwerden voraussetzen - nicht selbst erbracht hat (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 24. November 1993, 6 RKa 70/91, zitiert nach juris, dort Rdnr. 22; Pawlita in jurisPK-SGB V, Rdnr. 383 zu § 95).
bb) Die Voraussetzungen für die Prüfung vertragsärztlicher Abrechnungen auf Plausibilität regelt mit Wirkung vom 1. Januar 2004 § 106a SGB V (eingeführt durch Gesetz vom 14. November 2003, BGBl. I S. 2190), nachdem das Bundessozialgericht zuvor auf der Basis von Vereinbarungen der Partner der Bundesmantelverträge und gesamtvertraglicher Regelungen allgemeine Grundsätze zur Plausibilitätsprüfung entwickelt hatte (vgl. Urteil vom 8. März 2000, B 6 KA 16/99 R; hierzu Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 23 Rdnr. 5).
Danach prüfen die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen die Rechtmäßigkeit und Plausibilität der Abrechnungen in der vertragsärztlichen Versorgung (§ 106a Abs. 1 SGB V). § 106a Abs. 2 Satz 1 bis 4 SGB V lautet:
1Die Kassenärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten. 2Gegenstand der arztbezogenen Plausibilitätsprüfung ist insbesondere der Umfang der je Tag abgerechneten Leistungen im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand des Vertragsarztes. 3Bei der Prüfung nach Satz 2 ist ein Zeitrahmen für das pro Tag höchstens abrechenbare Leistungsvolumen zu Grunde zu legen; zusätzlich können Zeitrahmen für die in längeren Zeitperioden höchstens abrechenbaren Leistungsvolumina zu Grunde gelegt werden. 4Soweit Angaben zum Zeitaufwand nach § 87 Abs. 2 Satz 1 zweiter Halbsatz bestimmt sind, sind diese bei den Prüfungen nach Satz 2 zu Grunde zu legen.
Nach § 106a Abs. 6 SGB V vereinbaren die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen Richtlinien zum Inhalt und zur Durchführung der Prüfungen nach den Absätzen 2 und 3; die Richtlinien enthalten insbesondere Vorgaben zu den Kriterien nach Absatz 2 Satz 2 und 3.
cc) Einzelheiten der Plausibilitätsprüfung ergeben sich dementsprechend aus den "Abrechnungsprüfungs-Richtlinien" (AbrPr-RL), die die Partner der Bundesmantelverträge auf der Grundlage von § 106a Abs. 6 Satz 1 SGB V mit Wirkung vom 1. Januar 2005 vereinbart haben.
Nach § 5 Abs. 1 AbrPr-RL stellt die Plausibilitätsprüfung ein Verfahren dar, mit dessen Hilfe aufgrund bestimmter Anhaltspunkte und vergleichender Betrachtungen die rechtliche Fehlerhaftigkeit ärztlicher Abrechnungen vermutet werden kann. Anhaltspunkte für eine solche Vermutung sind Abrechnungsauffälligkeiten. Diese sind durch die Anwendung von Aufgreifkriterien mit sonstigen Erkenntnissen aus Art und Menge der abgerechneten ärztlichen Leistungen zu gewinnende Indizien, die es wahrscheinlich machen, dass eine fehlerhafte Leistungserbringung zugrunde liegt.
Die regelhafte Plausibilitätsprüfung erstreckt sich auf die Feststellung von Abrechnungsauffälligkeiten durch Überprüfung des Umfangs der abgerechneten Leistungen im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand (§ 7 Abs. 2 AbrPr-RL). Hierfür sind die im Anhang 3 zum Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) aufgeführten Prüfzeiten für die ärztlichen Leistungen zugrunde zu legen (§ 8 Abs. 1 AbrPr-RL). Für jeden Tag der ärztlichen Tätigkeit wird im Hinblick auf die angeforderten Leistungen ein Tageszeitprofil und ein Quartalszeitprofil ermittelt (§ 8 Abs. 2 AbrPr-RL). Die "Aufgreifkriterien" regelt § 8 Abs. 3 AbrPr-RL: Beträgt bei Vertragsärzten die auf der Grundlage der Prüfzeiten ermittelte arbeitstägliche Zeit bei Tagesprofilzeiten an mindestens drei Tagen im Quartal mehr als 12 Stunden oder im Quartalszeitprofil mehr als 780 Stunden (= 46.800 Minuten), erfolgen weitere Überprüfungen nach § 12. Ergibt die so vorgenommene Plausibilitätsprüfung Abrechnungsauffälligkeiten, hat eine weitere Prüfung auf der Grundlage von § 12 AbrPr-RL zu erfolgen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eignen sich Tageszeit- ebenso wie Quartalszeitprofile als Indizienbeweis für eine nicht ordnungsgemäße Abrechnung (vgl. Beschluss vom 17. August 2011, B 6 KA 27/11 B, zitiert nach juris, dort Rdnr. 6; Clemens in jurisPK-SGB V, Rdnr. 144 zu § 106a).
dd) Auf der Grundlage von § 106 a Abs. 5 SGB V hat die Beklagte mit den Landesverbänden der Krankenkassen am 5. September 2007 eine Vereinbarung über die Durchführung der Prüfung der Abrechnungen auf Rechtmäßigkeit und Plausibilität gemäß § 106a SGB V (Plausibilitätsvereinbarung) getroffen, die zum 1. Januar 2007 in Kraft getreten ist und für die Prüfung von Abrechnungen ab dem Quartal III/06 gilt; nach einer Protokollnotiz hat die Beklagte allerdings erklärt, dass sie auch Prüfanträge der Krankenkassen bearbeitet, die die Quartale II/05 bis II/06 betreffen, von denen die vorliegend streitigen Quartale III/05 bis I/06 umfasst sind. Die Plausibilitätsvereinbarung und die auf § 13 Abs. 1 und 2 der AbrPr-RL beruhende Verfahrensordnung der Beklagten zur Durchführung der Plausibilitätsprüfung enthalten nähere Regelungen zu Inhalt und Verfahrensweise.
ee) Das Richtigstellungsverfahren wird durchgeführt, wenn die Plausibilitätsprüfung zu dem Ergebnis geführt hat, dass Leistungen fehlerhaft abgerechnet worden sind (§ 5 Abs. 2 AbrPrRL).
2. Gemessen an alledem darf die Beklagte eine Honorarberichtigung vornehmen, denn die Plausibilitätsprüfung für die Quartale III/05 bis I/06 belegt eine grob fahrlässig zustande gekommene fehlerhafte Honorarforderung der Berufsausübungsgemeinschaft in Gestalt einer übermäßigen Abrechnung der EBM-Nr. 03120. Hierauf muss der Senat nicht weiter eingehen, denn die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil sind insoweit zutreffend und schon im Verwaltungsverfahren haben die Kläger nicht bestritten, dass es in Zusammenhang mit der Abrechnung von Gesprächsleitungen zu Fehlern gekommen ist. Eine Berufung gegen die erstinstanzliche Entscheidung haben die Kläger nicht eingelegt.
Streitig und Gegenstand des Berufungsverfahrens ist lediglich der Umfang einer rechtmäßigen Honorarberichtigung.
a) Insoweit gilt der folgende rechtliche Maßstab: Der Wegfall der Garantiefunktion der Abrechnungs-Sammelerklärung bei Vorliegen schon einer einzelnen grob fahrlässig falschen Angabe auf einem Behandlungsausweis - mit der Folge, dass der Honorarbescheid für das Quartal im Ganzen rechtswidrig ist - unterliegt keinen Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit. Denn das bedeutet nicht, dass dem Arzt überhaupt kein Anspruch auf Vergütung für die in dem Quartal erbrachten Leistungen zusteht. Soweit davon auszugehen ist, dass Leistungen tatsächlich und ordnungsgemäß erbracht wurden, hat die Kassenärztliche Vereinigung nach Aufhebung des unrichtigen Honorarbescheides das dem Vertragsarzt für diese Leistungen zustehende Honorar neu festzusetzen. Bei der Neufestsetzung hat sie allerdings ein weites Schätzungsermessen (so ausdrücklich Bundessozialgericht, Urteil vom 17. September 1997, 6 RKa 86/95, zitiert nach juris, dort Rdnr. 23; Urteil des Senats vom 10. Oktober 2007, L 7 KA 56/03, zitiert nach juris, dort Rdnr. 34; Urteil vom 25. März 2015, L 7 KA 19/12, zitiert nach juris, dort Rdnr. 58; Clemens in jurisPK-SGB V, Rdnr. 236 zu § 106a). Denn es liegt in der Natur der Sache, dass im Rahmen der Plausibilitätsprüfung nicht eindeutig feststellbar ist, welche der abgerechneten Leistungen mängelbehaftet sind, während gleichzeitig feststeht, dass die Gesamtheit der abgerechneten Leistungen so nicht erbracht worden sein kann. Schätzungen der vorliegenden Art unterliegen der gerichtlichen Kontrolle insbesondere im Hinblick auf Plausibilität und Verhältnismäßigkeit. Sofern der Verwaltungsakt überzeugende Ausführungen zur Schätzung enthält, reicht es aus, wenn das Gericht sich diese Ausführungen zu eigen macht und sie in seinen Entscheidungsgründen nachvollzieht (vgl. Bundessozialgericht, a.a.O., Rdnr. 28).
Danach ist es in aller Regel nicht zu beanstanden, wenn die Kassenärztliche Vereinigung in den Fällen, in denen die vom Arzt geltend gemachte Quartalsvergütung bezogen auf den Fallwert wesentlich über dem Durchschnitt seiner Fachgruppe liegt, deutliche Abschläge gegenüber der ursprünglich geltend gemachten Honorarforderung vornimmt und sich im Wege pauschalierender Schätzung damit begnügt, ihm ein Honorar z.B. in Höhe des Fachgruppendurchschnitts – oder in KV-Bezirken mit hohen Fallwerten eventuell niedriger – zuzuerkennen (vgl. Bundessozialgericht, a.a.O.).
b) Hieran gemessen hat das Sozialgericht die von der Beklagten verfügte Honorarkürzung zu Recht korrigiert und eine Rückführung des Honorars für Gesprächsleistungen nach EBM-Nr. 03120 auf den Fachgruppendurchschnitt (Häufigkeit der EBM-Nr. 03120 in Prozent der Abrechnungsfälle) vorgenommen. Die Entscheidung der Beklagten war nämlich aus den vom Sozialgericht genannten Gründen rechtswidrig. Tatsächlich darf nicht zu Lasten der Kläger unterstellt werden, sie hätten gar keine Gesprächsleistungen (ordnungsgemäß) erbracht. Auf der anderen Seite drängt sich eine Rückführung des Honorars für Gesprächsleistungen auf den Fachgruppendurchschnitt geradezu auf und kein anderer Kürzungsansatz ist plausibel. Grundsätzlich ist bei Kürzungsentscheidungen der vorliegenden Art eine Orientierung am Fachgruppendurchschnitt gängig, von der Judikatur anerkannt und führt zu sachgerechten Ergebnissen. Dabei kann nicht nur in geeigneten Fällen das Gesamthonorar demjenigen des Fachgruppendurchschnitts angeglichen werden. In Fällen wie dem vorliegenden, die sich dadurch auszeichnen, dass eine einzige Leistung nach dem EBM implausibel abgerechnet wurde, ist es in der Regel ohne Weiteres machbar und im Ergebnis verhältnismäßig, die für die spezielle Leistung zu beanspruchende Vergütung auf den Fachgruppendurchschnitt zurückzuführen; jede weiter gehende Kürzung verstieße gegen das Übermaßverbot.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Verwaltungsgerichtsordnung. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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BRB
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