L 9 R 1110/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 7 R 1476/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 1110/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 22. Januar 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe der Regelaltersrente.

Der 1948 geborenen Klägerin und Mutter eines 1970 geborenen Kindes wurde mit Schreiben der Beklagten vom 19.12.2003 eine Rentenauskunft erteilt, in deren Anlage 3 auf Seite 3 unter der Überschrift "Mindestentgeltpunkte bei geringem Arbeitsentgelt" ausgeführt wurde, für die Zeit bis zum 31.12.1991 errechneten sich 5,8501 zusätzliche Entgeltpunkte, da der Monatsdurchschnitt aus allen vollwertigen Pflichtbeiträgen nicht den Wert von 0,0625 erreiche. Die zusätzlichen Entgeltpunkte seien auf die Kalendermonate mit vollwertigen Pflichtbeiträgen bis 31.12.1991 gleichmäßig zu verteilen.

In den Folgejahren erteilte die Beklagte weitere Rentenauskünfte. Während in den Auskünften vom 26.10.2005 und 07.03.2008 noch zusätzliche Entgeltpunkte ermittelt worden waren, fehlten diese in den Rentenauskünften vom 10.09.2009, 12.05.2011 und 23.04.2012 wegen Überschreitens des Wertes von 0,0625.

Am 14.12.2012 beantragte die Klägerin die Gewährung von Regelaltersrente, die ihr die Beklagte mit Bescheid vom 03.01.2013 ab dem 01.04.2013 in Höhe des Zahlbetrags von 1013,41 EUR bewilligte (monatliche Rente 1129,15 EUR abzgl. Beitragsanteile zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 92,59 EUR bzw. 23,15 EUR). In Anlage 3 auf Seite 3 wurde mitgeteilt, dass zusätzliche Entgeltpunkte für Pflichtbeitragszeiten bis zum 31.12.1991 nicht zu ermitteln seien, weil der Monatsdurchschnitt aus allen vollwertigen Pflichtbeitragszeiten den Wert von 0,0625 erreiche. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 14.01.2013 Widerspruch ein mit der Begründung, es sei zu prüfen, warum die Monatsdurchschnitte aller vollwertigen Pflichtbeitragszeiten den Durchschnittswert nicht erreichten (Mindestentgeltpunkte bei geringem Arbeitsentgelt). Auch seien alle Entgeltpunkte (Beitragszeiten, persönliche, beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten) nochmals genau zu prüfen. Nachdem die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 23.01.2013 die Voraussetzungen für zusätzliche Entgeltpunkte gemäß § 262 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) sowie die Bedeutung von beitragsgeminderten, beitragsfreien und vollwertigen Beitragszeiten im Einzelnen erklärt hatte, trug die Klägerin ergänzend vor, die verrechneten Zeiten erschienen ordnungsgemäß. Jedoch sei ein begünstigender Verwaltungsakt ohne ihre Kenntnis zurückgenommen worden. Es sei zu befürchten, dass die Fristen für eine Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes nicht eingehalten seien. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.05.2013 mit der Begründung zurück, die Klägerin habe nicht konkret dargelegt, dass die Rentenberechnung dem geltenden Recht widerspreche. Bei dieser seien alle nachgewiesenen bzw. glaubhaft gemachten Beitragszeiten, Kindererziehungszeiten und Anrechnungszeiten berücksichtigt worden. Die Berechnung selbst entspreche den gesetzlichen Vorschriften.

Hiergegen hat die Klägerin am 13.06.2013 Klage vor dem Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben und vortragen lassen, Streitpunkt sei die Mindestbewertung von Pflichtbeitragszeiten vor 1992. Der Klägerin sei in einem positiven Bescheid eine höhere Rente avisiert worden, die angeglichen werden sollte aufgrund jener Zeit, in welcher sie wegen der Kindererziehung nicht voll habe berufstätig sein können. Die von der Deutschen Rentenversicherung avisierten weiteren 5 Prozentpunkte, einem heutigen Wert von 140,35 EUR Altersrente, seien der Klägerin nun aberkannt worden. Diese Aufhebung des Bescheids sei zu Unrecht erfolgt. Im Vergleich zu Teilzeit arbeitenden Rentenbezieherinnen, die diese Anrechnung erhalten hätten, sei sie schlechter gestellt. Soweit in der Rentenauskunft aus dem Jahre 2003 auf Seite 3 der Satz enthalten sei, "die Rentenauskunft ist deshalb nicht rechtsverbindlich", beziehe sich das Wort "deshalb" nur auf den Absatz davor, worin ausgeführt sei, Minderungen des errechneten Betrages kämen in Betracht, wenn eine Unfallrente bezogen würde oder sich Änderungen bei Wechsel der Staatsangehörigkeit oder Umzug in einen anderen Staat sowie aufgrund künftig wirksam werdender neuer Rechtsvorschriften ergäben. Die Angleichung sei nach dem damaligen Recht offenkundig geltendes Recht gewesen, so dass in der Berechnung der Rente eine Zusicherung liege. Weder der Rentenberater beim letzten Arbeitgeber der Klägerin noch der Rentenberater der Beklagten hätten nachvollziehen können, dass der Klägerin die Anteile der 5 Prozentpunkte der Angleichung genommen worden seien.

Hierzu hat die Beklagte erwidert, der Grund für die Abweichung zwischen der Rentenauskunft aus 2003 und dem aktuellen Rentenbescheid liege in der weiteren Beitragsleistung der Klägerin durch weitere vollwertige Pflichtbeiträge, die die Klägerin nach der Rentenauskunft zurückgelegt habe. Hierdurch lägen die Voraussetzungen für die Mindestbewertung nach § 262 SGB VI nicht mehr vor. Bei der Rentenauskunft handele es sich nicht um eine Zusicherung, zumal in der Anlage 3 auf Seite 3 ausdrücklich der Hinweis enthalten sei, dass diese nicht rechtsverbindlich sei. Die Rentenauskunft stelle auch keinen Bescheid dar. Auf § 109 Abs. 2 i.V.m. § 149 Abs. 5 S. 3 SGB VI werde verwiesen. Da die Klägerin nach dem 19.12.2003 weitere Rentenauskünfte und Renteninformationen erhalten habe, müsse ihr schon frühzeitig eine Veränderung in der Mindestbewertung offensichtlich geworden sein.

Mit Urteil vom 22.01.2014 hat das SG die Klage abgewiesen mit der Begründung, die Beklagte habe zu Recht bei der Berechnung der Regelaltersrente keine Mindestentgeltpunkte bei geringem Arbeitsentgelt berücksichtigt, da sich aus den Kalendermonaten mit vollwertigen Pflichtbeiträgen kein Durchschnittswert von weniger als 0,0625 Entgeltpunkten ergeben habe. Über die Mindestentgeltpunkte gemäß § 262 SGB VI habe die Beklagte auch keine Zusicherung im Sinne des § 34 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erteilt. Vielmehr habe es sich um ein Berechnungselement gehandelt, dessen Voraussetzungen zum maßgebenden Zeitpunkt der Rentenberechnung geprüft werden müssten. Etwas anderes folge auch nicht daraus, dass in Renteninformationen Hochrechnungen über die künftige Regelaltersrente vorgenommen worden seien, da auch diese Hochrechnungen keine Zusicherung in Bezug auf die Mindestentgeltpunkte enthielten.

Am 05.03.2014 hat die Klägerin Berufung gegen das genannte Urteil beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingereicht mit der bereits zuvor abgegebenen Begründung. Ergänzend ist dargelegt worden, die nachträgliche Aberkennung der streitigen Rentenpunkte habe in doppelter Hinsicht zu einer Verschlechterung geführt: Zum einen habe sie ihren Bonus als Mutter und Erzieherin ihrer Kinder verloren, was per se schon im Grundgesetz anders verankert sei, und zum anderen sei die Berechnung nach Verlust dieser Angleichung wieder doppelt negativ für die Klägerin ausgefallen, da der Grundsockelbetrag anders berechnet worden sei, indem diese 5,8501 Entgeltpunkte einfach abgezogen worden seien. Fakt bleibe, dass die Klägerin aufgrund der Kindererziehung keine volle Leistung im Beruf habe erbringen können. Die 5,8501 Rentenpunkte seien zwischen den Jahren 2003 und 2008 gestrichen worden, ohne dass dies der Klägerin mitgeteilt worden sei. Sie habe also keine Möglichkeit gehabt, sich dagegen zu wehren, und sei im Unklaren darüber gelassen worden, wie hoch ihre Versorgungslücke sei. Durch die Art und Weise des Handlings und die Nichtoffenlegung der Tatsachen habe die Klägerin eine massive Versorgungslücke, da der ihr nicht ausbezahlte Betrag nun auch in den privaten Vorsorgemaßnahmen fehle.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 22. Januar 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Abänderung des Bescheides vom 3. Januar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2013 eine um 5,8501 Entgeltpunkte höhere Regelaltersrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat auf die Ausführungen der erstinstanzlichen Entscheidung, den Akteninhalt und ihr bisheriges Vorbringen Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 18.09.2014 hat die Beklagte die Rente wegen eines Zuschlags für Kindererziehung neu berechnet.

Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Akten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und zulässig. Gegenstand des Klage- und Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 03.01.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2013, worin die Beklagte der Berechnung der Regelaltersrente keine zusätzlichen Entgeltpunkte als Mindestentgeltpunkte bei geringem Arbeitsentgelt für die Zeit bis zum 31.12.1991 zugrundegelegt hat. Nicht Gegenstand des Verfahrens geworden gemäß § 96 SGG ist der Rentenbescheid vom 18.09.2014, da sich sein Regelungsgehalt auf die Neuberechnung der Rente wegen Kinderziehungszuschlages beschränkt und insoweit einen selbstständigen Streitgegenstand darstellt (siehe hierzu BSGE, Urteil vom 10.04.2003, B 4 RA 41/02 R).

Die Berufung ist unbegründet, da das SG die Klage zu Recht abgewiesen hat. Die Klägerin hat - bedingt durch das Überschreiten des maximalen Durchschnitts von 0,0625 Entgeltpunkten - keinen Anspruch auf zusätzliche Entgeltpunkte und damit auf Gewährung einer höheren Altersrente, und zwar weder gemäß § 262 SGB VI noch aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten und auch nicht aufgrund der Rentenauskunft aus 2003 oder aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs.

Gemäß § 262 Abs. 1 SGB VI wird die Summe der Entgeltpunkte für Beitragszeiten erhöht, wenn mindestens 35 Jahre mit rentenrechtlichen Zeiten vorhanden sind und sich aus den Kalendermonaten mit vollwertigen Pflichtbeiträgen ein Durchschnittswert von weniger als 0,0625 Entgeltpunkten ergibt. Nach Satz 2 dieser Vorschrift sind die zusätzlichen Entgeltpunkte so zu bemessen, dass sich für die Kalendermonate mit vollwertigen Pflichtbeiträgen vor dem 01.01.1992 ein Durchschnittswert in Höhe des 1,5fachen des tatsächlichen Durchschnittswerts, höchstens aber i.H.v. 0,0625 Entgeltpunkte ergibt.

Vorliegend ist die zweite Voraussetzung, nämlich das Nichtüberschreiten der Höchstgrenze von 0,0625 Entgeltpunkten, nicht erfüllt, da die Klägerin ausweislich des Rentenbescheides diese Höchstgrenze geringfügig mit einem Wert von 0,0663 Entgeltpunkten überschritten hat (36,2927 Entgeltpunkte: 547 Monate = 0,0663 Punkte). Insofern stellt sich die Sachlage anders dar als zur Zeit der Rentenauskunft im Jahre 2003, da zum damaligen Zeitpunkt lediglich 24,4762 Entgeltpunkte erreicht waren, die auf 424 Monate mit vollwertigen Pflichtbeiträgen zu verteilen waren (24,4762 Entgeltpunkte: 444 Monate = 0,0577 Punkte).

Das Argument der Klägerin, sie sei heute schlechter gestellt als andere Rentnerinnen, die die Angleichung erhalten hätten, und sie habe ihren Bonus als Mutter und Erzieherin ihrer Kinder verloren, was dem Grundgesetz widerspreche, führt zu keinem anderen Ergebnis. Gleiches gilt für ihr Argument, die nachträgliche Aberkennung der Rentenpunkte habe zu einer Verschlechterung ihrer Situation geführt. Sinn der aktuellen Vorschrift des § 262 SGB VI ist es, die Minderung erzielter Arbeitsverdienste in der Erwerbsbiografie - insbesondere beispielsweise aufgrund von Teilzeitbeschäftigung - durch die "Anhebung" der Entgeltpunkte zu kompensieren (s. hierzu und zum Folgenden LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 27.03.2015, L 14 R 122/13 unter Hinweis auf BT-Drucksache 11/4124, S. 201, juris). Damit wird bezweckt, vor allem Frauen, die durch Beschäftigung in den unteren Lohngruppen sowie berufliche Unterbrechungen wegen Kindererziehung nicht wie Männer in der Lage waren, sich angemessene Rentenleistungen aufzubauen, eine Kompensation zu geben. Die Vorschrift stellt dabei eine Sonderregelung zu § 70 SGB VI dar (Dankelmann in: jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 262 SGB VI, Rn. 15). Dabei entspricht der Wert von 0,0625 Entgeltpunkten 75 Prozent des Durchschnittseinkommens. Aus Praktikabilitätsgesichtspunkten hat der Gesetzgeber eine feste Grenze gezogen und damit seinen Willen zum Ausdruck gebracht, nur solche Renten zu privilegieren, die unter einem durchschnittlichen Entgeltpunktewert von 0,0625 Punkten liegen (LSG Nordrhein-Westfalen a.a.O.) Das Ergebnis ist auch sachgerecht und stellt keinen Verstoß gegen Verfassungsrecht - insbesondere Art. 3 Grundgesetz (GG), Art. 14 GG und Art. 6 GG - dar. Die Klägerin steht damit wie alle anderen Versicherten da, die diesen Grenzwert aufgrund der erzielten Verdienste in der Erwerbsbiografie in ihrem Rentenleben überschreiten. Die Unterlassung der Berücksichtigung der Mindestentgeltpunkte nach § 262 SGB VI bei der Klägerin beinhaltet daher keinen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot nach Art. 3 GG, sondern gewährleistet gegenüber anderen Versicherten vielmehr gerade das Gebot der Gleichbehandlung (s. LSG Nordrhein-Westfalen a.a.O.), so dass ihr Argument, sie stünde schlechter als andere Arbeitnehmerinnen, nicht verfängt. In dem Umstand, dass sich die Situation der Klägerin, wie sie vorträgt, durch die Aberkennung der Rentenpunkte verschlechtert habe, liegt auch kein Verstoß gegen Art. 14 GG, da alle Beitragszeiten der Klägerin im Versicherungsverlauf Berücksichtigung finden. Der fiktiven Berücksichtigung weiterer Entgeltpunkte nach § 262 SGB VI stehen keine Beitragszeiten gegenüber, so dass eine Eigentumsverletzung schon mangels Verletzung des Schutzbereichs von Art. 14 GG ausscheidet (LSG Nordrhein-Westfalen a.a.O.). Die Vorschrift verstößt auch nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG, wonach Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen. Hieraus ergibt sich lediglich eine allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich, ohne dass eine konkrete Entscheidung darüber vorgesehen ist, in welchem Umfang und in welcher Weise ein sozialer Ausgleich vorzunehmen ist; vielmehr besteht insoweit grundsätzlich eine Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (s. hierzu BSG, Urteil vom 12.12.2006, B 13 RJ 22/05 R m.w.N.). Vorliegend hat der Gesetzgeber, wie oben dargelegt, einen Ausgleich für kindererziehungsbedingte niedrigere Beitragszahlungen geschaffen, indem er zusätzliche Entgeltpunkte zuerkannt hat, sofern die Höchstgrenze von 0,0625 nicht erreicht wird. Damit hat der Gesetzgeber indes seiner Pflicht Genüge getan, die Familie zu schützen. Eine Pflicht des Gesetzgebers, eine Mutter wegen Kindererziehungszeiten über den Wert von 75 % des Durchschnittseinkommens hinaus zu privilegieren, lässt sich aus Art. 6 GG nicht herleiten. Ein Anspruch auf Berücksichtigung zusätzlicher Entgeltpunkt ergibt sich auch nicht aus der Rentenauskunft vom 19.12.2003.

Bei diesem Schreiben handelt es sich nicht um eine Zusicherung im Sinne des § 34 Abs. 1 SGB X (s. hierzu und zum Folgenden LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 07.07.2016, L 7 R 273/15 m.w.N., juris). Eine Zusicherung ist eine durch die zuständige Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen. Die Zusicherung ist eine hoheitliche Selbstverpflichtung mit Bindungswillen. Mit ihr verpflichtet sich die Behörde bereits vorab, den Fall später in der zugesicherten Weise zu regeln. Dazu gehört zum einen der Wille der Behörde, sich auf ein zukünftiges Tun oder Unterlassen zu verpflichten, zum anderen muss sich die Erklärung auf einen konkreten Sachverhalt beziehen. Aus der Zusicherung muss insbesondere hervorgehen, dass sich die Behörde für die Zukunft zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen verbindlich festlegen will. Von der Zusicherung zu unterscheiden ist die bloße Auskunft, bei der es sich um eine unverbindliche Wissensmitteilung bezüglich der Sach- und Rechtslage handelt. Bei der Beurteilung, ob eine verbindliche Zusicherung oder eine unverbindliche Auskunft vorliegt, ist maßgebend der erklärte Wille der Behörde, wie ihn der Empfänger bei objektiver Wertung verstehen musste (LSG Baden-Württemberg a.a.O. unter Verweis auf LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.02.2013, L 13 R 4059/12, juris).

Zur Überzeugung des Senats geht das Schreiben der Beklagten vom 19.12.2003 hinsichtlich seiner Ausführungen zu den Mindestentgeltpunkten bei geringem Arbeitsentgelt nicht über eine unverbindliche Rentenauskunft im Sinne des § 109 SGB VI (sowohl in der damals geltenden als auch heute gültigen Fassung) hinaus (vgl. dazu auch bereits BSG, Urteil vom 25.02.2010, B 13 R 41/09 R; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 07.07.2016 a.a.O.). Die Klägerin konnte und durfte bei objektiver Wertung die Renteninformation nicht dahingehend als Zusicherung verstehen, ihr stünden unabhängig von den durch Pflichtbeiträge in Zukunft erreichten Entgeltpunkten in jedem Fall zusätzliche Entgeltpunkte zu. Zwar ergibt sich dies nicht aus dem Satz auf Seite 3, "die Rentenauskunft sei deshalb nicht rechtsverbindlich", da sich dieser Satz, worauf die Klägerbevollmächtigte zutreffend hingewiesen hat, allein auf den vorherigen Absatz bezieht, in dem auf Änderungen der aktuellen Bestimmungen, den Bezug einer Unfallrente und sonstiger Veränderungen (Wechsel Staatsangehörigkeit etc.) Bezug genommen wird. Jedoch ist bereits auf der ersten Seite der Rentenauskunft unmissverständlich dargelegt, dass es sich um eine Auskunft "nach dem jetzigen Stand" handelt. Auf Seite 3 der Anlage 3 wird dann unter der Überschrift "Entgeltpunkte für Beitragszeiten" angeführt, es entfielen auf alle vollwertigen Pflichtbeiträge 24,4762 Entgeltpunkte für 424 Monate und auf vollwertige Pflichtbeiträge bis 31.12.1991 12,3999 Entgeltpunkte für 292 Monate. Es liegt auf der Hand, dass sich die Höhe der Entgeltpunkte ebenso wie die Anzahl der Monate noch ändern, wenn der Versicherte weiterhin versicherungspflichtig beschäftigt ist. Unter der Überschrift "Mindestentgeltpunkte bei geringem Arbeitsentgelt" wird im Anschluss dargelegt, dass die Entgeltpunkte für Pflichtbeiträge bis 31.12.1991, die nicht als beitragsgeminderte Zeiten gekennzeichnet sind und nicht während des Bezuges einer Rente aus eigener Versicherung entrichtet wurden (vollwertige Pflichtbeiträge), auf das 1,5 fache des tatsächlichen Durchschnittswertes, höchstens jedoch auf 0,0625 monatlich anzuheben sind, wenn sich aus allen vollwertigen Pflichtbeiträgen ein Durchschnitt von weniger als 0,0625 Entgeltpunkten ergibt. Im Anschluss erfolgt die Berechnung, dass 24,4762 Entgeltpunkte verteilt auf 424 Monate 0,0577 Punkte ergeben. Auch an dieser Stelle ist jedem verständigen, objektiven Empfänger klar, dass sich letztere Zahl in der Zukunft noch verändern wird, wenn weitere Monate mit Pflichtbeiträgen hinzukommen, und dass dann die Voraussetzung für den Erwerb zusätzlicher Entgeltpunkte, nämlich das Nichterreichen des Durchschnitts von weniger als 0,0625 Entgeltpunkten, gegebenenfalls nicht mehr vorliegt.

Insofern handelt es sich bei dem Schreiben vom 19.12.2003 um eine typische Rentenauskunft im Sinne des § 109 SGB VI (alte und neue Fassung) und nicht um eine Zusicherung im Sinne des § 34 SGB X. Es bedurfte insofern auch keiner förmlichen Rücknahme nach den §§ 44 und 45 SGB X. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass selbst bei unterstelltem Vorliegen einer Zusicherung diese jedenfalls mit der Rentenauskunft vom 10.09.2009 konkludent aufgehoben worden wäre, da wegen Erreichens eines Wertes von 0,0625 Entgeltpunkten als Monatsdurchschnitt aus allen vollwertigen Pflichtbeitragszeiten bereits zu diesem Zeitpunkt keine zusätzlichen Entgeltpunkte zu ermitteln waren (vgl. Anlage 3 Seite 3 der Auskunft vom 10.09.2009).

In der Rentenauskunft aus 2003 liegt auch kein Verwaltungsakt. Zum einen enthält diese ausdrücklich den Zusatz "kein Rentenbescheid", zum anderen fehlt es inhaltlich an einer Regelung mit Außenwirkung im Einzelfall (§ 31 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Diesbezüglich kann im Hinblick auf die fehlende Verbindlichkeit auf die Ausführungen oben verwiesen werden. Auch hier läge zudem in der Rentenauskunft aus 2009 eine konkludente Aufhebung eines - unterstellten - in der Rentenauskunft 2003 liegenden Verwaltungsaktes, so dass sich hieraus keine Ansprüche mehr herleiten ließen.

Der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, dass nicht nur in der Rentenauskunft aus 2009, sondern auch in weiteren von der Klägerin vorgelegten Rentenauskünften vom 12.05.2011 und 23.04.2012 ausgeführt wird, dass der Monatsdurchschnitt aus allen vollwertigen Pflichtbeitragszeiten den Wert von 0,0625 erreiche, so dass zusätzliche Entgeltpunkte nicht zu ermitteln seien. Insofern ist nicht nachvollziehbar, warum sich die Klägerin nach wie vor auf die Rentenauskunft von 2003 bezieht, wenn doch in den Folgejahren ab 2009 weitere Rentenauskünfte bereits den Erwerb zusätzlicher Entgeltpunkte verneint haben.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Berücksichtigung weiterer Entgeltpunkte nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch hat zur Voraussetzung (vgl. BSG, Urteil vom 18.01.2011, B 4 AS 29/10 R, juris), dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund des Gesetzes oder eines Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Beratung und Auskunft (§§ 14, 15 SGB I), verletzt hat. Ferner ist erforderlich, dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Schließlich muss der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können. Die Korrektur durch den Herstellungsanspruch darf dem jeweiligen Gesetzeszweck nicht widersprechen.

Vorliegend ist schon nicht ersichtlich, worin die Pflichtverletzung der Beklagten liegen soll, da die Ausführungen in den Rentenauskünften zutreffend sind. Es kann auch nicht argumentiert werden, die Klägerin sei über den Wegfall der zusätzlichen Entgeltpunkte nicht informiert worden, da in den Rentenauskünften ab 2009 ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass zusätzliche Entgeltpunkte nicht zu vergeben sind. Nicht nachvollziehbar ist auch der Vortrag der Klägerin, aufgrund der fehlenden Informationen sei ihr die Möglichkeit genommen worden, die entstehende Versorgungslücke privat zu schließen. So ergibt sich aus der Rentenauskunft vom 19.12.2003 eine monatliche Altersrente i.H.v. 1037,79 EUR, wenn die Klägerin bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres jährlich Entgeltpunkte wie im Durchschnitt der letzten fünf Kalenderjahre erwerben sollte. Aus der Rentenauskunft vom 26.10.2005 ergibt sich eine voraussichtliche Regelaltersrente von 1034,76 EUR, die Auskunft aus 2008 beziffert eine solche mit 1012,53 EUR. Tatsächlich wurde der Klägerin mit Bescheid vom 03.01.2013 dann eine Altersrente in Höhe von 1129,15 EUR bewilligt (Zahlbetrag nach Abzug von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung 1013,41 EUR), so dass sich die prognostizierte und tatsächliche Rente kaum in der Höhe unterscheiden. Eine aufgrund von Unwissenheit nicht geschlossene Versorgungslücke kann der Senat daher nicht erkennen. Insofern fehlt es auch an der Kausalität zwischen der unterstellten Pflichtverletzung der Beklagten in Form einer unzureichenden Information und einem eingetretenen Nachteil. Überdies käme eine Korrektur im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ohnehin nicht in Betracht, da die Zuerkennung zusätzlicher Entgeltpunkte bei Nichtvorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen keine zulässige Amtshandlung darstellt.

Da sonstige Fehler bei der Berechnung der Rentenhöhe nicht ersichtlich und auch von der Klägerin nicht vorgetragen worden sind, ist der Rentenbescheid vom 03.01.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2013 nicht zu beanstanden.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved